Bundesgerichtshof
Urt. v. 27.04.1970, Az.: III ZR 49/69
Ersatz von Aufwendungen für die Beseitigung von Ölschäden; Lastwagenunfall während der Ausübung eines Dienstes bei befugter Fahrzeugbenutzung durch einen Soldaten; Manöver amerikanischer Streitkräfte
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 27.04.1970
- Aktenzeichen
- III ZR 49/69
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1970, 11161
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Koblenz - 05.02.1969
Rechtsgrundlagen
- Art. VIII NATO-Truppenstatut
- § 97 ZPO
- § 839 BGB
- Art. 34 GG
Fundstellen
- BGHZ 54, 21 - 29
- DVBl 1970, 499-500 (Volltext mit amtl. LS)
- DÖV 1970, 561-563 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1970, 663 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1970, 1416-1418 (Volltext mit amtl. LS) "Kostenentscheidung bei Rechtsmitteln"
- VersR 1970, 638-640 (Volltext mit red. LS)
- VerwRspr 21, 803 - 808
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Greift die Polizeibehörde im Wege der Ersatzvornahme ein, wenn bei einem Manöver der amerikanischen Streitkräfte durch auslaufendes Öl das Grundwasser zu verseuchen droht, dann kann die Polizeibehörde den öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erstattung ihrer Kosten nach Art. VIII Abs. 5 des NATO-Truppenstatuts gegenüber der Bundesrepublik vor den ordentlichen Gerichten geltend machen.
- 2.
Hat das LG den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, aber das OLG die Klage abgewiesen und führt die Revision des Klägers dazu, daß unter Aufhebung des oberlandesgerichtlichen Urteils die Berufung des Beklagten zurückgewiesen wird, dann hat das Revisionsgericht dem Beklagten die Kosten beider Rechtsmittel aufzuerlegen.
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 1970
unter Mitwirkung des Senatspräsidenten Hubert Meyer sowie
der Bundesrichter Dr. Arndt, Dr. Beyer, Keßler und Dunz
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 5. Februar 1969 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Grundurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 1. März 1967 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittel zu tragen.
Tatbestand
Der klagende Landkreis verlangt von der Bundesrepublik Ersatz von Aufwendungen für die Beseitigung von Ölschäden, die bei einem Manöver der amerikanischen Streitkräfte entstanden sind.
In der Nacht zum 23. Oktober 1965 verunglückte ein im Manövereinsatz befindlicher Lastkraftwagen der in der Bundesrepublik stationierten amerikanischen Streitkräfte auf der Landstraße 64 bei der Stadt D. in der E. infolge eines Achsbruches. Der Anhänger, auf dem sich ein mit rd. 1.200 l Dieselkraftstoff gefüllter Tank befand, stürzte dabei um und das Öl lief aus. Der Kraftstoff versickerte zunächst in Kanalschächte und trat weiter talwärts auf die Wiese des Landwirts P. aus. Nach einigen Stunden hatte sich auf einer Wiesenfläche von rd. 200 qm eine Öllache gebildet und der Boden mit Öl voll gesaugt.
Das Landratsamt als untere Wasserbehörde ordnete die von Fachleuten empfohlenen Sicherungsmaßnahmen an, um eine Verunreinigung des Grundwassers und eine Schädigung der in der Nähe gelegenen D.-Heilquellen zu verhindern. Der ölverseuchte Boden wurde abgehoben und abgefahren; Probebohrungen wurden vorgenommen, ein Auffanggraben angelegt und Ölbindemittel verwandt.
Dem Kläger sind durch diese Maßnahmen nach seiner Angabe Unkosten in Höhe von 15.441,24 DM entstanden. Er hat die Erstattung von dem Landwirt P. verlangt und auch beim Landesentschädigungsamt in K. angemeldet. Die amerikanischen Streitkräfte haben bescheinigt, daß die zum Schadensersatz verpflichtende Handlung oder Unterlassung durch einen Soldaten in Ausübung des Dienstes bei befugter Fahrzeugbenutzung entstanden sei. Der Erstattungsantrag des Klägers ist jedoch vom Landesentschädigungsamt abgelehnt worden. P. hat von den ihm erstatteten Beträgen an den Kläger 9.832,74 DM abgeführt.
