Bundesgerichtshof
Urt. v. 04.10.1976, Az.: VIII ZR 139/75
Alleinvertrieb von Markenerzeugnissen ; Rechtsverhältnis zwischen einem Hersteller und einem Eigenhändler; Anwendbarkeit der Kündigungsvorschriften des Rechts der Handelsvertreter ; Sachdienlichkeit einer Aufrechnung ; Sachdienlichkeit neuen Vorbringens ; Zulassung der Klageänderung in der Berufungsinstanz
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 04.10.1976
- Aktenzeichen
- VIII ZR 139/75
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1976, 12934
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Düsseldorf - 28.04.1975
- LG Düsseldorf
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DB 1977, 100 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1977, 310 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1977, 49-50 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
1. Firma Maria P. KG, vertreten durch die Beklagte zu 2
2. Maria P. geborene Ar.
Prozessgegner
Firma C. Bo. So. a., gesetzlich vertreten durch den President-Directeur-Général, Pierre Bo., Y./Fr., ... Rue de l'E.
Amtlicher Leitsatz
Zur Frage der Sachdienlichkeit der Aufrechnung und der Klageänderung in der Berufungsinstanz.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 4. Oktober 1976
durch
den Vorsitzenden Richter Braxmaier und
die Richter Hoffmann, Merz, Treier und Dr. Brunotte
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. April 1975 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin belieferte mit von ihr hergestellten Spirituosen die Beklagte zu 1, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Beklagte zu 2 ist. Am 12. Mai 1966 schrieb der Generalvertreter Keime der Klägerin für Deutschland, er bestätige im Auftrag der Klägerin, daß der Beklagten: zu 1 die Generalvertretung der Markenerzeugnisse der Klägerin für Nordrhein-Westfalen übertragen worden sei. Weiter heißt es in diesem Schreiben:
"Direktverkäufe in das Ihnen reservierte Gebiet werden nur mit Ihrem Einverständnis getätigt und erhalten Sie auf derartige Aufträge eine Mindestprovision von 5 %.
Ein endgültiger Vertrag wird später nach den Vorschriften der Europäischen Marktordnung im Rahmen der EWG abgeschlossen."
Seit Ende 1968 beanstandete die Beklagte zu 1 wiederholt, daß die Klägerin ihr Alleinvertriebsrecht für Nordrhein-Westfalen nicht beachte. Nachdem die Klägerin im Jahre 1972 der Firma Ca. ihre Generalvertretung für die Bundesrepublik Deutschland übertragen hatte, kündigte die Beklagte zu 1 den Vertrag mit Schreiben vom 12. Oktober 1972 fristlos. Die letzten beiden Lieferungen der Klägerin vom 1. und 13. Dezember 1971 im Betrage von insgesamt 16.775 DM zahlte die Beklagte zu 1 nicht, sondern machte mit Schreiben vom 13. Oktober 1972 geltend, sie habe die Provisionsabrechnung der Klägerin noch nicht erhalten, daher rechne sie mit ihren "Provisions- und Schadensersatzansprüchen" vorläufig auf.
Die Klägerin begehrte mit der Klage die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 16.765 DM nebst Zinsen. Die Beklagten beantragten Klagabweisung und im Wege der Widerklage die Verurteilung der Klägerin zur Auskunftserteilung über die unter ihrer Umgehung nach Nordrhein-Westfalen erfolgten Lieferungen und zur Zahlung von 5 % des sich daraus ergebenden Betrages, soweit dieser die Klageforderung übersteigt.
Das Landgericht gab der Klage in Höhe von 14.592,97 DM statt und wies im übrigen Klage und Widerklage ab. Die Beklagten legten Berufung ein und wiederholten zunächst ihre - etwas präziser gefaßten - Anträge erster Instanz. Mit Schriftsatz vom 17. März 1975, der in der letzten mündlichen Verhandlung an diesem Tage übergeben wurde, beantragten die Beklagten, die Klage abzuweisen und die Klägerin auf die Widerklage zur Zahlung von 13.225 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Zur Begründung trugen die Beklagten vor, die Beklagte zu 1 habe nicht lediglich 5 % Mindestprovision zu beanspruchen, soweit die Klägerin unmittelbar in deren Vertragsgebiet geliefert habe, sondern könne als Schadensersatz den Gewinnausfall verlangen, den sie infolge ihrer "Aussperrung" zwischen dem 1. Januar 1972 und dem 31. März 1973 erlitten habe. Von diesem Gewinnausfall in Höhe von etwa 60.000 DM mache sie 30.000 DM geltend, begehre mit der Widerklage Zahlung von 13.225 DM und rechne in Höhe von 16.765 DM auf. Hilfsweise wiederholten die Beklagen den Antrag auf Auskunftserteilung und begehrten die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von 40 % des sich aus der Auskunft ergebenden Betrages nebst Zinsen, soweit dieser die Klagforderung übersteigt. Die Klägerin beantragte Zurückweisung der Berufung und im Wege der Anschlußberufung die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 2.172,07 DM und weiterer Zinsen. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin beantragte im Termin vom 17. März 1975, "die geänderte Widerklage abzuweisen" und erklärte, "er erkenne die neuen Anträge als zugestellt an, widerspreche aber deren Zulassung".
