Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Urt. v. 28.02.1966, Az.: VII ZR 125/65

Verschulden bei Vertragsverhandlungen ; Wirksamkeit von Verpflichtungserklärungen ; Abgabe abstrakter Schuldversprechen ; Missbrauch der Vertretungsmacht eines Prokuristen

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
28.02.1966
Aktenzeichen
VII ZR 125/65
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1966, 12386
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
KG Berlin - 03.05.1965

Fundstellen

  • DB 1966, 738 (Kurzinformation)
  • NJW 1966, 1911-1912 (Volltext mit red. LS)

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Februar 1966
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Glanzmann und
der Bundesrichter Dr. Heimann-Trosien, Erbel, Dr. Vogt und Dr. Finke
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revisionen der Parteien wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 3. Mai 1965 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an den 5. Zivilsenat des Kammergerichts zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin hat mit der Klage von der Beklagten Zahlung von 1.800.000 DM nebst Zinsen begehrt. Sie hat sich in erster Linie gestützt auf vier im Namen der Beklagten abgegebene Verpflichtungserklärungen: drei vom 27. September 1961 über je 500.000 DM, unterschrieben von dem Prokuristen G. und dem Handlungsbevollmächtigten F., und eine vom 18. Oktober 1961 über 300.000 DM, unterschrieben von den beiden Prokuristen G. und Mü. Hilfsweise hat sich die Klägerin auf Auskunftsvertrag, Verschulden bei Vertragsverhandlungen und unerlaubte Handlung berufen.

2

Die Beklagte hat u.a. geltend gemacht, soweit F. mitunterzeichnet habe, seien die Verpflichtungserklärungen nicht wirksam, da nur ein Gesamtvertretungsrecht je zweier Zeichnungsberechtigter bestanden habe und die Abgabe solcher Verpflichtungserklärungen über die Befugnisse eines Handlungsbevollmächtigten hinausgehe. Im übrigen habe die Klägerin mit den ungetreuen Angestellten der Beklagten arglistig zu deren Nachteil zusammengewirkt.

3

Zu den oben genannten Verpflichtungserklärungen der Beklagten ist es wie folgt gekommen:

4

Im Jahre 1961 stand die Berliner Niederlassung der Beklagten, bei welcher G., Mü. und F. tätig waren, mit dem Kaufmann W. in Geschäftsverbindung. W. nahm damals kurzfristige hohe Kredite bei dem Kaufmann R. auf, und gewährte, ebenso wie der Kaufmann Ba., seinerseits solche Kredite an die Kaufleute D. und Ha.. Diese planten damals u.a. ein großes Waffengeschäft nach Algerien, das aber scheiterte.

5

W. und Ba. reichten bei der Beklagten in erheblichem Umfange auf andere Banken gezogene vordatierte Schecks ein. G. ließ diese Schecks alsbald gutschreiben. Die Schecks wurden aber zum großen Teil nicht eingelöst und immer wieder durch neue ersetzt. Der Scheckumlauf nahm mit der Zeit einen immer größeren Umfang an. W. und Ba. erhielten auf diese Weise von der Beklagten ohne Sicherheit hohe Kredite. Im Mai 1961 betrug die Schuld W. und Ba. gegenüber der Beklagten bereits 1.800.000 DM.

6

Dem Vorstand der Beklagte verheimlichte G. das. Ab Mai 1961 verschleierte er die hohen Scheckumsätze, indem er Falschbuchungen veranlaßte. Er ging dazu über, wie bereits seit März 1961 in einigen Fällen geschehen, im Namen der Beklagten Garantieverpflichtungen für Wemhoff und Ba. gegenüber anderen Banken abzugeben, damit diese sonst kreditunwürdigen Personen dort Darlehen erhielten.

7

Der Geldbedarf W. verstärkte sich, als auch D. seine vordatierten Schecks nicht einlöste. G. unterstützte W. weil andernfalls seine Verfehlungen bereits zu diesem Zeitpunkt entdeckt worden wären, und stattete ihn in verstärktem Maße mit Garantieerklärungen der Beklagten aus, damit er sich die erforderlichen Geldbeträge bei anderen Banken durch Darlehen beschaffen konnte.

8

Ende Juni 1961 wurde die endgültige Zahlungsunfähigkeit D. offenbar. Die Schulden W. und Ba. bei der Beklagten hatten sich inzwischen auf mehrere Millionen DM erhöht. W., Ba. und G. beschlossen, ihre Lage dem Vorstand der Beklagten auch jetzt nicht zu offenbaren, sondern durch weitere Machenschaften den Zusammenbruch hinauszuschieben F., der u.a. für die Buchführung bei der Berliner Niederlassung der Beklagten verantwortlich war, leistete G. bei dessen Verfehlungen durch Nichtbuchungen und Falschbuchungen Hilfe.

9

Zu Gunsten der Klägerin gaben G. und F., bzw. G. und Mü. folgende Verpflichtungserklärungen im Namen der Beklagten ab, wobei die späteren z.T. der Ablösung früherer dienten:

am2.6.61400.000 DM
am5.6.611.000.000 DM
am27.6.611.000.000 DM
am13.7.611.000.000 DM
am2.8.61650.000 DM
am23.8.611.600.000 DM
am15.9.61650.000 DM
am27.9.613 × 500.000 DM(hier im Streit)
am18.10.61300.000 DM(hier im Streit)
am18.10.61350.000 DM(Gegenstand eines weiteren Prozesses).
10

Die Klägerin gab an W. und seine Firma Autocredithandel W. KG auf deren seit dem 7. Juli 1961 bei ihr unterhaltenen Konten Darlehen, die nach Behauptung der Klägerin mindestens in Höhe des Klagebetrages noch offen stehen.

11

Am 27. Oktober 1961 erfuhr der Vorstand der Beklagten von den Verfehlungen ihrer Berliner Angestellten.

