Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Urt. v. 04.07.1969, Az.: V ZR 199/68

Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung durch Grundschulderwerb; Absehen von Zurückverweisung an die Vorinstanz als Verfahrensverstoß; Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung als Wiederholung früherer Beweisanerbieten; Unterbliebene Beweiserhebung als Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
04.07.1969
Aktenzeichen
V ZR 199/68
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1969, 11795
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Oldenburg - 07.11.1968

Fundstellen

  • MDR 1969, 996
  • NJW 1969, 1669-1670 (Volltext mit amtl. LS) "Begründung"

Prozessführer

Firma Peter M.-R. Kommanditgesellschaft in Br., Z. S.,
vertreten durch den Kaufmann Peter M.-R. in Fr., Gr. Ba. (Ba.-Inseln), PO Box ...

Prozessgegner

1. Milchhändler Heinz W.

2. Ankerwickler Heinrich W.

beide in Kl. Oe. (Kreis O.) H.straße ...

Amtlicher Leitsatz

Zur Frage, in welcher Weise das Berufungsgericht, wenn es nach § 540 ZPO von einer Zurückverweisung absehen und selbst in der Sache entscheiden will, seinen Entschluß zu begründen hat (Ergänzung zum Urteil vom 16. Oktober 1953, V ZR 162/52, LM ZPO § 256 Nr. 16).

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Juli 1969
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr. Augustin und
der Bundesrichter Dr. Rothe, Dr. Freitag, Offterdinger und Dr. Grell
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Oldenburg vom 7. November 1968 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Der Erstkläger, Inhaber eines Erbbaurechts in Kl. Oe., belastete dieses Recht am 26. Oktober 1966 zugunsten der Firma "Anstalt für internationale Handels- und Beteiligungsvermittlung" in V. (L.) - im folgenden "I." genannt -, die ihm für Anfang Dezember 1966 ein Darlehen zugesagt hatte, mit einer Briefgrundschuld von 100.000 DM; als weitere Sicherheit für das versprochene Darlehen ließ sich die I. am 4. November 1966 von dem Vater des Erstklägers, dem Zweitkläger, an dessen Hausgrundstück in Kl. Oe. eine Briefgrundschuld von 50.000 DM einräumen. Beide Grundschulden waren sofort fällig und mit 1 % monatlich zu verzinsen; in den notariellen Bestellungsurkunden unterwarfen sich die Kläger jeweils der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen und gestatteten der Gläubigerin, die Grundschulden zwecks Refinanzierung an Dritte abzutreten. Bei den Verhandlungen mit den Klägern wurde die I. durch ihren damaligen "Verwaltungsrat", den Ol.ger Kaufmann Ewald E., vertreten, der wegen Betruges vorbestraft war. Am 27. Oktober 1966 trat die I. die Grundschulden (von denen die zweite über 50.000 DM damals noch nicht bestellt war) sowie ihre Ansprüche gegen das Grundbuchamt auf Erteilung und Aushändigung der Grundschuldbriefe an die Raiffeisen-Bank Ev. eGmbH in Ol. ab. Die Grundschulden und ihre Abtretung wurden in das Grundbuch eingetragen und die Grundschuldbriefe an die Raiffeisen-Bank übersandt. Das von der I. zugesagte Darlehen erhielt der Erstkläger weder ganz noch teilweise.

