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Bundesgerichtshof
Urt. v. 10.11.1976, Az.: VIII ZR 112/75

Schadensersatz nach wiederholter Lieferung untergewichtiger Ware; Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses; Verschulden an den Schlechtlieferungen; Untersuchungspflicht eines reinen Zwischenhändlers; Berücksichtigung der Eigenarten des Streckengeschäfts; Erforderlichkeit einer Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
10.11.1976
Aktenzeichen
VIII ZR 112/75
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1976, 13015
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Hamm - 21.02.1975
LG Dortmund - 30.07.1974
LG Dortmund - 31.07.1974

Fundstellen

  • DB 1977, 159-161 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1977, 390-391 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Firma Marina K. GmbH
vertreten durch ihren Geschäftsführer Herrn Arthur E. St., L. in D., Ku. Straße ...

Prozessgegner

Kaufmann Luis P. in M., O.straße ...

Amtlicher Leitsatz

Zur Frage, ob bei einem Sukzessivlieferungsvertrag eine Vertragspartei, wenn die andere sich einer positiven Vertragsverletzung schuldig gemacht hat, erst nach einer mit Ablehnungsandrohung verbundenen Nachfristsetzung die weitere Erfüllung ablehnen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung des ganzen Vertrages verlangen kann.

Hat der Käufer von Gattungsware diese berechtigterweise beanstandet und zurückgewiesen, so muß der Verkäufer, auch wenn er nur Zwischenhändler ist, die Ersatzlieferung jedenfalls dann auf ihre Mangelfreiheit untersuchen, wenn er den Transport vom Hersteller zum Käufer selbst vornimmt.

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung
vom 10. November 1976
durch
den Vorsitzenden Richter Braxmaier und
die Richter Dr. Hiddemann, Hoffmann, Wolf und Dr. Brunotte
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten werden das den Parteien am 30. Juli 1974 an Verkündungs Statt zugestellte Urteil der II. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund und das Grundurteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Kamm vom 21. Februar 1975 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Tatbestand

1

Der Kläger bestellte im August 1973 bei der Beklagten telefonisch 200.000 Adventsstollen mit einem Gewicht von je 750 g zum Preise von 1,38 DM pro Stück, die er seinerseits an die Firma Bernhard Mü. in A. weiterverkaufte. Die Stollen sollten auf Abruf in der Zeit vom 15. September bis 15. Dezember 1973 unmittelbar der Firma Mü. ausgeliefert werden. Die Beklagte bezog die Stollen von der Firma De. KG in Me..

2

Am 21. September 1973, einem Donnerstag, transportierte die Beklagte die ersten 9.000 Stollen, verpackt in Kartons zu je 6 Stück, in ihrem eigenen Fahrzeug unmittelbar von der Firma De. KG zur Firma Mü.. Eine sofortige Gewichtskontrolle ergab dort, daß sämtliche Stollen dieser Lieferung nur 710-720 g wogen. Auf Reklamation des Klägers nahm die Beklagte die Ware zurück und lieferte auf sein Drängen schon am folgenden Montag der Firma Mü. als Ersatz 6.000 Stollen aus, bei denen sich jedoch ebenfalls nur ein Gewicht von je 710-720 g ergab. Die Firma Mü. stornierte daraufhin ihren Auftrag bei dem Kläger. Der Kläger nahm seinerseits von dem Vertrag mit der Beklagten Abstand und verlangte Schadensersatz wegen Nichterfüllung.

3

Mit der Behauptung, zwischen ihm und seiner Abnehmerin sei ein Preis von 1,45 DM je Stollen vereinbart worden, hat der Kläger einen Schadensersatzbetrag von 14.000 DM sowie weitere 200 DM für Unkosten nebst Zinsen geltend gemacht.

4

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 14.000 DM nebst Zinsen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, soweit es sich um den Grund des Anspruchs handelt.

5

Mit der - zugelassenen - Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, erstrebt die Beklagte weiter die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

6

I.

Das Berufungsgericht leitet die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung des gesamten Vertrages aus einer positiven Vertragsverletzung der Beklagten her. Eine solche sei in der wiederholten Lieferung untergewichtiger Ware zu sehen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, jedenfalls die zweite Lieferung zu untersuchen, um eine Auslieferung erneut untergewichtiger Backware zu verhindern. Dem Kläger sei im Hinblick auf die sich ihm aufdrängende Unzuverlässigkeit der Beklagten die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar gewesen.