Mit der Klage verfolgt der Kläger seine restlichen Ansprüche weiter. Er meint, die Ansprüche seien nach, dem NATO-Truppenstatut in Verbindung mit verschiedenen Anspruchsgrundlagen begründet, insbesondere Amtshaftung, Wasserhaushaltsgesetz, Polizeirecht, Geschäftsführung usw.. Der Fahrer des Kraftwagens habe sich auch einer Fahrerflucht schuldig gemacht. Nach seinem Vortrag im Berufungsrechtszug macht der Kläger zugleich die Ansprüche des Geschädigten P. kraft dessen Ermächtigung und Abtretung geltend.
Er hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 5.608,50 DM nebst Zinsen zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat insbesondere vorgetragen: Der Unfall sei auf einen technischen Mangel des Kraftwagens zurückzuführen. Der Fahrer habe sogleich die Polizei benachrichtigt, doch habe man nachts den Verbleib des Öls nicht feststellen können. Die Aufwendungen des Landratsamts seien teilweise nicht notwendig gewesen. Keinesfalls könne der Kläger Ansprüche nach dem NATO-Truppenstatut geltend machen, weil er selbst nicht geschädigt sei; Aufwendungen seien keine Schäden in diesem Sinne. Für derartige Ersatzansprüche nach Polizeirecht oder aus Geschäftsführung habe die Bundesrepublik nicht für die Streitkräfte einzutreten; insoweit müsse sich der Kläger unmittelbar an die amerikanischen Behörden halten. Wegen der Kosten einer polizeilichen Ersatzvornahme sei auch der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten nicht gegeben. Die angebliche Abtretung habe der Kläger ihr erst während des Berufungsrechtszuges mitgeteilt; deshalb müsse er die gegen P. rechtskräftig gewordenen Entschließungen des Verteidigungslastenamtes und die Leistungen an ihn gegen sich gelten lassen.
Das Landgericht hat den Klaganspruch dem Grunde nach aus dem Gesichtspunkt der Pflicht zur Erstattung von Kosten einer polizeilichen Ersatz vornähme für gerechtfertigt erklärt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen und in der Begründung insbesondere ausgeführt: Aufgrund einer Abtretung ständen dem Kläger keine Ansprüche zu, weil er die Abtretung früher nicht mitgeteilt habe; deshalb müsse er die Leistungen und Entschließungen der Behörde gegen sich gelten lassen; P. habe gegen die Ablehnung weiterer Ansprüche keinen Rechtsbehelf ergriffen. Eigene Ansprüche des Klägers beständen ebenfalls nicht, weil er nicht selbst unmittelbar an seinen Rechtsgütern und seinem Vermögen durch den Unfall geschädigt sei; er sei weder Eigentümer des betroffenen Grundstücks noch der betroffenen Wasserläufe. Aus dem gleichen Grund entfielen Amtshaftungsansprüche, zumal den beteiligten Soldaten kein Verschulden treffe; unerheblich sei es, ob sich der Soldat zu früh entfernt habe, denn dadurch habe sich der Schadensablauf nicht verändert. Allerdings könnte der Kläger einen Aufwendungsersatzanspruch nach Polizeirecht haben. Das gelte aber nicht gegenüber der hoheitlichen Betätigung der Streitkräfte. Im übrigen könnten derartige Ansprüche auch nicht nach dem NATO-Truppenstatut gegen die Bundesrepublik geltend gemacht werden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.
Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Der Revision ist der Erfolg nicht zu versagen, weil dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen nach Polizeirecht zusteht, der nach dem NATO-Truppenstatut auch gegenüber der beklagten Bundesrepublik geltend zu machen ist.
