Bundesgerichtshof
Urt. v. 14.02.1968, Az.: VIII ZR 220/65
Vereinbarung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGBs); Kauf eines gebrauchten Omnibusses unter Eigentumsvorbehalt ; Wirksamkeit einer Zwangsvollstreckung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 14.02.1968
- Aktenzeichen
- VIII ZR 220/65
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1968, 13301
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Stuttgart - 03.11.1965
- LG Ulm
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DB 1968, 655 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1968, 488 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1968, 885 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Zur Auslegung einer Abrede über einen erweiterten Eigentumsvorbehalt mit dem Wortlaut: "Der Liefergegenstand bleibt Eigentum den Lieferwerks auch bis zur Erledigung aller weiteren Ansprüche, die den Lieferwerk gegen den Besteller erwachsen sind oder aus der bestehenden Geschäftsverbindung noch erwachsen,"
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 1968
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr. Haidinger sowie
der Bundesrichter Dr. Gelhaar, Dr. Mezger, Dr. Messner und Braxmaier
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 3. November 1965 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger, der ein Omnibusverkehrsunternehmen betreibt, hatte am 6. Juli 1955 von der Beklagten einen "Setra-Bus S 11" gekauft. Die Bestellung erfolgte unter Anerkennung der Geschäftsbedingungen der Beklagten. In diesen "Allgemeinen Verkaufs- und Lieferungsbedingungen" ist unter IV 1 bestimmt:
"1.
Bis zur vollen Bezahlung des Liefergegenstandes, also auch bis zur Einlösung der für den Liefergegenstand gegebenen Wechsel oder anderer Zahlungsmittel, bleibt derselbe Eigentum des Lieferwerks. Der Liefergegenstand bleibt Eigentum des Lieferwerks auch bis zur Erledigung aller weiteren Ansprüche, die dem Lieferwerk gegen den Besteller erwachsen sind oder aus der bestehenden Geschäftsverbindung noch erwachsen. Hierunter sind insbesondere die durch Begebung von Wechseln und Schecks entstandenen Unkosten, sowie alle Verbindlichkeiten zu verstehen, die sich zu Lasten des Bestellers aus dem Kontokorrentverkehr mit dem Lieferwerk ergeben.2.
Bei Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtungen durch den Besteller ist das Lieferwerk berechtigt, seine Rechte GUS dem Eigentumsvorbehalt selbst und ohne Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe geltend zu machen. Der Besteller ermächtigt das Lieferwerk insbesondere zur Wegnahme des Liefergegenstandes und anerkennt, daß in der Wegnahme kein Rücktritt vom Vertrag, sondern lediglich eine Sicherstellung des Liefergegenstandes liegt, es sei denn, daß die Lieferfirma etwas Gegenteiliges erklärt. Aus einer solchen Wegnahme des Liefergegenstandes entstehen für den Besteller keinerlei Schadensersatzansprüche gegen die Lieferfirma. ..."
Die Beklagte legte für den Kläger ein Kontoblatt an. Die Kreissparkasse Ma. übernahm die Finanzierung des Setra S 11, der am 27. Mars 1957 ausgeliefert wurde. In dem von den Parteien und der Kreissparkasse unterschriebenen formularmäßigen Darlehensvertrag vom 17. April 1957 wurde vereinbart, daß der Kläger von der Sparkasse ein Darlehen von insgesamt 61.965 DM zur Finanzierung des Kraftfahrzeugs erhalte. Der Darlehensbetrag war in monatlichen Raten an die Sparkasse zurückzuzahlen; der Kläger hatte entsprechende Wechsel der Sparkasse zahlungshalber zu übergeben. Weiter heißt es:
"Zur Sicherung der Sparkasse übernimmt der Verkäufer hiermit für alle Forderungen aus der Darlehensgewährung zuzüglich etwaiger weiterer Zinsen und Kosten gesamtverbindlich mit dem Käufer die Mitschuld mit der Maßgabe, daß seine Verpflichtungen hieraus auch nicht durch einen gegenüber dem Käufer etwa erforderlichen Rücktritt der Sparkasse vom Darlehens vertrage berührt werden sollen.