2

Zwischen der I. und der beklagten Kommanditgesellschaft bestand seit einigen Monaten eine Geschäftsverbindung dergestalt, daß die Beklagte - die dabei teils von ihrem persönlich haftenden Gesellschafter Peter M.-R., teils von seinem Vetter, dem Studenten der Wirtschaftswissenschaften Claas D. vertreten wurde - der I. darlehensweise Geldbeträge zur Verfügung stellte und sich dafür Grundschulden an fremden Grundstücken oder Erbbaurechten übertragen ließ; die jeweilige Darlehensvaluta wurde von ihr nicht an die I. unmittelbar, sondern an die Raiffeisen-Bank überwiesen, die das Geld erst dann an die Darlehensnehmerin auszahlen durfte, wenn sie von dieser entsprechende Grundschulden abgetreten erhalten und sich zu deren Weiterabtretung an die Beklagte bereit erklärt hatte, Laut schriftlicher Vereinbarung vom 10. November 1966 gewährte D. namens der Beklagten erneut der durch E. vertretenen In. ein mit monatlich 1,25 % verzinsliches, bis spätestens 1. Mai 1967 zu tilgendes Darlehen von 140.000 DM; als Sicherheit sollten der Beklagten vier näher bezeichnete, damals in den Händen der Raiffeisen-Bank befindliche Grundschulden im Gesamtbetrag von 260.000 DM, darunter auch die beiden von den Klägern bestellten, abgetreten werden. Auf Grund dieser Vereinbarung, die man am 2. Dezember 1966 im Rahmen einer Gesamtregelung noch auf weitere Darlehensbeträge und Grundschulden ausdehnte, wurden die 140.000 DM über die Raiffeisen-Bank an die I. gezahlt. Die erwähnten beiden Grundschulden über 100.000 DM und 50.000 DM trat die Raiffeisen-Bank durch notariell beglaubigte Erklärung vom 19. Dezember 1966 an die Beklagte ab und übersandte ihr die Grundschuldbriefe.

3

In der Folgezeit ließ die Beklagte sich vollstreckbare Ausfertigungen der beiden Grundschuldbestellungsurkunden erteilen und stellte sie den Klägern zu. Durch Anwaltschreiben vom 3. März 1967 teilte sie dem Erstkläger mit, daß sie das der I. gewährte Darlehen gekündigt habe; gleichzeitig forderte sie ihn auf, binnen 14 Tagen 150.000 DM nebst 12 % Zinsen seit Dezember 1966 an sie zu zahlen. Eines Tages erschien D. bei dem Erstkläger und bot ihm die beiden Grundschulden gegen Zahlung von 80.000 bis 85.000 DM an; dieses Angebot wiederholte die Beklagte kurze Zeit später durch ihre Rechtsanwälte, wobei sie 80.000 DM verlangte. Am 11. Mai 1967 beantragte sie bei dem zuständigen Amtsgericht wegen eines Anspruchs auf Zahlung von 100.000 DM nebst Zinsen und Kosten die Zwangsversteigerung des Erbbaurechts. Die Kläger fochten daraufhin unter dem 29. Mai 1967 die Bestellung der beiden Grundschulden und alle damit im Zusammenhang stehenden Erklärungen wegen arglistiger Täuschung an.

4

Mit der vorliegenden Klage haben die Kläger beantragt,

die Zwangsvollstreckung aus den notariellen Urkunden vom 26. Oktober und 4. November 1966 für unzulässig zu erklären, sowie festzustellen, daß der Beklagten gegen sie keine Ansprüche aus den beiden Grundschulden zustünden;

5

ferner begehren sie Verurteilung der Beklagten,

die Löschung der Grundschulden zu bewilligen und die vollstreckbaren, Ausfertigungen der Bestellungsurkunden herauszugeben.

6

Sie behaupten, von E. betrogen worden zu sein (er habe von vornherein gewußt, daß weder er noch die von ihm vertretene I. zur Erfüllung der Darlehenszusage imstande seien), und werfen der Beklagten vor, bei Erwerb der Grundschulden die betrügerischen Machenschaften E. gekannt zu haben; ihr Generalbevollmächtigter D. habe im Sommer 1961 E. veranlaßt, den Firmenmantel der I. - einer sogenannten "Briefkastenfirma", die nicht rechtsfähig gewesen sei - zu übernehmen, weil es der Beklagten sonst nicht möglich gewesen wäre, gutgläubig von E. Grund schulden zu erwerben; nur zu diesem Zweck sei dann auch noch die Raiffeisen-Bank zwischengeschaltet worden; daß E. das dem Erstkläger zugesagte Darlehen tatsächlich nicht habe gewähren können, sei der Beklagten von vornherein klar gewesen, zumal da sie sich von den Geldern, die sie der I. darlehensweise zur Verfügung stellte, jeweils große Teilbeträge sofort "schwarz" wieder habe zurückzahlen lassen. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie bestreitet die Klagebehauptungen; insbesondere sei D. nicht ihr Generalbevollmächtigter gewesen, sie habe ihn vielmehr nur in Einzelfällen mit bestimmten Aufgaben betraut; weder sie noch D. hätten die betrügerischen Absichten E. und seine schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse gekannt; die Einschaltung der Raiffeisen-Bank sei nicht zu dem von den Klägern behaupteten Zweck erfolgt, sondern weil man die Geldgeschäfte durch eine sachverständige Stelle habe überwachen lassen wollen; von E. seien auch keine schwarzen Gelder gezahlt worden.

