Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Urt. v. 14.07.1965, Az.: VIII ZR 121/64

Prozessführungsbefugnis als Voraussetzung der Zulässigkeit einer Klage; Ermächtigung eines Dritten zur gerichtlichen Geltendmachung eines fremden Rechts im eigenen Namen; Interesse des beherrschenden Gesellschafters einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) an der Einziehung von Forderungen der Gesellschaft

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
14.07.1965
Aktenzeichen
VIII ZR 121/64
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1965, 14075
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Saarbrücken - 26.02.1964
LG Saarbrücken - 18.10.1962

Fundstellen

  • GmbHR 1965, 175 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
  • MDR 1965, 902-903 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1965, 1962-1963 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Ermächtigt eine GmbH ihren beherrschenden Gesellschaften eine Forderung der GmbH im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen, so ist in der Regel die Befugnis des Gesellschafters zur Klage nicht wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses zu verneinen.

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 1965
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr. Haidinger sowie
der Bundesrichter Artl, Dr. Dorschel, Dr. Messner und Mormann
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 26. Februar 1964 und das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 18. Oktober 1962 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Vorhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an das Landgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Beklagte, der französischer Staatsangehöriger ist, kaufte am 7. November 1960 von der Firma Gaston P. GmbH in Sa., diese vertreten durch ihren damaligen Geschäftsführer, den Kläger, der ebenfalls französischer Staatsangehöriger ist, einen Geschäftsanteil der Firma S. GmbH in Sa. zum Preise von 80.000 DM. Am 27. September 1961 schloß der Kläger mit dem Beklagten einen als Convention bezeichneten Vertrag, der ein Stundungsabkommen mit Verfallklausel für den Fall des Verzuges mit einer Kaufpreisrate enthielt. Da der Beklagte bereits mit der ersten Kaufpreisrate in Verzug geriet, forderte der Kläger von dem Beklagten mit Schreiben vom 27. Juli 1962 die gesamte Kaufpreissumme von 80.000 DM, deren Zahlung der Beklagte indes verweigerte.

2

Der Kläger war ab 22. Dezember 1962 nicht mehr Geschäftsführer der GmbH. Er wurde am 12. Februar 1962 von seiner Ehefrau in dieser Eigenschaft abgelöst. Nach der Behauptung des Klägers besitzt er 98 % der Geschäftsanteile der P. GmbH, seine Ehefrau dagegen nur 2 %. Die GmbH, so hat der Kläger vorgetragen, sei seit 1960 nicht mehr aktiv tätig und stehe vor ihrer Liquidation.

3

Die erste Rate der Kaufpreissumme in Höhe von 10.000 DM nebst Zinsen hat der Kläger in eigenem Namen zur Leistung an sich selbst eingeklagt. Er hat eine Erklärung der GmbH vom 1. August 1962 vorgelegt, daß er ermächtigt gewesen sei, das Abkommen vom 27. September 1961 namens der GmbH abzuschließen und daß er von der GmbH beauftragt sei, die Kaufpreissumme von dem Beklagten einzuklagen.

4

Beide Vorinstanzen haben die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Kläger keine Prozeßführungsbefugnis besitze. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat Erfolg.

6

I.

Das Berufungsgericht nimmt an, daß die Klageforderung nicht dem Kläger, sondern der von seiner Ehefrau vertretenen GmbH zusteht. In der Erklärung vom 1. August 1962 sieht es nicht eine Abtretung der Klageforderung, sondern die Ermächtigung des Klägers, sie im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen. Es ist jedoch der Auffassung, daß der Kläger trotz dieser Ermächtigung nicht befugt sei, den Rechtsstreit im eigenen Namen zu fuhren, weil ihm ein hierfür erforderliches eigenes Rechtsschutzinteresse fehle.

7

Mit Recht beanstandet die Revision diese Auffassung als rechtsirrtümlich.

8

II.