Zur weiteren Sicherung der gesamten Forderungen der Sparkasse gegen den Käufer überträgt der Verkäufer das ihm vorbehaltene Eigentum am Kraftfahrzeug mit Zustimmung des Käufers auf die Sparkasse. Die Vertragsbeteiligten sind sich einig, daß das Eigentum am Kraftfahrzeug ... auf die Sparkasse übergeht, sobald diese den vorstehend errechneten Finanzierungsbetrag dem Verkäufer gutschreibt. Die Übergabe des Kraftfahrzeugs wird durch folgende Vereinbarungen ersetzt:
a) ...
b)
Ist das Kraftfahrzeug dem Käufer vom Verkäufer zur Zeit der Gutschrift bereits zum Gebrauch überlassen, so soll der ihm als Vorbehaltseigentümer gegen den Käufer zustehende Herausgabeanspruch zum gleichen Zeitpunkt auf die Sparkasse übergehen.In beiden Fällen wird bzw. bleibt das Kraftfahrzeug dem Käufer von der Sparkasse leihweise zum Gebrauch überlassen. Das Eigentum an ihm soll auf den Käufer erst dann übergehen, wenn Verkäufer und Sparkasse wegen aller ihnen gegen den Käufer zustehenden Forderungen befriedigt sind."
Auf der Rückseite des Formblattes sind allgemeine Bedingungen verzeichnet, die als verbindlich vereinbart werden. Unter Nr. 10 der Bedingungen heißt es:
"Befriedigt der Verkäufer die Sparkasse aufgrund der Mitschuldübernahme wegen ihrer Forderungen aus diesem Vertrag, so ist das Eigentum am Kraftfahrzeug von der Sparkasse auf den Verkäufer zurückzuübertragen."
Am 6. Mai 1957 hat die Sparkasse einen Betrag von 60.000 DM der Beklagten überwiesen, die den Betrag auf den Konto des Klägers gutschrieb. Damit war unstreitig die restliche Kaufpreisforderung abgedeckt. Am 15. Oktober 1959 löste der Kläger den letzten mit dem Kauf des Setra 11 im Zusammenhang stehenden Wechsel ein.
Am 19. Juni 1957 hatte der Kläger einen formularmäßigen Antrag auf Kauf eines gebrauchten Omnibus "Setra S 8" unterzeichnet. Über Abnahme und Bezahlung des Setra S 8 kam es zwischen den Parteien zu Streitigkeiten. Durch Urteil des Landgerichts Ulm vom 12. Juli 1961 (1 O. 121/59) wurde der Kläger verurteilt, an die Beklagte 14.105,65 DM nebst Zinsen zu zahlen. Berufung und Revision des Klägers blieben ohne Erfolg (4 U 113/61 des Oberlandesgerichts Stuttgart, VIII ZR 26/62 des Bundesgerichtshofes).
Auf Antrag der Beklagten erließ das Landgericht Ulm durch Urteil vom 25. Oktober 1961 eine einstweilige Verfügung, noch der der Kläger den Omnibus Setra S 11 an einen von der Beklagten zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Sicherstellung herauszugeben habe (1 Q 6/61). Die Berufung des Klägers wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 20. Dezember 1961 zurückgewiesen. Die Begründung der Urteile geht im wesentlichen dahin, die Beklagte sei nach Nr. IV 1 der allgemeinen Verkaufs- und Lieferungsbedingungen Eigentümerin des Fahrzeuges geblieben, weil der Beklagten gegen den Kläger aus der Zeit, bevor der Omnibus vollständig bezahlt worden sei, noch Ansprüche von mehr als 14.000 DM aus dem Kauf des Setra S 8 zugestanden hätten.
Die einstweilige Verfügung vom 25. Oktober 1961 wurde am 3. November 1961 vollzogen. Der Gerichtsvollzieher nahe den Omnibus Setra S 11 fort. Anschließend stand er längere Zeit im Freien. Am 20. Dezember 1963 ließ die Beklagte aufgrund des Urteils des Landgerichts Ulm vom 12. Juli 1961 in der Sache 1 O. 121/59 den sichergestellten Omnibus pfänden. Am 10. Januar 1964 verzichtete die Beklagte auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung vom 25. Oktober 1961. Am 16. November 1964 wurde der Omnibus im Wege der Zwangsvollstreckung der Beklagten zum Betrage von 13.000 DM übereignet.
