Bundesgerichtshof
Urt. v. 06.03.1968, Az.: VIII ZR 221/65
Befreiung von einer Lieferverpflichtung ; Anspruch auf Schadensersatz ; Auslegung von Vertragsklauseln
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 06.03.1968
- Aktenzeichen
- VIII ZR 221/65
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1968, 14521
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Frankfurt am Main - 23.11.1965
- LG Frankfurt am Main
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHZ 49, 388 - 396
- DB 1968, 702 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1968, 660 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1968, 1085-1087 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Liegen einem Kaufvertrage Allgemeine Geschäftsbedingungen des Verkäufers zugrunde, in denen die "Selbstbelieferungsklausel" enthalten ist, so wird der Verkäufer grundsätzlich von seiner Lieferpflicht frei, wenn er von einem Lieferanten, mit dem er ein kongruentes Deckungsgeschäft abgeschlossen hatte, im Stich gelassen wird. Das gilt auch für Kaufverträge über nur der Gattung nach bestimmte Waren.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 1968
unter Mitwirkung
der Bundesrichter Dr. Gelhaar, Artl, Dr. Messner, Dr. Weber und Braxmaier
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Teilurteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main vom 23. November 1965 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin, die von der Beklagten bereits im Dezember 1962 und Januar 1963 Öl bezogen hatte, ließ sich am 18. Januar 1963 von der Beklagten eine Option auf zweimal 10.000 t Heizöl einräumen. Diese Option übte sie in ihrem Fernschreiben vom 22. Januar 1963 aus, das folgenden Wortlaut hat:
"wir beziehen uns auf unsere fsnr. ... und ... vom 18.1.63 und üben hiermit unsere Option durch auftragserteilung auf die beiden partien je 10.000 t el aus je einer ankunft februar und maerz aus zum preise von dm 105,- je t cif a./h. fs vom 18.1.63 nr. 497."
Die Beklagte übersandte der Klägerin am 23. Januar 1963 eine "Verkaufsbestätigung", in der sie auf ihre Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen (AVL) Bezug nahm. An Schluß dieser Verkaufsbestätigung heißt es unter "Bemerkungen":
"... Vorbehaltlich termingerechte Selbstbelieferung."
In den AVL finden sich folgende hier interessierende Bestimmungen:
"Allgemeines
Nachstehende Verkaufs- und Lieferungsbedingungen gelten als vereinbart, wenn Käufer nicht unverzüglich nach Verkaufsbestätigung schriftlich Einspruch erhebt. Sonderabmachungen sind nur gültig, wenn sie von Verkäuferin schriftlich bestätigt worden sind. ...
Angebote
Sämtliche Angebote sind freibleibend.
...
Lieferungseinschränkungen
Haftung für Lieferfristen kann nicht übernommen werden. Fälle höherer Gewalt, Störungen oder Einschränkungen in Betriebe der Verkäuferin oder deren Lieferwerkr, ungenügende Zufuhr von Strom-, Roh- und Brennstoffen sowie ungenügende Versandmöglichkeiten entbinden Verkäuferin für deren Dauer ohne Schadensersatzpflicht von der Lieferung. Im Falle der Nichtbelieferung oder der ungenügenden Belieferung der Verkäuferin seitens der Vorlieferanten ist Verkäuferin von ihren Lieferungsverpflichtungen ganz oder teilweise entbunden. Sie verpflichtet sich in diesem Falle, ihre Ansprüche an den Lieferanten auf Verlangen an den Käufer abzutreten ..."
Am 24. Januar 1963 bot die Klägerin das Öl der Firma "An. Ko. Ma." in R. (im folgenden: AKo) zum Kauf an. Der Schluß des Angebotsschreibens (Fernschreiben vom 24. Januar 1963) lautet: "... müssen wir uns rechtzeitige Selbstbelieferung vorbehalten". Die AKo erwiderte im Fernschreiben vom selben Tage, daß sie auf den Selbstbelieferungsvorbehalt nicht eingehen könne. Ebenfalls am selben Tage teilte die Klägerin der Beklagten mit, daß die AKo den Selbstbelieferungsvorbehalt nicht akzeptieren wolle und bat, auch die Beklagte möge von der Klausel absehen. Am 25. Januar 1963 führten die Parteien ein Ferngespräch über die in den AVL der Beklagten enthaltene Selbstbelieferungsklausel. Der Inhalt des Gesprächs ist streitig. Die Klägerin behauptet, die Parteien seien übereingekommen, die Klausel dahin auszulegen, daß sich die Befreiung der Beklagten von ihrer Lieferverpflichtung nur auf Fälle höherer Gewalt beziehen sollte. Nach der Darstellung der Beklagten einigten sich die Parteien darauf, daß an der Klausel so, wie sie in den AVI. niedergelegt war, festgehalten werden solle. Am selben Tage schrieb die Beklagte der Klägerin:
"...
