Bundesgerichtshof
Urt. v. 29.01.1965, Az.: V ZR 53/64
Umfang der Schadensersatzpflicht aus Verschulden bei Vertragsabschluss; Umfang der Schadensersatzpflicht aus culpa in contrahendo (c.i.c.); Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrages wegen eines vom Verkäufer verschuldeten Formfehlers; Anspruch auf Übereignung des den Gegenstand eines formnichtigen Vertrages bildenden Grundstücks; Rechtsbeziehungen zwischen einer Siedlungsgesellschaft und einem Kleinsiedler; Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages zwischen künftigem Käufer und Verkäufer eines Grundstücks über das formgerechte Zustandekommen eines Kaufvertrages; Rechte und Pflichten aus einem Vorvertrag gerichtet auf den Kauf eines Grundstücks
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 29.01.1965
- Aktenzeichen
- V ZR 53/64
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1965, 11350
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Nürnberg - 09.01.1964
- LG Nürnberg
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DB 1965, 472-473 (Volltext mit amtl. LS)
- DNotZ 1965, 606-607
- MDR 1965, 369-370 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1965, 812-815 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1965, 1014 (amtl. Leitsatz mit Anm.)
Prozessführer
Firma A., Arbeitsgemeinschaft Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen Gesellschaft mit beschränkter Haftung in N., J.straße ...,
vertreten durch ihren Geschäftsführer, Direktor Hugo K., ebenda
Prozessgegner
1. Bundesbahnoberinspektor Richard U.
2. Ehefrau Hildegard U. geb. B.
Amtlicher Leitsatz
Zum Umfang der Schadensersatzpflicht aus Verschulden bei Vertragsabschluß: Ist ein Grundstückskaufvertrag wegen eines vom Verkäufer verschuldeten Formfehlers nichtig, wäre er aber ohne das schuldhafte Verhalten formgültig abgeschlossen worden, dann ist der Käufer in Geld so zu entschädigen, daß er sich ein gleichwertiges anderes Grundstück zu beschaffen vermag; Übereignung des den Gegenstand des formnichtigen Vertrages bildenden Grundstücks kann nicht verlangt werden.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 1965
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr. Augustin und
der Bundesrichter Schuster, Dr. Piepenbrock, Dr. Rothe und Dr. Mattern
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 9. Januar 1964 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin, ein gemeinnütziges Wohnungsbauunternehmen, errichtete in F. bei N auf eigenem Gelände eine Anzahl von Reihenwohnhäusern, um sie dann einzeln als sogenannte Kaufeigenheime zu veräußern. Als Bewerber für ein Einfamilienhaus meldeten sich die beklagten Eheleute. Die Parteien trafen am 29. November 1957 eine privatschriftliche Vereinbarung, worin sich die Beklagten zur käuflichen Übernahme des Anwesens Am.weg ... zum Preise von 32.173 DM verpflichteten; das Schriftstück enthielt Einzelheiten insbesondere über die Art der Bauausführung und über die Finanzierung des Kaufpreises, der in näher bezeichneter Weise durch Eigenkapital der Beklagten sowie durch verschiedene Darlehen aufgebracht werden sollte, und schloß mit dem Satz, daß "diese Verpflichtungserklärung ... durch einen endgültigen Vertrag (Kaufvertrag) während der Bauzeit oder nach Fertigstellung des Einfamilienreihenhauses abgelöst" werde. In der Folgezeit wurde die Finanzierung wie vorgesehen durchgeführt und das Haus erstellt. Am 17. Oktober 1958 zogen die Beklagten ein.