Mit der vorliegenden Vollstreckungsgegenklage wendet der Kläger sich gegen die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Ulm vom 12. Juli 1961, Er räumt ein, daß der Beklagten an Haupt- und Nebenforderungen und Kosten noch ein Anspruch von insgesamt 21.046,01 DM zustehe. Er macht geltend, er habe gegenüber der Beklagten mit Ansprüchen auf Schadensersatz wegen der Vollziehung der von ihn für ungerechtfertigt gehaltenen einstweiligen Verfügung aufgerechnet. Seinen Schadensersatzanspruch hat er auch auf eine von der Beklagten gegen die guten Sitten begangene Schadenszufügung nach § 826 BGB gestützt. Er verlangt Rückzahlung der im Wege der Zwangsvollstreckung geleisteten 13.000 DM und begehrt den Ausspruch, daß die weitere Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Ulm vom 12. Juni 1961 unzulässig ist.
Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger den Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Soweit der Kläger gegen das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Ulm vom 12. Juli 1961 Zwangsvollstreckungsgegenklage erhebt, ist sie mindestens zum Teil unzulässig. Nach § 767 Abs. 2 ZPO sind Einwendungen gegen den durch das Urteil festgestellten Anspruch nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen spätestens hatten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind. Nach dieser Bestimmung ist dem Schuldner auch die Aufrechnung mit einer Forderung verwehrt, die vor diesem Zeitpunkt entstanden ist. Es kommt dabei nur auf die Aufrechnungslage an und nicht auf die tatsächlich abgegebene Aufrechnungserklärung. Das gilt selbst dann, wenn der Schuldner im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung das Bestehen seiner Forderung nicht gekannt hat (BGHZ 34, 274, 278) [BGH 16.02.1961 - VII ZR 191/59]. Die letzte mündliche Verhandlung auf die Berufung des damaligen Beklagten, jetzigen Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ulm vom 12. Juli 1961 fand vor dem Oberlandesgericht Stuttgart am 6. Dezember 1961 statt. Mit der zur Aufrechnung gestellten Forderung aus § 945 ZPO macht der Kläger den Schaden geltend, der aus der Vollziehung der einstweiligen Verfügung entstanden ist. Vollzogen ist sie aber dadurch worden, daß am 3. November 1961 der Gerichtsvollzieher den Omnibus weggenommen hat. Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 1961 hätte der Kläger also mit denjenigen Ansprüchen aufrechnen können, die ihm seit dem 3. November 1961 erwachsen waren. In welcher Höhe sie sich belaufen sollen, läßt sich aus dem bisherigen Vortrag des Klägers nicht entnehmen. Nach seiner Darstellung hat er sich seit dem 3. November 1961 einen Omnibus zum Ersatz mieten müssen. Er behauptet ferner, ihm sei, weil der Gerichtsvollzieher den Omnibus auf dem Halteplatz kurz vor fahrplanmäßiger Abfahrt weggenommen habe und ein Teil der Fahrgäste den Omnibus wieder habe verlassen müssen, infolge der eingetretenen Geschäftsschädigung ein erheblicher Schaden entstanden.
Soweit dem Kläger Schaden nach dem 6. Dezember 1961 entstanden ist, wäre er mit der Geltendmachung dieser Schäden nicht nach § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Da., wie im folgenden ausgeführt wird, die Sache, soweit es sich um solchen möglicherweise nachträglich entstandenen Schaden handelt, ohnehin an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden muß, wird dieses Veranlassung nehmen müssen, zu prüfen, wie weit der Kläger schon in der Verhandlung vom 6. Dezember 1961 den damaligen Klageanspruch mit Schadensersatzansprüchen aus der angeblich ungerechtfertigten Vollziehung der einstweiligen Verfügung hätte bekämpfen können. Im übrigen wird auch der Teil der Gegenforderung, den der Kläger mit der Vollstreckungsgegenklage nicht mehr geltend machen kann, in seinem Bestände nicht berührt und könnte selbständig gegen die Beklagte geltend gemacht werden (BGHZ 34, 274, 280) [BGH 16.02.1961 - VII ZR 191/59].