Unter Bezugnahme auf unser, mit Ihrem sehr geehrten Herrn G., geführtes ausführliches Telefonat von heute morgen, bestätigen wir Ihnen unsere Übereinstimmung, wonach Sie die in unseren Kontrakten enthaltene Klausel "vorbehaltlich termingerechter Selbstbelieferung" voll ohne Einschränkung akzeptieren und bitten Sie um Bestätigung bis 28/1/63, 13,00 Uhr ..."
Die Klägerin teilte ihrer Abnehmerin, der AKo, am 25. Januar 1963 folgendes mit:
"...
Wir besitzen Ihr Fernachreiben vom 24.1. Nr. ... mit dem Sie den geforderten Vorbehalt der rechtzeitigen Selbstbelieferung ablehnen.
Wir glauben, daß wir im Grundsatz doch wohl darin einig sind, daß der Vorbehalt rechtzeitiger Selbstbelieferung in Form der Force Majeure-Klausel in jedem Kaufvertrag enthalten ist, der mit Raffinerien oder anderen Lieferanten geschlossen wird, dementsprechend also auch immer weiterzugeben ist, da keinem Partner das Risiko zuzumuten ist, bei einem unvorhergesehen durch höhere Gewalt verursachten Lieferausfall einen etwa auftretenden Schaden auf sich zu nehmen.
..."
Nachdem das Bestätigungsschreiben der Beklagten am 28. Januar 1963 bei der Klägerin eingegangen war, übermittelte diese der Beklagten um 13.05 Uhr desselben Tages folgendes Fernschreiben:
"wir danken ihnen für ihr schreiben vom 25. ds. und beziehen uns auch auf das mit ihnen geführte ferngespräch, wonach die klausel "vorbehaltlich termingerechter Selbstbelieferung" sich im grundsatz auf fälle höherer gewalt beziehen soll, andererseits ihre kontrahenten keinen zweifel an der erfüllungskraft oder dem erfüllungswillen eingegangener Verpflichtungen aufkommen lassen. wir erklären uno daher mit diesem Vertragspunkt einverstanden. ..."
Nachdem die Klägerin am 4. und 6. Februar die Lieferung angemahnt hatte, schrieb die Beklagte am 15. Februar 1963 an die Klägerin, der Liefervertrag sei entweder mit unbeschränktem Selbstbelieferungsvorbehalt oder überhaupt nicht zustande gekommen.
Die Beklagte lieferte die verkauften Ölmengen nicht. Sie hatte am 18. und 22. Januar 1963 Lieferungsverträge mit der I.-Öl GmbH (im folgenden: I.-Öl) abgeschlossen, die jedoch von dieser Firma nicht erfüllt wurden.
Die Klägerin, die von der AKo auf Schadensersatz in Anspruch genommen wurde, verlangte ihrerseits von der Beklagten Ersatz des entgangenen Gewinns, den sie auf 30.000 DM bezifferte und auf den sie eine Forderung der Beklagten in Höhe von 10.253,20 DM verrechnete. Aus diesem Gesichtspunkt machte sie mit der Klage daher einen Anspruch von 19.746,80 DM nebst Zinsen geltend. Außerdem verlangte sie, daß die Beklagte sie von ihrer Schadensersatzverbindlichkeit gegenüber der AKo in Höhe von 333.349,33 DM befreie. Hilfsweise begehrte sie Verurteilung der Beklagten zur Abtretung der Ansprüche gegen die Firma I.-Öl an die Kläger in.
Die Beklagte erhob Widerklage auf Zahlung der von der Klägerin verrechneten 10.253,20 DM nebst Zinsen.