Es bedarf dann keiner Prüfung der übrigen vom Berufungsgericht erörterten Ansprüche, insbesondere aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG, § 7 des Straßenverkehrsgesetzes, § 22 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie § 77 des Bundesleistungsgesetzes. Denn der Kläger erstrebt mit seiner Revision nur die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, das nach Verneinung eines Anspruchs aus § 77 des Bundesieistungsgesetzes die Klagforderung dem Grunde nach als Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen einer polizeilichen Ersatzvornahme für gerechtfertigt erklärt hat. Es ist dann nicht Aufgabe des Revisionsgerichts zu entscheiden, ob dem Kläger noch weitere Ansprüche zustehen.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen aus Anlaß einer polizeilichen Ersatzvornahme nach § 26 Abs. 3 des Polizeiverwaltungsgesetzes (PVG) für Rheinland-Pfalz vom 26. März 1954 (GVBl 31) zu. § 26 PVG bestimmt folgendes:
(1)
Die Polizei hat die Störung oder Gefahr mit eigenen Mitteln oder durch beauftragte Dritte zu beseitigen, wenna)
ein nach den §§ 22 - 25 Verantwortlicher nicht vorhanden ist oderb)
ein Verantwortlicher nicht oder nicht rechtzeitig zu ermitteln ist oder aus anderen Gründen nicht oder nicht rechtzeitig in Anspruch genommen werden kann oderc)
ein Verantwortlicher einer an ihn gerichteten Aufforderung der Polizei, die Störung oder Gefahr zu beseitigen, nicht nachkommt und die Polizei die Befolgung der Aufforderung auf andere Weise nicht erzwingen kann oder die anderweitige Erzwingung unzweckmäßig ist ...(3)
Die Polizeibehörde kann von dem Verantwortlichen Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen; der Betrag kann, auch wenn er vorläufig festgesetzt ist, im Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben werden.
Das Eindringen von Dieselöl in die Wiese des Landwirts P. die mit einer großen Öllache bedeckt war und deren Boden sich mit Öl vollgesaugt hatte, sowie das Einsickern des Öls in das Grundwasser bedeuteten eine polizeiliche Gefahr im Sinne des § 22 PVG, nämlich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, weil die Gesundheit einer unbestimmten Anzahl von Personen gefährdet war, wenn die Wiese und das Grundwasser oder gar die benachbarte Quelle durch das Öl verseucht wurden. Verantwortlich und damit polizeipflichtig war in erster Linie die Truppe als Halter des verunglückten Kraftwagens, als Eigentümer des ausgelaufenen Öls (§ 25 PVG) sowie als Geschäftsherr des Fahrers, den sie zu der Verrichtung bestellt hatte, bei der er die Gefahr verursacht hatte (§§ 23, 24 Abs. 2 PVG). Die Streitkräfte hafteten nach § 7 StVG als Halter des Kraftwagens, weil der Schaden sich noch beim Betrieb des Kraftwagens ereignet hatte; auch nach § 22 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) war die Truppe verantwortlich. Die zuständigen Truppenstellen waren nicht sofort erreichbar, als sich beim Tagesanbruch der Umfang des Schadens herausstellte. Der Landwirt P. als Eigentümer des mit Öl verseuchten Grundstücks war zur Beseitigung der Gefahr weder willens noch in der Lage. Die Polizei war daher zur Ersatzvornahme befugt. Es bestehen keine Bedenken, daß sie bei der ihrem pflichtgemäßen Ermessen unterliegenden Auswahl unter den verschiedenen Verantwortlichen sich mit ihrem Erstattungsanspruch sogleich an denjenigen hält, der die entscheidende Ursache gesetzt hat und letzten Endes verantwortlich bleibt.
Das Landratsamt ist nach § 100 des Landeswassergesetzes von Rheinland-Pfalz vom 1. August 1960 untere Wasserbehörde, die für den Vollzug des Wasserhaushaltsgesetzes zuständig ist und nach § 102 des Landeswassergesetzes zugleich im Rahmen ihrer Zuständigkeit nach dem Wassergesetz auch die Befugnisse einer Polizeibehörde nach dem Polizeiverwaltungsgesetz hat.
Der Kläger macht diese Ansprüche hier gegen die Bundesrepublik in Prozeßstandschaft für die amerikanischen Streitkräfte in Anwendung des NATO-Truppenstatuts geltend. Dieses Statut ist nach dem deutschen Ausführungsgesetz vom 18. August 1961 (BGBl II 1183) seit dem 1. Juli 1963 in Kraft. Nach Art. VIII Abs. 5 a des Statuts ist die Rechtslage maßgebend, die nach den Gesetzen und Bestimmungen der Bundesrepublik Deutschland für ihre eigenen Streitkräfte gilt.