7

II.

Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

8

1.

Ohne Rechtsirrtum sieht allerdings das Berufungsgericht in dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Kaufvertrag einen Sukzessivlieferungsvertrag, - also einen einheitlichen Vertrag, in dessen Rahmen bei vorbestimmter Gesamtleistungsmenge die einzelnen Lieferungen in wechselseitiger Bindung nach Bedarf und auf Abruf erfolgen sollen. Es entspricht der Besonderheit derartiger, in aller Regel auf eine längere Dauer abgeschlossener und von einem gegenseitigen Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien abhängiger Sukzessivlieferungsverträge, daß der Käufer unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung von der weiteren Durchführung des Vertrages Abstand nehmen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung des ganzen Vertrages verlangen kann, wenn der Verkäufer durch schuldhaft vertragswidriges Verhalten den Zweck des Geschäftes und seine reibungslose Durchführung ernsthaft gefährdet hat und dem Käufer die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden kann. Im Schrifttum wird dazu die Auffassung vertreten, es bedürfe in solchen Fällen - zumindest in der Regel - nicht mehr der Setzung einer Frist und der Androhung, daß die Erfüllung abgelehnt werde (Reimer Schmidt bei Soergel/Siebert, BGB, 10. Aufl. § 326 Anm. 49 f; Würdinger in HGB-RGRK, 2. Aufl. Anhang zu § 374 Anm. 137 a, 143 a und 192 ff; Erman/Battes, BGB, 6. Aufl. § 326 Anm. 43 und 72 ff; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, I. Band, Allgemeiner Teil, 11. Aufl. S. 300 f m.w.Nachw.). Ein solches Abstandnehmen von der weiteren Durchführung des Sukzessivlieferungsvertrages kann auch dann in Betracht kommen, wenn der Schuldner durch mangelhafte Lieferungen, unter Umständen bereits durch eine einzige (Senatsurteil vom 18. November 1958 - VIII ZR 148/57 = LM BGB § 326 [H] Nr. 4), Anlaß zu der Befürchtung gibt, er werde auch künftig nicht mangelfrei erfüllen.

9

a)

Die von der Beklagten bei der Firma Mü. angelieferten 9.000 und dann noch einmal 6.000 Adventsstollen waren nach der bindenden tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts infolge ihres Untergewichts im Sinne des § 459 BGB mangelhaft, - mit der Folge, daß die Klägerin diese Lieferungen nach § 480 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückweisen durfte. Davon geht auch die Revision aus.

10

b)

Sie wendet sich jedoch gegen den Vorwurf eines Verschuldens an den Schlechtlieferungen. Eine Untersuchungspflicht habe für die Beklagte als reine Zwischenhändlerin nicht bestanden, und zwar auch nicht nach der Beanstandung und Zurückweisung der ersten Lieferung.

11

aa)

Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, daß ein Verkäufer als Zwischenhändler im Regelfall, d.h., wenn nicht besondere Umstände vorliegen, nicht zur Untersuchung der an die Verbraucher weiter veräußerten Ware auf ihre Qualität verpflichtet ist (RGZ 125, 76, 78; BGH Urteil vom 15. März 1956 - II ZR 284/54 = LM BGB § 276 [Hb] Nr. 2; Senatsurteile vom 25. September 1968 - VIII ZR 108/66 = WM 1968, 1249 = NJW 1968, 2238 und vom 16. Juni 1971 - VIII ZR 69/70 = WM 1971, 1121). Dieser Grundsatz gilt auch für den Handel mit Gattungsware, solange sich aus den Umständen nichts anderes ergibt (Senatsurteile a.a.O.). Soweit die Untersuchung der Ware nicht zu den Verpflichtungen des Verkäufers gehört, kommt auch eine Haftung des Verkäufers für ein etwaiges Verschulden seines Vorlieferanten gemäß § 278 BGB nicht in Betracht, weil der Vorlieferant insoweit nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist (Senatsurteile a.a.O.; für den - dem Gattungskauf ähnlichen - Fall eines Werklieferungsvertrages über eine vertretbare Sache vgl. BGHZ 48, 118, 120).