Das Landgericht wies die Klage ab und erkannte nach dem Widerklageantrag. Die Berufung der Klägerin wies das Oberlandesgericht durch Teilurteil insoweit zurück, als sie sich gegen die Abweisung des Zahlungsanspruches (19.746,80 DM nebst Zinsen) und gegen die Verurteilung der Klägerin aufgrund der Widerklage richtet. Dagegen gab das Oberlandesgericht dem Hilfsantrage der Klägerin (Abtretung der Ansprüche gegen I.-Öl) statt. Im übrigen blieb die Entscheidung vorbehalten.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin den durch das Teilurteil abgewiesenen Teil ihres Klageanspruches und ihren Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Beklagte sei dadurch, daß ihre eigene Verkauf er in, die "I.-Öl" sie mit der Belieferung im Stich gelassen habe, von ihrer Lieferverpflichtung gegenüber der Klägerin befreit worden. Die in den AVL der Beklagten enthaltene "Selbstbelieferungsklausel" legt es dahin aus, die Befreiung von der Lieferungsverpflichtung sei nur davon abhängig, daß die Beklagte ein kongruentes Deckungsgeschäft nachweise und daß die Lieferung aus diesem Geschäft ausgeblieben sei. Beide Voraussetzungen hält es für gegeben. Deshalb steht der Klägerin nach seiner Ansicht ein Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinnes nicht zu.
II.
Entgegen der Revision halten die Erwägungen des Berufungsgerichts im Ergebnis einer rechtlichen Nachprüfung stand.
1.
a)
Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, daß dem streitigen Liefervertrag die AVL der Beklagten zugrunde liegen, bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Klägerin hatte die kurz vorher mit der Beklagten getätigten Lieferverträge zu diesen Bedingungen abgeschlossen. Sie war auch im Besitz der AVL der Beklagten und wußte aufgrund deren Schreibens vom 7. Januar 1963, daß die Beklagte nur bereit war, zu ihren AVL abzuschließen. Selbst wenn mit dem Berufungsgericht die Ausübung der Option, die der Klägerin unter diesen Bedingungen eingeräumt war, durch Schreiben vom 22. Januar 1963 als Vertragsangebot angesehen wird, bezieht sich auch dieses Angebot auf die AVL der Beklagten, so daß durch die vorbehaltslose Annahme in der Verkaufsbestätigung der Beklagten von 23. Januar 1963 die AVL spätestens in diesem Zeitpunkt und auf diese Weise Vertragsgegenstand geworden sind. Die Revision hat hiergegen auch keine Bedenken erhoben.
b)
Die Revision will die Selbstbelieferungsklausel als "höhere Gewalt-Klausel" aufgefaßt wissen. Sie ist der Ansicht, es habe sich ein Handelsbrauch herausgebildet, wonach der Klausel lediglich dieser Sinn beigelegt werde. Sie rügt, das Berufungsgericht habe es unter Verletzung des § 286 ZPO unterlassen, diesen Handelsbrauch festzustellen.
Zumindest müsse der Klausel im vorliegenden Falle dieser Sinn zukommen, weil die Klausel in Verbindung mit einer Vertragsbedingung aufgeführt werde, die Fälle der höheren Gewalt behandele. Daraus ergebe sich zwingend, daß beim Ausfall der Selbstbelieferung der Verkäufer nur im Falle höherer Gewalt von der Vertragsverpflichtung frei werde.
Schließlich ist die Revision der Ansicht, daß selbst dann, wenn diese Auffassung nicht geteilt werde, die Befreiung von der Vertragspflicht nur dann eintrete, wenn der Verkäufer alle ihm zumutbaren Möglichkeiten ausschöpfe, die Ware auf dem Markte zu erhalten. Sie meint, daß es nicht genüge, wenn der Verkäufer ein kongruentes Deckungsgeschäft darlege.
Das Berufungsgericht hat nicht übersehen, daß die Klausel zusammen mit einer anderen die Fälle höherer Gewalt regelnden Vertragsbedingung unter demselben Stichwort "Lieferungseinschränkungen" aufgeführt wird.
Es meint jedoch, die Aufeinanderfolge der beiden Befreiungsgründe zeige mit aller Deutlichkeit, daß bei Nichtbelieferung auch andere Gründe als höhere Gewalt befreien sollen. Bei der Gestaltung, die die Selbstbelieferungsklausel in den vorliegenden AVL gefunden habe, komme daher eine andere Auslegung auch dann nicht in Frage, wenn sich ein davon abweichender Handelsbrauch gebildet haben sollte.
