Bundesgerichtshof
Urt. v. 31.01.1967, Az.: V ZR 125/65
Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit eines Vertrags auf Grund einer Formvorschrift; Beigefügte Schriftstücke als Teil eines von dem Notar angefertigten Protokolls; Ursprüngliche Unmöglichkeit bei Vertragsanschluss
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 31.01.1967
- Aktenzeichen
- V ZR 125/65
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1967, 14821
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG München - 27.04.1965
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHZ 47, 48 - 53
- DB 1967, 374 (Volltext mit amtl. LS)
- DNotZ 1967, 751-752
- MDR 1967, 476 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1967, 478
- NJW 1967, 721-723 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Nehmen die Vertragschließenden an, ein die vorübergehende Unmöglichkeit der Leistung herbeiführender Umstand werde in absehbarer Zeit behoben werden können, und erweist sich diese Annahme später als falsch (beiderseitiger Irrtum), dann ist der Vertrag nicht nach § 306 BGB nichtig, sondern es sind die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anzuwenden.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 1967
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr. Augustin und
der Bundesrichter Dr. Piepenbrock, Dr. Rothe, Dr. Mattern und Offterdinger
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 27. April 1965 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Mit Vertrag vom 13. Februar 1959 "verkaufte" der Kläger aus seinem Grundbesitz in Gräfelfing drei Grundstücke von insgesamt 13.766 qm sowie eine 500 qm große Teilfläche eines weiteren Grundstücks an den Beklagten. Als Gegenleistung sollte der Beklagte auf einem Grundstück des Klägers, das dieser zu bezeichnen hatte, innerhalb von acht Monaten nach erteilter Baugenehmigung ein Mietwohnhaus mit zwölf Wohnungen und etwa 2700 cbm umbautem Raum oder, wenn das Landratsamt die vorgesehene dreigeschossige Bauweise nicht genehmigte, zwei entsprechend große Häuser erstellen; für den Fall, daß eine Baugenehmigung für keines der Grundstücke des Klägers zu erlangen sei, verpflichtete sich der Beklagte, den Bau auf dem von ihm gekauften Gelände zu errichten und die dafür benötigte Fläche an den Kläger zurückzuübereignen. Gleichzeitig beauftragte der Kläger den Beklagten, die zwölf Wohnungen unter beliebigen Bedingungen zu vermieten und das Gebäude bis Ende 1985 zu verwalten; der Beklagte garantierte ihm einen jährlichen Nettomietertrag von 10.000 DM, der sich nach Auslaufen eines Pachtvertrages, den der Kläger über eines der verkauften Grundstücke abgeschlossen hatte, auf 12.000 DM erhöhen sollte; das über diese Beträge hinausgehende Mietaufkommen sollte bis zum Ende des genannten Jahres dem Beklagten zustehen.
In der Folgezeit schrieb das Grundbuchamt die drei Grundstücke auf den Namen des Beklagten um und trug zur Sicherung seines Anspruchs auf Übereignung der Teilfläche von 500 qm eine Auflassungsvormerkung ein. Der Beklagte hat bisher kein Gebäude errichtet; auch ist eine Baugenehmigung noch nicht erteilt worden.
Der Kläger verlangt vom Beklagten Rückauflassung der drei Grundstücke sowie Löschung der Vormerkung; ferner möchte er festgestellt haben, daß der Vertrag vom 13. Februar 1959 rechtsunwirksam sei. Die vereinbarte Gegenleistung, so macht er geltend, sei von vornherein unmöglich gewesen, da weder die ihm verbliebenen noch die verkauften Grundstücke in der vorgesehenen Weise bebaut werden könnten; das Landratsamt werde daselbst die Errichtung von Gebäuden mit zwölf Wohnungseinheiten niemals genehmigen; auch seien die Grundstücke solange unbebaubar, als nicht durch Anschluß an den Ortskanal eine ordnungsmäßige Abwässerbeseitigung gewährleistet sei; wann dieser Fall eintreten werde, lasse sich nicht absehen. Im übrigen sei er am 3. November 1960 von dem Vertrag zurückgetreten, weil der Beklagte bislang keinen Bauplan eingereicht habe. Endlich werde der Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten.