12

Bei Anwendung der aufgezeigten Grundsätze ergibt sich, daß die Beklagte nicht verpflichtet war, die erste von der Firma De. KG übernommene Lieferung hinsichtlich des Gewichts der einzelnen Adventsstollen zu überprüfen. Eine solche Verpflichtung ergab sich nicht etwa ohne weiteres bereits aus dem Umstand, daß die Parteien bei Abschluß des Kaufvertrages ausdrücklich ein bestimmtes Gewicht der einzelnen Stollen festgelegt hatten, und zwar unbeschadet der - hier nicht zu prüfenden - Frage, ob hierin über die bloße Warenbezeichnung hinaus die Zusicherung einer Eigenschaft im Sinne von § 459 Abs. 2 BGB seitens der Beklagten lag. Die Beklagte hat die erste Lieferung bereits in Kartons zu 6 Stück - etikettiert mit dem Namen der Endabnehmerin, der Firma Mü. - verpackt bei der Firma De. KG abgeholt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß sie die Vertragsgemäßheit der Lieferung hätte anzweifeln müssen, sind nicht ersichtlich.

13

bb)

Vergeblich wendet die Revision sich jedoch dagegen, daß das Berufungsgericht die Beklagte für verpflichtet gehalten hat, die von der Firma De. KG ersatzweise zur Verfügung gestellten 6.000 Stollen vor deren Auslieferung jedenfalls stichprobenweise einer Gewichtskontrolle zu unterziehen. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, nachdem die Vorlieferantin der Beklagten mehrere tausend Stollen mit Untergewicht hergestellt hatte, habe die Beklagte Veranlassung zum Mißtrauen gehabt. Sie habe sich nicht mehr darauf verlassen können, daß in Zukunft die zu dem Mangel führende Ursache im Produktionsablauf behoben sein würde. Das Untergewicht habe wissentlich herbeigeführt worden sein, auf einem Versehen beim Einstellen der Wiegeeinrichtungen oder auf einem technischen Fehler bei der Herstellung beruhen können. Da die Beklagte die wirkliche Ursache nicht kannte, habe sie mit allen in Betracht kommenden Möglichkeiten rechnen müssen.

14

Gegenüber diesen Ausführungen, denen der Senat beitritt, hat die Revision nichts Stichhaltiges vorgebracht. Soweit sie erörtert, es habe sich lediglich um einen vorübergehenden technischen Mangel bei der Vorlieferantin gehandelt, läßt sie unerwähnt, daß erst zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich im Zusammenhang mit der von dem Kläger ausgesprochenen Ablehnung der Erfüllung des Vertrages ein Fehler an der automatischen Waage ins Gespräch gebracht worden ist. Es kann offen bleiben, ob die Beklagte sich nach Reklamation der ersten Lieferung damit hätte zufriedengeben können, daß ihr seitens der Vorlieferantin eine konkrete und einleuchtende Ursache für die Gewichtsabweichung genannt und verbindlich erklärt worden wäre, die Fehlerquelle sei jetzt behoben. In dieser Richtung hat die Beklagte jedenfalls selbst nichts vorgetragen. Sie hat sich vielmehr damit begnügt, die Firma De. KG aufzufordern, unverzüglich eine mangelfreie Ersatzlieferung zu erbringen, was jedoch zur Sicherstellung einer einwandfreien Belieferung des Klägers bzw. dessen Abnehmerin nicht ausreichte.

15

2.

Gegenüber der aus den besonderen Umständen des Falles hergeleiteten Verpflichtung der Beklagten zur Kontrollierung der Ersatzlieferung beruft die Revision sich auch zu Unrecht auf Eigenarten des sogenannten Streckengeschäfts. Die Art der Ausführung des Vertrages der Parteien erfüllte schon nicht die Merkmale, die nach kaufmännischem Sprachgebrauch Voraussetzung für die Annahme eines Streckengeschäfts sind. Bei diesem handelt es sich um eine besondere Art der Vertriebstechnik im Großhandel, bei der der Lieferant des Zwischen- (Groß-) Händlers die Ware direkt an den Kunden liefert; der Zwischen- (Groß-) Händler erfüllt nur dispositive Funktionen wie Lagerhaltung oder Warentransport (1) (Tietz, Handwörterbuch der Absatzwirtschaft, S. 686; vgl. auch Bott, Das deutsche Kaufmannsbuch, S. 91, 92; Dr. Gablers Wirtschaftslexikon 2. Band 9. Aufl. S. 1507). Im Gegensatz dazu hatte die Beklagte hier vertraglich den Transport der Ware zur Abnehmerin des Klägers übernommen. Hieraus folgt gleichzeitig, daß ein dem Fall, in dem der Senat die Ablehnung einer eigenen Untersuchungspflicht des Zwischenhändlers zusätzlich auf das Vorliegen eines Streckengeschäfts gestützt hat (Urteil vom 25. September 1968 a.a.O.), vergleichbarer Sachverhalt hier nicht vorliegt. Während nämlich dort der Zwischenhändler gar keine Gelegenheit hatte, eine Untersuchung der Ware vorzunehmen, hatte die Beklagte diese Möglichkeit nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durchaus. Entgegen der Auffassung der Revision begegnete die stichprobenhafte Feststellung eines etwaigen Untergewichts auch keinen nennenswerten Schwierigkeiten.