12

Vom 11. März bis 27. Oktober 1961 waren im Kamen der Beklagten gegenüber verschiedenen Banken 109 Verpflichtungserklärungen abgegeben worden über Beträge von insgesamt rund 47 Millionen DM. Der angerichtete Gesamtschaden beträgt etwa 18 Millionen DM. In diesem und weiteren Prozessen soll geklärt werden, inwieweit der Schaden von der Beklagten oder von anderen Banken, hier: der Klägerin, zu tragen ist.

13

Die Klägerin, die zunächst beim Landgericht und Kammergericht im Urkundenprozeß, beim Landgericht auch in Nachverfahren, obgesiegt hatte, hat nach Aufhebung und Zurückverweisung durch das Urteil des Senats VII ZR 211/62 vom 30. Dezember 1963 (WM 1964, 151) vom Urkundenprozeß Abstand genommen.

14

Das Kammergericht hat nunmehr die Beklagte zur Zahlung von 300.000 DM nebst Zinsen verurteilt. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen.

15

Hiergegen haben beide Parteien Revision eingelegt, soweit sie beim Kammergericht unterlegen sind. Jede Partei beantragt,

die Revision der Gegenseite zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

16

A.

Revision der Beklagten (Verpflichtungserklärung vom 18. Oktober 1961 über 300.000 DM):

17

Diese von Mü. und G. im Namen der Beklagten unterzeichnete Verpflichtungserklärung befindet sich auf der Rückseite eines formularmäßigen Überweisungsauftrags W. vom 5. November 1961 an die Beklagte über 300.000 DM zu Gunsten der Klägerin, und zwar auf der "Durchschrift für den Auftraggeber". Die Verpflichtungserklärung lautet:

"Wir verpflichten uns unwiderruflich, umstehenden Betrag - unabhängig vom Kontostand - am 3.11.61 an Sie zu überweisen."

18

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daß G. und Mü. als Gesamtprokuristen der Beklagten bevollmächtigt waren, dies abstrakte Schuldversprechen (§ 780 BGB) abzugeben, daß sie dabei aber ihre Vollmacht wissentlich mißbraucht haben.

19

Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen, wird auch in der Revisionsinstanz von keiner Partei angegriffen.

20

Das Berufungsgericht erörtert weiter, ob die Klägerin aus der Verpflichtungserklärung auch dann Rechte herleiten kann, wenn sie beim Vollmachtsmißbrauch G. und Mü. vorsätzlich oder fahrlässig mitgewirkt, den Vollmachtsmißbrauch gekannt oder fahrlässig nicht gekannt hat. Es vertritt in erster Linie die Auffassung, nur eine vorsätzliche Mitwirkung (Kenntnis) der Klägerin könnte dieser schädlich sein. Es verneint aber hilfsweise auch, daß die Klägerin den Vollmachtsmißbrauch aus Fahrlässigkeit nicht erkannt habe.

21

I.

Der Hauptbegründung des Berufungsgerichte, es sei Vorsatz der Klägerin erforderlich, um ihr die Rechte aus der Verpflichtungserklärung abzuschneiden, kann nicht gefolgt werden. Dieser Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit die Beklagte verurteilt worden ist.

22

1.)

Das Berufungsgericht erörtert die Bedeutung einer schuldhaften Mitwirkung der Klägerin beim Vollmachtsmißbrauch G. und Mü. nur unter den rechtlichen Gesichtspunkten des Schadensersatzes wegen Vertragsverletzung oder unerlaubter Handlung, sowie der Nichtigkeit nach § 138 BGB. Es hält bei jedem dieser Gesichtspunkte Vorsatz der Klägerin für erforderlich.

23

2.)

Diese Betrachtungsweise ist zu eng. Zu prüfen ist, ob der Klägerin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Berufung auf die Verpflichtungserklärung zu verwehren ist, wenn sie diese durch einen ihr nach den Umständen erkennbaren, aber von ihr fahrlässig nicht erkannten Vollmachtsmißbrauch G. und Mü. erlangt hat, ob also die Geltendmachung eines auf solche Weise erworbenen Anspruchs aus der Verpflichtungserklärung der Beklagten seitens der Klägerin einen Rechtsmißbrauch, eine unzulässige Rechtsausübung darstellt. Das kann nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden, wie noch auszuführen ist.

24

a)

Bereits das Reichsgericht hat wiederholt ausgesprochen, daß auch schon bei nur fahrlässiger Unkenntnis vom Mißbrauch der Vertretungsmacht gegenüber dem Vertragsanspruch der Arglisteinwand begründet sein könne (vgl. RGZ 75, 299; 83, 348, 353; 134, 67, 71 f; 143, 196, 200; 145, 311, 314 ff; 159, 363, 367; RG DR 1941, 858, 861; RG SeuffA 83, Nr. 4; RG HRR 1929, Nr. 84; RG HRR 1933, Nr. 992; vgl. auch Staudinger BGB 11. Aufl. § 167 Anm. 17 a; RGRK BGB 11. Aufl. § 166 Anm. 27; Soergel-Siebert BGB 9. Aufl. § 177 Rz 9-12; Siebert, Zur Lehre vom Mißbrauch der Vertretungsmacht, ZStW 1935, S. 629-655; Stoll, Der Mißbrauch der Vertretungsmacht in Festschrift für Heinrich Lehmann (1937) S. 115-139).

25

Das Berufungsgericht führt für seine gegenteilige Auffassung die Urteile RGZ 9, 148; 57, 389, 391; 71, 219; RG JW 1935, 1084 und RGZ 153, 371, 374 an. Die älteren Entscheidungen sind aber überholt, die beiden letzten vereinzelt geblieben.