Der Beklagte, der Klageabweisung beantragt, ist dem Vorbringen des Klägers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht entgegengetreten. Er behauptet insbesondere, die Gemeinde Gräfelfing, mit der er verhandelt habe, sei einer vorzeitigen Bebauung nicht abgeneigt gewesen, habe sie jedoch davon abhängig gemacht, daß zugleich das alte, den Verkehr störende Bauernanwesen des Klägers (sogenannter "Schwarzbau") abgebrochen werde; dies habe der Kläger abgelehnt. Außerdem sei damit zu rechnen, daß die Grundstücke in absehbarer Zeit an die Kanalisation angeschlossen würden. Auch bestehe bereits jetzt die Möglichkeit, das Bauvorhaben wenigstens zu einem Teil auszuführen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Klüger beantragt,
das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1.
Die Zulässigkeit des Feststellungsantrages, um deren Nachprüfung die Revision bittet, die aber bereits von Amts wegen zu prüfen ist (RGZ 73, 82, 84 f), hat das Berufungsgericht bejaht, indem es sich, abweichend vom Landgericht, auf den Standpunkt gestellt hat, der Kläger brauche sein Feststellungsbegehren keineswegs darauf zu beschränken, daß er dem Beklagten gegenüber nicht zur Übereignung der mitverkauften Teilfläche von 500 qm verpflichtet sei, sondern könne Feststellung der Unwirksamkeit des Kaufvertrages im ganzen verlangen. Dem ist beizutreten. Die Rechtsbeziehungen der Parteien erschöpfen sich, wenn der Vertrag vom 13. Februar 1959 der Rechtswirksamkeit entbehrt, nicht notwendig in den mit der Leistungsklage verfolgten Ansprüchen auf Rückauflassung der drei Grundstücke und Löschung der Auflassungsvormerkung sowie in dem Nichtbestehen eines Übereignungsanspruchs den Beklagten hinsichtlich jener Teilfläche, Zwischen ihnen könnten vielmehr aus der Unwirksamkeit des Vertrages noch weitere, im vorliegenden Prozeß nicht geltend gemachte Ansprüche, etwa auf Grund des § 307 BGB, erwachsen sein (RGZ 170, 328, 330; BGH LM ZPO § 280 Nr. 4). Mehrkosten, wie sie die Revision befürchtet, entstehen durch den uneingeschränkten Feststellungsantrag nicht, weil wegen des Umfangs der Leistungsanträge ohnehin der gesamte verkaufte Grundbesitz im Streit ist.
2.
Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit des Vertrages vom 13. Februar 1959 sollen sich nach Auffassung des Berufungsgerichts schon aus der Formvorschrift des § 313 BGB ergeben, wenn es auch diese Frage letzten Endes offen gelassen und seine Entscheidung nicht hierauf gestützt hat. Es nimmt daran Anstoß, daß im Schlußvermerk der notariellen Urkunde, dem zufolge das Protokoll vom Notar "vorgelesen" worden ist, eine dieser Urkunde als Anlage beigefügte und von den Parteien als Bestandteil des Vertrags bezeichnete Baubeschreibung keine ausdrückliche Erwähnung gefunden hat. Das angefochtene Urteil meint, gemäß § 177 Abs. 1 FGG hätte im Protokoll festgestellt werden müssen, daß auch die Baubeschreibung verlesen worden sei; der Vorschrift des § 176 Abs. 2 FGG, wonach beigefügte Schriftstücke einen Teil des Protokolls bilden, komme demgegenüber kein entscheidendes Gewicht zu; ein etwaiger Formverstoß sei mangels Übereignung der mitverkauften Teilfläche von 500 qm auch nicht gemäß § 313 Satz 2 BGB geheilt.
Die Revision rügt Verletzung des § 139 ZPO, weil sich diese Erwägungen erstmals in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils finden, ohne daß die Parteien zuvor auf den erwähnten Gesichtspunkt hingewiesen wurden und dazu Stellung nehmen konnten. Ob eine solche Verfahrensrüge berechtigt ist, mag auf sich beruhen. Denn die wiedergegebene Ansicht verdient jedenfalls aus sachlich-rechtlichen Gründen keinen Beifall. Mit ihr hat sich das Oberlandesgericht bewußt in Gegensatz zu der einhelligen Meinung von Rechtsprechung und Schrifttum gestellt; danach gelten die in einer notariellen Urkunde in bezug genommenen und als Anlagen beigefügten Schriftstücke bis zum Beweis des Gegenteils - der laut § 415 Abs. 2 ZPO jederzeit zulässig ist - als vorgelesen (KGZ 71, 318, 320; 96, 181, 183; RG Recht 1911 Nr. 1033; 1919 Nr. 1865; Keidel, Freiwillige Gerichtsbarkeit 80 Aufl. § 176 Anm. 22; Güthe/Triebel, GBO 6. Aufl. § 29 Anm. 75 letzter Absatz). Dieser Standpunkt entspricht den Erfordernissen des Rechtsverkehrs. Ihn aufzugeben, bieten auch die Ausführungen des angefochtenen Urteils keinen Anlaß.
