Bundesgerichtshof
Urt. v. 16.04.1973, Az.: VII ZR 140/71
Inhaltskontrolle bei Vertragsbestimmungen zur Gebührenordnung der Ingenieure (GOI); Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen; Unangemessene Benachteiligung; Vorteilsausgleichung im Schadensersatzrecht; Fristlose Kündigung eines Ingenieurvertrages ; Ergänzende Vertragsauslegung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 16.04.1973
- Aktenzeichen
- VII ZR 140/71
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1973, 12391
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Düsseldorf - 07.06.1971
- LG Krefeld
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHZ 60, 353 - 362
- DB 1973, 1343-1344 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1973, 666 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1973, 1190-1192 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Kaufmann Hans-Joachim von C., D., M.,-Str. ...
Prozessgegner
Ingenieur Wilhelm B., K., D. Str. ...
Amtlicher Leitsatz
§ 18 Abs. 1 der Vertragsbestimmungen zur Gebührenordnung der Ingenieure (GOI) in der Fassung vom 3. April 1956 widerspricht Treu und Glauben. Die Klausel ist ergänzend dahin auszulegen, daß, wenn der Ingenieur aus einem Grunde kündigt, den der Auftraggeber zu vertreten hat, der Ingenieur den Anspruch auf die vertragliche Vergütung behält, sich jedoch anrechnen lassen muß, was er an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt.
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 16. April 1973
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Vogt und
die Richter Erbel, Schmidt, Dr. Girisch und Meise
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Düsseldorf vom 7. Juni 1971 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 43.900 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien schlossen am 1. August 1967 schriftlich einen Vertrag, wonach der Beklagte verschiedene Ingenieurleistungen für den Neubau eines Hotels auf der Insel Teneriffa zum Pauschalhonorar von 60.000 DM übernahm. Der Leistungsumfang wurde später erweitert und dementsprechend die Vergütung auf 160.000 DM erhöht. Die Parteien machten ausdrücklich die "Vertragsbestimmungen der Gebührenordnung der Ingenieure (GOI) vom 3.4.56" zum Inhalt der von ihnen getroffenen Vereinbarung. Der Beklagte hat insgesamt 122.000 DM auf sein Honorar erhalten.
Im Laufe der Geschäftsbeziehung kam es zwischen den Parteien mehrfach zu Spannungen. Diese fanden ihren Höhepunkt anläßlich einer Besprechung am 29. September 1969, als der Kläger dem Beklagten vorwarf, sein Verhalten sei für ihn, den Kläger, so etwas wie Betrug. Auf die Aufforderung des Beklagten, die Anschuldigung zurückzunehmen, wiederholte sie der Kläger sogar. Daraufhin kündigte der Beklagte das Vertragsverhältnis fristlos.
Im vorliegenden Verfahren fordert der Kläger den Teil des Honorars zurück, den der Beklagte erhalten habe, ohne eine entsprechende Gegenleistung erbracht zu haben. Er macht geltend, nicht er (Kläger) sondern der Beklagte selbst habe den wichtigen Grund zur Kündigung zu vertreten, den er (Beklagter) zum Anlaß genommen habe, das Vertragsverhältnis aufzulösen. Der Kläger hat im ersten Rechtszug Zahlung von 61.488 DM und im zweiten Rechtszug von 79.000 DM jeweils nebst Zinsen verlangt. Jetzt beschränkt er seinen Anspruch auf 43.900 DM nebst Zinsen. Zu diesem Betrag gelangt er durch folgende Rechnung: Der Beklagte habe Leistungen im Wert von 43.000 DM erbracht. Von dem Unterschiedsbetrag zu seinem Gesamthonorar von 117.000 DM könne er allenfalls 30 % Gewinnentgang beanspruchen, also höchstens 35.100 DM. Da er bereits 122.000 DM erhalten habe, müsse er 43.900 DM (122.000 - 43.000 - 35.100 DM) zurückzahlen.