II.
Die Beklagte hat bei dem Landgericht Ulm unter dem Aktenzeichen 1 O. 131/61 Klage in der Hauptsache auf Verurteilung des jetzigen Klägers, dortigen Beklagten auf Herausgabe des Omnibus Setra S 11 erhoben. Dieser Rechtsstreit ist vom Landgericht durch Beschluß vom 14. März 1962 bis zur rechtskräftigen Erledigung des Rechtsstreits 1 O. 121/59, also des Rechtsstreits, in dem die jetzige Beklagte die Verurteilung des jetzigen Klägers zur Zahlung von 14.105,65 DM erwirkte, ausgesetzt worden.
Die rechtskräftige Entscheidung im Verfahren über die Hauptsache darüber, ob ein Verfügungsanspruch bei Vollziehung der Verfügung bestand, ist für das Verfahren nach § 945 bindend. Schwebt der Hauptprozeß, so wird deshalb grundsätzlich der Rechtsstreit wegeneines Schadensersatzes nach § 148 ZPO auszusetzen sein (Baumbach/Lauterbach, ZPO 29. Aufl. § 945 Anm. 3 B und C). Ob im allgemeinen ein Arrest- oder Verfügungsschuldner gehindert ist, vor rechtskräftiger Entscheidung des Hauptprozesses ein Urteil nach § 945 ZPO zu erwirken, oder ob es einen Verfahrensfehler bildet, wenn des wegen des Schadensersatzes angegangene Gericht vor rechtskräftiger Entscheidung des Hauptprozesses über den Schadensersatzanspruch befindet, bedarf hier keiner Entscheidung. Der Hauptprozeß hat sich im vorliegenden Fall dadurch erledigt, daß der Omnibus im Wege der Zwangsvollstreckung der Beklagten übereignet worden ist. Mindestens in einem solchen Falle unterliegt es keinen Bedenken, ohne Rücksicht auf den noch schwebenden Hauptprozeß im Verfahren nach § 945 ZPO auch darüber zu entscheiden, ob der vom Arrest- oder Verfügungsgläubiger geltend gemachte Anspruch besteht.
III.
Das Berufungsgericht hält entgegen der Meinung des Klägers die einstweilige Verfügung nicht für von Anfang an ungerechtfertigt. Diese Auffassung wird von der Revision mit Recht angegriffen.
Die Entscheidung hängt in erster Linie davon ab, ob die Ansprüche der Beklagten aus der Lieferung des zweiten Omnibus Setra S 8 Ansprüche bilden, die nach den Kaufverträge vom 6. Juli 1955 durch den verlängerten Eigentumsvorbehalt gesichert werden sollten. Das Berufungsgericht führt hierzu aus, das Sicherungsinteresse der Beklagten als der Verkäuferin teurer Fahrzeuge, die meistens nicht bar bezahlt würden, ergebe sich schon daraus, daß das Entstehen weiterer Forderungen des Unternehmers aus Wechselgeschäften, großen Reparaturen, Lieferung weiterer Fahrzeuge und dergleichen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erwartet werden könne. Für die Sicherung auch solcher, erst nach Kaufabschluß entstehender Forderungen der Verkäuferin durch den erweiterten Eigentumsvorbehalt sei ein Bedürfnis anzuerkennen. Der Einwand des Klägers, zwischen den Parteien habe kein Kontokorrentverhältnis bestanden, sei unerheblich. Der Eigentumsvorbehalt gelte bis zur Erledigung aller weiteren Ansprüche, die dem Lieferwerk aus der bestehenden Geschäftsverbindung noch erwüchsen. Forderungen aus dem Kontokorrentverkehr seien lediglich beispielsweise unter "insbesondere" aufgeführt.