26

b)

Der Bundesgerichtshof hat sich in mehreren Entscheidungen der vom Reichsgericht zuletzt in gefestigter Rechtsprechung vertretenen Auffassung angeschlossen. So hat der erkennende - Senat in seinen Urteilen VII ZR 46/57 vom 6. Februar 1958 und VII ZR 21/59 vom 18. Februar 1960 (beiläufig auch im Urteil VII ZR 138/62 vom 31. Oktober 1963) den Standpunkt eingenommen, daß es auch ohne Kenntnis des Vertragsgegners vom Vollmachtsmißbrauch diesem unter Umständen nach Treu und Glauben verwehrt sein könne, sich auf den unter Vollmachtsmißbrauch zustande gekommenen Vertrag zu berufen. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat diese Auffassung als ständiger Rechtsprechung entsprechend bezeichnet (BGH LM Nr. 13 zu § 515 ZPO). Der VIII. Zivilsenat hat sie in seinem Urteil VIII ZR 280/62 vom 25. März 1964 (MDR 1964, 592 = JZ 1964, 420) wie folgt begründet: Der dem Vertretenen in solchen Fällen zustehende Einwand der Arglist, des Rechtsmißbrauchs gegenüber dem Vertragsanspruch beruhe auf der rechtlichen Wertung, der Vertragsgegner dürfe sich wegen seines eigenen schuldhaften Verhaltens, das weder vorsätzlich noch sittenwidrig zu sein brauche, nicht darauf berufen, daß der Vertreter Vertretungsmacht gehabt habe. Es komme hierbei auf eine Würdigung der gesamten Umstände des Falles an, ob es dem Vertragsgegner nach Treu und Glauben verwehrt sei, sich auf den vom Vertreter mit ihm unter Mißbrauch der Vertretungsmacht geschlossenen Vertrag zu stützen oder nicht.

27

Das Berufungsgericht beruft sich für seine Auffassung auf die Entscheidung des I. Zivilsenats BGH NJW 1952, 537, 538. Dort ist aber zum Ausdruck gebracht, daß es in jenem Falle nicht um die Frage des Mißbrauchs der Vertretungsmacht ging.

28

c)

Der Ansicht des Berufungsgerichts vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Er hält vielmehr an der gefestigten Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs fest, die sich wie folgt zusammenfassen laßt: Der Vertretene hat grundsätzlich das Risiko eines Vollmachtsmißbrauchs zu tragen. Dem Vertragsgegner obliegt im allgemeinen keine besondere Prüfungspflicht, ob und inwieweit der Vertreter im Innenverhältnis gebunden ist, von einer nach außen unbeschränkten Vertretungsmacht nur begrenzten Gebrauch zu machen. Der Vertretene ist aber, abgesehen von den Fällen vorsätzlichen Zusammenwirkens zwischen Vertreter und Vertragsgegner, gegen einen erkennbaren Mißbrauch der Vertretungsmacht im Verhältnis zum Vertragsgegner dann geschützt, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht hat, so daß beim Vertragsgegner begründete Zweifel entstehen mußten, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliege. Das ist insbesondere dann zu bejahen, wenn sich nach den Umständen des Falles die Notwendigkeit einer Rückfrage des Vertragsgegners beim Vertretenen vor Vertragsschluß geradezu aufdrängte, diese aber unterlassen worden ist. So liegt der Fall hier, wie unter II näher ausgeführt ist.

29

d)

Der Senat vermag nicht der von der Klägerin in der Revisionsverhandlung vertretenen Auffassung beizutreten, auch wenn man unter den oben genannten Voraussetzungen den Einwand unzulässiger Rechtsausübung im allgemeinen bejahe, müsse doch etwas anderes gelten, wenn der mißbräuchlich handelnde Vertreter Prokurist (§ 48 HGB), Orgen oder besonderer Vertreter (§§ 30, 31 BGB) einer juristischen Person oder Handelsgesellschaft sei; in solchen Fällen sei im Interesse der Sicherheit des Geschäftsverkehrs der Einwand unzulässiger Rechtsausübung nur in Fällen vorsätzlichen Zusammenwirkens zwischen Vertreter und Geschäftsgegner zuzulassen.

30

Es ist jedoch nicht einzusehen, warum auf diesem Teilrechtsgebiet grundsätzlich etwas anderes gelten sollte als im übrigen. Die Sicherheit des handelsrechtlichen Geschäftsverkehrs kann im Einzelfall bei der erforderlichen Abwägung der Umstände gemäß § 242 BGB in genügender Weise berücksichtigt werden.

31

II.

Die Verurteilung der Beklagten würde auf dem zu I genannten Rechtsfehler dann nicht beruhen und das Berufungsurteil brauchte deswegen nicht aufgehoben zu werden, wenn die vom Berufungsgericht gegebene Hilfsbegründung tragfähig wäre. Es meint nämlich hilfsweise, im Zusammenhang mit dem Vollmachtsmißbrauch G. und Mü. sei keinerlei Verschulden, also nicht einmal Fahrlässigkeit der Klägerin bewiesen. Die von ihm gewürdigten zahlreichen Umstände (vgl. S. 61-117 BU) hätten weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit der Klägerin Anlaß zu Zweifeln in der Richtung geboten, daß hinsichtlich der Vertretungsbefugnis der Angestellten der Beklagten etwas nicht stimmen könne (S. 118-124 BU).

32

Das greift die Revision mit Recht an.

33

1.)

Sie beanstandet, daß das Berufungsgericht die Schutzbehauptungen der Klägerin als wahr unterstellt, aus denen diese Beweisanzeichen für ihre Gutgläubigkeit herleiten möchte (89-95 BU).

34

Das war in der Tat unzulässig; denn wenn auch die Beklagte den Hauptbeweis für ein Verschulden der Klägerin zu führen hat, so trifft doch andererseits die Klägerin die Beweislast für Sachverhalte, aus denen sich nach ihrer Auffassung Beweisanzeichen für einen Gegenbeweis ergeben sollen (vgl. Rosenberg, Beweislast, 5. Aufl. S. 193 f; ders. ZPO 9. Aufl. § 111 I 3 b a.E.; vgl. auch zu der verwandten Frage der Erschütterung eines Anscheinsbeweises: BGHZ 6, 169, 171 [BGH 23.05.1952 - I ZR 163/51];  8, 239 f [BGH 17.12.1952 - VI ZR 29/52]).