Das Berufungsgericht verurteilte die Beklagten, an die Klägerin insgesamt 15.797,37 DM nebst Zinsen zu zahlen. Im übrigen wies es Klage und Widerklage ab und die weitergehenden Rechtsmittel zurück.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstreben die Beklagten die Abweisung der Klage und die Verurteilung der Klägerin auf ihre Widerklage.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
1.
Das Berufungsgericht hat angenommen, daß zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 am 12. Mai 1966 ein Vertrag zustandegekommen sei, mit dem die Klägerin der Beklagten zu 1 den Alleinvertrieb ihrer Markenerzeugnisse für Nordrhein-Westfalen übertragen habe, und daß dieser Vertrag als Eigenhändlervertrag anzusehen sei. Das läßt einen Rechtsirrtum ebenso wenig erkennen wie die Auffassung, daß Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Vorschriften des EWG-Vertrags nicht erkennbar seien. Weder die Revision noch die Klägerin bringen insoweit Bedenken vor.
2.
Die Ansicht des Berufungsgerichts, daß dieser Vertrag nicht von der Klägerin gekündigt worden sei, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die von der Klägerin und Revisionsbeklagten gerügte Auslegung ihres Schreibens vom 5. März 1972 durch das Berufungsgericht ist jedenfalls möglich. Dieses Schreiben zwingt nicht zu der Schlußfolgerung, daß die Klägerin den Vertrag vom 12. Mai 1966 gekündigt habe, so daß dahingestellt bleiben kann, ob sie zu einer Kündigung berechtigt gewesen wäre. Das Berufungsgericht hat dieses Schreiben im Zusammenhang mit dem sonstigen Schriftwechsel dahin verstehen können, daß die Klägerin lediglich Verhandlungen über eine Änderung des bestehenden Vertragsverhältnisses wünschte.
3.
Das Berufungsgericht hat auch darin recht, daß § 89 a HGB auf einen Eigenhändlervertrag entsprechend angewendet werden kann.
a)
Diese im Schrifttum umstrittene Frage (Brüggemann in Großkomm. HGB 3. Aufl. Vorbem. 3 vor § 84 m.w. Nachw.) ist vom Bundesgerichtshof wiederholt dahin entschieden worden, daß auf das Rechtsverhältnis zwischen einem Hersteller und einem Eigenhändler, dem ein Alleinvertriebsrecht eingeräumt worden ist, die Kündigungsvorschriften des Rechts der Handelsvertreter entsprechend angewendet werden können (Senatsurteil vom 19. Dezember 1966 - VIII ZR 138/64 = LM HGB § 89 a Nr. 8 = NJW 1967, 825 m. w.Nachw.).
b)
Ob der Beklagten zu 1 ein wichtiger Grund zur Kündigung vom 12. Oktober 1972 zustand, ist im wesentlichen eine vom Tatrichter zu entscheidende Frage. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob das Berufungsgericht hierbei alle wesentlichen Umstände gewürdigt hat. Das ist der Fall. Auch die Revisionsbeklagte erhebt insoweit keine substantiierten Einwendungen.
c)
Ebenso sind die Feststellungen zur Höhe des Schadens unbeanstandet geblieben, die das Berufungsgericht gemäß § 89 a Abs. 3 HGB getroffen hat und mit denen es wegen der von den Beklagten erklärten Aufrechnung die Klage in Höhe von insgesamt 967,63 DM abgewiesen hat.
II.
Die verfahrensrechtlichen Rügen der Revision sind im Ergebnis unbegründet.
1.