Der Geltendmachung des Anspruchs steht danach zunächst nicht das vom Berufungsgericht erhobene Bedenken entgegen, die Bundeswehr sei nicht polizeipflichtig: Gewiß darf die Polizei nicht ihre Aufgaben mit obrigkeitlichen Mitteln gegenüber der Hoheitsgewalt einer anderen Behörde durchsetzen, und gewiß bestehen Beschränkungen in der Ausübung der polizeilichen Befugnisse gegenüber anderen Hoheitsträgern. Das ist ein ungeschriebener Grundsatz des Verwaltungsrechts, der im Einzelfall aus dem Aufgabenbereich der verschiedenen Behörden und dem Begriff der Einheit der Verwaltung zu klären ist. Er gilt keinesfalls, soweit eine Behörde sich nur fiskalisch betätigt, bei Teilnahme der Behörden am allgemeinen Verkehr oder wenn es sich um einen Katastrophenfall handelt (siehe Drews/Wacke, Allgemeines Polizeirecht 7. Aufl. S. 125, 211; Scholz DVBl 1968, 732; Ule/Rasch, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht 1965, Preuss. PVG § 14 Rdn. 52 - 54). Dieser Grundsatz verbietet es, daß die Polizei etwa auf die Abhaltung oder Abwicklung von Manövern durch hoheitliche Maßnahmen einwirkt, aber darum geht es hier nicht. Die Polizei darf im Rahmen ihrer Aufgaben auch gegenüber der Bundeswehr tätig werden, so bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr nach § 48 StVO und sogar im Rahmen der Strafverfolgung, wie der Bundesminister für Verteidigung in einem Erlaß vom 14. August 1957 (VMBl 1957, 486) klargestellt hat. § 48 StVO bringt diesen Grundsatz treffend dahin zum Ausdruck, daß die Bundeswehr nur Befreiungen genießt, soweit das zur Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgabe unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dringend geboten ist. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Sinne die grundsätzliche Polizeipflichtigkeit der Bundeswehr bei Durchführung der allgemeinen Gesetze anerkannt; die Polizei darf nur nicht die eigentliche Kompetenz der Bundeswehr verletzen. Eine Hoheitsverwaltung darf - abgesehen von Gefahrzuständen und Sonderregelungen - nicht mit Anordnung oder Zwang in die hoheitliche Tätigkeit einer anderen Verwaltung eingreifen; doch schließt das keine Einwirkungen aus, die die Hoheitstätigkeit der Spezialbehörde unberührt lassen (BVerwG 29, 52 = DVBl 1968, 749 mit Anmerkung von Scholz DVBl 1969, 115). Eine solche unzulässige Einwirkung auf die eigentliche hoheitliche Betätigung der Streitkräfte liegt keinesfalls vor. Denn hier hatte ein Kraftwagen der Truppe bei der Teilnahme am Straßenverkehr einen Schaden angerichtet, für den die Streitkräfte als Halter des Kraftwagens oder nach dem Wasserhaushaltsgesetz verantwortlich waren. Die Beseitigung dieser Schäden und die Erledigung der Schadensersatzpflichten gehörten nicht mehr zum hoheitlichen Bereich der Truppe, und es hätten keine Bedenken bestanden, daß die Polizei von der Truppe die Beseitigung der Schäden verlangt und es ihr überlassen hätte, wie sie die Unfallfolgen beseitigen wollte. Die Bundeswehr hat eigene Erlasse über die Verhinderung und Beseitigung von Ölschäden herausgebracht (VMBl 1970, 97). Wegen der Eilbedürftigkeit wurde die Polizei selbst tätig; sie griff aber nicht durch hoheitliche Maßnahmen in den Betrieb der Streitkräfte ein, sondern beschränkte sich auf eine Ersatzvornahme, deren Kosten nun auszugleichen sind. Das Verlangen der Polizei, daß die Truppe, die für den beseitigten polizeiwidrigen Zustand verantwortlich war, die Aufwendungen für die Ersatzvornahme erstatten solle, bildet keinen unzulässigen Eingriff in die hoheitlichen Belange der Streitkräfte.