35

Ob das Urteil auf dem Verfahrensverstoß beruht, braucht jedoch nicht erörtert zu werden; denn die Verurteilung der Beklagten kann schon aus dem unten zu 2) erörterten sachlichrechtlichen Grunde keinen Bestand haben.

36

2.)

Das Berufungsgericht bezeichnet es selbst als für die Klägerin auffällig, daß die Angestellten der Beklagten unstreitig vor dem 18. Oktober 1961 vordatierte Bankschecks über 600.000 DM, nochmals 600.000 DM, 400.000 DM und 350.000 DM entgegengenommen, sowie die oben im Tatbestand aufgeführten besonders ungewöhnlichen hohen Verpflichtungserklärungen über insgesamt 8.500.000 DM abgegeben haben, und zwar zu Gunsten des, für die Klägerin erkennbar, in äußerst kritischer Vermögenslage befindlichen, normalerweise für eine Bank kreditunwürdigen W. (79, 83, 113, 114 BU), dessen Umsätze sich vom 7. Juli bis Ende Oktober 1961 auf über 26.000.000 DM beliefen (96 f BU).

37

Das Berufungsgericht nennt es weiter für die Klägerin auffällig, daß zu den Verpflichtungserklärungen weder Anschreiben, noch Quittungen, noch schriftliche Bestätigungen gegeben wurden (75 BU).

38

Es meint aber, all diese von ihm festgestellten Umstände führten nicht zu der Würdigung, Vertreter der Klägerin hätten erkennen müssen, daß die Berliner Angestellten der Beklagten hinter dem Rücken des Vorstands, handelten. Bis zum 17. Oktober 1961 seien die fällig gewordenen vordatierten Bankschecks über 1.200.000 DM eingelöst worden (79 BU). Insgesamt habe die Beklagte bis dahin im Zuge dieser Geschäfte (auf Grund von im höchsten Grade bankunüblichen Schriftstücken) 4.395.000 DM an die Klägerin gezahlt, davon, wie die Klägerin spätestens Anfang August 1961 geglaubt habe, mindestens 2.800.000 DM aus eigenen Mitteln (119-120 BU). Maßnahmen des Vorstandes der Beklagten gegen G. seien unterblieben; dieser sei im Amt geblieben (79 BU). Der Gedanke, daß Geschäfte dieser Ungewöhnlichkeit und Größenordnung hätten abgewickelt werden können, ohne daß der Vorstand von ihnen und ihren auffälligen Begleitumständen gewußt hätte, habe den Vertretern der Klägerin "als so ungeheuerlich" (79, 123 BU) erscheinen müssen, daß sie darauf nicht hatten kommen können (119-124 BU).

39

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts sind mit den oben (A I 2 c) wiedergegebenen Grundsätzen nicht vereinbar und verkennen auch den Rechtsbegriff der Fahrlässigkeit, der im bürgerlichen- und Handelsrecht nach dem objektiven Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bzw. der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu bestimmen ist.

40

a)

Im vorliegenden Fall mußte die für die Klägerin erkennbare außerordentliche Ungewöhnlichkeit nach Art und Höhe der Geschäfte, welche die Berliner Angestellten der Beklagten, unter vermeintlich hoher eigener finanzieller Belastung der Beklagten, durchführten, der Klägerin den Verdacht geradezu aufdrängen, daß so etwas nicht mit Wissen und Willen des Vorstands der Beklagten geschehen könne, sondern daß die Angestellten der Beklagten hinter dem Rücken ihres Vorstandes handelten.

41

b)

Besonders auffällig mußten für die Klägerin die Behauptungen G. über angebliche Akkreditive W. sein, welche G. der Klägerin gegenüber als Sicherheit der Beklagten bezeichnet haben soll. Denn für die Klägerin war erkennbar, daß solche Akkreditive als Sicherheit gar nicht geeignet waren, wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang (89 BU) feststellt. Die Klägerin hat nicht behauptet, daß sie an das Vorhandensein anderer Sicherheiten W. bei der Beklagten geglaubt hätte.

42

c)

Die Klägerin mußte weiteren Verdacht daraus schöpfen, daß nach der Feststellung des Berufungsgerichts im Zusammenhang mit den Verpflichtungserklärungen Begleitschreiben und Belege vermieden wurden. Das mußte eine Täuschung des Vorstands der Beklagten durch deren Berliner Angestellte erleichtern (75 BU).

43

Höchst verdächtig war auch die äußere Form der Verpflichtungserklärungen, die in einer ihrer Bedeutung ganz unangemessenen Weise kurzer Hand auf die Rückseite der für den Auftraggeber bestimmten Durchschrift von Überweisungsvordrucken gesetzt wurden.

44

d)

Der Verdacht eines Vollmachtsmißbrauchs Gerickes und Mü. lag für die Klägerin auch aus einem weiteren Grunde besonders nahe.

45

G. hatte unstreitig zu Otto S. dem persönlich haftenden Gesellschafter der Klägerin, geäußert, die Beklagte gebe die Darlehen an W. deswegen nicht selbst, weil die der Beklagten in Berlin zur Verfügung stehenden Mittel augenblicklich "disponiert" seien. Die Beklagte lege das Geld nur deshalb nicht selbst aus, weil die Berliner Niederlassung "liquiditätsmäßig im Augenblick saturiert" sei (61 BU).

46

Aus diesen Äußerungen G. mußte die Klägerin ersehen, daß der Vorstand der Beklagten die Berliner Niederlassung bei der Kreditgewährung verhältnismäßig kurz hielt. Umso unverständlicher mußte es der Klägerin erscheinen, daß der Vorstand der Beklagten bei der Billigung so ungewöhnlicher und hoher Verpflichtungserklärungen derart großzügig Bein sollte. Der Hinweis des Berufungsgerichts (64, 122 BU) auf die politisch unsichere Lage in Berlin im Herbst 1961, kurz nach dem Bau der Mauer, gibt dafür keine verständliche Erklärung. Denn ebenso wie Darlehen der Beklagten an W. führten auch Verpflichtungserklärungen der Beklagten gegenüber der Klägerin zu hohen Verbindlichkeiten der Beklagten in Berlin.