Der Beklagte hält den entgegen, die von ihm bis zur Auflösung des Vertragsverhältnisses erbrachten Leistungen rechtfertigten die volle vom Kläger entrichtete Vergütung. Im übrigen beruft sich der Beklagte auf § 18 Abs. 1 der Vertragsbestimmungen zur GOI, wonach der Ingenieur, wenn er aus einem Grunde kündigt, den der Auftraggeber zu vertreten habe, den Anspruch auf die volle vertragliche Vergütung behalten soll.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision, um deren Zurückweisung der Beklagte bittet, verfolgt der Kläger die Klageforderung in Höhe von 43.900 DM nebst Zinsen weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Die vom Ausschuß für die Gebührenordnung der Ingenieure (AGO) herausgegebenen Vertragsbestimmungen zur GOI in der Fassung vom 3. April 1956 haben, soweit sie hier interessieren, folgenden Wortlaut:
"§ 16
Der Auftraggeber und der Ingenieur können den Vertrag nur aus wichtigem Grunde kündigen, und zwar ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist.§ 17
I.
Kündigt der Auftraggeber aus einem Grunde, den der Ingenieur nicht zu vertreten hat, so behält der Ingenieur den Anspruch auf die vertragliche Leistung; er muß sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge Auflösung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt.II.
Kündigt der Auftraggeber aus einem Grunde, den der Ingenieur zu vertreten hat, so kann der Ingenieur Vergütung für seine bisherigen Leistungen verlangen.§ 18
I.
Kündigt der Ingenieur aus einem Grunde, den der Auftraggeber zu vertreten hat, so behält der Ingenieur den Anspruch auf die vertragliche Vergütung.II.
Wird der Vertrag aus einem Grunde gekündigt, den weder der Ingenieur noch der Auftraggeber zu vertreten hat, so kann der Ingenieur Vergütung für seine bisherigen Leistungen verlangen; das gleiche gilt, wenn der Ingenieur aus einem von ihm zu vertretenden Grunde kündigt, es sei denn, daß seine bisherigen Leistungen für den Auftraggeber kein Interesse haben."
1.
Das Berufungsgericht wendet im vorliegenden Fall § 18 Abs. 1 dieser Vertragsbestimmungen an, gegen dessen Rechtsgültigkeit es keine Bedenken hat. Zwar kenne das Bürgerliche Gesetzbuch keine ähnliche Bestimmung. Die von den Parteien getroffene Sonderregelung halte sich aber im Rahmen der Vertragsfreiheit. Sie verstoße weder gegen die guten Sitten, noch sei sie bei Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben grob unbillig. Angesichts der eindeutigen verschiedenen Fassung der §§ 17 und 18 sieht das Berufungsgericht auch keinen Grund für eine ergänzende, berichtigende Vertragsauslegung.
2.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
a)
Die von den Parteien durch ausdrückliche Bezugnahme zum Vertragsinhalt gemachten "Vertragsbestimmungen" zur Gebührenordnung der Ingenieure (GOI) sind allgemeine Geschäftsbedingungen, die der sog. Inhaltskontrolle gemäß § 242 BGB unterliegen. Nach den von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätzen (vgl. BGHZ 54, 106, 109/110; BGH NJW 1972, 1227 Nr. 2 und Urteile vom 18. Oktober 1972 - VIII ZR 91/71 - = WM 1973, 12 sowie vom 28. Februar 1973 - IV ZR 34/71 - (zum Abdruck in BGHZ bestimmt), jeweils mit weiteren Nachweisen; vgl. auch den Überblick bei Emmerich JuS 1972, 361, 367) sind sie unwirksam, soweit sie unangemessene Klauseln enthalten, die bei Abwägung der schutzwürdigen Interessen der beiderseits an derartigen Rechtsgeschäften gemeinhin beteiligten Berufs- und Bevölkerungsgruppen der Billigkeit widersprechen. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn durch die allgemeinen Geschäftsbedingungen eine abweichende Regelung von Vorschriften des dispositiven Rechts geschaffen werden soll, die ihre Entstehung nicht nur Zweckmäßigkeitsgründen, sondern einem aus der Natur der Sache sich ergebenden Gerechtigkeitsgebot verdanken. Denn allein auf solche Bedingungen, mit denen billiger- und gerechterweise gerechnet werden muß, kann sich das Einverständnis des Vertragsteiles beziehen, der sich den von dem anderen Teil einseitig aufgestellten oder benutzten allgemeinen Geschäftsbedingungen unterwirft. Diesen Anforderungen genügt § 18 Abs. 1 der Vertragsbestimmungen zur GOI nicht.