Da es sich um eine typische Klausel handelt, deren Geltung in den Bezirken mehrerer Oberlandesgerichte außer Zweifel steht, ist der Senat befugt, sie selbst auszulegen.
Die Selbstbelieferungsklausel ist entgegen der Revision nicht als "höhere Gewalt-Klausel" anzusehen. In einer früheren Entscheidung (BGHZ 24, 39 ff [BGH 19.03.1957 - VIII ZR 74/56]) hat der Senat diese Frage offengelassen. Sie bedarf nunmehr der Entscheidung.
aa)
Dabei ist zunächst zu prüfen, wie die Klausel zu verstehen ist, wenn man von dem Zusammenhang absieht, in dem sie in den vorliegenden AVI gebracht wird.
Scheidet man bei dieser Betrachtung fernerhin zunächst Handelsgeschäfte aus, die reine Gattungskäufe enthalten, so wird nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum der Verkäufer von seiner Lieferpflicht frei, wenn er von seinem eigenen Verkäufer, mit dem er ein kongruentes Deckungsgeschäft abgeschlossen hat, im Stich gelassen wird. Die Befreiung ist nicht auf Fälle höherer Gewalt beschränkt (OGHZ 1, 178 = NJW 1949, 22 [OGH Köln 08.10.1948 - I ZS 16/48]; OLG Hamburg Betrieb 1955, 917 und BB 1955, 942; Staudinger BGB 11. Aufl. § 433 Nr. 61; Würdinger in HGB - RGRK 20 Aufl, Anm. 54 h vor § 373; Baumbach/Duden HGB 17, Aufl, § 346 Nr. 5 S. 504; Mathies/Grimm/Sieveking, Die Geschäftsbedingungen des Waren-Vereins der Hamburger Börse e.V., 3. Aufl., (1967) § 38 Anm. 9).
Diener Ansicht ist zu folgen. Die hier in Frage stehende Klausel geht anerkanntermaßen viel weiter als die häufig wiederkehrende Freizeichnungsklausel "Liefermöglichkeit vorbehalten" (vgl. Senatsurteil vom 24. Juni 1958 - VIII ZR 52/57 - NJW 1958, 1628 und das zur Veröffentlichung bestimmte Senatsurteil vom 12. Februar 1968 - VIII ZR 84/66 -). Wie schon in OGHZ 1, 178 ausgeführt ist, läßt der Ausdruck Selbstbelieferung (der Text der AVL enthält zwar diesen Begriff nicht ausdrücklich, wohl aber sinngemäß. Außerdem findet er sich in der Auftragsbestätigung der Beklagten und dem sich anschließenden Schriftwechsel der Parteien) erkennen, daß die Vertragsparteien davon ausgehen, der Verkäufer habe sich bereits bei einem bestimmten Lieferanten eingedeckt und solle vor dem Risiko, daß dieser ihn im Stich lasse, geschützt werden. Es ist allerdings nicht zu verkennen, daß die Klausel ihren Ursprung in den Zeiten der Werenknappheit und der Lieferschwierigkeiten hatte und daß diese Hindernisse inzwischen weitgehend fortgefallen sind. Es erscheint daher nicht unmöglich, daß sich inzwischen ein Handelsbrauch gebildet haben könnte, nach dem der Klausel ein anderer Sinn beizumessen wäre. Einen solchen Handelsbrauch hätte der Senat wegen der ihm obliegenden objektiven Deutung der Klausel zu berücksichtigen. Die Hauptbegründung, eine Auslegung der Klausel unter Berücksichtigung von Handelsbräuchen sei unzulässig, trägt das Berufungsurteil daher nicht, jedoch hält die Hilfsbegründung einer rechtlichen Prüfung stand, denn das Berufungsgericht hat außerdem das Vorliegen eines solchen Handelsbrauches verneint und festgestellt, daß die Parteien von vornherein die Selbstbelieferungsklausel übereinstimmend nur in dem von ihm für richtig gehaltenen Sinne verstanden haben.
