Bundesgerichtshof
Urt. v. 19.12.1980, Az.: V ZR 185/79
Möglichkeit erhöhter Abschreibungen als zugesicherte Eigenschaft ; Verjährungsfrist bei der Sachmängelgewährleistung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 19.12.1980
- Aktenzeichen
- V ZR 185/79
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1980, 11909
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Düsseldorf - 24.10.1979
- LG Wuppertal
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHZ 79, 183 - 187
- DB 1981, 784-785 (Volltext mit amtl. LS)
- DNotZ 1981, 489-490
- JZ 1981, 276-277 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1981, 659 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1981, 864-865 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Kaufmann Egbert H., Adolf-W.-Straße ..., R.
Prozessgegner
Versicherungskaufmann Klaus B., A.straße R.
Amtlicher Leitsatz
Die Möglichkeit erhöhter Abschreibungen nach § 7 b EStG ist eine zusicherungsfähige Sacheigenschaft im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 1980
durch
den Vorsitzenden Richter Hill und
die Richter Dr. Eckstein, Prof. Dr. Hagen, Linden und Dr. Vogt
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 24. Oktober 1979 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Beklagte errichtete im Jahre 1967 ein Mehrfamilienhaus in R. und vermietete die Wohnungen. Im Jahre 1972 teilte er das Haus in Eigentumswohnungen auf. Durch notariellen Vertrag vom 3. November 1972 kauften der Kläger und seine Ehefrau eine dieser Eigentumswohnungen, Der Vertrag enthielt u.a. folgende Klausel:
"V. Sonstiges
Die steuerlichen Vorteile, z.B. nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes, können die Käufer voll für sich in Anspruch nehmen."
Auf Wunsch der Käufer bestätigte der Beklagte ihnen durch Schreiben vom 4. Dezember 1972, daß er als Bauherr die 7 b-Abschreibung nicht in Anspruch nehme und die Möglichkeit der Inanspruchnahme auf sie übertrage.
Der Kläger und seine Ehefrau machten in der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1972 die Abschreibung gemäß § 7 b EStG in Höhe von 6.385,00 DM geltend. Das Finanzamt lehnte die beantragte Steuervergünstigung ab und wies den Einspruch am 11. November 1975 endgültig zurück. Zur Begründung führte es aus, daß das Haus nicht schon bei der Fertigstellung die Voraussetzungen der genannten Vorschrift erfüllt habe; die spätere Teilung sei nicht als Herstellung im Sinne des § 7 b Abs. 1 Satz 1 EStG anzusehen.
Aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau verlangt der Kläger mit der Klage in Höhe von 10.300,80 DM nebst Zinsen Ersatz des Ausfalls der steuerlichen Abschreibungsvorteile nach § 7 b EStG für die Jahre 1972 bis 1975. Er macht geltend: Der Beklagte habe ihm bei den Verhandlungen und bei Abschluß des Kaufvertrages zugesichert, nach Rücksprache mit dem Finanzamt stehe fest, daß er, der Kläger, berechtigt sei, die Abschreibung der Herstellungskosten der Wohnung voll in Anspruch zu nehmen. Er und seine Ehefrau hätten einen um den Betrag des ausgefallen Abschreibungsvorteils geringeren Kaufpreis gezahlt, wenn der Beklagte ihnen nicht schuldhaft unzutreffende Angaben über die Steuervergünstigung gemacht hätte.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie, nachdem der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben hatte, abgewiesen. Mit der - vom Oberlandesgericht zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers aufgrund der Vorschriften über die kaufvertragliche Sachmängelgewährleistung (§§ 459 ff, 463 BGB) schon deswegen verneint, weil der Beklagte ihn nicht arglistig getäuscht habe und daher die Einrede der Verjährung durchgreife (§ 477 BGB). Eine Haftung des Beklagten wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen hat es im Hinblick darauf abgelehnt, daß diese Anspruchsgrundlage durch die Sondervorschriften über die Sachmängelgewährleistung ausgeschlossen werde und ein solcher Anspruch im übrigen ebenfalls verjährt wäre. Des weiteren hat es das Vorliegen eines Beratungsvertrages, dessen Verletzung den Klageanspruch rechtfertigen könnte, verneint und auch eine inhaltliche Anpassung des Kaufvertrages wegen Fortfalls der Geschäftsgrundlage abgelehnt.