Das Berufungsgericht irrt auch mit seiner Auffassung, der Kläger könne derartige Ansprüche nicht nach Art. VIII Abs. 5 des NATO-Truppenstatuts geltend machen.
Art. VIII Abs. 5 des NATO-Truppenstatuts regelt
"Ansprüche, ausgenommen vertragliche Ansprüche, die sich daraus ergeben, daß durch Handlungen ... von Mitgliedern einer Truppe ... in Ausübung des Dienstes oder durch eine andere ... Begebenheit, für die eine Truppe ... rechtlich verantwortlich ist ... einem Dritten ... ein Schaden zugefügt worden ist".
Die Bestimmung schafft damit Ansprüche, die ohne dieses Vertrags- und Gesetzeswerk gegen die in der Bundesrepublik stationierten fremden Streitkräfte nicht bestehen würden, weil derartige Streitkräfte exemt sind (Rieger, Stationierungsschädenrecht S. 64). Der Sinn dieser Regelung ist es, für die vielen Konfliktfälle, die sich aus der Stationierung fremder Streitkräfte in der Bundesrepublik ergeben, eine gegenüber dem vorher geltenden Finanzvertrag bessere Lösung zugunsten der Einwohner der Bundesrepublik zu schaffen. Art. VIII Abs. 5 des Statuts sagt nicht etwa, daß nur Ansprüche des Dritten, also desjenigen anerkannt werden, an - dessen Vermögen oder Rechtsgütern der Schaden unmittelbar eingetreten ist, sondern die Bestimmung ist weitgehend dahin gefaßt, daß alle Ansprüche geregelt werden sollen, die sich daraus ergeben, daß ein bestimmtes Ereignis einem Dritter einen Schaden zufügt. Diese Voraussetzungen sind sicherlich gegeben, denn ein Schaden ist eingetreten, und Ansprüche der verschiedensten Stellen können daraus entstanden sein. Hier klagt zwar nicht der unmittelbar Verletzte, aber eine Stelle, die nach deutschem Recht eingreifen durfte und zur Verhütung weiterer Schäden sogar schnell eingreifen mußte. Diese Stelle hat nach dem deutschen Polizeirecht Ansprüche, und diese Ansprüche haben sich aus einer Begebenheit entwickelt, für die die Truppe verantwortlich ist, nämlich aus der Haltung eines Kraftwagens und der Gefährdung durch ausgelaufenes Öl. Damit sind alle Tatbestandsmerkmale des Art. VIII Abs. 5 NATO-Truppenstatut erfüllt.
Diese Lösung ist nicht auffallend, denn die Rechtsprechung hat längst anerkannt, daß es der Anwendung der Bestimmung nicht entgegensteht, wenn nicht der Geschädigte die Ansprüche erhebt, sondern ein anderer Anspruchsberechtigter, insbesondere ein Sozialversicherungsträger, auf den die Ansprüche kraft Gesetzes sogleich mit dem Unfall übergegangen sind. Deshalb bedarf es nicht der rechtsähnlichen Anwendung aller übrigen Bestimmungen, in denen ein Eintreten der Bundesrepublik für die Streitkräfte vorgesehen ist, die vielleicht in ihrer Gesamtheit den Willen der Partner dieses Vertragswerks erkennen lassen, in möglichst lückenlosem Umfang in allen Fällen einer Schadenszufügung durch die Streitkräfte eine Regelung auf diesem Wege zu ermöglichen.
Weiter hat die Rechtsprechung anerkannt, daß unter Art. VIII Abs. 5 des NATO-Truppenstatutes nicht nur echte deliktische Ansprüche fallen, sondern auch gesetzliche Haftungstatbestände wie Gefährdungshaftung, Ansprüche aus Aufopferung, Enteignung, enteignungsgleichem Eingriff (BGHZ 37, 44) und sogar wegen nachbarlicher Immissionen (BGH Warn 1963 Nr. 166). Eine Sonderregelung haben ausdrücklich nur die vertraglichen Ansprüche gefunden. Selbst wenn man vertragsähnliche Ansprüche dem gleichstellt, darf man keinesfalls Ansprüche auf Erstattung der Aufwendungen für eine polizeiliche Ersatzvornahme als vertragsähnlich behandeln, weil es sich insoweit um einen besonderen Öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch handelt und nicht etwa um einen Fall der privatrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag (vgl. RGZ 143, 91; BVerwG 10, 282, 290; Drews-Wacke, Allgemeines Polizeirecht 7. Aufl. S. 364; Hurst DVBl 1965, 757).