7

Das Landgericht hat, ohne Beweis zu erheben, der Klage stattgegeben. In der Berufungsinstanz ist von der Beklagten in erster Linie beantragt worden, das landgerichtliche Urteil wegen wesentlicher Verfahrensmängel aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Das Oberlandesgericht hat nach Beweisaufnahme die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Kläger bitten um Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

8

I.

Von der Revision wird in erster Linie bemängelt, daß das Oberlandesgericht, anstatt den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen, in der Sache selbst entschieden und zwei in der letzten mündlichen Verhandlung gestellte Beweisanträge der Beklagten wegen Verspätung nicht mehr zugelassen hat. Die Verfahrensweise des Berufungsgerichts hält jedoch den Revisionsangriffen stand.

9

1.

Ob das Landgericht eine von seinem Standpunkt aus gebotene Beweisaufnahme unterlassen habe und sein Verfahren deshalb an einem wesentlichen Mangel im Sinne des § 539 ZPO leide, läßt das angefochtene Urteil auf sich beruhen. Es führt dazu aus: auch wenn dies der fall wäre, hätte das Berufungsgericht unter den vorliegenden Umständen gemäß § 540 ZPO von einer Zurückverweisung abgesehen und selbst entschieden, weil das gegebenenfalls für sachdienlich zu erachten wäre.

10

Was die als übergangen gerügten Beweisanträge betrifft, so hatte die Beklagte in der Berufungsverhandlung vom 17. Oktober 1968 - auf die alsdann das angefochtene Urteil erging - den Studenten D. und den früheren Rendanten der Raiffeisen-Bank, On., für bestimmte, in einem Schriftsatz vom selben Tage aufgestellte Behauptungen als Zeugen benannt. Diesem Beweiserbieten wurde nicht entsprochen, weil seine Berücksichtigung nach Ansicht des Berufungsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte und die Beklagte nicht bewiesen habe, daß sie weder in Prozeßverschleppungsabsicht noch aus grober Nachlässigkeit unterlassen habe, ihre Anträge bereits in der Berufungsbegründung (§ 529 Abs. 3 ZPO) oder jedenfalls in einem späteren Schriftsatz anzubringen, der innerhalb der Frist des § 132 ZPO hätte zugestellt werden können; letzterenfalls wären D. und On. nach § 272 b ZPO zu den Termin vom 17. Oktober 1968 geladen worden. Weder habe die Beklagte, wie das Urteil im einzelnen darlegt, in der Berufungsbegründung ausdrücklich Beweis angetreten oder Beweisangebote wiederholt, noch habe sie gerügt, daß die Beweise, die sie nunmehr anbiete, im ersten Rechtszug zu Unrecht nicht erhoben worden seien; die bloße Erklärung, daß sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederhole, genüge nicht.

11

2.

Die Revision wirft dem Berufungsrichter vor, die besondere Prozeßlage, wie sie hier für die Beklagte bestanden habe, verkannt und insbesondere gegen Denkgesetze sowie gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßen zu haben; er hätte, wenn er schon von seinem Zurückverweisungsrecht nach § 539 ZPO keinen Gebrauch machte, dann jedenfalls die angebotenen Beweise erheben müssen; im übrigen hätten aber auch die Voraussetzungen, unter denen er - anstelle einer Zurückverweisung - selbst habe entscheiden dürfen, nicht vorgelegen.