47

e)

Das Berufungsgericht meint, die Klägerin habe davon ausgehen dürfen, der Vorstand der Beklagten sei zwar "aus grundsätzlichen, mit der Lage Berlins zusammenhängenden Erwägungen", "nur mit innerem Widerstreben an größere Geschäfte in Berlin überhaupt herangegangen" (122 BU). Er habe sich dann aber durch G. doch zu den offensichtlich überaus gewagten Berliner Geschäften mit W. drängen lassen. Für diese Annahme des Berufungsgerichts fehlt jede ausreichende Begründung.

48

f)

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, es sei nicht Sache der Klägerin gewesen, zu überlegen, warum die Beklagte wohl so auffällige Geschäfte mit W. mache, obwohl dieser ein Mann mit all den der Klägerin bekannten ungünstigen Eigenschaften war.

49

Dem kann nicht gefolgt werden. Bei so vielen Auffälligkeiten, wie das Berufungsgericht sie feststellt, durfte die Klägerin sich nicht einfach damit beruhigen, bei einer Bank, insbesondere von dem guten Ruf der Beklagten, "werde schon alles in Ordnung sein". Die Klägerin durfte unter den gegebenen Umständen nicht die Augen vor den handgreiflichen schwerwiegenden Verdachtsgründen verschließen. Sie durfte sich nicht auf den Standpunkt stellen, die näheren Zusammenhänge der Geschäfte gingen sie nichts an (123 BU). Sie mußte sich vielmehr durch Rückfrage beim Vorstand der Beklagten darüber vergewissern, ob dieser das Handeln der Berliner Angestellten der Beklagten kannte und billigte. Eine solche Rückfrage war unschwer möglich. Ihre Notwendigkeit mußte sich der Klägerin geradezu aufdrängen. Sie hat die Rückfrage jedoch unterlassen.

50

Hiernach kann die Klägerin aus der von den Prokuristen G. und Mü. unterschriebenen Verpflichtungserklärung nach § 242 BGB keine Erfüllung verlangen.

51

III.

Die Verurteilung der Beklagten kann somit nicht bestehen bleiben. Auf die zahlreichen Verfahrensrügen in der Revisionsbegründung der Beklagten kommt es unter diesen Umstanden nicht an.

52

Das Revisionsgericht ist nicht in der Lage, insoweit abschließend zu entscheiden und die Klage abzuweisen. Die Sache bedarf weiterer Aufklärung, weil die Klage aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten begründet sein könnte, wie dies nachstehend zu der Revision der Klägerin ausgeführt werden wird.

53

B.

Revision der Klägerin (3 Verpflichtungserklärungen vom 27. September 1961 über dreimal 500.000 DM):

54

I.

Diese von G. und F. im Namen der Beklagten unterzeichneten Verpflichtungserklärungen stehen ebenfalls auf der Rückseite von drei formularmäßigen Überweisungsaufträgen W. an die Beklagte zu Gunsten der Klägerin vom selben Tage und über dieselben Beträge, und zwar auf der Durchschrift dieser Überweisungsaufträge für den Auftraggeber. Alle drei Verpflichtungserklärungen haben den gleichen Wortlaut, nämlich:

"Wir verpflichten uns unwiderruflich, umstehenden Betrag in Höhe von DM 500.000,- in der Zeit vom 23. Oktober bis 3. November 1961 an Sie zu überweisen."

55

1.)

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daß G. und F. die Verpflichtungserklärungen im Namen der Beklagten nicht wirksam abgeben konnten. Nach der der Klägerin bekannten Zeichnungsliste der Beklagten hätten G. und Mü. nicht Einzel-, sondern nur Gesamtprokura gehabt. F. sei nur Gesamt-Handlungsbevollmächtigter, allerdings mit Befugnis zur Wechselzeichnung, gewesen. Seine Handlungsvollmacht sei durch sein gemeinsames Zeichnen mit G. nicht erwsitert worden. Die Abgabe derart ungewöhnlicher Verpflichtungserklärungen habe seine Vertretungsmacht überstiegen.

56

a)

Die Revision meint, die dem F. erteilte Ermächtigung, Wechsel für die Beklagte zu zeichnen (§ 54 Abs. 2 HGB), habe auch die Vollmacht zur Abgabe derartiger Verpflichtungserklärungen, wie sie hier im Streit sind, umfaßt.

57

Das geht fehl. Wie der Senat bereits in seinem im Parallelprozeß einer anderen Bank gegen die Beklagte ergangenen Urteil VII ZR 168/63 vom 30. Dezember 1963 (WM 1964, 224) Ausgesprochen hat, läßt sich die eng auszulegende Vollmacht zur Ziehung eines Wechsels nicht auf Verpflichtungserklärungen der hier vorliegenden ungewöhnlichen Art und Form ausdehnen.

58

b)

Die Klägerin beanstandet, daß das Berufungsgericht keine Auskunft der Landeszentralbank Berlin über ihre Behauptung eingeholt hat, im Rechtsverkehr zwischen Banken seien alle in der Zeichnungsliste einer Bank ausgewiesenen Personen befugt, rechtsverbindlich für die Bank gegenüber einer anderen Bank sämtliche Bankgeschäfte zu führen und sämtliche Verpflichtungserklärungen über beliebig hohe Beträge abzugeben.

59

Das Berufungsgericht brauchte den Beweis nicht zu erheben. Es war befugt, die Frage aus eigener Sachkunde zu verneinen. Im übrigen wäre die angebliche Usance ein nicht zu beachtender Mißbrauch.

60

Verpflichtungserklärungen, wie sie hier ohne jeden weiteren Schriftwechsel abgegeben worden sind, nämlich auf der Rückseite von vordatierten Überweisungsaufträgen, "Durchschrift für den Auftraggeber", sind auch unstreitig, jedenfalls in solcher Größenordnung, bisher nicht vorgekommen. Schon deswegen kann es darüber keine Usanco geben.