Diese Auffassung deckt sich im übrigen mit der Meinung der Streitkräfte, die noch im Laufe des Rechtsstreits mehrfach erklärt haben, daß die Regelung dieses Falles der ausschließlichen Verantwortung und Jurisdiktion der deutschen Behörden und Gerichte nach Maßgabe des NATO-Truppenstatuts unterliege.
Gegen die Zulässigkeit des Rechtswegs vor den ordentlichen Gerichten besteht nach Art. 12 des Ausführungsgesetzes zum NATO-Truppenstatut kein Bedenken, auch wenn es sich bei dem Erstattungsanspruch um einen Anspruch handelt, der sonst vor den Verwaltungsgerichten geltend gemacht werden müßte.
Das Berufungsurteil muß daher aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das landgerichtliche Grundurteil zurückgewiesen werden.
Das Landgericht wird im Höheverfahren zu entscheiden haben, wieweit es sich bei den noch streitigen Posten um Aufwendungen handelt, die notwendig waren, um die durch das ausgelaufene Öl entstandene Gefahr oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen. Zu derartigen Aufwendungen gehören allerdings nicht die eigenen Kosten der Polizei, also Kosten für den Einsatz ihrer Beamten oder Fahrzeuge, weil es sich insoweit um die Ausübung unmittelbaren Zwanges und nicht um eine polizeiliche Ersatzvornahme handelt. Möglicherweise sind deshalb Kosten für die Bauaufsicht, gewisse Untersuchungshandlungen oder eine polizeiliche Überwachung nicht erstattungsfähig, doch muß das das Landgericht nach weiterer Aufklärung entscheiden (vgl. dazu Drews-Wacke, Allgemeines Polizeirecht 7. Aufl. S. 364).
Die Kosten beider Rechtsmittelzüge sind der Beklagten aufzuerlegen. Denn jetzt steht rechtskräftig fest, daß die Beklagte mit ihrem Rechtsmittel gegen das Grundurteil unterlegen ist. Ihre Berufung ist zurückgewiesen worden, so daß sie diese Kosten der Berufung nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen hat; das muß sogleich ausgesprochen werden, weil sich diese Entscheidung nicht mehr ändern kann. Diese Entscheidung nach § 97 Abs. 1 ZPO für die Kosten der Berufung ist unabhängig davon, wie später in der Sache selbst entschieden wird, selbst wenn der Kläger im Verfahren über die Höhe teilweise unterliegt. Denn § 97 Abs. 1 ZPO enthält einen Fall der Kostentrennung und legt die Kosten eines endgültig erfolglosen Rechtsmittels immer dem Rechtsmittelkläger auf (BGHZ 20, 397). Dasselbe muß für die Kosten der Revision gelten. Hier trifft zwar § 97 Abs. 1 ZPO nicht unmittelbar zu, weil das Rechtsmittel des Klägers Erfolg hatte und § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsmittels unmittelbar nur dem erfolglosen Rechtsmittelkläger auferlegt. Es steht jetzt jedoch fest, daß das Grundurteil des Landgerichts richtig ist; hätte der Beklagte vergeblich Berufung und Revision dagegen eingelegt, dann hätte er die Kosten beider Rechtsmittel nach § 97 Abs. 1 ZPO tragen müssen. Das kann nicht anders sein, wenn zunächst das Berufungsgericht unrichtig entscheidet und erst auf die Revision des Klägers das richtige Grundurteil Rechtskraft erlangt. Auch nach dem Grundgedanken des § 91 ZPO müssen die Kosten der Revision der Beklagten auferlegt werden, weil sie in dieser Instanz unterlegen ist und diese Entscheidung endgültig ist (so schon BGH Urt.v.10. Juni 1954 - III ZR 89/53 -, insoweit aber BGHZ 13, 395 nicht veröffentlicht).
Dr. Arndt
Dr. Beyer
Keßler
Dunz