Nicht zu beanstanden ist, daß das Berufungsgericht die Aufrechnung mit den im Schriftsatz der Beklagten vom 17. März 1975 geltend gemachten Ansprüchen nicht zugelassen hat.
a)
Die Beklagten hatten gegenüber der Klageforderung zunächst mit den sich aus der Verletzung des Alleinvertriebsrechts ergebenden "Provisionsansprüchen" der Beklagten zu 1 aufgerechnet. In dem in der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts übergebenen Schriftsatz vom 17. März 1975 rechneten die Beklagten mit Schadensersatzansprüchen der Beklagten zu 1 wegen ihrer "Aussperrung" d.h. ihrer Nichtbelieferung auf.
b)
Die Revision rügt zu Unrecht, daß das Berufungsgericht die in dem erwähnten Schriftsatz erklärte Aufrechnung nicht verbeschieden habe. Denn den Ausführungen des Berufungsgerichts ist zu entnehmen, daß es diese Aufrechnung nicht zugelassen hat. Richtig ist allerdings, daß sich die Zulässigkeit der Aufrechnung in der Berufungsinstanz nach § 529 Abs. 5 ZPO und nicht nach § 264 ZPO beurteilt, was das Berufungsgericht anscheinend nicht beachtet hat. Das ist indessen unschädlich. Für die Zulassung der Aufrechnung setzt nämlich § 529 Abs. 5 ZPO ebenso wie § 264 ZPO eine Einwilligung der Gegenpartei oder Sachdienlichkeit voraus.
c)
Entgegen der Ansicht der Revision war eine Aufrechnung mit den im Schriftsatz vom 17. März 1975 zur Aufrechnung gestellten Ansprüche zuvor nicht erfolgt.
aa)
Die Beklagte hatte zwar bereits in der Klageerwiderung unter Hinweis auf ihr Schreiben vom 13. Oktober 1972 aufgerechnet. Diesem Schreiben war indessen nicht zu entnehmen, daß mit Schadensersatzansprüchen wegen der Nichtbelieferung der Beklagten zu 1 in der Zeit vom 1. Januar 1972 bis 31. März 1973 aufgerechnet werden sollte. Die Aufrechnung in der Klageerwiderung betraf "Provisionsforderungen", also Ansprüche aus der Direktbelieferung Dritter und nicht solche aus der Nichtbelieferung der Beklagten zu 1.
bb)
Die Beklagten hatten also im Schriftsatz vom 17. März 1975 eine andere Forderung als zuvor und damit eine neue Forderung zur Aufrechnung gestellt.
d)
Die Aufrechnung mit dieser Forderung war gemäß § 529 Abs. 5 ZPO in der Berufungsinstanz nur zuzulassen, wenn die Klägerin in die Berücksichtigung der Aufrechnung einwilligte oder wenn das Berufungsgericht die Zulassung der Aufrechnung für sachdienlich hielt.
aa)
Eine Einwilligung der Klägerin hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Die Klägerin hatte im Termin vom 17. März 1975 einer Zulassung der neuen Anträge widersprochen. Das kann nur dahin verstanden werden, daß sich ihr Widerspruch nicht nur auf die Erhebung der geänderten Widerklage, sondern auch auf die Aufrechnung mit neuen Forderungen bezog. Daß die Klägerin sich in diesem Termin eine Schriftsatzfrist einräumen ließ und innerhalb der Frist vorsorglich zu dem neuen Vorbringen sachlich Stellung nahm, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das war schon deshalb geboten, weil der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin nicht wissen konnte, ob das Gericht die Aufrechnung mit den neuen Forderungen als sachdienlich ansehen werde oder nicht.
bb)
Die Sachdienlichkeit einer Aufrechnung ist nicht ohne weiteres zu bejahen, wenn die zur Aufrechnung gestellte Forderung mit der Gegenforderung in rechtlichem Zusammenhang steht (BGH Urteil vom 17. Februar 1966 - VII ZR 79/64 = LM ZPO § 529 Nr. 22 = NJW 1966, 1029; Grunsky bei Stein/Jonas, ZPO 19. Aufl. § 529 Anm. V 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 34. Aufl. § 529 Anm. 5 V A; a.M. Wieczorek, ZPO § 529 Rdn. B III b 1). Es kommt daher darauf an, ob das Berufungsgericht die Sachdienlichkeit der Aufrechnung aus anderen Gründen hätte bejahen müssen. Das ist nicht der Fall.
Die Beurteilung einer Aufrechnung in der Berufungsinstanz als nicht sachdienlich ist ebenso wie diejenige einer Klageänderung der Nachprüfung der Revisionsinstanz nur daraufhin unterworfen, ob der Tatsachenrichter den Rechtsbegriff der Sachdienlichkeit verkannt und damit die Grenzen seines Ermessens überschritten hat (BGHZ 5, 373, 378; Grunsky a.a.O. § 529 Anm. IV 2 c; vgl. dazu auch BGHZ 16, 318, 322 und 53, 24, 28).