3.
Den ausschlaggebenden Grund für die Nichtigkeit des Vertrages erblickt das Berufungsgericht darin, daß er, soweit es sich um die Pflicht des Beklagten zur Grundstücksbebauung handelt, im Sinne von § 306 BGB auf eine von Anfang an unmögliche Leistung gerichtet sei. Wie das angefochtene Urteil feststellt, können die in Betracht kommenden Grundstücke - und zwar sowohl die noch im Eigentum des Klägers stehenden als auch diejenigen, die er an den Beklagten verkauft hat - erst bebaut werden, wenn zuvor die Möglichkeit geschaffen wird, sie an die Kanalisation anzuschließen; ein solcher Zustand, ohne den keine Baugenehmigung zu erlangen sei, werde voraussichtlich nicht vor 1968 eintreten; möglicherweise werde sich die Ungewißheit sogar noch auf eine längere Zeit erstrecken. Mindestens bis 1964 habe auch noch kein Bebauungsplan vorgelegen, und daher sei nicht abzusehen, welche bauliche Nutzung der Grundstücke nach ihrer Erschließung und Baureifmachung einmal möglich sein werde, insbesondere ob der künftige Bebauungsplan Häuser in der vertraglich vereinbarten Größe oder etwa nur Einfamilienhäuser zulasse. Bei seiner Würdigung des festgestellten Sachverhalts hat der Berufungsrichter angenommen, die fragliche Vertragsleistung sei nicht auf die Dauer unmöglich, sondern es handele sich bloß um vorübergehende Unmöglichkeit; damit, daß die Grundstücke eines Tages bebaubar werden würden, habe man bei Vertragsabschluß rechnen können und könne es auch heute noch. Er ist jedoch der Ansicht, es liege einer jener Fälle vor, in denen ein zeitweiliges Erfüllungshindernis ebenso behandelt werden müsse wie ein dauerndes, weil die Erreichung des Vertragszwecks in Frage gestellt sei und der Kläger sich deshalb nach Treu und Glauben nicht mehr an den Vertrag zu halten brauche (unter Bezugnahme auf RGZ 89, 203, 206; 105, 387, 388; 107, 156, 158 f; 146, 60, 66; BGH MDR 1951, 153, 154 [BGH 19.12.1950 - I ZR 7/50]; 1954, 733; LM BGB § 275 Nr. 3, 4 und 7).
Hiergegen wendet sich die Revision mit zahlreichen Verfahrens- und sachlich-rechtlichen Rügen, indem sie insbesondere jede Unmöglichkeit der Erfüllung überhaupt leugnet; außerdem sei dem Kläger, so macht sie geltend, ein Festhalten am Vertrage sehr wohl zuzumuten, Einer Stellungnahme zu diesen Revisionsangriffen bedarf es nicht. Denn bereits der Ausgangspunkt des Berufungsurteils unterliegt durchgreifenden rechtlichen Bedenken, denen in der Revisionsinstanz auch ohne entsprechende Sachrüge nachzugehen ist.
§ 306 BGB regelt die Rechtsfolgen der ursprünglichen, d.h. schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestehenden objektiven Unmöglichkeit einer vereinbarten Leistung: in diesem Falle ist der Vertrag nichtig. Das angefochtene Urteil hält die Vorschrift nicht nur bei dauernder Unmöglichkeit, sondern auch dann für anwendbar, wenn ein zunächst vorhandenes Leistungshindernis sich später wieder beheben läßt. Es geht dabei von den Grundsätzen aus, welche die höchstrichterliche Rechtsprechung für den Fall entwickelt hat, daß die geschuldete Leistung infolge eines nach Entstehung des Schuldverhältnisses eintretenden Umstandes unmöglich wird (§ 275 BGB). Hier ist zwar unter "Unmöglichkeit" regelmäßig ein Zustand zu verstehen, der das Erbringen der Leistung für immer ausschließt (RGZ 168, 321, 327 f); aber ausnahmsweise wird, zumal bei Dauerschuldverhältnissen, auch ein nur vorübergehendes Erfüllungshindernis unter bestimmten Voraussetzungen - nämlich wenn ca die Erreichung des Vertragszwecks in Frage stellt und dem anderen Partner die Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann - einer dauernden Unmöglichkeit gleichgestellt (Urteil des erkennenden Senats vom 30. Oktober 1953, V ZR 76/52, LM BGB § 275 Nr. 4, mit Nachweisen). Nachträgliches Unmöglichwerden einer geschuldeten Leistung vernichtet indessen den Vertrag als solchen nicht. Vielmehr bestimmen sich die Rechtsbeziehungen der Beteiligten dann nach den weniger weitgehenden Vorschriften der §§ 275 ff, 323 ff BGB (Esser, Schuldrecht 2. Aufl. § 77 Nr. 6, S. 334; Palandt/Danckelmann, BGB 25. Aufl. § 306 Anm. 3). Es erscheint fraglich, ob jene Gleichbehandlung von vorübergehender und dauernder Unmöglichkeit, wie sie bei nachträglichen Leistungshindernissen angängig ist, auf den Fall des § 306 BGB - der als einziges die schwerwiegende Folge der Vertragsnichtigkeit kennt - übertragen werden kann.