12

Zu dem letzten Punkt ist der Revision einzuräumen, daß die Ausführungen, mit denen das Oberlandesgericht die Anwendung des § 540 ZPO gerechtfertigt hat, nicht unbedenklich erscheinen. Nach der Auffassung, die der erkennende Senat in seinem Urteil vom 16. Oktober 1953, V ZR 162/52 (LM ZPO § 256 Nr. 16) vertreten hat, bedarf der Entschluß des Berufungsrichters, von Zurückverweisung abzusehen und stattdessen selbst zu entscheiden, einer Begründung, aus der das Revisionsgericht zu ersehen vermag, ob die Grenzen des tatrichterlichen Ermessens gewahrt worden sind; das Fehlen einer solchen Begründung stellt einen - mit der Revision angreifbaren - Verfahrensverstoß dar (ebenso BGHZ 23, 36, 50 f [BGH 20.12.1956 - III ZR 97/55]; anderer Meinung Wieczorek, ZPO § 540 Anm. A II; vgl. auch RGZ 61, 409, 413; 77, 132, 138 f; 93, 152, 155).

13

Allein dies verhilft unter den hier vorliegenden Umständen der Revision nicht zum Siege. Abgesehen davon, daß es in dem vom Senat früher entschiedenen Fall um einen nach § 538 Abs. 1 ZPO - sogenannte "notwendige" Zurückverweisung - zu beurteilenden Sachverhalt ging, während hier das Oberlandesgericht nach seiner Unterstellung lediglich gemäß § 539 ZPO zurückverweisen konnte, aber nicht grundsätzlich dazu verpflichtet war, dürfen vor allein auch an den Begründungwang keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Ergeben die Entscheidungsgründe in ihrem Zusammenhang, daß der Berufungsrichter sich Gedanken über die Frage der Sachdienlichkeit gemacht und aus welchen Erwägungen er sie bejaht hat, dann ist eine ausdrückliche Erörterung nicht mehr unbedingt erforderlich. So verhält es sich im vorliegenden Fall. Wie das angefochtene Urteil mit hinreichender Deutlichkeit erkennen läßt, hat sich das Oberlandesgericht von dem Gesichtspunkt der Prozeßwirtschaftlichkeit leiten lassen, indem es eine alsbaldige Entscheidung dieses für die Kläger lebenswichtigen Rechtsstreits als wünschenswert ansah; es war ersichtlich der Überzeugung, den Sachverhalt durch eine umfangreiche Beweisaufnahme, die dann auch tatsächlich stattgefunden hat, zur Genüge klären zu können.

14

Die von der Revision erbetene Nachprüfung, ob es sachdienlich gewesen sei, wenn das Berufungsgericht selbst abschließend entschied, hat sich auf die Voraussetzungen und Grenzen des tatrichterlichen Ermessens zu beschränken (Stein/Jonas/Pohle, ZPO 19. Aufl. § 539 Anm. II 1 Abs. 2). Ein Fehler ist insoweit nicht erkennbar. Daß den Parteien eine Instanz und damit die Möglichkeit zweimaliger Tatsachenprüfung verlorenging, nötigt für sich allein noch nicht zur Verneinung der Sachdienlichkeit (Stein/Jonas/Pohle a.a.O. § 540 Anm. II am Anfang), zumal wenn der Sachverhalt - wie das hier geschehen ist - durch das zweitinstanzliche Gericht ausreichend geklärt wird; die von der Revision angeführte Stelle bei Wieczorek (a.a.O. § 540 Anm. A II) besagt nichts Gegenteiliges. Da der Berufungsrichter die im ersten Rechtszug unterbliebene Beweiserhebung nachgeholt hat, erweist sich die Rüge, ihm sei derselbe Verfahrensfehler unterlaufen wie dem Landgericht (unter Hinweis auf Wieczorek a.a.O. § 540 Anm. A I), als nicht stichhaltig. Daß hierbei nur Zeugen gehört wurden, die von den Klägern benannt waren, hat die Beklagte sich selbst zuzuschreiben, da sie es unterließ, auch ihrerseits rechtzeitig Beweis anzutreten: ihr Beweisangebot im Termin vom 17. Oktober 1968 war verspätet; an den erstinstanzlichen Aktenstollen, auf die sie in der Berufungsbegründung (S. 4) verwiesen hatte - übrigens auch nur, um darzutun, daß sie "ihrer Substantiierungspflicht nachgekommen" sei -, befanden sich, wie das angefochtene Urteil zutreffend ausführt, entweder überhaupt keine Beweisanträge (S. 7 der Klagebeantwortung; S. 13 des Schriftsatzes vom 7. November 1967) oder nur solche, die mit dem verspäteten Beweisangebot nichts zu tun hatten und zudem entscheidungsunerheblich waren (S. 10 und 11 der Klagebeantwortung).

