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Bundesgerichtshof
Urt. v. 23.03.1979, Az.: V ZR 24/77

Schadensersatz wegen nicht rechtzeitiger Erfüllung eines Grundstückskaufvertrages; Geltendmachung von Zinsen für einen in Anspruch genommenen Kredit; Formnichtigkeit eines Grundstückskaufvertrages

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
23.03.1979
Aktenzeichen
V ZR 24/77
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1979, 12856
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Schleswig - 28.10.1976
LG Itzehoe

Fundstellen

  • BGHZ 74, 116 - 121
  • DB 1979, 1175 (Volltext mit amtl. LS)
  • DNotZ 1979, 403-406
  • MDR 1979, 743 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1979, 1350-1351 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Maurer Hermann W., K.

Prozessgegner

Frau Anke W., geb. K. Am W., T.

Amtlicher Leitsatz

Bezeichnen die Parteien eines Grundstückskaufvertrages im Text des notariellen Vertrages ein - nach der Eintragung im Grundbuch bezeichnetes - Grundstück als verkauft, während sie in Wirklichkeit nur ein noch wegzuvermessendes, im Vertrag nicht umschriebenes Teilstück zum Gegenstand des Kaufvertrages machen wollen, so genügt der Vertrag auch dann nicht den Erfordernissen der notariellen Beurkundung (§ 313 BGB), wenn die Parteien über die Grenzen dieses Teilstücks übereinstimmende Vorstellungen haben.

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Januar 1979
durch
den Vorsitzenden Richter Hill und
die Richter Prof. Dr. Hagen, Linden, Dr. Vogt und Dr. Räfle
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 28. Oktober 1976 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen nicht rechtzeitiger Erfüllung eines Grundstückskaufvertrages.

2

Mit notarieller Urkunde vom 30. März 1973 verkaufte der Kläger der Beklagten ein Grundstück. In jenem Vertrag heißt es u.a.:

"§ 1
Der Maurer Hermann W. (Kläger) ... ist eingetragener Eigentümer des Grundbesitzes von M., eingetragen in dem beim Amtsgericht in K. geführten Grundbuch von M. Blatt 0062 Flur 8 Flurstücke 76/4 plus 72/2 in einer Größe von ca. 1600 qm. Dieser Grundbesitz wird hiermit an die Ehefrau Anke W. geb. K. (Beklagte) in T. verkauft.

...

§ 3
...

Gegenstand dieses Verkaufs ist neben dem Grund und Boden das im Bau befindliche Haus."

3

Der vereinbarte Kaufpreis von 120.000 DM sollte bis 31. Mai 1973 auf einem Notaranderkonto eingezahlt werden. Die Parteien waren sich bei Vertragsschluß darüber einig, daß nicht das gesamte Grundstück Flur 8, Flurstücke 76/4 und 72/2, das eine Größe von 3.300 qm aufwies, verkauft werden sollte, sondern nur ein noch nicht vermessenes Teilstück, nämlich die von einem Holzzaun umgrenzte, mit einem Wohnhaus bebaute Fläche.

4

In einer weiteren notariellen Urkunde vom 30. März 1973 verpflichtete sich der Kläger gegenüber der Beklagten unter Hinweis auf den erwähnten Kaufvertrag, das als Rohbau bezeichnete Haus für 100.000 DM, ebenfalls zahlbar bis 31. Mai 1973 auf ein Notaranderkonto, schlüsselfertig herzustellen. Die noch zu erbringenden Leistungen - darunter (Position 13) die Errichtung eines Holzzaunes als Einfriedigung - waren in einer Anlage zum Vertrag zusammengefaßt. Jene Arbeiten waren - wie die Herstellung des Holzzauns - bei Vertragsabschluß größtenteils schon ausgeführt, ohne daß dies in der Urkunde nebst Anlagen zum Ausdruck kam.