Die Frage braucht in dieser allgemeinen Form hier nicht abschließend entschieden zu werden. Denn sollte es grundsätzlich nicht ausgeschlossen sein, auch bei ursprünglicher Unmöglichkeit im Sinne von § 306 BGB ein der Vertragserfüllung nur zeitweilig entgegenstehendes Hindernis genau so zu behandeln wie ein dauerndes, so ist jedenfalls für eine solche Handhabung da kein Raum, wo die Vertragschließenden das gegenwärtige Hindernis gekannt, aber infolge eines Irrtums mit seiner demnächstigen Behebbarkeit gerechnet haben. Wenn sich in Fällen dieser Art später herausstellt, daß die Behebung wesentlich längere Zeit in Anspruch nehmen wird, als bei Vertragsabschluß von allen Beteiligten angenommen wurde, dann liegt ein beiderseitiger Irrtum vor, dessen Rechtsfolgen nicht nach § 306 BGB zu beurteilen sind, sondern unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB); es muß geprüft werden, ob und inwieweit sich durch die unvorhergesehene Hinauszögerung des Erfüllungszeitpunkts der Sachverhalt, von den die Vertragschließenden ausgegangen sind, so tiefgreifend verändert hat, daß der Vertrag nach Treu und Glauben nicht mehr in der zunächst vorgesehenen Weise durchgeführt worden kann (vgl. Palandt/Danckelmann a.a.O. vorletzter Absatz). Die Anwendung der Grundsätze über den Geschäftsgrundlage-Wegfall führt nur ausnahmsweise zur völligen Beseitigung des Vertragsverhältnisses; in aller Regel ist - aus Gründen der Vertragstreue und der Verkehrssicherheit - der Vertrag nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten und lediglich in einer den berechtigten Interessen beider Partner Rechnung tragenden Form der veränderten Sachlage anzupassen (BGH LM BGB § 242 Ba Nr. 27; Bb Nr. 18 und 24; Bd Nr. 11; Soergel/Siebert, BGB 9. Aufl. § 242 Anm. 257; Urteil vom 23. März 1966, VIII ZR 51/64, WM 1966, 475, 476).
Um einen solchen beiderseitigen Irrtum über die Geschäftsgrundlage handelt es sich im vorliegenden Fall. Die Parteien gingen bei Vertragsabschluß, wie das angefochtene Urteil feststellt, übereinstimmend davon aus, daß der Vertrag in absehbarer Zeit ausgeführt und daß insbesondere das vom Beklagten zu erstellende Mietwohnhaus alsbald errichtet werde; die Errichtung sollte keineswegs erst in ferner Zukunft stattfinden (S. 20). Man war sich - so wird zugunsten des Beklagten unterstellt - zwar über die bestehenden baurechtlichen Schwierigkeiten im klaren, hoffte aber trotzdem, alsbald und noch vor Schaffung einer Anschlußmöglichkeit an die Kanalisation eine Baugenehmigung zu erhalten (S. 21). Die Unbegründetheit dieser Hoffnung stellte sich dann für die Beteiligten erst in einem späteren Zeitpunkt heraus (S. 25). Wann das geschehen ist, geht aus den tatrichterlichen Feststellungen nicht hervor. Aber von dem Augenblick an, als sich die ursprüngliche Erwartung, die Grundstücke in Gräfelfing würden innerhalb einer verhältnismäßig kurzen Zeitspanne bebaubar werden, als hinfällig erwies, traten die Rechtsbeziehungen der Parteien in ein neues Stadium; es war nunmehr ungewiß, wie lange man noch auf den Eintritt der Bebaubarkeit werde warten müssen. Der Zustand der Ungewißheit hielt in der Folgezeit an und bestand auch noch bei der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz. Zum mindesten damals konnte es zweifelhaft erscheinen, ob nicht die seither abgelaufene Zeit sowie diejenige, die in Zukunft bis zur Baureife der Grundstücke noch vergehen werde, so schwer ins Gewicht fiel, daß den Vertragschließenden ein weiteres Festhalten an dem Inhalt der früheren Vereinbarungen nicht mehr zuzumuten sei (Esser a.a.O.; vgl. auch OGHZ 3, 393, 397 f). Das ist vom Berufungsgericht bisher nicht geprüft worden.