15

Der Notwendigkeit, ihr Vorbringen in der Berufungsinstanz unter Beweis zu stellen (§ 282 Abs. 1 ZPO), wurde die Beklagte nicht dadurch enthoben, daß sie in erster Linie Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 539 ZPO beantragt hatte. Mit dieser Antragstellung waren entgegen der Rechtsauffassung der Revision keineswegs sämtliche früheren Beweisanerbieten ohne weiteres als wiederholt anzusehen. Ebensowenig genügte hierfür der in der Berufungsbegründung (S. 2, 5 f) enthaltene allgemeine Hinweis, daß das Landgericht hätte Beweis erheben müssen; vielmehr hätte es dazu der Angabe bestimmter Beweise bedurft, die im ersten Rechtszug zu Unrecht nicht erhoben worden seien; denn der Streitstoff ist dem Berufungsgericht in solcher Weise zu unterbreiten, daß es erkennen kann, welche Beweisanträge noch aufrechterhalten oder neu gestellt werden (BGHZ 35, 103, 106 f) [BGH 19.04.1961 - IV ZR 217/60]. Die Annahme des Oberlandesgerichts, die Beklagte habe in der Berufungsbegründung ausdrücklich keine Beweise angetreten oder wiederholt, beruht sonach auf keinem Denkverstoß.

16

Damit entfällt zugleich die weitere Revisionsrüge, die Anwendung des § 529 Abs. 3 ZPO sei rechtsirrig gewesen. Mit der Möglichkeit, daß der Berufungsrichter die Sache nicht zurückverweisen (§ 539 ZPO), sondern selbst entscheiden werde (§ 540 a.a.O.), mußte die Beklagte spätestens von dem Zeitpunkt ab rechnen, als der umfangreiche Beweisbeschluß vom 6. Juni 1968 erging. Aus ihm konnte sie ersehen, welche Tatsachenbehauptungen das Gericht für entscheidungserheblich hielt, und es lag nunmehr bei ihr, ob sie noch weitere Beweismittel benennen und eine entsprechende Ergänzung des Beschlusses beantragen wollte (vgl. auch Urteil des Senats vom 28. Mai 1969, V ZK 38/66). Angesichts dieser klaren Verfahrenslage war das Berufungsgericht ferner nicht nach § 139 ZPO verpflichtet, die anwaltlich vertretene Beklagte zur Stellung von Beweisanträgen aufzufordern.