61

2.)

Das Berufungsgericht verneint eine von der Zeichnungsliste der Beklagten abweichende Duldungsvollmacht oder Anscheinsvollmacht F..

62

Die dagegen erhobenen Revisionsangriffe liegen neben der Sache. Die Klägerin verdient hier schon deswegen keinen Vertrauensschutz, weil sie den Vollmachtsmißbrauch der Angestellten der Beklagten fahrlässig nicht erkannt hat, wie oben zu A. ausgeführt ist. Wer selbst fahrlässig handelt, kann sich nicht auf Rechtsschein oder Vertrauensschutz berufen.

63

3.)

Das Berufungsgericht verneint eine nachträgliche Genehmigung der Erklärungen F. durch den Prokuristen Mü. Dieser habe keinen Genehmigungswillen gehabt, weil er sich nicht der Möglichkeit bewußt gewesen sei, von F. mitunterzeichnete Verpflichtungserklärungen könnten unwirksam sein. Am Fehlen seines Zustimmungswillers scheiterte auch die Annahme einer im voraus erteilten Einwilligung Mü. Ein Vertrauensschutz der Klägerin unabhängig von einem Zustimmungswillen Mü. komme nicht in Betracht. Die Klägerin habe nämlich nicht auf eine Zustimmung Mü. vertraut, sondern sei ebenfalls von der Gültigkeit der von F. mitunterzeichneten Verpflichtungserklärungen überzeugt gewesen.

64

Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Sie stehen im Einklang mit dem, was der Senat zu diesem Punkte in seinem Urteil WM 1964, 224 zu Ziff II 2 ausgeführt hat.

65

Was die Revision hiergegen vorbringt, greift nicht durch.

66

a)

Sie behauptet jetzt erstmals, Mü. habe den Willen gehabt, seine Zustimmung dazu zu erteilen, daß F. Weisungen des Vorstands der Beklagten übertrat, die ihn nach der irrigen Ansicht Mü. nur intern banden.

67

Darin ist die vom Berufungsgericht vermißte Zustimmung zu einer Vollmachtsüberschreitung nach außen nicht zu sehen. Das Handeln außerhalb der Vollmacht wiegt erheblich schwerer als die bloße Abweichung von internem Weisungen. Wer dem letzten zustimmt, braucht das erste noch nicht zu billigen.

68

b)

Auf die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, eine etwaige Zustimmung Mü. wäre sittenwidrig und nichtig gewesen, kommt es unter diesen Umständen nicht mehr an.

69

c)

Daß Mü. selbst Verpflichtungserklärungen mitunterschrieben und vom Vorhandensein weiterer derartiger Erklärungen gewußt hat, zwang das Berufungsgericht nicht zu dem Schluß, Mü. habe den Erklärungen F. zugestimmt. Auch das hat der Senat bereits in seinem Urteil WM 1964, 224, 226 zu II 2 c ausgeführt.

70

II.

Am 23. Oktober 1961 vereinbarte die Klägerin mit G., daß die Beklagte den sich aus den Verpflichtungserklärungen ergebenden Schuldsaldo der Beklagten gegenüber der Klägerin in Höhe von insgesamt 2.150.000 DM ab 9. November 1961 mit werktäglich 75.000 DM abdecken sollte. Mit Schreiben vom 24. Oktober 1961 bestätigte die Klägerin der Beklagten dies und bat um Gegenbestätigung.

71

Die Klägerin sieht in dieser Vereinbarung eine besondere Anspruchsgrundlage für ihre Klage. Auch gegenüber dieser Klagegrundlage gilt aber das oben zu A. Gesagte, daß der Vollmachtsmißbrauch G. für die Klägerin erkennbar war und sie ihn nur aus Fahrlässigkeit nicht erkannt, wenn nicht damals sogar schon gekannt hat. Auch gegenüber dieser Anspruchsgrundlage greift also der Einwand des Rechtsmißbrauchs durch.

72

III.

Die Klägerin versucht, ihren Anspruch ferner aus einer Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen der Erteilung unrichtiger Auskünfte durch G. über W. herzuleiten.

73

Das Berufungsgericht sieht auf Grund der Beweisaufnahme die von der Klägerin behauptete Auskunftserteilung (160-161 BU) nicht als erwiesen an.

74

1.)

Die Revision erhebt Angriffe gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Sie sind unzulässig, wie die Beklagte in ihrer Revisionsantwort zutreffend hervorhebt.

75

2.)

Auf die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, es fehle an der Ursächlichkeit etwaiger Auskünfte G. kommt es somit in diesem Zusammenhang nicht an.

76

IV.

Das Berufungsgericht lehnt weiter einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen ab. Die von ihm dafür gegebene Begründung trägt seine Entscheidung nicht.

77

Rechtsfehlerfrei und von keiner Partei angegriffen ist allerdings seine Annahme, daß die Beklagte für Handlungen G. nach § 31 BGB einzustehen habe, weil dieser ein "besonderer Vertreter" der Beklagten im Sinne des § 30 BGB gewesen sei (158-159 BU).

78

Das Berufungsgericht läßt offen, ob ein Verschulden bei Vertragsverhandlungen darin liegt, daß G. die Klägerin über die Überschreitung seiner Befugnisse, über den "Kreditkreisel" W. und über dessen ungedeckte Verschuldung bei der Beklagten im unklaren gelassen hat (164 BU). Es geht selbst von einer Aufklärungspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin aus.

79

1.)

Es meint aber, dadurch, daß G. der Klägerin die näheren Umstände nicht offenbart habe, sei dieser kein Schaden entstanden. Die Schadensursache liege allein in der Vollmachtsüberschreitung Forners.