16

3.

Hat sich mithin die Beklagte einer positiven Vertragsverletzung des Sukzessivlieferungsvertrages schuldig gemacht, so erweist sich gleichwohl die Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger habe angesichts der in dem Verhalten der Beklagten zum Ausdruck kommenden Unzuverlässigkeit von der weiteren Erfüllung des Vertrages Abstand nehmen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung des ganzen Vertrages verlangen können, als von Rechtsfehlern beeinflußt.

17

a)

Richtig ist allerdings, daß - wie oben dargelegt - nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum bei einem Sukzessivlieferungsvertrag, sofern der Verkäufer durch schuldhaft vertragswidriges Verhalten den Zweck des Geschäftes und seine reibungslose Durchführung ernsthaft gefährdet und dem Käufer ein Festhalten am Vertrag schlechthin nicht mehr zugemutet werden kann, dieser von der weiteren Vertragsdurchführung Abstand nehmen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung des ganzen Vertrages verlangen kann (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 1. Dezember 1971 - VIII ZR 143/70 = WM 1972, 161 = NJW 1972, 246 m.w.Nachw.). Die im Schrifttum hierzu weitgehend vertretene Ansicht, es bedürfe in derartigen Fällen einer vorherigen Nachfristsetzung mit der Androhung, nach fruchtlosem Fristablauf die Erfüllung abzulehnen (vgl. § 326 Abs. 1 BGB), im Regelfall nicht, ist allerdings in dieser Verallgemeinerung irreführend (vgl. Reimer Schmidt bei Soergel/Siebert, BGB, 10. Aufl. § 326 Anm. 49 f; Erman/Battes, BGB, 6. Aufl. § 326 Anm. 43; Larenz, a.a.O. S. 300 m.w.Nachw.). Auszugehen ist vielmehr von dem Grundsatz, daß auch auf die Lösung einer Vertragspartei vom Sukzessivlieferungsvertrag, sofern der anderen Partei eine schuldhafte Vertragsverletzung vorzuwerfen ist, § 326 Abs. 1 BGB entsprechend Anwendung findet. Ihre Rechtfertigung findet die Verpflichtung zur Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung in der Erwägung, daß diese Fristsetzung dem Vertragsgegner die Folgen eines weiteren vertragswidrigen Verhaltens noch einmal nachdrücklich vor Augen führen soll. Eine Fristsetzung ist daher - von den hier nicht vorliegenden Fällen eines Wegfalls des Interesses (§ 326 Abs. 2 BGB) und der Erfüllungsverweigerung des Vertragspartners abgesehen - nur dann entbehrlich, wenn die Vertrauensgrundlage bereits endgültig zerstört ist und dem Vertragstreuen Teil aus diesem Grunde ein Festhalten am Vertrag schlechthin nicht mehr zugemutet werden kann. Andererseits läßt sich die Unzumutbarkeit der weiteren Vertragsdurchführung in der Regel dann nicht feststellen, wenn erwartet werden kann, daß der vertragsuntreue Teil innerhalb der Nachfrist seinen Verpflichtungen nachkommt und damit bei sachgerechter Würdigung der Interessen beider Parteien die Vertrauensgrundlage als wiederhergestellt anzusehen ist.