17

Da dem Oberlandesgericht mithin kein Verfahrensfehler unterlaufen ist, liegen die Revisionsausführungen zu § 295 ZPO neben der Sache. Das angefochtene Urteil stützt sich nicht auf diese Vorschrift, so daß nicht geprüft zu werden braucht, ob ihre Anwendbarkeit dann entfiele, wenn der Beklagten, wie die Revision behauptet, das rechtliche Gehör versagt worden wäre. Diese Behauptung entbehrt im übrigen einer tatsächlichen Grundlage; denn es ist nicht ersichtlich, wodurch die Beklagte gehindert worden sein sollte, dem Gericht alles das vorzutragen, was ihr für ihre Rechtsverteidigung erforderlich und zweckmäßig erschien; selbst wenn die Erhebung der am 17. Oktober 1968 angebotenen Beweise zu Unrecht unterblieben wäre - was indessen, wie dargelegt, nicht der Fall war -, läge darin kein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (BGH Urteil vom 6. Dezember 1965, VII ZR 149/63, WM 1966, 145 = NJW 1666, 549, mit Nachweisen). Soweit schließlich die Revision einen solchen Verstoß darin erblickt, daß das Berufungsgericht aus den Zeugenaussagen des Bankkaufmanns On. und des persönlich haftenden Gesellschafters der Beklagten in einem anderen Prozeß (We. gegen D., 4 O 102/67 LG Oldenburg), von denen sich Abschriften bei den Akten des vorliegenden Rechtsstreits befinden, keine für die Beklagte günstigen Schlußfolgerungen gezogen habe, handelt es sich um einen unzulässigen Angriff gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 561 Abs. 2 ZPO); außerdem sind die genannten Abschriften nicht von der Beklagten, sondern von den Klägern überreicht worden, und mindestens hinsichtlich der Zeugenaussage M.-R. geht aus dem Akteninhalt nicht hervor, daß die Beklagte sie zum Gegenstand ihres eigenen Vertrags gemacht hätte.

18

Ohne Erfolg versucht die Revision eine Reihe von Tatsachenbehauptungen in den gegenwärtigen Rechtszug einzuführen, die nach ihrer Darstellung bereits vor dem Landgericht vorgetragen und unter Beweis gestellt worden sein sollen. Auf alles dies kommt es nicht an, weil die Beklagte ihre Beweisanträge in der Berufungsinstanz nicht wiederholt hat und das Oberlandesgericht ihnen daher nicht nachzugehen brauchte.

19

II.

In der Sache selbst ist nach den tatrichterlichen Feststellungen davon auszugehen, daß im Oktober und November 1966 E., der damalige "Verwaltungsrat" der vermögenslosen I., in betrügerischer Absicht die Kläger zur Bestellung der beiden Grundschulden von insgesamt 150.000 DM veranlaßt hat; er bewerkstelligte dies, indem er dem Erstkläger für Anfang Dezember 1966 ein Darlehen zusagte, obwohl er sich bewußt war, daß weder er selbst noch die I. die Zusage erfüllen könne und wolle. Über diesen Sachverhalt bestellt zwischen den Parteien ebensowenig Streit wie darüber, daß die Grundschuldbestellungen seitens der Kläger rechtswirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten worden sind und infolgedessen die I. in Ermangelung einen gültigen Bestellungsaktes die Grundschulden nicht erworben hat (§§ 123, 142 Abs. 1, 873 BGB, § 11 ErbbauVO). Ob die Raiffeisen-Bank als Zessionarin der I. kraft öffentlichen Glaubens des Grundbuchs (§ 892 BGB) Inhaberin der beiden Grundschulden geworden ist, läßt das angefochtene Urteil dahinstehen; für die Revisionsinstanz muß daher ein solcher gutgläubiger Erwerb unterstellt werden. Das hat zur weiteren Folge, daß die Grundschulden nunmehr gemäß §§ 1192 Abs. 1, 1154 BGB formell der Beklagten zustehen; denn sie hat sie nach jener Unterstellung von einem Berechtigten (Raiffeisen-Bank) durch schriftliche Abtretungserklärung und Übergabe der Grundschuldbriefe übertragen erhalten. Der Streit geht lediglich darum, ob die Beklagte durch den Grundschulderwerb den Klägern in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt hat (§ 326 BGB) und deshalb unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes (§ 249 BGB) gehalten ist, von einer Geltendmachung ihrer Rechte Abstand zu nehmen und das Erlangte an die Geschädigten herauszugeben.