b)
Die Revision stellt zunächst die vom Kläger schon im Berufungsrechtszug vertretene Ansicht zur Nachprüfung, ob nicht angenommen werden müsse, daß in der Klausel nur aus einem redaktionellen Versehen der Halbsatz wie in § 17 Abs. 1 fehle, wonach sich der Ingenieur anrechnen lassen muß, was er infolge der Auflösung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt. Ein redaktionelles Versehen scheidet bei der eindeutigen Formulierung des § 18 Abs. 1 jedoch aus. Diese kehrt im übrigen in der Regelung über die Folgen der Unmöglichkeit in § 19 Abs. 1 wieder. Bereits in der Fassung der Vertragsbestimmungen vom 6. April 1937, die der im vorliegenden Falle anzuwendenden überarbeiteten Fassung vom 3. April 1956 vorausging, findet sich die unterschiedliche Gestaltung der beiden Klauseln in § 17 Abs. 1 und § 18 Abs. 1, die auch stets ihrem Wortlaut entsprechend aufgefaßt worden sind (vgl. etwa Fleischmann/Kromer Ingenieurrecht 1957 S. 77, 102).
c)
Die Regelung des § 18 Abs. 1 der Vertragsbestimmungen zu GOI steht nicht im Einklang mit Treu und Glauben. Sie berücksichtigt nämlich bei der Kündigung des Vertragsverhältnisses durch den Ingenieur aus einem Grund, den der Auftraggeber zu vertreten hat, die Vorteile, die der Ingenieur aus der vorzeitigen Auflösung des Vertrages zieht, überhaupt nicht, auch nicht zu einem pauschalierten Teil. Das führt zu einer ungerechtfertigten, unangemessenen Benachteiligung des Auftraggebers, selbst wenn man in Betracht zieht, daß er vertragsbrüchig geworden ist.
Die Klausel könnte möglicherweise hingenommen werden, wenn sie eine abschließende Regelung aller denkbaren Ansprüche des Ingenieurs aus einem vom Auftraggeber zu vertretenden wichtigen Grund darstellen würde, mit der jedwede weitergehende Forderung des Ingenieurs ausgeschlossen wäre. Dann stünden der Bevorzugung des Ingenieurs in den Fällen, in denen er ohne weiteres die volle vertragliche Vergütung erhält, auch wenn weitergehende Ansprüche gar nicht in Frage stehen, immerhin die Fälle gegenüber, in denen er sich mit dem ausgemachten Honorar begnügen müßte, obgleich ihm ein weitaus höherer Schaden entstanden wäre. Eine solche stark vereinfachende Lösung würde möglicherweise der Inhaltskontrolle gem. § 242 BGB standhalten, etwa wenn sie im Hinblick auf die Häufigkeit gerechtfertigt erschiene, mit der erfahrungsgemäß Schäden für den Ingenieur zu erwarten wären, die das ihm entgangene Honorar überstiegen. Doch braucht dem nicht weiter nachgegangen zu werden.
Denn dem § 18 Abs. 1 der Vertragsbestimmungen zur GOI ist eine derart umfassende Regelung nicht zu entnehmen. Die Klausel befaßt sich vielmehr - das ergibt sich aus dem Zusammenhang mit den ihr vorangehenden und den ihr nachfolgenden Bestimmungen - allein mit der Einbuße, die der Ingenieur unmittelbar dadurch erleidet, daß er infolge der vom Auftraggeber zu vertretenden vorzeitigen Vertragsbeendigung das ihm versprochene Honorar nicht in voller Höhe verdienen kann. Die Klausel hat aber nicht den Sinn und Zweck, weitergehende Schadensersatzansprüche des Ingenieurs auszuschließen.
Nach § 18 Abs. 1 entfällt - darin liegt die Abweichung vom sonst geltenden Recht - der in diesen Fällen insoweit sonst gegebene Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung deswegen, weil der Ingenieur infolge der Aufrechterhaltung des auf die Zahlung der ausgemachten Vergütung gerichteten Erfüllungsanspruchs insoweit keinen Schaden hat. Dagegen ist dem Grundsatz nach - auch nach Treu und Glauben - nichts einzuwenden. Da aber § 18 Abs. 1 (in dem genannten Umfang) dem aufrechterhaltenen Erfüllungsanspruch gleichsam die Punktion eines Schadensersatzanspruchs zuweist, rechtfertigt es sich, bei der Inhaltskontrolle dieser Klausel auf Grund des § 242 BGB auch die für Schadensersatzansprüche maßgebenden Gesichtspunkte mit zu berücksichtigen.
