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Bundesgerichtshof
Urt. v. 07.02.1968, Az.: VIII ZR 179/65

Entgegenhalten der Verjährungseinrede aus Leihvertrag oder Mietvertrag aufgrund des Ablaufs der Sechsmonatsfrist zur Zeit der Zustellung des Zahlungsbefehls; Verjährung bei Totalschaden eines Kraftfahrzeugs nach allgemeinen Regeln aufgrund des Nichtvorliegens eines völligen Untergangs der vermieteten oder verliehenen Sache ; Geltung der kurzen Verjährungsfrist für Ersatzansprüche wegen Verschlechterung der verliehenen oder vermieteten Sache auch für Ansprüche aus unerlaubter Handlung; Vertraglicher Haftungsausschluss mit Wirkung für Dritte; Ausdehnung des Schutzes des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte auf die Hilfsperson eines Mieters oder Entleihers nach dem Inhalt des abgeschlossenen Vertrages

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
07.02.1968
Aktenzeichen
VIII ZR 179/65
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1968, 14886
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Bamberg - 05.05.1965
LG Aschaffenburg

Fundstellen

  • BGHZ 49, 278 - 281
  • DB 1968, 1173-1174 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1968, 490 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1968, 694-696 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Die Einrede der Verjährung kann auch einer Hilfsperson des Mieters oder Entleihers zustehen, die in den Schutzbereich des Miet- oder Leihvertrages einbezogen ist.

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 1968
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr. Haidinger sowie
der Bundesrichter Dr. Gelhaar, Dr. Weber, Mormann und Braxmaier
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 5. Mai 1965 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger überließ am 3. Juli 1962 seinen Volkswagen-Kleinbus dem Omnibusunternehmer B. in Gr.. Dieser beauftragte den Beklagten, der öfters Fahrten für B. durchführte, mit dem Fahrzeug Arbeiter in O. abzuholen. Auf der Fahrt dorthin kam der Beklagte von der Straße ab und verunglückte. Er wurde verletzt und der Kleinbus so schwer beschädigt, daß eine Reparatur nicht mehr lohnte.

2

Der Kläger hat den am Fahrzeug entstandenen Schaden auf 4.550 DM beziffert und mit dem am 26. Juni 1964 zugestellten Zahlungsbefehl, gegen den der Beklagte Widerspruch einlegte, Ersatz eines Teilbetrages von 2.000 DM nebst Zinsen seines Schadens begehrt.

3

Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie in vollem Umfange abgewiesen.

4

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Zurückweisung der Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist nicht begründet.

6

1.

Das Berufungsgericht läßt offen, ob zwischen dem Kläger und B. ein Leih- oder ein Mietvertrag zustande gekommen ist, denn der Beklagte könne, so führt das Berufungsgericht aus, dem Anspruch des Klägers die entweder auf § 606 oder auf § 558 BGB gestützte Verjährungseinrede entgegenhalten. Die in beiden Vorschriften maßgebende Sechsmonatsfrist, gerechnet von der Rückgabe des Fahrzeugs an, sei zur Zeit der Zustellung des Zahlungsbefehls längst abgelaufen gewesen. Dem Beklagten, der den VW-Bus im Auftrage und ausschließlichen Interesse des Berninger gefahren habe, komme die Schutzwirkung des zwischen dem Kläger und Berninger abgeschlossenen Miet- oder Leihvertrages zugute. Das gelte auch deswegen, weil B. den Beklagten, der sich höchstens leicht fahrlässig verhalten habe, von etwaigen Verpflichtungen gegenüber dem Kläger freistellen müsse, so daß B. im Ergebnis für den Schaden des Klägers einzutreten hätte, obwohl dessen Anspruch gegen B., auch soweit dieser aus unerlaubter Handlung des Beklagten als Verrichtungsgehilfen des B. hergeleitet werden könnte, längst verjährt sei.

7

2.

Diese Gedankengänge des Berufungsgerichts lassen entgegen der Ansicht der Revision keinen Rechtsirrtum erkennen.