20

1.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist dies der Fall: Die Beklagte und der als ihr Bevollmächtigter handelnde Student D. hätten veranlaßt, daß die I. die Grundschulden, welche die Beklagte erwerben sollte, zunächst an die Raiffeisen-Bank abtrat; das sei zu dem Zweck geschehen, dem Einwand von Eigentümern belasteter Grundstücke (bzw. Erbbaurechte) zu begegnen, die Beklagte sei bei Erwerb dieser Grundschulden bösgläubig gewesen. Die Zwischenschaltung der Raiffeisen-Bank und die damit angestrebten Rechtsfolgen seien im August 1966 bei einer Unterredung in Bremerhaven zwischen E., Peter M.-R. (dem persönlich haftenden Gesellschafter der Beklagten) und D. eingehend besprochen worden. Dabei hätten M.-R. und D. in ihre Erwägungen einbezogen, daß E. Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigte durch arglistige Vorspiegelung falscher Tatsachen zu den Grundschuldbestellungen überredet habe; sie seien davon ausgegangen, daß die Grundschuldbesteller durch die Einschaltung der I. erheblichen Schaden erleiden würden oder zum mindesten könnten, was die beiden Genannten billigend in Kauf genommen hätten.

21

Die Vermögenslosigkeit E. und der I., so wird im Berufungsurteil weiter dargelegt, sei dem persönlich haftenden Gesellschafter der Beklagten und D. bekannt gewesen. Sie hätten auch gewußt, daß die I. mit den Beträgen, die ihr die Beklagte gegen Abtretung von Grundschulden zur Verfügung stellte, die den Grundschuldbestellern zugesagten Kredite tatsächlich nicht gewähren konnte. Dies entnimmt das Urteil aus der - näher geschilderten - Ausgestaltung der geschäftlichen Beziehungen zwischen der Beklagten und der T. So habe diese für die vier Grundschulden im Gesamtbetrage von 260.000 DM - darunter denen der Kläger - von der Beklagten nominell 140.000 DM erhalten, die sie mit 1,25 % pro Monat verzinsen und bis zum 1. Mai 1967 zurückzahlen mußte, während die Kläger sich zur Entrichtung von (nur) 1 % Monatzinsen verpflichtet hatten. In den zeitlich früheren Darlehensvereinbarungen seien gleiche oder ähnliche, für die I. wirtschaftlich sehr ungünstige Bedingungen enthalten, gewesen. Die Beklagte und D. hätten zudem verlangt, daß die I. von den ihr zur Verfügung gestellten Darlehensbeträgen zunächst 15 % und ab etwa August 1966 sogar 20 % sofort schwarz zurückzahlte, welchem Verlangen E. notgedrungen entsprochen habe.

22

2.

Diese Feststellungen und der daraus vom Oberlandesgericht gezogene Schluß, daß die Beklagte aus den Grundschulden nicht vollstrecken und keine sonstigen Ansprüche gegen die Kläger geltend machen könne, sondern die Löschung der grundbuchlichen Belastungen bewilligen und die vollstreckbaren Ausfertigungen der Bestellungsurkunden herausgeben müsse, werden von der Revision als rechtsirrig bekämpft. Ihre Rügen sind indessen nicht stichhaltig.

23

Soweit die Revision beanstandet, daß das Berufungsgericht die Bekundungen des Zeugen E. für glaubhaft erachtet und zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat, obgleich E. Glaubwürdigkeit von der Beklagten bestritten worden sei, begibt sie sich auf das ihr nicht zugängliche Gebiet der Beweiswürdigung (§ 561 Abs. 2 ZPO). Ob einem Zeugen zu glauben ist oder nicht, hat der Tatrichter in eigener Verantwortlichkeit zu entscheiden, und seine Beurteilung kann in der Revisionsinstanz nur daraufhin nachgeprüft werden, ob sie etwa auf einem Rechtsverstoß beruht.