Die gegen diese Feststellung des Berufungsgerichts gerichtete Verfahrensrüge ist nicht begründet. Das Berufungsgericht konnte entgegen der Revision im Wege des Urkundenbeweises auf gutachtliche Äußerungen zurückgreifen, die in einer veröffentlichten Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg (Betrieb 1955, 917) mitgeteilt sind. Dort wird der Vermerk Nr. 366 der Mitteilungen der Industrie- und Handelskammer Hamburg wiedergegeben, in dem es heißt:
"Die Klausel (gemeint ist die Selbstbelieferungsklausel) erstreckt sich auf das Ideferungsrisiko. Der Verkäufer wird frei, wenn er seinerseits von seinem Verkäufer nicht beliefert wird. Er ist jedoch verpflichtet, seinem Käufer einen kongruenten Deckungsvertrag vorzulegen und diesem die Ansprüche gegen den Verkäufer abzutreten."
Das Berufungsgericht konnte auch im Rahmen seines tatrichterlichen Ermessens davon ausgehen, daß diese Meinung allgemein geteilt wird und daß sich daran in der Zwischenzeit nichts geändert hat, zumal der Vortrag der Klägerin jede konkrete Angabe in dieser Richtung vermissen läßt. Auch die Revision weiß keinen Irrtum des Berufungsgerichts aufzudecken. Ein Rechtsverstoß hinsichtlich der streitigen Feststellungen kann umso weniger angenommen werden, als auch die neueste Auflage (1967) der Geschäftsbedingungen des Waren-Vereins der Hamburger Börse e.V. (s. Mathies/Grimm/Sieveking a.a.O. § 38 Anm. 9 ff) dem Standpunkt der Industrie- und Handelskammer Hamburg folgt (entsprechend auch, die 2. Auflage (1955) Anh. zu § 38 Nr. 8).
Es ist daher grundsätzlich davon auszugehen, daß sich ein in Allgemeinen Lieferungsbedingungen enthaltener "Selbstbelieferungsvorbehalt" nicht auf Fälle höherer Gewalt beschränkt.
bb)
Das gilt auch für Gattungskäufe. Der Meinung der Revision, daß der Verkäufer von nur der Gattung nach bestimmten Waren erst dann von seiner Lieferpflicht befreit werde, wenn er alle ihm zumutbaren Möglichkeiten, die Ware auch anderweit auf dem Markte zu erhalten, erschöpft habe (ebenso Würdinger in HGB RGRK a.a.O.), ist nicht zu folgen. Es ist allerdings bedenklich, daß das Berufungsgericht es deswegen ablehnt, der Klausel diesen Sinn beizulegen, weil dies auf eine Haftung nach § 279 BGB hinausliefe. Nach dieser Gesetzesbestimmung wird der Schuldner erst frei, wenn ein Fall der wirtschaftlichen Unmöglichkeit vorliegt. Es vom Verkäufer zu verlangen, wenigstens den Versuch zu unternehmen, sich auch anderweit einzudecken, soweit ihm das nach Lage der Sache billigerweise zuzumuten ist (seine Beziehungen zum allgemeinen Markte werden im Regelfalle besser sein als diejenigen seines Abnehmers), berührt eine Verpflichtung, die dem Verkäufer aus den in § 242 BGB verankerten Grundsätzen von Treu und Glauben und der Verkehrssitte erwachsen könnte. Die Ansicht von Würdinger ist indes aus Gründen der Klarheit und Sicherheit des kaufmännischen Verkehrs abzulehnen. Denn wenn die Parteien vereinbart haben, daß die Befreiung des Verkäufern von seinen Lieferpflichten bereits mit dem Wegfall des kongruenten Deckungsgeschäftes eintreten soll, so muß es grundsätzlich auch bei einer solchen Vereinbarung verbleiben. Für die Annahme eines Ausnahmefalles ist nichts dargetan.