5

Trotz verschiedener Mahnungen des Notars zahlte die Beklagte nichts. Bei einer Vermessung des Grundstücks im August 1973 stellte sich heraus, daß der eingezäunte Teil nicht wie im Kaufvertrag angegeben etwa 1.600 qm, sondern nur 1.310 qm groß war. Außerdem ergab sich, daß die Einzäunung an der Straßenseite nicht mit der Grundstücksgrenze übereinstimmte; 69 qm eines der Gemeinde M. gehörenden Geländes waren mit eingezäunt.

6

Mit Schreiben vom 14. September 1973 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß sie aus verschiedenen Gründen (u.a. wegen der bei der Vermessung zutage getretenen Umstände) am Vertrag nicht festhalte.

7

Der Kläger erwarb die miteingezäunten 69 qm von der Gemeinde und veräußerte das Hausgrundstück anderweitig.

8

Er behauptet, er sei in der Zeit vom 31. Mai bis 30. September 1973 für einen von ihm in Anspruch genommenen Kredit über 120.000 DM mit 3.457,50 DM Zinsen belastet worden; diesen Betrag nebst Zinsen verlangt er von der Beklagten.

9

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter. Im Termin zur mündlichen Verhandlung war die ordnungsgemäß geladene Beklagte nicht vertreten; der Klägervertreter beantragte Erlaß eines Versäumnisurteils.

Entscheidungsgründe

10

I.

Trotz Säumnis der Beklagten ist hier auf die zulässige Revision des Klägers eine Sachprüfung in vollem revisionsrechtlichen Umfang geboten. Diese Prüfung ergibt, daß die Revision unbegründet ist (vgl. II). Das führt zu einem normalen Endurteil gegen den nicht säumigen Revisionskläger (vgl. Urteil des Senats vom 14. Juli 1967, V ZR 112/64 = NJW 1967, 2162).

11

II.

Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch des Klägers auf Ersatz von Verzugsschaden, weil wegen Formnichtigkeit des Vertrages schon kein Anspruch auf Zahlung gegen die Beklagte bestanden habe. Der notarielle Vertrag entspreche nicht der Form des § 313 BGB, weil die verkaufte Teilfläche nicht hinreichend genau bezeichnet sei (Hinweis auf das Senatsurteil vom 8. November 1968, V ZR 58/65 = NJW 1969, 131).

12

Demgegenüber meint die Revision, es handle sich hier um einen Fall unschädlicher Falschbezeichnung. Die Parteien hätten die zu verkaufende Fläche nicht unvollständig, sondern unrichtig bezeichnet. Weil die Angabe der Flächengröße für die Identifizierung eines Grundstücks ungeeignet sei, komme weder in § 1 des Vertrages noch an anderer Stelle zum Ausdruck, daß eine Teilfläche veräußert werde. In der erwähnten Vertragsbestimmung werde vielmehr das ganze dort genannte Grundstück (Grundbuch Blatt 0062 Flur 8, Flurstück Nr. 76/4 und 72/2) als Kaufgegenstand ausgewiesen. Unstreitig hätten sich die Parteien aber auf einen anderen Kaufgegenstand, nämlich die eingezäunte Teilfläche, geeinigt. Durch diese bloße Falschbezeichnung werde die Gültigkeit des Vertrages nicht berührt.

13

Mit der Revision ist davon auszugehen, daß nach den Feststellungen des Berufungsgerichts (BU S. 9) in § 1 des Vertrages - dem klaren Wortlaut dieser Vereinbarung entsprechend - eine Teilflächenveräußerung nicht zum Ausdruck kommt, sondern als Kaufgegenstand das an bestimmter Grundbuchstelle eingetragene, aus zwei Flurstücken bestehende Gesamtgrundstück bezeichnet ist, von dem es heißt, daß dieser Grundbesitz hiermit an die Beklagte verkauft werde. Der davon abweichende, übereinstimmende Wille der Parteien, nur einen erst noch zu vermessenden Teil dieses Grundstücks, nämlich die von einem Holzzaun umgrenzte und mit einem Wohnhaus bebaute Fläche, zu veräußern, hat dagegen - wie das Berufungsgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei feststellt - im Vertrag keinen - auch nur andeutungsweisen - Ausdruck gefunden. Ein solcher Vertragsgegenstand (Teilfläche) ist mithin nicht beurkundet. Entgegen der Auffassung der Revision läßt sich hier auch mit dem Lehrsatz von der unschädlichen Falschbezeichnung ("falsa demonstratio non nocet") nicht über die fehlende Beurkundung hinwegkommen.