Für den Begriff der Sachdienlichkeit im Rahmen des § 529 Abs. 5 ZPO sind im wesentlichen die gleichen Gesichtspunkte wie bei einer Klageänderung maßgebend (BGHZ 5, 373, 377). Die insoweit entscheidenden Gesichtspunkte hat der Bundesgerichtshof wiederholt klargestellt (vgl. insbesondere BGHZ 1, 65, 71 ff und 53, 24, 29; BGH Urteile vom 20. Mai 1953 - II ZR 206/52 = LM ZPO § 523 Nr. 1, vom 30. Oktober 1957 - V ZR 195/56 = LM ZPO § 264 Nr. 11 und vom 14. Juni 1963 - KZR 5/62 = LM ZPO § 264 Nr. 18). Danach steht in der Berufungsinstanz der Zulassung der Klageänderung bzw. der Aufrechnung nicht entgegen, daß bereits in erster Instanz die Klage geändert oder die Aufrechnung hätte erklärt werden können. Die Sachdienlichkeit des neuen Vorbringens muß auch nicht deshalb verneint werden, weil infolgedessen weitere Erklärungen der Parteien erforderlich werden und dadurch die Erledigung des Prozesses verzögert wird. Nicht entscheidend ist auch, daß eine Tatsacheninstanz verlorengeht. Maßgeblich ist einerseits der Gesichtspunkt der Prozeßwirtschaftlichkeit, ob nämlich die Zulassung der Aufrechnung oder der Klageänderung zu einer sachgemäßen und endgültigen Erledigung des zwischen den Parteien bestehenden Streitstoffs führt und einem neuen Prozeß der Parteien vorbeugt. Andererseits ist indessen zu berücksichtigen, ob das Gericht bei Zulassung des neuen Vorbringens zur Beurteilung und Entscheidung eines neuen, bis dahin zwischen den Parteien nicht vorhandenen Streitstoffs genötigt würde (BGHZ 5, 373, 378). Dabei kann nicht außer acht gelassen werden, ob ohne Berücksichtigung des neuen Vorbringens der Rechtsstreit entscheidungsreif wäre (vgl. BGH Urteile vom 20. Mai 1953 und 14. Juni 1963, a.a.O., Senatsurteil vom 11. Mai 1964 - VIII ZR 174/61).
Denn der Gesichtspunkt der Prozeßwirtschaftlichkeit darf nicht dazu führen, daß eine Aufrechnung in der Berufungsinstanz immer dann zuzulassen ist, wenn dadurch ein neuer Streit der Parteien vermieden wird. Dann wäre nämlich eine Aufrechnung in der Berufungsinstanz in fast allen Fällen zuzulassen. Unter dem Gesichtspunkt der Prozeßwirtschaftlichkeit ist vielmehr eine Reihe von Umständen zu beachten. Zu berücksichtigen ist u.a. auch, ob die Entscheidung eines aufgrund des bisherigen Vorbringens entscheidungsreifen Prozesses verhindert würde. Das gilt insbesondere dann, wenn, wie hier, in der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts ein neuer Anspruch zur Aufrechnung gestellt wird. Nicht zu übersehen. ist schließlich, daß § 529 Abs. 5 ZPO ebenso wie § 264 ZPC die Aufrechnung in der Berufungsinstanz bzw. die Klageände rung erschwert, um die gegnerische Prozeßpartei gegen eine leichtfertige Prozeßführung zu schützen (Baumbach/Lauterba Albers/Hartmann, a.a.O. § 264 Anm. 2 B).
Hier war die Klageforderung unstreitig. Es ging in dem Prozeß darum, ob die Beklagten mit Provisionsforderungen der Beklagten zu 1 wegen der Direktlieferungen der Klägerin in das Vertragsgebiet der Beklagten zu 1 aufrechnen konnten. Nachdem die dazu vorgenommene Beweisaufnahme, die Vernehmung des Zeugen W., Provisionsforderungen der Beklagten zu 1 in der behaupteten Höhe nicht ergeben hatte, rechneten die Beklagten im letzten Termin der Berufungsinstanz mit einer Schadensersatzforderung der Beklagten zu 1 wegen Nichtbelieferung durch die Klägerin auf. Obgleich die Vortrage, ob der von dem Generalvertreter der Klägerin geschlossene Vertrag diese bindet, auch für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen Nichtbelieferung der Beklagten zu 1 präjudiziell war, handelte es sich um einen völlig neuen Anspruch und weitgehend um einen neuen Streitstoff. Das Berufungsgericht hat daher den Begriff der Sachdienlichkeit nicht verkannt, wenn es unter diesen Umständen die Aufrechnung nicht für sachdienlich hielt, nachdem der Prozeß aufgrund des bisherigen Vorbringens entscheidungsreif war.