cc)
Schließlich gibt auch der Zusammenhang der Selbstbelieferungsklausel mit der "höheren Gewalt-Klausel" der AVL keinen Anlaß zu einer anderen Beurteilung. Es kann dahinstehen, ob dem Gedankengang des Berufungsgerichts zu folgen ist, wonach alle für die Lieferungsverpflichtung des Verkäufers in Frage kommenden Fälle höherer Gewalt in dem zweiten Satz der unter dem Stichwort "Lieferungseinschränkungen" enthaltenen Bestimmungen erschöpfend geregelt sein sollten, so daß sich hieraus ergebe, bei Nichtbelieferung werde die Beklagte auch aus anderen Gründen als höherer Gewalt frei. Der Senat sieht jedenfalls in dem Umstände, daß im zweiten Satz des Abschnitts "Lieferungseinschränkungen" gewisse Leistungshindernisse nur dann zur Befreiung des Verkäufers führen sollen, wenn sie auf höherer Gewalt beruhen, keinen ausreichenden Anhaltspunkt dafür, daß im nachfolgenden Satz, der die sog. Selbstbelieferungsklausel enthält, von dem üblichen Sinne dieser Klausel abgewichen werden sollte. Eine objektive die Verkehrsanschauung angemessen berücksichtigende Betrachtungsweise führt zu der vom Berufungsgericht für richtig gehaltenen Auslegung. Eine bloße Wiedergabe der Selbstbelieferungsklausel bietet dem Vertragsgegner auch unter Berücksichtigung der vorangehenden Vertragsbedingung keinen Anhaltspunkt dafür, die Klausel in einem anderen als dem üblichen Sinne zu verstehen.
dd)
Das Berufungsgericht hat darüber hinaus noch festgestellt, daß die Parteien die Klausel auch gar nicht anders verstanden haben als in diesem Sinne. Für die Klägerin verweist es rechtlich einwandfrei auf den Schriftwechsel mit ihrer Abnehmerin, der AKo, an die sie die Selbstbelieferungsklausel in dem erörterten Sinne weitergegeben hatte. Wenn sie sich dann im Schreiben vom 25. Januar 1963 auf eine Beanstandung der AKo hin bereitgefunden hat, der mit AKo vereinbarten Klausel einen anderen Sinn zu geben, so steht das der Feststellung des Berufungsgerichts nicht entgegen.
Auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises wird die Feststellung nicht gestützt, so daß die in dieser Beziehung erhobene Verfahrensrüge der Revision fehl geht.
2.
Unstreitig haben die Parteien in einem Ferngespräch vom 25. Januar 1963 über die Tragweite der Selbstbelieferungsklausel gesprochen.
a)
Rechtlich unbedenklich ist es jedoch, wenn das Berufungsgericht zu der Feststellung gelangt, daß sie dabei nicht die Frage geregelt haben, wie die Klausel auszulegen sei, daß sie vielmehr allenfalls über eine nachträgliche Beschränkung des Selbstbelieferungsvorbehalts auf Fälle höherer Gewalt verhandelt haben. Das konnte das Berufungsgericht ohne Rechtsverstoß aus dem Umstände schließen, daß die Parteien nach seinen Feststellungen die Klausel von vornherein in dem von ihm angenommenen Sinne verstanden hatten. War das aber der Fall, so konnten Fragen über eine andere Auslegung später nicht mehr auftauchen; es konnte sich vielmehr nur noch darum handeln, ob man sich auf einen beschränkten Selbstbelieferungsvorbehalt einigen wollte. Das Berufungsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß die von der Klägerin behauptete angeblich am 25. Januar 1963 erzielte Einigung unter dem Vorbehalt einer schriftlichen Bestätigung durch die Beklagte stand, wie es in deren AVI. (unter dem Stichwort: Allgemeines) bestimmt ist. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe nicht beachtet, daß eine Klarstellung der streitigen Auslegung nicht der schriftlichen Bestätigung bedürfe, kann somit, ohne daß es einer Entscheidung der von ihr angeschnittenen Rechtsfrage bedarf, keinen Erfolg haben. Das Berufungsgericht brauchte daher auch, entgegen der Revision, nicht dem Beweisangebot der Beklagten nachzugehen, die Parteien hätten fernmündlich darüber verhandelt, wie die Klausel auszulegen sei.
b)
Da es an einer schriftlichen Bestätigung der Beklagten fehlt, daß die Klausel im Sinne der Klägerin abgeändert worden sei, ist die von der Klägerin behauptete fernmündliche Vereinbarung am 25. Januar 1963 nicht wirksam geworden.