80

a)

Diese Betrachtungsweise ist zu eng. Als weitere mitwirkende Schadensursache kommt auch die von der Beklagten zu vertretende Unterlassung G. und F. in Betracht, die Klägerin über die Persönlichkeit W. und über dessen Vermögensverhältnisse von Anfang an wahrheitsgemäß zu unterrichten und aufzuklären, sowie darüber, daß sie selbst (G. und F.) ihre Vollmacht mißbrauchten. Wäre der Klägerin das bekannt gewesen, so ist kaum anzunehmen, daß sie sich auf eine Darlehensgewährung an W. eingelassen hätte. Hätte sie das aber nicht getan, je wäre ihr kein Schaden entstanden.

81

b)

Das Berufungsgericht hat bei seiner Würdigung der Ursächlichkeit in fehlerhafter Weise nur den zeitlich letzten Abschnitt der Geschehnisse ins Auge gefaßt; Sein Urteil läßt keine Gesamtwürdigung der Vorgänge in ihrem Zusammenhang vermissen.

82

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist es zur Konteneröffnung und Darlehensgewährung der Klägerin an W. dadurch gekommen, daß zunächst R. seinem Konto bei der Klägerin Schecks gutschreiben ließ, welche W. auf die Beklagte gezogen hatte. Auch die erste Verpflichtungserklärung der Beklagten zu Gunsten der Klägerin diente der Garantie solcher Schecks. Erst Anfang Juli 1961 wurde dann R. ausgeschaltet und wurden Schecks sowie Verpflichtungserklärungen unmittelbar zwischen W., der Klägerin und der Beklagten gegebene Hätte G. die Klägerin schon im Mai oder Juni 1961 wahrheitsgemäß vor W. gewarnt, so ist es möglich, daß die Klägerin sich nicht auf die Geschäfte mit W. eingelassen hätte; dann wäre es auch - Monate später - nicht zu den hier streitigen Vorgängen gekommen. Das muß das Berufungsgericht noch näher prüfen.

83

c)

Es meint (162-163 BU), die Ursächlichkeit der Unterlassung G., die Klägerin über W. aufzuklären, sei deswegen ausgeschlossen, weil das Darlehen von 1.000.000 DM, das die Klägerin auf Grund der Verpflichtungserklärungen vom 13. Juli 1961 an W. gewährt hatte, im August 1961 zurückgezahlt worden sei.

84

Auch das braucht jedoch der Ursächlichkeit nicht entgegenzustehen, worauf die Revision mit Recht hinweist. Bei einer Kette gleichartiger Kreditgewährungen können früher erteilte Auskünfte oder die frühere pflichtwidrige Unterlassung, wahrheitsgemäße Auskünfte zu erteilen, für spätere Kreditgewährungen ursächlich sein, weil die beim Kreditgeber erweckte falsche Vorstellung über die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers fortwirkt.

85

2.)

Das Berufungsgericht verneint ein Verschulden G. und F.

86

Das ist nicht frei von Rechtsirrtum. Wie das Berufungsgericht feststellt, haben G. und F. ihre Befugnisse vorsätzlich mißbrauchte Schon das ist ein von der Beklagten zu vertretendes Verschulden (§§ 30, 31, 276, 278 BGB). Sie durften die Überschreitung ihrer Befugnisse der Klägerin nicht verheimlichen, wenn sie sie, wie das hier in Betracht kommt, mit Hilfe dieses Mißbrauchs zu für die Klägerin schädlichen Geschäften mit W. bewogen haben (vgl. dazu auch unten B V 1).

87

Im übrigen ist es widerspruchsvoll, wenn das Berufungsgericht einerseits meint, die Klägerin hätte die Vollmachtsbeschränkung F. kennen müssen, andererseits aber der Auffassung ist, G. und F. hätten die von ihnen gemeinsam unterzeichneten Verpflichtungserklärungen ohne Verschulden für wirksam halten dürfen.

88

3.)

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen könnte auch gerechtfertigt sein, wenn der Vorstand der Beklagten bei der Auswahl oder bei der Überwachung G. und F. fahrlässig gehandelt haben sollte.

89

Das Berufungsgericht meint dazu (167-168 BU), der Vorstand der Beklagten habe nicht mit derart ungewöhnlichen Verpflichtungserklärungen zu rechnen brauchen; er würde auch bei sorgfältiger Überwachung von den Verfehlungen G. nichts gemerkt haben.

90

Es fehlen jedoch genügende Feststellungen, welche dieses Annahme rechtfertigen könnten. Dem Vorstand der Beklagten war Anfang Juni 1961 unstreitig bekannt, daß G., ebenso wie schon früher bei einer anderen Bank, seine Befugnisse zur Kreditgewährung im Namen der Beklagten wieder eigenmächtig überschritten hatte. Unstreitig hat der Vorstand der Beklagten in den folgenden Monaten trotz dieser ihm bekannten Verdachtsgründe nichts Wirksames unternommen, um die Berliner Niederlassung der Beklagten zu kontrollieren und etwaige Pflichtwidrigkeiten G. zu verhindern oder aufzuklären. Er hat bis Ende Oktober 1961 in dieser Hinsicht praktisch nichts getan. Es liegt auf der Hand, daß eine frühere Aufdeckung der Veruntreuungen G. durch den Vorstand der Beklagten den Schaden der Klägerin, wenn nicht verhindert, so doch wesentlich verringert haben würde. Das Berufungsgericht wird zu diesem Punkte noch nähere Feststellungen treffen müssen.

91

4.)

Das Berufungsgericht meint hilfsweise (166-167 BU), der Schaden sei, soweit die unzureichende Vertretungsmacht F. in Betracht kommt, durch das Verhalten der Vertreter der Klägerin in so hohem Maße mitverursacht und mitverschuldet worden, daß daneben eine schuldhafte Mitverursachung G. und F. nicht ins Gewicht falle (§ 254 BGB).

92

a)

Für diese Annahme fehlt jede Rechtfertigung. G. und F. haben ihre Vertretungsmacht überschritten. Sie haben sie vorsätzlich mißbraucht, wie das Berufungsgericht feststellt, während die Klägerin nur fahrlässig gehandelt hat, wie oben zu A. ausgeführt ist. Bei solcher Sachlage kann eine Abwägung nach § 254 BGB keinesfalls zu dem Ergebnis führen, die Klägerin müsse den gesamten Schaden allein tragen.