Bei einem Schadensersatzanspruch muß sich jedoch der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung in gewissem Umfang die Vorteile anrechnen lassen, die ihm in adäquatem Ursachenzusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen (vgl. etwa BGHZ 30, 29; 49, 56, 61 jeweils mit weiteren Nachweisen; BAG NJW 1968, 221, 222). Dazu gehören insbesondere ersparte Aufwendungen; das hat der erkennende Senat für den Fall der vorzeitigen Auflösung eines Architektenvertrages aus einem Grund, den der Bauherr zu vertreten hatte, bereits entschieden (Urteil vom 6. Februar 1969 - VII ZR 41/67 = WM 1969, 668).
Der Rechtsgedanke der Vorteilsausgleichung zielt darauf ab, einen gerechten Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeizuführen. Der Geschädigte soll nicht in unangemessener Weise zu Lasten des Schädigers besser gestellt werden, als er ohne das Schadensereignis stehen würde. Das wäre ein unbilliges Ergebnis, das dem Zweck des Schadensersatzes zuwiderlaufen würde. Der Gedanke der Vorteilsausgleichung kommt auch außerhalb des Schadensersatzrechtes (vgl. insofern noch § 255 BGB) in zahlreichen anderen Vorschriften zum Ausdruck, z.B. in § 324 Abs. 1 Satz 2, § 552 Satz 2, § 615 Satz 2, § 616 Abs. 1 Satz 2, § 642 Abs. 2, § 649 Satz 2 Halbsatz 2 BGB, § 74 c Abs. 1 Satz 1 HGB. Die unterlassene Verwendung der eigenen Arbeitskraft kann ferner ganz allgemein eine Rolle im Rahmen der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB spielen. Letztlich beruhen all diese Regelungen auf dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).
Dem Gerechtigkeitsgebot, dem der Gedanke der Vorteilsausgleichung seine Entstehung verdankt, muß eine vom Gesetz abweichende Vertragsgestaltung in allgemeinen Geschäftsbedingungen Rechnung tragen, um im Einklang mit dem Grundsatz von Treu und Glauben zu bleiben. Das bedeutet nicht, daß für eine anderweitige Vorteilsausgleichung innerhalb allgemeiner Geschäftsbedingungen überhaupt kein Raum bliebe. Das Interesse des Ausgleichspflichtigen an einer gewissen Normierung ist angesichts der durchaus nicht zweifelsfreien Grenzen der nach dem Gesetz vorzunehmenden Vorteilsausgleichung und der in solchen Fällen häufig bestehenden Schwierigkeiten bei der Beweisführung bzw. Entlastung des jeweils Betroffenen nicht zu verkennen.
Die Rechtsprechung hat deshalb z.B. die Pauschalierung der Höhe des eventuell zu zahlenden Schadensersatzes in allgemeinen Geschäftsbedingungen anerkannt, wenn sie sich in einem gewissen Rahmen hält (BGH NJW 1970, 29, 31 f; BAG NJW 1967, 751). Der Senat hat ferner die Vereinbarung in Architektenmusterverträgen nicht beanstandet, wonach bei vorzeitiger Auflösung des Vertrages die am restlichen Vergütungsanspruch des Architekten abzuziehenden ersparten Aufwendungen 40 % des Honorars für die vom Architekten noch nicht erbrachten Leistungen betragen sollen. Er hat es weiter für zulässig gehalten, wenn in einem solchen formularmäßigen Vertrag der Abzug vom Honorar des Architekten auf die ersparten Aufwendungen in der Höhe des ausgemachten Hundertsatzes beschränkt bleibt und der etwaige Erwerb des Architekten durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft nicht berücksichtigt wird (Urteil vom 6. Februar 1969 - VII ZR 41/67 - = WM 1969, 668).
Regelungen dieser Art werden den Interessen beider Teile in tragbarer Weise gerecht. Sie tasten aber den dem Gebot der Vorteilsausgleichung zugrunde liegenden Billigkeitsgedanken nicht in seinem Wesensgehalt an. Anders ist es, wenn - wie hier - ein Ausgleich der mit der vorzeitigen Auflösung des Vertragsverhältnisses verbundenen Vorteile schlechthin ausgeschlossen werden soll. Dafür, daß die Ingenieure nach den in ihrem Berufszweig herrschenden Verhältnissen daran ein schutzwürdiges Interesse hätten, das gerade diese Lösung als gerecht erscheinen ließe, besteht kein Anhalt. Mit der getroffenen Regelung werden vielmehr nur einseitig die Interessen der Ingenieure auf Kosten ihrer Geschäftspartner verfolgt, die sie unangemessen benachteiligen. Eine solche Klausel verstößt gegen Treu und Glauben; mit ihr braucht ein redlicher Geschäftspartner billigerweise nicht zu rechnen.