18

b)

Ob unter diesem Blickwinkel eine Nachfristsetzung als Voraussetzung für die Lösung von einem Sukzessivlieferungsvertrag entbehrlich ist, richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls und unterliegt grundsätzlich tatrichterlicher Würdigung (vgl. dazu Senatsurteil vom 18. November 1958 - VIII ZR 148/57 a.a.O.). Das Berufungsgericht hat jedoch diese Frage ersichtlich nicht gesehen, - jedenfalls nicht beschieden, obwohl sie sich angesichts der Besonderheit des Sachverhalts aufdrängen mußte. Die Beklagte hatte wenige Tage nach der ersten mangelhaften Lieferung als Ersatz an die Firma Mü. KG 6.000 Adventsstollen geliefert, die wiederum sämtlich ein Mindergewicht von 30 bis 40 g auf wiesen, obwohl - wovon im Revisionsrechtszug zugunsten des Klägers auszugehen ist - dieser nach der ersten Lieferung den Verkaufsleiter der Beklagten für Süddeutschland ausdrücklich zur besonderen Sorgfalt ermahnt hatte, damit der Gesamtauftrag nicht gefährdet werde. Der ungewöhnliche Umstand, daß gleichwohl die Ersatzlieferung nur wenige Tage später durchgängig wieder denselben mengenmäßigen Mangel aufwies, mußte die Annahme nahelegen, daß die Schlechtlieferung nicht auf betrügerischer Absicht oder gedankenloser Nachlässigkeit, sondern entweder auf einem Mißverständnis bei der Beklagten bzw. der Herstellerfirma De. oder aber auf einem technischen Fehler bei dem Einwiegen der Stollen beruhte. Eine mit Ablehnungsandrohung verbundene Nachfrist, die der Kläger angesichts der saisongebundenen Vertragsabwicklung sehr kurz hätte bemessen können, wäre auch gerade das geeignete Mittel gewesen, die Ursache der mangelhaften Lieferung zu klären und eine Feststellung zu ermöglichen, ob nach vernünftiger kaufmännischer Betrachtungsweise dem Kläger ein weiteres Festhalten an der Vertragsdurchführung nicht mehr zuzumuten war. Der bloße Hinweis des Klägers nach der ersten mangelhaften Lieferung, die Beklagte möge auf die Ersatzlieferung besondere Sorgfalt wenden, um den Gesamtauftrag nicht zu gefährden, genügte dabei den nach § 326 Abs. 1 BGB an eine Nachfristsetzung zu stellenden Anforderungen nicht.

19

c)

Der Umstand, daß die Firma Mü. KG als Abnehmerin des Klägers inzwischen ebenfalls den Vertrag "storniert" hatte, entband den Kläger nicht von seiner Verpflichtung zur Nachfristsetzung. Zwar ist nicht zu verkennen, daß das Ungewisse Schicksal dieses Vertrages den Kläger wirtschaftlich belastete. Die Rechtsbeziehungen zwischen der Firma Mü. KG und dem Kläger waren jedoch nicht anders zu beurteilen als diejenigen zwischen den Parteien. Auch die Firma Mü. KG hätte dem Kläger gegenüber nur nach Nachfristsetzung von der weiteren Durchführung des Vertrages Abstand nehmen können und blieb, solange diese Nachfrist nicht fruchtlos verstrichen war, zur Abnahme verpflichtet. Ob hinsichtlich der Verpflichtung zur Nachfristsetzung etwas anderes gelten würde, wenn die Firma Mü. KG sich ihrerseits inzwischen anderweit eingedeckt hätte und der Kläger daher aus tatsächlichen Gründen die Durchführung des Weiterverkaufs innerhalb der saisonmäßig begrenzten Zeit bis zum 15. Dezember 1973 als besonders gefährdet ansehen mußte, kann hier auf sich beruhen; denn dafür fehlt es auch nach dem Vortrag des Klägers an jedem Anhalt. Die bloße Behauptung, die Firma Mü. KG habe nach der wiederum mangelhaften Ersatzlieferung den Vertrag mit dem Kläger "storniert", reichte insoweit jedenfalls nicht aus.

20

III.

Da der Sachverhalt keiner weiteren Aufklärung mehr bedarf, vielmehr bereits nach dem Vorbringen des Klägers das Verlangen auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung des gesamten Vertrages unbegründet ist, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden. Unter Aufhebung der Urteile des Landgerichts und des Berufungsgerichts war daher die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Braxmaier
Dr. Hiddemann
Hoffmann
Wolf
Dr. Brunotte

(1) Red. Anm.:

"nur dispositive Funktionen wie Lagerhaltung oder Warentransport" korrigiert durch "nur dispositive Funktionen, übernimmt dagegen weder Lagerhaltung noch Warentransport" (siehe Verknüpfung zum Korrekturbeschluss am Ende des Dokuments)