II.
1.
Die Revision rügt, daß das Berufungsgericht das Fehlen der Voraussetzungen für die Steuervergünstigung nach § 7 b EStG nicht als Rechts-, sondern als Sachmangel der gekauften Eigentumswohnung angesehen und daher die Verjährungseinrede für durchgreifend erachtet habe.
a)
Entgegen der Ansicht der Revision kommt ein Rechtsmangel im Sinne des § 434 BGB hier von vornherein nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer den verkauften Gegenstand frei von Rechten zu verschaffen, die von Dritten gegen den Käufer geltend gemacht werden können. Das Fehlen der erhöhten Abschreibungsmöglichkeit nach § 7 b EStG begründet kein Recht eines Dritten an dem Wohnungseigentum des Klägers und seiner Ehefrau, sondern verhindert lediglich eine Ermäßigung ihrer persönlichen Steuerschuld (vgl. zum Rechtsmangel auch die Senatsurteile vom 10. März 1978, V ZR 69/76, NJW 1978, 1429 und vom 27. April 1979, V ZR 204/77, LM BGB § 434 Nr. 5 m.w.N. - Fideikommiß).
b)
Damit ist indessen, wie die Revision hilfsweise mit Recht erwägt und wohl auch das Berufungsgericht nicht verkennt, noch nicht gesagt, daß es sich um einen Sachmangel handeln müßte; vielmehr sind die Voraussetzungen der Sachmängelhaftung gesondert zu prüfen.
Der Senat folgt dem Berufungsgericht darin, daß die vom Kläger behauptete Zusicherung der erhöhten Abschreibungsmöglichkeit als Zusicherung einer Eigenschaft im Sinne der §§ 459 Abs. 2, 463 BGB zu würdigen ist. Eigenschaften im vorgenannten Sinne sind - neben der physischen Beschaffenheit - alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, welche die Beziehung der Sache zur Umwelt betreffen und wegen ihrer Art und Dauer die Brauchbarkeit oder den Wert der Sache beeinflussen (vgl. BGHZ 34, 32, 41 [BGH 14.12.1960 - V ZR 40/60] m.w.N. - zu § 119 Abs. 2 BGB; Senatsurteil vom 28. November 1980, V ZR 105/79; Jauernig/Vollkommer, BGB § 459 III 2 a; Palandt/Putzo, BGB § 459 Anm. 4 b; Immenga, AcP 171, 1, 10 f). Auf dieser Grundlage wurde z.B. beim Kauf eines Hausgrundstücks der Mietertrag zwar nicht als Fehler im Sinne des § 459 Abs. 1, wohl aber als zusicherungsfähige Eigenschaft im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB angesehen (BGH Urteil vom 8. Februar 1980, V ZR 174/78, WM 1980, 673, 674 li. m.w.N.). Ebenso erlangt nach der Rechtsprechung der Reinertrag eines Unternehmens die Bedeutung einer Unternehmenseigenschaft nur, wenn er vertraglich zugesichert ist (BGH Urteil vom 18. März 1977, I ZR 132/75, Betrieb 1977, 1042). Auch wurde die Begutachtung eines Bildes als eigenhändiges Werk eines Künstlers als zusicherungsfähige Eigenschaft des Bildes angesehen (BGH Urteil vom 28. Juni 1972, VIII ZR 60/71, NJW 1972, 1658 = LM BGB § 463 Nr. 18). Gleiches gilt für die Höhe der abschreibungsfähigen Baunebenkosten eines gekauften Abschreibungsobjekts (BGH Urteil vom 8. Januar 1975, VIII ZR 124/73, WM 1975, 230). Diese rechtliche Beurteilung trifft auch für die Voraussetzungen der erhöhten Abschreibung eines Kaufgrundstücks nach § 7 b EStG zu, soweit sie nicht an die Person des Erwerbers gebunden sind und sich damit dem Verantwortungsbereich des Veräußerers entziehen. Die vom Kläger behauptete Zusicherung könnte daher grundsätzlich die Sachmängelhaftung wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft auslösen.