d)
Hinzu kommt, daß die in den Vertragsbestimmungen zur GOI für die vorzeitige Auflösung des Vertrages getroffene Gesamtregelung Widersprüche aufweist, die zu einer ungerechtfertigten verschiedenen Behandlung gleichgelagerter Fälle führen.
Die Vertragsbestimmungen zur GOI legen in den §§ 16 bis 18 sowohl die Voraussetzungen wie die Rechtsfolgen der Kündigung des Vertragsverhältnisses durch einen der Vertragspartner fest. Dabei werden die hauptsächlich auftretenden Auflösungsgründe unterschiedlich behandelt. Gleichwohl erscheint nach außen die Gesamtregelung als in sich geschlossen.
So bestimmt § 16, daß beide Vertragsteile den Vertrag nur aus wichtigem Grund kündigen können. Das ist nicht zu beanstanden (vgl. etwa auch § 10 Ziff. 1 der "Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Architektenvertrag" Roth/Gaber Kommentar zum Vertragsrecht und zur Gebührenordnung für Architekten (10.) S. 22). Die §§ 17 und 13 enthalten dann die Rechtsfolgen einer Kündigung, wobei nach drei Gruppen zu unterscheiden ist:
aa)
Den Fall, daß keiner der Vertragspartner den Kündigungsgrund zu vertreten hat, behandelt § 18 Abs. 2 Halbsatz 1 dahin, daß der Ingenieur lediglich eine Vergütung für seine bisherigen Leistungen verlangen kann (vgl. auch Senatsurteil vom 17. April 1969 - VII ZR 21/67 - = Schäfer/Finnern Z 3.01 Bl. 410).
bb)
Dasselbe gilt nach § 17 Abs. 2, wenn der Ingenieur den Kündigungsgrund zu vertreten hat, es sei denn, daß seine bisherigen Leistungen für den Auftraggeber ohne Interesse sind (§ 18 Abs. 2 Halbsatz 2).
cc)
Hat der Auftraggeber den Grund zu vertreten, so wird unterschieden:
Kündigt der Auftraggeber, behält nach § 17 Abs. 1 der Ingenieur seinen Anspruch auf die Vergütung, muß sich aber anrechnen lassen, was er infolge der Auflösung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt.
Kündigt dagegen der Ingenieur, dann soll er nach § 18 Abs. 1 Anspruch auf die volle vertragliche Vergütung ohne jeden Abzug haben.
Im letzteren - für das vorliegende Verfahren allein maßgeblichen - Falle knüpfen die Vertragsbestimmungen zur GOI also an die Person des Kündigenden, nicht an den Kündigungsgrund an, um die Rechtsfolgen aus der vorzeitigen Vertragsauflösung verschieden, und zwar in einem wesentlichen Punkt verschieden festzulegen. Das ist widersinnig und unbillig. Für die Bestimmung der Höhe einer zu zahlenden Entschädigung ist die Frage, wer gekündigt hat, kein einleuchtendes Kriterium. Das kann der eine oder der andere sein, je nachdem, wer von ihnen sich früher entschließt, sich vom Vertrag zu lösen. Damit, daß gerade davon die Höhe einer zu erhebenden Forderung abhängig sein soll, braucht billiger- und gerechterweise niemand zu rechnen.
Es kommt hinzu, daß nach § 18 Abs. 1 derjenige, der den Kündigungsgrund zu vertreten hat, es in der Hand haben soll, durch seine eigene Kündigung, den Anspruch seines Vertragsgegners zu verringern. Er müßte bei dieser Regelung danach trachten, möglichst schnell selbst die Auflösung des Vertrages herbeizuführen; denn dann stände er sich besser, als wenn er es auf eine Kündigung des anderen Teils ankommen ließe. Das ist eine unverständliche und unangemessene Regelung, mit der ein redlicher Geschäftspartner nicht zu rechnen braucht.