Diese Ausführungen tragen nicht die Auffassung des Berufungsgerichts, die Ansprüche der Beklagten aus der Lieferung des zweiten Omnibus seien durch den Eigentumsvorbehalt gesichert. Die "Allgemeinen Verkaufs- und Lieferungsbedingungen" der Beklagten sind typische Vertragsbedingungen eines Formularvertrages, die der erkennende Senat frei auslegen kann. Nach Nr. I 2 der Bedingungen ist Ulm zwar ausschließlicher Gerichtsstand für sämtliche gegenseitigen Ansprüche. Könnte aus diesem Grunde die Auslegung der Vertragsbedingungen nicht verschiedenen Oberlandesgerichten obliegen, so wäre allerdings das Revisionsgericht grundsätzlich nicht in der Lage, die Lieferbedingungen selbst auszulegen (BGH Urteil vom 18. September 1963 - V ZR 169/61 - LM ZPO § 549 Nr. 66 = BGHWarn 1963 Nr. 177; Urteil des erkennenden Senats vom 12. Juli 1967 - VIII ZR 125/65 - BGHWarn 1967 Nr. 180). Indessen ist nach Nr. I 2 der Allgemeinen Verkaufs- und Lieferungsbedingungen die Beklagte bei Ansprüchen ihrer Zweigniederlassungen berechtigt, diese Ansprüche auch bei den Gerichten am Sitz der Zweigniederlassung geltend zu machen. Daß die Beklagte außerhalb des Bereichs des Oberlandesgerichts Stuttgart Zweigniederlassungen hat, war in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig.
Das Berufungsgericht geht ohne nähere Begründung davon aus, daß die Ansprüche aus späterer Lieferung weiterer Fahrzeuge durch den erweiterten Eigentumsvorbehalt gesichert werden sollten. Es stützt sich für diese Meinung lediglich auf das Interesse der Lieferanten teurer Fahrzeuge. Es sieht die Rechtslage so an, als laute die Abrede, der Liefergegenstand bleibe Eigentum des Lieferwerks auch bis zur Erledigung aller weiteren Ansprüche, die dem Lieferwerk erwachsen sind oder noch erwachsen. Künftige Ansprüche sind indessen nach dem ausdrücklichen Wortlaut dahin eingeschränkte, daß sie "aus der bestehenden Geschäftsverbindung" noch erwachsen. Mit dieser Einschränkung hat das Berufungsgericht sich nicht auseinandergesetzt. Möglicherweise versteht es die einschränkenden Worte in dem Sinne, daß Ansprüche aus jeder später einmal bestehenden Geschäftsverbindung gemeint seien. Dann wären die Worte "der bestehenden" allerdings überflüssig; denn aus einer nicht bestehenden Geschäftsverbindung können keine Ansprüche erwachsen. Die Abrede wäre bei dieser Betrachtungsweise sinngemäß zu lesen: "oder aus einer später entstehenden Geschäftsverbindung noch erwachsen". Näher liegt indessen die Auslegung, daß gesichert werden sollen alle, auch künftigen Ansprüche aus der zur Zeit des Abschlusses des Kaufvertrages bestehenden Geschäftsverbindung. Dafür spricht die beispielhafte Anführung der durch Begebung von Wechseln und Schecks entstandenen Unkosten. Dabei kann es sich nur um die im vorhergehenden Satz erwähnten Wechsel und anderen Zahlungsmittel zur Bezahlung des Kaufgegenstandes handeln. Unter diese Ansprüche würden auch die vom Berufungsgericht genannten Forderungen für Reparaturen am verkauften Wagen fallen.
Bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist zu beachten, daß nicht wie bei einem Individualvertrag der Wille und die Absichten der Parteien im Einzelfall, sondern der typische Sinn der Bedingungen zu ermitteln ist (BGHZ 33, 216, 218) [BGH 29.09.1960 - II ZR 25/59]. Der Sinngehalt der Bedingungen ist nach objektiven Maßstäben unter Beachtung des wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise festzustellen. Es kommt darauf an, wie die Erklärung als der Ausdruck des Willens verständiger und redlicher Vertragspartner zu werten ist. Etwa verbleibende Zweifel muß der Vertragsgegner gegen sich gelten lassen, der die allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgearbeitet und verwendet hat (BGHZ 17, 1, 3 [BGH 08.03.1955 - I ZR 109/53]; Hefermehl bei Soergol/Siebert BGB 10. Aufl., § 133 Anm. 22).
Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet zeigen die Abreden über erweiterten Eigentumsvorbehalt in der Praxis eine sehr verschiedene Gestaltung. Soll der erweiterte Eigentumsvorbehalt unbeschränkt für alle Forderungen gelten, so wird das im allgemeinen deutlich hervorgehoben, z.B.: "Von mir gelieferte, bereits bezahlte aber noch vorhandene Ware haftet gleicherweise ... für alle meine noch offen stehenden Forderungen" (RGZ 147, 321), "sämtlicher auch künftig entstehender Forderungen" (BGHZ 26, 185), "berechtigt, Befriedigung zu suchen, auch für sonstige Forderungen ..." (BGHZ 42, 53). Demgegenüber finden sich Vereinbarungen, in denen der Eigentumsvorbehalt für bestimmte Forderungen gegenständlich festgelegt wird, z.B.: "Alle Forderungen, die im Zusammenhang mit dem Kaufgegenstand entstehen" (NJW 1958, 1231). Besonders bezeichnend sind die Einheitsbedingungen für den Verkauf von Kraftfahrzeugen, aufgestellt von Kraftfahrzeug-Industrie und -Handel: "Der Eigentumsvorbehalt bleibt auch bestehen für alle Forderungen die im Zusammenhang mit dem Kaufgegenstand entstehen, nämlich Forderungen aus Reparaturen, Ersatzteil-, Zubehör- und Betriebsstoff-Lieferungen, Einstell- und Versicherungskosten und Berufsgenossenschaftsbeiträgen" und die eigenen Geschäftsbedingungen der Beklagten beim Verkauf des Setra S 8: "Der Eigentumsvorbehalt gilt auch für alle Forderungen, die im Zusammenhang mit der Kaufsache entstehen ...". Die von der Beklagten bei Abschluß des Kaufvertrages über den "Setra S 11" gewählte Fassung ist unklar. Sie entspricht keineswegs dem Wortlaut, mit dem der Handel sonst einen Eigentumsvorbehalt zur Sicherung aller Forderungen zu vereinbaren pflegt, die aus etwa später abgeschlossenen Geschäften noch erwachsen. Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß der erweiterte Eigentumsvorbehalt zur Verschwommenheit der Eigentumsverhältnisse führt und deshalb nicht über die ausdrücklich vereinbarten Fälle hinaus ausgedehnt werden kann.
Bei objektiver Betrachtung brauchte danach ein Vertragsgegner der Beklagten nur damit zu rechnen, die Beklagte wolle sich das Eigentum auch vorbehalten für alle Ansprüche, die entweder mit dem geschlossenen Kaufvertrage im Zusammenhang stehen oder aus einer Geschäftsverbindung herrühren, die bei Abschluß des Kaufvertrages schon bestand. Ein Bedürfnis, die Beklagte auch wegen Ansprüchen aus später abgeschlossenen Kaufverträgen zu sichern, besteht umsoweniger, als sie, wie auch im vorliegenden Fall geschehen, sich an dem später verkauften Kraftfahrzeug ebenfalls das Eigentum bis zur vollständigen Abdeckung aller aus dem Kaufvertrage entstandenen Verbindlichkeiten vorbehielt.
IV.
Erstreckte sich der Eigentumsvorbehalt am Omnibus Setra S 11 nicht auf die Sicherung der Ansprüche der Beklagten aus dem Verkauf des Setra S 8, so war die einstweilige Verfügung vom 25. Oktober 1961 ungerechtfertigt. Wegen ihrer Ansprüche aus dem Verkauf des Setra S 11 war die Beklagte unstreitig befriedigt. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Da der geltend gemachte Schaden auch der Höhe nach bestritten ist, muß die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
V.
Die Entscheidung über die Kosten der Revision wird dem Berufungsgericht übertragen, weil diese Entscheidung vom Ausgang des Rechtsstreits abhängt.
Dr. Gelhaar
Dr. Mezger
Dr. Messner
Braxmaier