8

a)

Zu Unrecht macht die Revision geltend, die Vorschriften der §§ 558, 606 BGB seien schon deshalb nicht anwendbar, weil hier die vermietete oder verliehene Sache, nämlich der VW-Bus nicht verschlechtert sei, sondern Totalschaden erlitten habe, also untergegangen sei. Richtig ist, daß dann, wenn die vermietete oder verliehene Sache ganz, also nicht nur teilweise vernichtet ist, die daraus hergeleiteten Ansprüche nicht nach §§ 558, 606 BGB, sondern nach allgemeinen Regeln verjähren (Oertmann, BGB 5. Aufl, § 558 Anm. 1 a; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, 15. Bearbeitung § 130, 2). Ein Kraftfahrzeug, das Totalschaden erlitten hat, braucht indes nicht als vollständig vernichtet angesehen zu werden. Der Begriff "Totalschaden" bei der Regulierung von Kraftfahrzeugschäden besagt nur, daß die Kosten der Reparatur des unfallgeschädigten Fahrzeugs höher sind als der Zeitwert vor dem Unfall, Hier wäre nach dem eigenen Vortrag des Klägers eine Reparatur des VW-Busses möglich gewesen (Schriftsatz vom 10. August 1964 S. 3), wenn auch die Instandsetzungsarbeiten voraussichtlich einen Betrag von 5.600 DM erfordert hätten, während sich der Zeitwert des Fahrzeugs nur auf 4.800 DM belief. War aber das schwerbeschädigte Fahrzeug noch reparaturfähig, so war es nicht vollständig vernichtet. Zudem hat das dem Kläger ausgehändigte Wrack des Fahrzeugs bei der Verwertung der brauchbaren Teile nach seinem eigenen Vortrag immerhin noch einen Überschuß von 250 DM erbracht. Bei dieser Sachlage hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, daß das Fahrzeug durch den Unfall zwar stark verschlechtert und teilweise vernichtet, aber nicht ganz zerstört war. Der Kläger hat den von ihm dem B. übergebenen Kleinbus, der nicht völlig untergegangen war, bereits am Tage des Unfalls oder kurz danach wieder zurückerhalten, so daß sich auch aus Wortlaut und Sinn des § 558 Abs. 2 BGB keine Bedenken gegen die Anwendung der Verjährungsvorschriften der §§ 558, 606 BGB herleiten lassen (vgl. die auch vom Berufungsgericht angezogenen Urteile RGZ 96, 300 und des erkennenden Senats vom 18. Dezember 1963 - VIII ZR 193/62 - LM BGB § 558 Nr. 5).

9

b)

Ebensowenig kann der Revision in ihrer Ansicht gefolgt werden, dem Beklagten sei es schon deshalb versagt, sich auf §§ 558, 606 BGB zu berufen, weil der Anspruch des Klägers nicht auf den Mietvertrag gestützt, sondern aus den Vorschriften über unerlaubte Handlungen hergeleitet werde. Wenn mit dem Berufungsgericht davon ausgegangen wird, daß auf das Verhältnis zwischen den Parteien die Vorschriften über die Miete oder die Leihe anwendbar sind, so gilt auch für den Anspruch des Klägers aus unerlaubter Handlung, der auf die Verschlechterung des an Berninger verliehenen oder vermieteten VW-Busses gestützt wird, die kurze Verjährungsfrist der §§ 558, 606 BGB (Urteile des erkennenden Senats vom 28. Mai 1957 - VIII ZR 205/56 - LM BGB § 558 Nr. 1 und vom 18. Dezember 1963 - VIII ZR 193/62 - LM BGB § 558 Nr. 5 sowie BGH Urt. vom 18. Februar 1964 - VI ZR 260/62 - LM BGB § 852 Nr. 21 und BGHZ 47, 53, 55 [BGH 31.01.1967 - VI ZR 105/65], alle mit zahlr. w. Nachw.). An dieser ständigen Rechtsprechung, der sich auch der überwiegende Teil des Schrifttums angeschlossen hat, hält der erkennende Senat trotz der von Siebenhaar (JR 1963, 46) geäußerten Bedenken fest, auf die sich die Revision bezieht. Es mag sein, daß der Wortlaut der Bestimmungen auch die von Siebenhaar befürwortete entgegengesetzte Auslegung zuläßt. Daß er hierzu zwingt, kann jedoch Siebenhaar nicht zugegeben werden. Entscheidend spricht für die von der herrschenden Meinung für richtig gehaltene Auslegung, daß sie sich auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes berufen kann und dem. Willen des Gesetzgebers entspricht. Es muß daher dabei bleiben, daß die kurze Verjährungsfrist für alle Ersatzansprüche wegen Verschlechterung der verliehenen oder vermieteten Sache gilt, also auch dann, wenn sie sich auf das Eigentum oder unerlaubte Handlung gründen.