Der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts ist allerdings zutreffend. Voraussetzung der Zulässigkeit einer jeden Klage ist die Befugnis des Klägers zur Prozeßführung. Diese steht im allgemeinen nur dem Inhaber des Rechts zu, dessen Verwirklichung die Klage zum Ziele hat. Ausnahmsweise ist - außer in den Fällen der gesetzlich geregelten Prozeßstandschaft - auch ein Dritter berechtigt, ein fremdes Recht im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen, vorausgesetzt, daß der Rechtsträger ihn hierzu ermächtigt hat. Der Ermächtigte muß dann aber auch ein eigenes schutzwürdiges Interesse an einem solchen prozessualen Vorgehen haben. Das entspricht seit der Entscheidung in RGZ 91, 390 der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts, der sich auch der Bundesgerichtshof angeschlossen hat (vgl. BGHZ 4, 153, 164 [BGH 10.12.1951 - GSZ - 3/51]; BGH Urt. v. 26. März 1952 - II ZR 209/51 - LM BGB § 185 Nr. 1; Urt. v. 5. Oktober 1955 - IV ZR 302/54 - MDR 1956, 154; Urt. v. 26. September 1957 - II ZR 267/56 - NJW 1958, 1838 [BVerwG 11.07.1958 - VII C 98/57]; Urt. des erkennenden Senats vom 26. November 1957 - VIII ZR 70/57 - JZ 1958, 245).

9

Zu Unrecht verneint aber das Berufungsgericht ein solches Interesse des Klägers. Wenn der von der GmbH ermächtigte Kläger, was für die Revisionsinstanz zu unterstellen ist, 98 % der Geschäftsanteile der GmbH innehat und damit ihr beherrschender Gesellschafter ist, so ergibt sich daraus das für die Zulässigkeit der Prozeßführung erforderliche eigene Interesse des Klägers. Der beherrschende Gesellschafter einer GmbH ist, wie keiner näheren Darlegung bedarf, an der Einziehung von Forderungen der GmbH in nahezu demselben Maße interessiert wie die GmbH selbst. Dieses erhebliche wirtschaftliche Interesse des beherrschenden Gesellschafters ist rechtsschutzwürdig. Auch ihm kann hiernach das Rechtsschutzinteresse nicht abgesprochen werden, wenn er aufgrund einer Ermächtigung der GmbH im eigenen Namen klagt. Sollte der in JW 1929, 1373 veröffentlichten Entscheidung des Reichsgerichts eine andere Auffassung zugrundeliegen, so wäre ihr jedenfalls für Fälle der vorliegenden Art, in denen der beherrschende Gesellschafter einer GmbH als Kläger auftritt, nicht zu folgen.

10

Anders wäre allerdings dann zu urteilen, wenn sich die Ermächtigung des Klägers und die Erhebung der Klage durch ihn als Rechtsmißbrauch darstellen würden. Das könnte zum Beispiel angenommen worden, wenn mit der Ermächtigung eine nach § 30 Abs. 1 GmbHG verbotene Einlagenauszahlung verdeckt würde, wenn den Gläubigern der GmbH Vermögenswerte der Gesellschaft entzogen werden sollten oder wenn zur Vermeidung des Prozeßkostenrisikos dem Beklagten ein vermögensloser Kläger gegenübergestellt würde. Konkrete Anhaltspunkte für einen solchen Rechtsmißbrauch sind indessen im vorliegenden Falle nicht hervorgetreten.

11

Da, wie ausgeführt wurde, sich das erforderliche eigene Interesse des Klägers schon aus seiner Stellung als beherrschender Gesellschafter der GmbH ergibt, kann dahinstehen, ob es auch daraus hergeleitet werden könnte, daß ihm, wie er behauptet, Pensionsansprüche gegen die GmbH zustehen, zu deren Befriedigung ihm die Leistungen des Beklagten auf die Klageforderung zugutekommen sollen.

12

Auch auf die weiteren Rügen der Revision kommt es nicht an.

13

III.

Da sowohl das Landgericht als auch das Berufungsgericht die Klage aus prozessualen Gründen für unzulässig erachtet und deshalb eine sachliche Nachprüfung unterlassen haben, erschien es sachdienlich, den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung nicht an das Berufungsgericht, sondern an das Landgericht zurückzuverweisen (vgl. BGH Urt. v. 24. November 1951 - II ZR 26/51 - Leitsatz bei LM ZPO § 540 Nr. 1, insoweit in BGHZ 4, 62, nicht abgedruckt; BGHZ 14, 11, 14) [BGH 04.06.1954 - V ZR 67/53]. Diesem ist auch die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittel übertragen worden, da sie von der Endentscheidung in der Sache selbst abhängt.

Dr. Haidinger
Artl
Dr. Dorschel
Dr. Messner
Mormann