24

Ein solcher ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Daß E. wegen Betruges vorbestraft war, hat das Oberlandesgericht keineswegs übersehen, denn es weist auf diese Tatsache im unstreitigen Teil des Urteilstatbestandes (S. 4) ausdrücklich hin. An welcher Stolle der umfangreichen Akten die Beklagte Gegenbeweis zur Frage der Glaubwürdigkeit Ewerths angetreten haben soll, wird in der Revisionsbegründung nicht mitgeteilt, so daß die Rüge schon aus diesem Grunde keinen Erfolg haben kann (§ 554 Abs. 3 Nr. 2. Buchst. b ZPO). Außerdem sind die erstinstanzlichen Beweisangebote der Beklagten, wie bereits ausgeführt (oben zu Nr. I 2), im Berufungsrechtszug nicht rechtzeitig wiederholt worden und waren daher unerheblich.

25

Die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil werden entgegen der Ansicht der Revision ferner nicht dadurch erschüttert, daß E. der einzige Zeuge war, der über das Wissen des persönlich haftenden Gesellschafters der Beklagten ausgesagt hat, während die übrigen Zeugenaussagen nur die Verhaltensweise seines Vet., des Studenten D., zum Inhalt haben. Hielt der Berufungsrichter E. für glaubwürdig, so konnte er seine Entscheidung allein auf dessen Angaben stützen, ohne daß das, was die anderen Zeugen bekundet hatten, noch eine maßgebliche Rolle spielte. Dies gilt um so mehr, als nach den getroffenen Feststellungen der persönlich haftende Gesellschafter der Beklagten in allen wesentlichen Punkten über die Machenschaften D. unterrichtet war und sie dadurch, daß er sie billigte, sich zu eigen gemacht hat: Er war insbesondere an der Besprechung in Br. vom August 1966 beteiligt, bei der die Zwischenschaltung der Raiffeisen-Bank und der damit bezweckte Erfolg, den Grundschuldbestellern sämtliche Einwendungen gegen einen gutgläubigen Erwerb seitens der Beklagten abzuschneiden, mit allen Einzelheiten erörtert wurden; er hatte persönlich Kenntnis von der Vermögenslosigkeit E. und der I. und wußte, daß sie ihre Darlehenszusagen auch mit den Beträgen, die ihnen die Beklagte zur Verfügung stellte, nicht einhalten konnten; er hat seinerseits darauf bestanden, daß E. "schwarze" Rückzahlungen an die Beklagte leistete (vgl. im einzelnen die Feststellungen auf S. 22, 23, 25 und 26 des Berufungsurteils). Bei dieser Sachlage hätte es der Urteilsausführungen, die sich noch besonders mit dem Verhalten D. beschäftigen (a.a.O. S. 23 unten bis 25 oben), nicht mehr bedurft; sie dienen ersichtlich nur zur Abrundung des Gesamtbildes, aber die Entscheidung wäre auch ohne sie nicht anders ausgefallen.

26

Ist hiernach der Tatbestand des § 826 BGB bereits in der Person des Komplementärs der Beklagten, Peter M.-R., vollständig erfüllt, so kommt es nicht mehr auf die weitere Frage an, ob D. als Vertreter der Beklagten tätig geworden ist und diese, wie das Berufungsgericht angenommen hat, seine Kenntnis gegen sich gelten lassen muß (§ 166 BGB), oder ob er, wie die Revision geltend macht, allenfalls Verrichtungsgehilfe im Sinne von § 831 BGB war. Infolgedessen erübrigt sich ein Eingehen auf den Versuch der Revision, über eine Rüge aus § 139 ZPO nachträglich Beweis dafür anzutreten, daß die Beklagte bei der Auswahl D. sowie bei seiner Beaufsichtigung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet habe oder daß der Schaden, den die Kläger erlitten haben, auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre (§ 831 Abs. 1 Satz 2 BGB).

27

III.

Da nach vorstehenden Ausführungen die Revisionsrügen nicht durchgreifen und das Berufungsurteil auch keinen sonstigen sachlich-rechtlichen Fehler zum Nachteil der Beklagten erkennen läßt, muß ihr Rechtsmittel als unbegründet zurückgewiesen werden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Augustin
Rothe
Dr. Freitag
Offterdinger
Dr Grell