10

c)

Wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, bestehen zwischen den Parteien keine vertraglichen Beziehungen. Mit Recht will jedoch das Berufungsgericht den Beklagten in die Schutzwirkungen des zwischen dem Kläger und Berninger zustande gekommenen Miet- oder Leihvertrages einbeziehen.

11

In Fortbildung des gesetzten Rechts und gestützt auf allgemeine Grundsätze der Vertragshaftung hat die Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte Ansprüche wegen Verletzung einer vertraglichen Sorgfaltspflicht auch solchen am Vertrage nicht beteiligten Personen zugebilligt, die als schutzbedürftig anzusehen sind (vgl. dazu Larenz, Schuldrecht 8. Aufl. § 11 III S. 126). Diesen schutzbedürftigen Personen werden Ansprüche aus einem Vertrage gewährt, den ein anderer abgeschlossen hatte, z. B. wird Familienangehörigen des Mieters, die durch Verschulden des Vermieters oder seiner Erfüllungsgehilfen geschädigt werden, ein unmittelbarer Anspruch aus dem Mietvertrag gegen den Vermieter gewährt. Dasselbe gilt, wie der erkennende Senat entschieden hat, auch für die Mitglieder eines nicht rechtsfähigen Vereins, wenn sie an einem Stiftungsfest in Räumen teilnehmen, die der Vorstand des Vereins für diese Veranstaltung gemietet hatte (Urteil vom 23. Juni 1965 - VIII ZR 201/63 - LM BGB § 328 Nr. 28). Eine derartige Schutzwirkung steht hier allerdings nicht in Frage, denn der Beklagte will keine Forderungen aus dem zwischen B. und dem Kläger abgeschlossenen Miet- oder Leihvertrag erheben, sondern sich gegenüber einem Anspruch, den der Kläger aus dem Rechtsgrund der unerlaubten Handlung herleitet, mit einer Einrede verteidigen, die er dem genannten Vertrage entnimmt. Der Revision ist zuzugeben, daß die Rechtsordnung grundsätzlich Einreden und Einwendungen aus einem Vertrag Dritten, die an ihm nicht beteiligt sind, nicht gibt. Jedoch hat der Bundesgerichtshof als Ausnahme von diesem Grundsatz die Möglichkeit eines vertraglichen Haftungsausschlusses mit Wirkung für Dritte anerkannt (BGHZ 22, 109, 120 [BGH 29.10.1956 - II ZR 64/56]; Urteil vom 7. Dezember 1961 - VII ZR 134/60 - LM BGB § 276 (D) Nr. 6, Urteil vom 7. Juli 1960 - II ZR 209/58 - LM Allg. Geschäftsbedingungen Nr. 11; abweichend: nicht veröffentlichtes Urteil vom 17. September 1959 - VII ZR 60/58) und einen solchen in seinem Urteil vom 7. Dezember 1961 ausdrücklich mit der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages begründet, in dem die Ausschlußklausel enthalten war.

