Bundesgerichtshof
Beschl. v. 05.02.1980, Az.: 1 StR 763/79
Unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung der Einfuhr von Betäubungsmitteln; Annahme mehrerer selbständiger Handlungen im Zweifel
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 05.02.1980
- Aktenzeichen
- 1 StR 763/79
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1980, 14198
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Bayreuth - 27.09.1979
- LG Bayreuth - 04.07.1979
Rechtsgrundlagen
Verfahrensgegenstand
Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz u.a.
Prozessführer
Textilarbeiter German R. aus W., geboren am ... 1951 in K., zur Zeit in Haft,
Sonstige Beteiligte
B. u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf Antrag des Generalbundesanwalts und
nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 5. Februar 1980 gemäß § 349 Abs. 2, 3 und 4 StPO
einstimmig beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Verwerfungsbeschluß des Landgerichts Bayreuth vom 27. September 1979 wird aufgehoben.
- 2.
Auf die Revision des Angeklagten R. wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 4. Juli 1979
- a)
im Fall II 1 hinsichtlich des Beschwerdeführers und des Mitangeklagten B. im Schuldspruch dahin abgeändert, daß die tateinheitliche Verurteilung wegen gemeinschaftlichen Bannbruchs entfällt,
- b)
im Fall II 2 hinsichtlich des Beschwerdeführers mit den Feststellungen aufgehoben,
- c)
im Strafausspruch hinsichtlich des Beschwerdeführers in vollem Umfang, hinsichtlich des Mitangeklagten B. in der im Fall II 1 verhängten Einzelstrafe sowie im Ausspruch Über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben.
- 3.
Im Umfange der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch Über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- 4.
Die weitergehende Revision des Angeklagten R. wird verworfen.
Gründe
1.
Nach der dienstlichen Erklärung des Ersten Justizwachtmeisters L. kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Revisionsbegründungsschrift des Angeklagten rechtzeitig in den Nachtbriefkasten des Landgerichts eingeworfen worden ist, dort aber zunächst hängenblieb und nach der automatischen Umstellung in das Eingangsfach des nächsten Tages fiel. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, daß das Rechtsmittel rechtzeitig eingelegt worden ist (BGH NJW 1960, 2202, 2203). Der Verwerfungsbeschluß des Landgerichts vom 27. September 1979 war daher aufzuheben.
2.
Die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten R. wegen gemeinschaftlichen Bannbruchs im Fall II 1 muß entfallen, weil nach § 372 Abs. 2 AO eine Bestrafung wegen Bannbruchs nur dann erfolgen kann, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften als Zuwiderhandlung gegen ein Einfuhrverbot mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Das ist hier der Fall, weil die unerlaubte Einfuhr von Haschisch bereits nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 BtMG bestraft wird; insoweit ist der einfache Bannbruch gegenüber § 11 Abs. 1 Nr. 1 BtMG subsidiär (BGH, Beschluß vom 19. Mai 1978 - 4 StR 134/78).
Es muß auch davon ausgegangen werden, daß dieser Rechtsfehler sich zum Nachteil des Angeklagten auf die in diesem Fall verhängte Einzelstrafe und damit auch auf die Gesamtstrafe ausgewirkt hat, denn das Landgericht hat bei der Strafzumessung die tateinheitliche Verurteilung wegen Bannbruchs ausdrücklich straferschwerend gewertet (UA S. 17).
Die Änderung des Schuldspruchs und die Aufhebung des Einzelstrafausspruchs in diesem Falle sowie der Gesamtstrafe ist gemäß § 357 StPO auch auf den Mitangeklagten B. zu erstrecken, der nicht Revision eingelegt hat.
Dagegen bestehen gegen die Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in diesem Falle keine Bedenken; daß der Angeklagte nicht auch wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln verurteilt worden ist, beschwert ihn jedenfalls nicht.
3.
Die nur den Angeklagten R. betreffende Verurteilung im Fall II 2 wegen versuchter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit versuchtem Bannbruch muß dagegen aufgehoben werden. Abgesehen davon, daß auch hier die Subsidiaritätsbestimmung des § 372 Abs. 2 AO anzuwenden wäre, tragen die Feststellungen die Annahme einer versuchten Einfuhr nicht. Danach haben die Mittäter H. und R. im Einvernehmen mit dem Angeklagten in einer Bar in Eindhoven Haschisch gekauft, das sie in die Bundesrepublik einführen wollten. Unmittelbar nach der Übergabe des Betäubungsmittels wurden sie jedoch von der holländischen Polizei aufgegriffen, die das Haschisch sicherstellte (UA S. 10). Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Täter nach ihrer Vorstellung schon zur Verwirklichung der Einfuhr unmittelbar angesetzt haben; davon könnte frühestens mit dem Beginn des Abtransports Richtung deutsche Grenze gesprochen werden, weil erst zu diesem Zeitpunkt der mißbilligte Enderfolg nähergerückt wäre (BGH, Urteil vom 1. Oktober 1974 - 1 StR 444/74; vgl. BGHSt 4, 333, 334).
Es kann auch nicht angenommen werden, daß eine neue Hauptverhandlung hinsichtlich der Frage der Einfuhr weitere Feststellungen ergeben würden, die den Schuldspruch tragen könnten. Dennoch kann der Senat den Angeklagten in diesem Falle nicht freisprechen, denn er hat sich durch diese Tat möglicherweise des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln schuldig gemacht. Das Landgericht hat von einer Verurteilung des Angeklagten unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt abgesehen, weil er durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Kulmbach vom 10. Oktober 1978 wegen eines fortgesetzten Vergehens des unerlaubten Erwerbs und Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist und dadurch hinsichtlich vor diesem Urteil begangener Vergehen des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln die Strafklage verbraucht sei, da solche Taten Teilakte der bereits abgeurteilten fortgesetzten Handlung seien. Dagegen bestehen jedoch trotz des richtigen rechtlichen Ausgangspunktes des Landgerichts (vgl. BGHSt 15, 268, 270) durchgreifende Bedenken. Zwar ist für die Annahme eines fortgesetzten Vergehens des unerlaubten Erwerbs von Haschisch nicht notwendig, daß sich der Täter darüber im klaren ist, bei welchem ganz bestimmten Händler er das Betäubungsmittel erwerben will (BGH, Urteil vom 16. August 1973 - 4 StR 345/73). Erforderlich bleibt jedoch ein einheitlicher Gesamtvorsatz. Daher hätte sich das Landgericht damit auseinandersetzen müssen, daß der Angeklagte die letzte der vom Amtsgericht Kulmbach als Teil der fortgesetzten Handlung ausdrücklich abgeurteilten Einzeltaten am 10. Oktober 1977, die nun abgeurteilten Taten aber erst am 12. August und 16. September 1978 begangen hat. Bei dieser langen Unterbrechung bedarf es besonderer Erörterung, ob die Taten im Jahre 1978 noch auf dem ursprünglichen Tatentschluß beruhten; dagegen könnte neben dem langen zeitlichen Abstand (vgl. BGH, Beschluß vom 30. Oktober 1979 - 1 StR 653/79; RGSt 75, 207, 209) auch der Umstand sprechen, daß die Freundin des Angeklagten am 10. Oktober 1977 infolge einer Heroininjektion den Tod gefunden hat. Im Zweifelsfalle sind mehrere selbständige Handlungen anzunehmen (BGH, Urteil vom 25. Oktober 1955 - 2 StR 277/55 - bei Dallinger MDR 1956, 9).
Loesdau
Woesner
Kuhn
Maul