Freilich enthält das angefochtene Urteil auch Ausführungen zur Zumutbarkeitsfrage. Allein es würdigt den Sachverhalt hierbei nicht unter dem Gesichtspunkt des Geschäftsgrundlage-Wegfalls, also im Hinblick auf die nachträglich eingetretenen Veränderungen. Abgestellt wurde vielmehr, weil das Oberlandesgericht von ursprünglicher Unmöglichkeit im Sinne des § 306 BGB ausging, auf die Verhältnisse bei Vertragsabschluß, wie sie sich den Parteien aus damaliger Sicht darboten. Außerdem mußte diese Betrachtungsweise insofern das Blickfeld verengen, als es bei ihr - wenn auch die beiderseitige Interessenlage nicht völlig außer acht bleiben durfte (BGH LM BGB § 275 Nr. 3) - doch in erster Linie auf die Zumutbarkeit für den einen, gerade durch das vorübergehende Leistungshindernis benachteiligten Vertragspartner (hier: den Kläger) ankam, während die Regeln über den Geschäftsgrundlage-Wegfall eine viel weitergehende, die Auswirkungen der veränderten Sachlage auf sämtliche Beteiligten berücksichtigende Abwägung vorschreiben (Urteil des erkennenden Senats vom 18. November 1960, V ZR 140/59, NJW 1961, 553, 555 = WM 1961, 212, 215). Bei solcher umfassenden Prüfung unter Heranziehung aller Umstände den Einzelfalles wäre möglicherweise das spätere Verhalten der Parteien in einem anderen Lichte erschienen. Das gilt insbesondere von dem Anerbieten des Beklagten, den Kläger solange durch Geldzahlungen schadlos zu stellen, als sich der Eintritt der Bebaubarkeit über den zunächst angenommenen Zeitpunkt hinaus verzögern würde. Auch hätte geprüft werden müssen, ob etwa Vertragsverletzungen der einen oder anderen Partei in Frage kommen; in diesem Zusammenhang könnte es eine Rolle spielen, inwieweit das dem Beklagten angelastete Nichteinreichen eines förmlichen Baugesuchs dadurch mitverursacht worden ist, daß der Kläger ihm die Vollmacht entzogen und sich geweigert hat, seinen Schwarzbau auf dem für die Bebauung in Aussicht genommenen Grundstück abreißen zu lassen.
4.
Das angefochtene Urteil kann deshalb mit der bisherigen Begründung nicht bestehen bleiben; es ist, da es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 563 ZPO), aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 564, 565 Abs. 1 ZPO). Das gilt zugleich für den Feststellungsantrag; diesen bereits jetzt - da keine Unmöglichkeit nach § 306 BGB vorliegt - als unbegründet abzuweisen, sieht sich das Revisionsgericht außerstande, weil den Kläger im gegenwärtigen Verfahrensstande die Möglichkeit nicht genommen werden darf, das Ziel seines Feststellungsbegehrens dahin zu ändern, daß der Vertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ausnahmsweise (vgl. oben zu Nr. 3) seinem gesamten Inhalt nach hinfällig geworden sei. Der Beklagte andererseits wird in der neuen mündlichen Verhandlung Gelegenheit haben, die mit der Revision geltend gemachten Einwände vor dem Tatrichter zu wiederholen und auch seine neuen Behauptungen über den heutigen Bebauungszustand des fraglichen Geländes, mit denen er in der Revisionsinstanz nicht gehört werden konnte (§ 561 ZPO), noch in den Prozeß einzuführen.
Da die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens von dem endgültigen Ausgang des Rechtsstreits abhängt, ist sie gleichfalls dem Berufungsgericht zu übertragen.
Dr. Piepenbrock
Rothe
Mattern
Offterdinger