Sachgerecht ist es vielmehr, darauf abzustellen, wer den wichtigen Grund, der zur vorzeitigen Auflösung des Vertragsverhältnisses geführt hat, vertreten muß, nicht aber darauf, wer die Kündigung erklärt hat. Auch an diesem Widerspruch innerhalb der Regelung der §§ 17 und 18 der Vertragsbestimmungen zur GOI zeigt sich, daß § 18 Abs. 1 nicht im Einklang mit Treu und Glauben steht und daher in der oben wiedergegebenen Fassung nach § 242 BGB keinen Bestand haben kann.
e)
Der Klausel kann jedoch durch ergänzende Auslegung nach § 157 BGB ein den Anforderungen der Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen gemäß § 242 BGB gerecht werdender Inhalt gegeben werden. Nach den hierzu entwickelten Grundsätzen (vgl. etwa BGHZ 9, 273, 277 ff; 16, 71, 76) ist zu ermitteln, welche Regelung in den Vertragsbestimmungen zur GOI anstelle des § 18 Abs. 1 getroffen worden wäre, wenn die Verfasser dieser allgemeinen Geschäftsbedingungen erkannt hätten, daß die Klausel der Inhaltskontrolle gemäß § 242 BGB nicht standhält. Insofern kann kein Zweifel bestehen, daß dann die allein sachgerechte Lösung gewählt worden wäre, nämlich den Fall der Kündigung des Vertrages aus einem Grund, den der Auftraggeber zu vertreten hat, einheitlich zu regeln ohne Rücksicht darauf, ob der Ingenieur oder der Auftraggeber die Kündigung ausspricht. Da § 17 Abs. 1 der Vertragsbestimmungen zur GOI diesen Fall behandelt, soweit die Kündigung durch den Auftraggeber in Frage steht, liegt es nahe, diese Regelung auf die entsprechende Kündigung durch den Ingenieur zu erstrecken. § 18 Abs. 1 der Vertragsbestimmungen zur GOI ist daher ergänzend dahin auszulegen, daß er folgende Fassung erhält:
"Kündigt der Ingenieur aus einem Grunde, den der Auftraggeber zu vertreten hat, so behält der Ingenieur den Anspruch auf die vertragliche Vergütung. Er muß sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Auflösung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt."
II.
1.
Das Berufungsgericht hält die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 der Vertragsbestimmungen zur GOI für gegeben, nämlich daß der Beklagte das Vertragsverhältnis aus einem Grund gekündigt hat, den der Kläger zu vertreten hat. Der Kläger habe den Beklagten im Laufe der Unterredung am 29. September 1969 schwer beleidigt, indem er ihm vorgeworfen habe, er (Beklagter) sei ein Betrüger. Der Kläger könne nichts zu seiner Entschuldigung anführen.
2.
Was die Revision dagegen vorbringt, greift nicht durch.
Das Berufungsgericht hat sich in eingehender tatrichterlicher Würdigung mit allen Umständen des Falles befaßt, die für die Beurteilung der Frage maßgebend sind, ob der Beklagte einen wichtigen Grund zur Kündigung des Vertragsverhältnisses hatte. Es hat den der Besprechung vom 29. September 1969 vorangegangenen Schriftwechsel ebenso berücksichtigt wie die Tatsache, daß der Kläger sich möglicherweise vor und während der Unterredung in einer gereizten Stimmung befunden hat. Wenn das Berufungsgericht gleichwohl zum Ergebnis kommt, allein der Kläger habe durch sein Verhalten das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien so erschüttert, daß eine Fortsetzung des Vertrags für den Beklagten nicht mehr zumutbar gewesen sei, so ist das aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Senat hat die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (Art. 1 Ziff. 4 EntlG).
III.
Das Berufungsurteil kann aus den oben Ziffer I dargelegten Gründen nicht aufrechterhalten bleiben. Das Berufungsgericht wird nunmehr der von ihm bisher offengelassenen Frage nachzugehen haben, ob der Beklagte etwa schon die volle Gegenleistung für das bereits erhaltene Honorar erbracht hat, worauf er sich beruft, sowie, inwieweit er sich anrechnen lassen muß, was er infolge der vorzeitigen Auflösung des Vertrages mit dem Kläger an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erworben oder zu erwerben böswillig unterlassen hat. Darauf beschränkt sich die Klage, soweit sie der Kläger jetzt noch weiter verfolgt.
Das Berufungsurteil ist nach alledem in dem aus dem Urteilsspruch ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Erbel
Schmidt
Girisch
Meise