c)
Nicht zu billigen ist die Ansicht der Revision, das Berufungsgericht hätte aus den näheren Umständen des Falles folgern müssen, daß die Parteien darüber einig geworden seien, die Vereinbarung vom 25. Januar 1963 solle auch ohne schriftliche Bestätigung der Beklagten gelten. In Rechtsprechung und Schrifttum wird zwar einhellig anerkannt, daß der Mangel der rechtsgeschäftlich vereinbarten Form nur im Zweifel und nur dann die Unwirksamkeit der Erklärung im Gefolge hat, wenn die Vertragsparteien nichts anderes gewollt haben (Urteile des BGH vom 20. Juni 1962 - V ZR 157/60 - = NJW 1962, 1908 und vom 26. November 1964 - VII ZR 111/63 = NJW 1965, 293). Dieser Nachweis des Verzichtes auf die vereinbarte Schriftform obliegt der Partei, die sich auf eine entsprechende Vereinbarung beruft. Irgendwelche Umstände, aus denen das Berufungsgericht auf einen solchen Willen hätte schließen müssen, sind jedoch nicht erkennbar. Das Schreiben der Beklagten vom 25. Januar 1963, in dem sie der Klägerin bestätigt, daß diese den Selbstbelieferungsvorbehalt "voll ohne Einschränkung" akzeptiert habe, läßt, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, eher auf das Gegenteil schließe, zumal die Beklagte ausdrücklich um Gegenbestätigung bat. Es ist auch entgegen der Revision kein Rechtsverstoß, wenn das Berufungsgericht in dem Schreiben der Beklagten vom 28. Januar 1963, worin bestätigt wird, man habe sich dahin geeinigt, die Klausel solle sich "im Grundsatz" auf Fälle höherer Gewalt beziehen, keine ausreichende Grundlage für den der Klägerin obliegenden Nachweis findet.
3.
Der Umstand, daß die Beklagte dieses Bestätigungsschreiben der Klägerin vom 28. Januar 1963 unbeantwortet ließ, zwingt nicht zu dem Schluß, die Beklagte müsse sich nach den Grundsätzen über das Schweigen auf Bestätigungsschreiben im Handelsverkehr als zustimmend ansehen lassen. Denn nachdem die Beklagte ihre Stellungnahme in dem vorangegangenen Bestätigungsschreiben eindeutig bekannt gegeben hatte, konnte die Klägerin nach Treu und Glauben nicht mit einer Zustimmung zu ihrem gegenteiligen Standpunkt rechnen. Zutreffend hat das Berufungsgericht die Erklärung der Klägerin in dem angeführten Schreiben als ein neues Angebot gewürdigt, die Klausel nachträglich abzuändern, das aber von der Klägerin nicht angenommen wurde.
III.
Vergebens rügt die Revision, die Beklagte habe kein kongruenten Deckungsgeschäft nachgewiesen.
Unter dem Gesichtspunkt des kongruenten Deckungsgeschäftes obliegt dem Verkäufer der Nachweis, daß er am Tage des Kontraktabschlusses im Besitze eines kongruenten rechtsverbindlichen Einkaufskontraktes war, aufgrund dessen sein eigener Lieferant verpflichtet war, die Ware dergestalt zu liefern, daß er damit seinen eigenen Käufer befriedigen konnte. Dabei muß bei natürlichem reibungslosem Ablauf die Erfüllung des Verkaufskontraktes mit der aus dem Einkaufskontrakt erwarteten Ware möglich sein (vgl. Mathies/Grimm/Sieveking a.a.O. Nr. 10). Weiter ist der Nachweis zu fordern, daß der Verkäufer gerade bezüglich der für seinen Käufer bestimmten Partie von seinem Vordermann im Stich gelassen ist. Andernfalls würde er sich dank seines unerfüllt gebliebenen Einkaufskontraktes von beliebig vielen Verkaufskontrakten befreien können (OLG Hamburg, Betrieb 1955, 917; Würdiger a.a.O. Nr. 54 h; Mathies/Grimm/Sieveking a.a.O. Nr. 10).
Hierzu stellt das Berufungsgericht fest, daß die Beklagte am 18. und 22. Januar 1963 insgesamt 70.000 t Öl cif A./H. range gekauft hatte. Sie war der Klägerin gegenüber verpflichtet, 20.000 t Heizöl cif H., erste Partie Februar, zweite Partie März, zu liefern, und hatte sich selbst Lieferfristen ausbedungen, die vor den mit der Klägerin ausbedungenen Lieferfristen lagen.