Dem Berufungsgericht ist daher darin zuzustimmen, daß die einjährige Verjährungsfrist nach § 477 BGB grundsätzlich maßgeblich wäre, wenn der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau die erhöhte Abschreibungsmöglichkeit zugesichert hätte.
c)
Die kurze Verjährung entfällt gemäß § 477 BGB jedoch dann, wenn der Verkäufer (Beklagter) die zugesicherte Eigenschaft arglistig vorgespiegelt hat. Bedenken begegnet insoweit die Begründung des Berufungsurteils, ein arglistiges Verhalten des Beklagten sei nicht feststellbar.
Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß Arglist mindestens bedingten Vorsatz voraussetzt und der Beklagte daher jedenfalls mit der Möglichkeit gerechnet und sie in Kauf genommen haben müßte, daß die erhöhte Abschreibungsmöglichkeit nach § 7 b EStG für den Kläger nicht bestehe (vgl. Senatsurteil vom 21. November 1952, V ZR 158/51, LM BGB § 463 Nr. 1; BGH Urteil vom 16. März 1977, VIII ZR 283/75, NJW 1977, 1055 [BGH 16.03.1977 - VIII ZR 283/75]).
Bedenken erweckt jedoch der Standpunkt des Berufungsgerichts, der Kläger habe für den bedingten Vorsatz des Beklagten keine Tatsachen dargelegt: Er habe lediglich vorgetragen, daß der Beklagte ihm wiederholt zugesichert habe, er, der Kläger, könne die Abschreibung nach § 7 b EStG in Anspruch nehmen; das stehe "nach Rücksprache mit dem Finanzamt" fest (BU 8, 9). Der Vortrag des Klägers schließt - ersichtlich auch im Verständnis des Berufungsgerichts - die Behauptung ein, der Beklagte habe tatsächlich nicht beim Finanzamt angefragt und nicht die angebliche positive Auskunft erhalten. Hätte der Beklagte gemäß diesem Vortrag bewußt wahrheitswidrig eine dem Kläger günstige Auskunft vorgespiegelt, so würde sich hiernach die weitere Folgerung aufdrängen, daß er sich in der Frage der Abschreibungsmöglichkeit nach § 7 b EStG selbst nicht sicher war und, gerade weil er auch mit der Möglichkeit einer Verneinung der Steuervergünstigung durch das Finanzamt rechnete, dem Kläger insoweit Sicherheit vortäuschen wollte.
Ähnlichen Bedenken unterliegt die Hilfsbegründung des Berufungsurteils, es sei "kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß der Beklagte die Unkenntnis des Klägers in diesem Punkte hätte ausnutzen wollen, um ein Abspringen vom Kaufvertrag zu verhindern oder auch nur einen höheren Kaufpreis zu erzielen" (BU 10 Abs. 2). Bei der - unterstellt - bewußt wahrheitswidrigen Behauptung, das Finanzamt habe die Abschreibungsmöglichkeit für den vorliegenden Fall bereits bejaht, drängt sich diese Motivation nämlich im gleichen Maße auf wie die Kenntnis von der Möglichkeit eines Sachmangels. Aus dem vom Berufungsgericht angeführten Senatsurteil vom 21. November 1969, V ZR 151/68, WM 1970, 162 ergibt sich insoweit nichts Abweichendes.