14

Haben die Parteien den Vertragsgegenstand versehentlich falsch bezeichnet, übereinstimmend sich aber etwas anderes vorgestellt und gewollt, so gilt nach bisher herrschender Meinung auch im Bereich beurkundungsbedürftiger Rechtsgeschäfte nicht das objektiv Erklärte, sondern das Gewollte, wenn das objektiv Erklärte dem Formerfordernis genügt. Dieser kaum näher begründete und meist auf Fälle unrichtiger Grundstücksbezeichnungen angewendete Satz war ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl. u.a. RGZ 61, 264, 265; 63, 164, 169; 73, 154, 157; 133, 279, 281), die vom Senat übernommen worden ist (vgl. u.a. Urteile vom 24. Juni 1964, V ZR 85/62 = LM BGB § 125 Nr. 19; vom 23. Juni 1967, V ZR 4/66, WM 1967, 701, 702 m.w.Nachw.; vom 14. Juli 1969, V ZR 122/66 = NJW 1969, 2043, 2045; vom 21. Mai 1971, V ZR 10/69 = WM 1971, 1084, 1085; vom 25. Mai 1973, V ZR 26/71 = WM 1973, 869, 870; vgl. auch BGB-RGRK, 12. Aufl. § 313 Rdn. 97). Zunehmend stößt diese Auffassung in der Literatur auf Kritik. Mit beachtenswerten Gründen bezeichnet Wieling (AcP 1972, 297, 308 ff) den erwähnten Lehrsatz als "inhaltsleere Formel", mit der unter Aufgabe der meisten Formzwecke die Form als gewahrt angesehen werde, obwohl das, was nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien gelten solle, in der Urkunde nicht einmal andeutungsweise zum Ausdruck komme. Dementsprechend legen neben Wieling (a.a.O. S. 310) insbesondere Lüderitz (Auslegung von Rechtsgeschäften, 1966 S. 186 ff) und Häsemeyer (Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte, 1971 S. 140 ff) dar, daß der Grundsatz der unschädlichen Falschbezeichnung sich mit der sogenannten "Andeutungstheorie" (die Auslegung einer formbedürftigen Willenserklärung darf nach herrschender Meinung nur soweit gehen, als das Auslegungsergebnis in der formgerechten Erklärung "einen, wenn auch noch so unvollkommenen Ausdruck gefunden hat") in einem unlösbaren Widerspruch befinde (Lüderitz und Häsemeyer machen diese Ausführungen freilich mit dem Ziel, die "Andeutungsformel" in Zweifel zu ziehen). Ob die skizzierten Bedenken dazu führen können, eine unschädliche Falschbezeichnung im Bereich des § 313 BGB generell nicht mehr zuzulassen, mag hier dahinstehen. Im vorliegenden Fall ist jedenfalls kein Raum dafür, mit ihrer Hilfe eine formwirksame Beurkundung anzunehmen.

15

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben sich die Parteien nicht unter dem vertraglich bezeichneten Grundstück übereinstimmend ein anderes vorgestellt, sondern sie wollten aus dem Gesamtgrundstück eine erst wegzumessende Teilfläche veräußern. Damit krankt die Form des Vertrages aber nicht nur an einer vom Vertragsinhalt unbewußt abweichenden Vorstellung der Parteien über den Kaufgegenstand, sondern daran, daß - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - das verkaufte Teilgrundstück in der Urkunde nicht hinreichend genau bezeichnet war. Die Notwendigkeit hinreichend genauer Umschreibung des den Verpflichtungsgegenstand bildenden Geländes folgt aus dem gesetzlichen Beurkundungserfordernis (vgl. das oben zitierte Senatsurteil vom 8. November 1968).