Daß das Berufungsgericht hierin den Nachweis des kongruenten Deckungsgeschäftes als erbracht ansieht, ist kein Rechtsfehler. Es konnte im Hinblick darauf, daß die Einkaufsmenge den der Klägerin zu liefernden Posten nicht unerheblich überstieg, es sogar als ausreichend nachgewiesen ansehen, die Beklagte hätte mit der angekauften Menge mehreren Verkaufskontrakten genügen können, so daß nichts dafür spreche, die Beklagte habe die Gelegenheit benutzt, sich von beliebig vielen Verkaufsverträgen loszusagen, die zusammengenommen durch die Einkaufskontrakte nicht mehr gedeckt waren.
Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht hätte den Nachweis solange nicht als erbracht ansehen dürfen, als nicht die Beklagte alle in Frage kommenden Einkaufs- und Verkaufskontrakte vorlegte und sich eine Feststellung darüber treffen ließ, daß die Einkaufsmenge ausreichte, um allen Anforderungen zu genügen, ist nicht begründet (siehe hierzu die bei Mathies/Grimm/Sieveking a.a.O. Nr. 10 angeführte Schiedsgerichtspraxis).
Den unter strengen Anforderungen stehenden Nachweis des kongruenten Deckungsgeschäftes als erbracht anzusehen, stand, was die Revision nicht genügend beachtet, im tatrichterlichen Ermessen des Berufungsgerichts, wobei dieses allerdings auch den von der Revision gerügten, soeben behandelten Gesichtspunkt nicht außer Betracht zu lassen hatte. Ein Rechtsverstoß ist aber entgegen der Revision nicht festzustellen. Das Berufungsgericht konnte davon ausgehen, irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß die für den hier in Frage kommenden Zeitraum vorliegenden Verkaufskontrakte der Beklagten von vornherein durch den eingekauften Vorrat nicht gedeckt sein würden, seien nicht hervorgetreten. Deshalb durfte es sich ohne Rechtsverstoß mit der Feststellung begnügen, daß die eingekaufte Menge dazu ausreichte, auch etwa vorhandene weitere Käufer zu befriedigen. Dafür jedenfalls, daß es den von der Revision hervorgehobenen Gesichtspunkt überhaupt verkannt hätte, besteht kein Anhaltspunkt.
IV.
Die Revision rügt zu Unrecht, das Berufungsgericht hätte der Klägerin den entgangenen Gewinn zumindest aus dem Gesichtspunkt eines Verschuldens bei Vertragsschluß zusprechen müssen.
Die Klägerin will ein solches Verschulden der Beklagten darin erblicken, daß sie ihr zugesichert habe, sie habe sich bei einer nordamerikanischen Firma eingedeckt. Sie trägt vors Hätte die Beklagte ihr offenbart, daß sie bei I. Öl eingekauft habe, so hätte sie die Verträge mit der Beklagten nicht abgeschlossen. Entgegen der Revision begegnet die Erwägung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne bei dieser Sachlage allenfalls Anspruch auf das negative Interesse, nicht aber auf entgangenen Gewinn aus einem solchen Geschäft erheben, das sie bei richtigem Verhalten der Beklagten überhaupt nicht abgeschlossen hätte, keinen rechtlichen Bedenken. Wenn die Revision weiterhin geltend macht, die Klägerin hätte sich bei den für sie bestehenden geschäftlichen Beziehungen mit der AKo auf alle Fälle anderweit eingedeckt, so ist das ein neues tatsächliches Vorbringen, mit dem sie in der Revisionsinstanz nicht gehört werden kann.
V.
Die Klägerin kann den entgangenen Gewinn entgegen der Revision auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer positiven Vertragsverletzung der Beklagten (Nichtlieferung von russischen Öl zu höherem Preise) verlangen. Denn sie hätte nach ihren eigenen Vortrag bei einem solchen Geschäft keinen Gewinn erzielt.
VI.
Das Berufungsgericht hat daher die auf Ersatz des entgangenen Gewinnes gerichtete Klage mit Recht abgewiesen. Steht der Klägerin aber ein Zahlungsanspruch nicht zu, so besteht auch keine Möglichkeit, die mit der Widerklage geltend gemachte unbestrittene Geldforderung zu verrechnen. Die Widerklage ist mit Recht zugesprochen worden. Bei dieser Sachlage erweist sich die Revision der Klägerin gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts als unbegründet. Sie war mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Bundesrichter Artl ist beurlaubt, ortsabwesend und an der Beifügung seiner Unterschrift verhindert. Dr. Gelhaar
Dr. Messner
Dr. Weber
Braxmaier