Das angefochtene Urteil kann daher mit der gegebenen Begründung nicht aufrechterhalten werden und ist aufzuheben. Da die Klage nunmehr als schlüssig anzusehen ist, sind tatrichterliche Feststellungen erforderlich. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
2.
Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht folgendes zu berücksichtigen haben.
a)
Sollte die Behauptung des Klägers, der Beklagte habe ihm eine positive Auskunft des Finanzamts vorgetäuscht, unbewiesen bleiben, so wird das Berufungsgericht die Grundsätze beachten müssen, die der Bundesgerichtshof für "Behauptungen ins Blaue hinein" aufgestellt hat. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt arglistiges Verschweigen eines Mangels bejaht, wenn ein Verkäufer auf Fragen des Käufers ohne tatsächliche Anhaltspunkte ("ins Blaue hinein") unrichtige Angaben über Mängelfreiheit gemacht hat. Er ist dabei davon ausgegangen, daß ein solcher Verkäufer, wenn er die für den Kaufentschluß des Käufers offensichtlich bedeutsame Frage unrichtig beantwortet, wenigstens mit der Möglichkeit von Mängeln rechnet (BGH Urteil vom 16. März 1977, VIII ZR 283/75, NJW 1977, 1055 [BGH 16.03.1977 - VIII ZR 283/75]; BGHZ 63, 382, 388; BGH Urteil vom 14. März 1979, VIII ZR 129/78, NJW 1979, 1707). Dementsprechend konnte im vorliegenden Falle die "ins Blaue hinein" gemachte Angabe des Beklagten, es bestehe die erhöhte Abschreibungsmöglichkeit nach § 7 b EStG, dafür sprechen, daß der Beklagte in diesem Punkte immerhin Zweifel gehabt hat. Dies liegt um so näher, als das Berufungsgericht festgestellt hat, der Beklagte sei ein Fachmann in Bau- und Finanzierungsfragen und in jener Zeit hätten Finanzämter und Finanzgerichte die Frage der Steuerbegünstigung einer Eigentumswohnung nach § 7 b EStG unterschiedlich beurteilt, wenn die Räume ursprünglich als Mietwohnung in einem Mehrfamilienhaus errichtet worden waren (BU 9).
b)
Sollte sich ergeben, daß die Erklärungen des Beklagten nicht als Zusicherung einer Eigenschaft im Sinne der §§ 459 Abs. 2, 463 BGB zu werten sind, so wäre ein Anspruch wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen (vgl. insoweit BGHZ 60, 319, 321 ff; BGH Urteil vom 12. Mai 1976, VIII ZR 33/74, WM 1976, 740) nicht mehr von vornherein ausgeschlossen (vgl. insoweit zur Hauszinssteuer RG DR 1940, 795, 796 a.E.; a.A. KG JW 1937, 1253). Allerdings würde ein solcher Anspruch, da sich das Verschulden des Verkäufers (Vorspiegeln einer durch Rückfrage gesicherten Behandlung seitens des Finanzamts) auf eine immerhin zusicherungsfähige Eigenschaft bezieht, ebenfalls grundsätzlich der einjährigen Verjährungsfrist analog § 477 Abs. 1 BGB unterliegen (vgl. BGH Urteil vom 19. Oktober 1964, VIII ZR 20/63, NJW 1965, 148 [BGH 19.10.1964 - VIII ZR 20/63]; kritisch Peters, VersR 1979, 103, 104), doch gilt damit auch die im Gesetz für den Fall der Arglist vorgesehene Ausnahme (vgl. zur Frage der Arglist, deren Bejahung jedenfalls dann nahegelegt wäre, wenn der Beklagte bewußt wahrheitswidrig eine Rückfrage beim Finanzamt mit positivem Ergebnis vorgetäuscht hätte, BGH Urteil vom 10. Juli 1968, VIII ZR 167/66).
Dr. Eckstein, Richter
Hagen, Richter
Linden, Richter
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