93

b)

Andererseits braucht die Abwägung nach § 254 BGB aber auch nicht notwendigerweise dahin zu führen, daß die Beklagte wegen des vorsätzlichen Handelns G. trotz des fahrlässigen Verhaltens der Klägerin dieser den vollen Schaden ersetzen müßte.

94

Allerdings wird dann, wenn bei der einen Partei Vorsatz, bei der anderen aber nur Fahrlässigkeit gegeben ist, die Abwägung nach § 254 BGB meist das Ergebnis haben, daß die vorsätzlich handelnde Partei den Schaden allein zu tragen hat. Das gilt aber nur, soweit eigener Vorsatz der Partei gegeben ist.

95

Handelt dagegen ein Verrichtungsgehilfc (§ 831 BGB) oder ein Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) vorsätzlich, so muß das noch nicht dazu führen, daß der hinter ihm stehenden Partei der ganze Schaden aufgebürdet wird (RGZ 157, 228, 233; BGH VII ZR 203/63 vom 18. Oktober 1965 = WM 1966, 64). Bei juristischen Personen wird zwar vorsätzliches Handeln des Vorstandes dem eigenen Vorsatz der Partei gleichzusetzen sein. Der Senat ist jedoch der Meinung, daß dies bei den "besonderen Vertretern" des § 30 BGB, zu denen hier G. gehört, nicht in gleicher Weise gilt, daß vielmehr hier auch bei vorsätzlichem Handeln eine Schadensteilung nicht ausgeschlossen ist (ebenso wohl RG Seuff. 84 Nr. 174).

96

V.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung zu.

97

1.)

Es meint, G. und F. hätten nur gegenüber der Beklagten unerlaubte Handlungen begangen. Eine hier allein in Betracht kommende Haftung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung gegenüber der Klägerin scheide deswegen aus, weil G. und F. auf die Gültigkeit der von ihnen abgegebenen Verpflichtungserklärungen vertraut hätten. Sie hätten sich nur einen Schaden der Beklagten, nicht einen solchen der Klägerin vorgestellt.

98

a)

Die von der Revision dagegen erhobene Verfahrensrüge greift durch.

99

In Betracht kommt hier ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 31 BGB (für G.) oder § 831 BGB (für F.), jeweils in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB oder § 826 BGB.

100

Das Berufungsgericht stellt fest, daß G. und F. nicht bloß die hier in Streit stehenden, sondern darüber hinaus eine Vielzahl von Verpflichtungserklärungen unter vorsätzlichem Mißbrauch ihrer Befugnisse geschaffen haben. Es meint, G. und F. hätten diese Verpflichtungserklärungen für gültig gehalten. Das schließt aber nicht aus, daß diese Personen doch auch damit gerechnet haben, ihre Verfehlungen würden von der Beklagten entdeckt werden und diese werde sich dann gegen die Verpflichtungserklärungen wehren und deren Erfüllung verweigern, wie es dann ja auch geschehen ist.

101

Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt ist es ausgeschlossen, daß G. und F. nicht mit einem solchen Gang der Ereignisse gerechnet haben. Es ist nicht denkbar, daß sie sich vorgestellt haben, die Beklagte würde all die hohen von ihnen eingegangenen Verpflichtungen ohne weiteres alsbald begleichen. Dann aber ergibt sich weiter zwingend, daß sie auch damit rechneten, die Vermögenslage der Klägerin könne durch eine Weigerung der Beklagten zumindest gefährdet sein. Da sich dieser Erfolg zwangsläufig ergeben mußte, müssen sie ihn auch in Kauf genommen haben. Der Vorsatz G. und F. erstreckte sich dann auch auf eine Schädigung der Klägerin, die schon in deren Vermögensgefährdung zu sehen ist. G. und F. haben nicht nur Untreue gegenüber der Beklagten, sondern auch Betrug gegenüber der Klägerin begangen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob sie etwa geglaubt haben, die Klägerin werde im Prozeß gegen die Beklagte letztlich doch obsiegen und Befriedigung aus den Verpflichtungserklärungen erlangen.

102

b)

Unter diesen Umständen ist es hier unerheblich, ob der Klägerin ein Anspruch aus unerlaubter Handlung gegen die Beklagte selbst dann zustehen würde, wenn das Berufungsgericht mit seiner Annahme recht hätte, G. und F. hätten mit einem Schaden der Klägerin nicht gerechnet.

103

2.)

Das Berufungsgericht verneint eine Haftung der Beklagten für unerlaubte Handlungen ihres Vorstands aus § 823 Abs. 2 BGB mit § 263 StGB sowie § 826 BGB. Es tut das mit der Begründung, vorsätzliches Handeln des Vorstands der Beklagten zum Nachteil der Klägerin sei nicht dargetan.

104

Die Revision sucht aus dem Schriftwechsel nachzuweisen, der Vorstand der Beklagten habe beabsichtigt, den Schaden von der Beklagten auf andere Banken, darunter die Klägerin, abzuwälzen.

105

Diese Schlußfolgerung brauchte das Berufungsgericht aus dem Schriftwechsel jedoch nicht zu ziehen.

106

3.)

Zur Abwägung gemäß § 254 BGB kann auf das oben zu IV 4 Gesagte verwiesen werden. Es gilt hier entsprechend, jedoch kommt für F. eine Haftung der Beklagten nicht nach § 278 BGB, sondern nach § 831 BGB in Betracht.

107

C.

Nach allem muß das Berufungsurteil in vollem Umfange aufgehoben werden. Die Sache bedarf in den oben erörterten Punkten weiterer Aufklärung und erneuter umfassender Würdigung. Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung wird das Berufungsgericht auch zu berücksichtigen haben, ob die Parteien ihre Meldepflicht nach dem Kreditwesengesetz 1939 verletzt haben.

108

Bei der Zurückverweisung hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

Glanzmann
Heimann-Trosien
Erbel
Vogt
Finke