12

Auch der hier zu beurteilende Sachverhalt rechtfertigt die Anwendung dieses Rechtsgedankens, Allerdings hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 6. Oktober 1963 - VIII ZR 28/62 - LM BGB § 536 Nr. 6 a darauf hingewiesen, daß der Kreis derjenigen Personen, die in den Schutzbereich eines Vertrages einbezogen werden können, eng zu begrenzen ist. Indes fällt der Beklagte auch bei der hiernach gebotenen einschränkenden Beurteilung in den Schutzbereich des zwischen dem Kläger und Berninger geschlossenen Miet- oder Leihvertrages. Ob dieser Schutz auf die Hilfsperson eines Mieters oder Entleihers ausgedehnt werden kann, hängt in erster Linie von dem Inhalt des abgeschlossenen Vertrages ab. Läßt dieser die Ausübung der Benutzung der gemieteten oder entliehenen Sache durch eine Hilfsperson nicht zu, so erscheint es grundsätzlich ausgeschlossen, daß die vom Vermieter oder Verleiher in Anspruch genommene Hilfsperson sich darauf berufen kann, auch sie genieße den Schutz des Vertrages (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des erkennenden Senats vom 10. Januar 1968 - VIII ZR 104/65). Ein solcher Sachverhalt war hier jedoch nicht gegeben. Vielmehr war nach dem Vertrage zwischen dem Kläger und B. ersichtlich nicht vorausgesetzt, daß dieser als Omnibusunternehmer den ihm zur Verfügung gestellten Kleinbus des Klägers selbst fahren mußte, sondern B. war nach Sinn und Inhalt des Vertrages berechtigt, den Bus durch eine von ihm ausgewählte Hilfsperson steuern zu lassen. Hat aber der Kläger gewußt oder doch jedenfalls damit gerechnet, daß der Kleinbus nicht von B. selbst, sondern von einem Dritten gefahren wurde, und hat er sich mindestens stillschweigend damit einverstanden erklärt, so spricht dies dafür, den Beklagten als Fahrer des Kleinbusses in den Schutzbereich des Miet- oder Leihvertrages einzubeziehen und ihm keine schlechtere Rechtsposition einzuräumen, als sie B. hatte. Der erkennende Senat ist, ebenso wie das Berufungsgericht, der Auffassung, daß dies jedenfalls dann gerechtfertigt ist, wenn der von der Hilfsperson verursachte Schaden im Endergebnis von dem Entleiher oder Mieter getragen werden müßte, weil die Hilfsperson von diesem aus den zwischen ihnen bestehenden Rechtsbeziehungen Freistellung von den Ansprüchen verlangen könnte, die der Vermieter oder Verleiher gegen die Hilfsperson geltend macht (vgl. dazu die einen ähnlich liegenden Sachverhalt betreffenden BGH Urt. vom 18. April 1961 - VI ZR 130/60 - und vom 30. Juni 1964 - VI ZR 67/63 - LM Dienst- u. ArbeitsunfallG Nr. 12 und 15). Wäre nämlich in einem solchen Falle die Hilfsperson zur Zahlung an den Vermieter oder Verleiher verpflichtet, ohne die Verjährungseinrede aus den §§ 558, 606 BGB erheben zu können, so würde das dazu führen, daß der Mieter oder Entleiher praktisch seinem Vertragspartner Zahlung leisten müßte, obwohl Mieter und Entleiher bei unmittelbarer Inanspruchnahme sich auf die Verjährung berufen könnten. In einem solchen Falle würde also auf einem Umwege ein Ergebnis erzielt werden, das mit der Regelung des Gesetzes nicht in Einklang steht. Eine dem Sinn und Zweck des Gesetzes gerecht werdende und die Interessenlage berücksichtigende rechtliche Würdigung muß deshalb der Hilfsperson des Mieters oder Entleihers, die in den Schutzbereich des Miet- oder Leihvertrages einbezogen ist, die Befugnis gewähren, sich in demselben Umfange wie der Mieter oder Entleiher auf Verjährung zu berufen, wenn die Hilfsperson von dem Vermieter oder Verleiher in Anspruch genommen wird, jedoch von dem Mieter oder Entleiher Freistellung verlangen kann.

13

Daß dem Beklagten gegen Berninger ein Anspruch auf Freistellung zustände, wenn der Beklagte von dem Kläger in Anspruch genommen werden könnte, hat das Berufungsgericht rechtsirrtumsfrei dargelegt. Die Revision hat hiergegen Angriffe auch nicht erhoben.

14

Das angefochtene Urteil erweist sich mithin als richtig, so daß die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückgewiesen werden muß.

Dr. Haidinger
Dr. Gelhaar
Dr. Weber
Mormann
Braxmaier