16

In den meisten Anwendungsfällen der "falsa demonstratio" kann der beurkundete Kaufgegenstand durch einen anderen (den gewollten) ohne weiteres ersetzt werden (z.B. Austausch von Parzellennummern), ohne daß es damit im übrigen an der formwirksamen Beurkundung mangelte. Im Verhältnis von Gesamtgrundstück zu einer Teilfläche läßt sich der Kaufgegenstand aber gerade nicht in dieser Weise problemlos auswechseln, weil es an einer urkundlich hinreichend genauen Beschreibung des Kaufgegenstandes fehlte, die ohne genaue Umgrenzung nicht denkbar ist. Unter Berücksichtigung der von § 313 BGB verfolgten Formzwecke (vgl. BGHZ 58, 386, 394 [BGH 05.05.1972 - V ZR 63/70]; BGB-RGRK 12. Aufl. § 313 Rdn. 1 m.w.Nachw.) mag es möglicherweise noch hingenommen werden, eine irrtümliche Falschbezeichnung im notariellen Vertrag soweit für unschädlich zu halten, als sich die Parteien um eine formgerechte Erklärung bemüht haben und ihnen nur unbewußt eine Verwechslung unterlaufen ist, die überall vorkommen kann (vgl. Häsemeyer a.a.O. S. 281). Das ist hier gerade nicht der Fall. Die Parteien wollten den Verkauf einer Teilfläche beurkunden, ein Grundbuchauszug neuesten Datums lag ihnen vor (vgl. § 5 des Vertrages). Damit stellt sich § 1 des Vertrages gerade nicht mehr als irrtümliche Falschbezeichnung des Kaufgegenstandes dar, sondern ist die Folge eines Rechtsirrtums über den Umfang der Beurkundung, der nicht vor den Nichtigkeitsfolgen einer mangelhaften Beurkundung schützen kann.

17

Zur Identifizierung des Vertragsgegenstandes bedarf es bei Teilflächen der genauen Angabe der Grenzen. Über die Umgrenzung kann Streit entstehen. Wollte man auch in Fällen der vorliegenden Art eine unschädliche Falschbezeichnung annehmen, verstieße dies in besonderem Maß gegen die mit der Beurkundung verfolgten Zwecke einwandfreier Beweismöglichkeit über den Vertragsinhalt (BGHZ 58, 386, 394) [BGH 05.05.1972 - V ZR 63/70] und der Vermeidung späterer Rechtsstreitigkeiten darüber (Urteil des Senats vom 26. Oktober 1973, V ZR 194/72 = NJW 1974, 271). Daß unter Umständen im konkreten Einzelfall die erwähnten Zwecke auch ohne die notarielle Beurkundung erreicht sind, ist belanglos (Urteil des Senats vom 9. März 1965, V ZR 97/62 = LM BGB § 313 Nr. 23). Hätten die Parteien hier die Tatsache einer Teilveräußerung im Vertrag zum Ausdruck gebracht (ohne gleichzeitig die Teilfläche in der erforderlichen Form zu umschreiben), dann bestünde kein Zweifel daran, daß nach den Grundsätzen des Senatsurteils vom 8. November 1968 der Vertrag formunwirksam wäre. Das kann nicht anders sein, wenn die Parteien ihren tatsächlichen Willen noch unvollkommener, nämlich überhaupt nicht, beurkundet und das Gesamtgrundstück als Kaufgegenstand bezeichnet haben.

18

Da das Urteil auch sonst keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Klägers erkennen läßt, war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Hill
Hagen
Linden
Vogt
Räfle