Die von der Revision in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Erwägung, das Berufungsgericht hätte ein Grundurteil erlassen können, geht fehl. Ein Grundurteil kam deshalb nicht in Betracht, weil, wenn die Aufrechnung zulässig wäre, nicht feststand, ob die Klägerin eine Forderung gegen die Beklagten hatte.
2.
Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die geänderte Widerklage zulassen müssen, ist gleichfalls unbegründet.
a)
Die Zulässigkeit der Änderung der Widerklage hat das Berufungsgericht zutreffend unter dem Gesichtspunkt des § 264 ZPO und nicht des § 529 Abs. 4 ZPO geprüft. Denn diese Bestimmung gilt nur, wenn im Berufungsverfahren eine Widerklage neu erhoben, nicht aber wenn eine erhobene Widerklage geändert wird. Die Änderung der Klage oder Widerklage in der Berufungsinstanz ist nach den §§ 264, 523 ZPO zu beurteilen (BGH Urteil vom 14. Juni 1963 - KZR 5/62 = LM ZPO § 264 Nr. 18).
b)
Das Berufungsgericht hat eine Klageänderung zu Recht bejaht. Klageänderung ist eine Änderung des Streitgegenstandes. Sie kann den Klageantrag oder den Klagegrund betreffen.
aa)
Der Antrag der Widerklage ist im Schriftsatz vom 17. März 1975 geändert worden. In dem Termin an diesem Tage wurde erstmals Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von 13.225 DM begehrt. Der bisherige Antrag auf Auskunftserteilung wurde lediglich hilfsweise geltend gemacht. Auch der Hilfsantrag wurde übrigens dahin geändert, daß nunmehr nicht 5 % Provision, sondern 40 % des sich aus der Auskunft ergebenden Betrages verlangt wurden.
bb)
Gemäß § 268 Nr. 1-3 ZPO ist trotz Änderung des Klageantrags in drei Fällen eine Klageänderung nicht anzunehmen, wenn der Klagegrund nicht geändert wurde.
Hier wurde indessen der Grund der Widerklage geändert. Eine Änderung des Klagegrundes ist anzunehmen, wenn die klagebegründenden Tatsachen geändert werden. Im vorliegenden Fall hatten die Beklagten bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz zur Begründung ihrer Widerklage vorgetragen, die Klägerin schulde 5 % Mindestprovision aus Vertrag bzw. ab 10. Oktober 1972 - dem Zeitpunkt der Kündigung - als Schadensersatz, weil sie entgegen der getroffenen Vereinbarung Dritte ohne Einverständnis der Beklagten zu 1 in deren Vertragsgebiet beliefert habe. Im Schriftsatz vom 17. März 1975 haben die Beklagten als Schadensersatz dagegen Gewinnausfall verlangt, weil die Beklagte zu 1 in der Zeit vom 1. Januar 1972 bis 31. März 1973 nicht beliefert worden sei. Das ist sowohl dem Gegenstande wie der Begründung nach ein völlig neuer Anspruch.
c)
Da demnach § 268 Nr. 1-3 ZPO nicht angewendet werden kann, kommt es gemäß § 264 ZPO darauf an, ob die Klägerin in die Änderung der Widerklage eingewilligt hat oder ob diese sachdienlich ist.
aa)
Eine Einwilligung der Klägerin scheidet aus den (unter II 1 d aa) genannten Gründen aus. Infolge des im Termin vom 17. März 1975 erklärten Widerspruchs der Klägerin kommt auch eine vermutete Einwilligung der Klägering gemäß § 269 ZPO nicht in Betracht.
bb)
Daß das Berufungsgericht die Sachdienlichkeit der Änderung der Widerklage verneinte, läßt sich gleichfalls aufgrund der obigen Ausführungen (unter II 1 d bb) nicht beanstanden.
3.
Unbegründet ist schließlich auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Hilfsantrag nicht abweisen dürfen.
a)
Das Berufungsgericht hat der Auffassung sein können, daß die Klägerin die von den Beklagten begehrte Auskunft erteilt hatte. Einen Antrag auf Vorlage eines Buchauszugs hatten die Beklagten nicht gestellt, so daß dahingestellt bleiben kann, ob die Beklagte zu 1 in entsprechender Anwendung des § 87 Abs. 2 HGB dazu berechtigt gewesen wäre.
b)
In jedem Falle hat das Berufungsgericht die Stellung eines derartigen Antrags im Anwaltsprozeß nicht gemäß § 139 ZPO anregen müssen.
III.
Die Revision der Beklagten war mithin mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.
Hoffmann
Merz
Treier
Dr. Brunotte