Zum Abschluß eines formgültigen Kaufvertrages und zur Eigentumsübertragung kam es nicht. Zwischen den Parteien entstanden Meinungsverschiedenheiten. Im Verlauf derselben erklärte die Klägerin, sie halte sich an die Vereinbarung vom 29. November 1957, da die Beklagten durch ihr Verhalten das zugrunde liegende Vertrauensverhältnis zerstört hätten, nicht mehr für gebunden und trete von ihr zurück. Sie begehrt mit der Klage Herausgabe und Räumung des Grundstücks Zug um Zug gegen Zahlung von 9.739,92 DM; dieser Betrag errechnet sich aus den Kaufpreiszahlungen der Beklagten abzüglich einer Nutzungsentschädigung von monatlich 250 DM, welche die Klägerin von den Beklagten für die Zeit von ihrem Einzug in das Haus bis zum Prozeßbeginn fordert. Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Sie machen geltend, das Herausgabe- und Räumungsverlangen verstoße gegen Treu und Glauben; außerdem sei die Klägerin nicht zum Rücktritt berechtigt gewesen, zumal da sie sich ihrerseits vereinbarungswidrig verhalten habe; auch sei die geforderte Nutzungsentschädigung weit überhöht.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist vom Oberlandesgericht zurückgewiesen worden. Mit der Revision verfolgt diese ihr bisheriges Klagebegehren weiter.
Die Beklagten beantragen
Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Den Angelpunkt des Rechtsstreits bildet die Frage, ob die Beklagten sich gegenüber dem auf § 985 BGB gestützten Räumungs- und Herausgabeanspruch der Klägerin mit Erfolg auf ein Recht zum Besitz im Sinne von § 986 BGB berufen können. Sie haben ihren Besitz an dem Grundstück Amselweg 3, das die Klägerin jetzt wiederhaben möchte, auf Grund der Vereinbarung vom 29. November 1957 erlangt. Bei dieser handelte es sich nach der rechtsirrtumsfreien Auslegung des Berufungsgerichts um einen Vorvertrag, durch den seinerzeit die Parteien die Einzelheiten für die geplante Veräußerung des Anwesens an die Beklagten festlegen wollten. Solche Verträge bedürfen, da sie die Pflicht zur Übertragung von Grundstückseigentum zum Gegenstände habe, gemäß § 313 BGB gerichtlicher oder notarieller Beurkundung. Daran fehlt es im vorliegenden Fall, so daß die genannte Vereinbarung nichtig ist (§ 125 Satz 1 BGB). Gleichwohl meinen die Beklagten, sie gewähre ihnen ein Recht zum Besitz, weil die Geltendmachung der Nichtigkeit unter den besonderen Umständen des Falles gegen Treu und Glauben verstoße und das Klagebegehren daher nach § 242 BGB unzulässig sei.
Die Vorinstanzen sind dieser Auffassung gefolgt. Die Klägerin, so wird dazu im Berufungsurteil ausgeführt, habe jahrelang mit Kaufinteressenten privatschriftliche Vortrage in der Art der Vereinbarung vom 29. November 1957 abgeschlossen. Anhaltspunkte dafür, daß sie bei den Beklagten oder anderen Interessenten falsche Vorstellungen über die Notwendigkeit der notariellen Form hervorgerufen hätte, lägen nicht vor. Aber die Klägerin sei ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen, das in großem Umfange Eigenheime baue, und man müßte von ihr erwarten, daß sie vor Vertragsabschlüssen zuverlässige Rechtsauskünfte über die einschlägigen Beurkundungsvorschriften einhole und sich sachgerecht verhalte. Außerdem habe sie den rechtsunkundigen Kaufinteressenten - als solche seien auch die Beklagten anzusehen - mit dem ganzen Gewicht ihres Ansehens als großes, gemeinnütziges Wohnungsbauunternehmen gegenübergestanden. Sie habe die Vorverträge entworfen. Die Interessenten, darunter auch die beiden Beklagten, hätten ihr vertraut. Ihnen gegenüber habe ihr eine Treuepflicht obgelegen. In der Übernahme des Eigenheimbaues sei ein Geschäftsbesorgungsvertrag enthalten gewesen. Die Beklagten hätten annehmen dürfen und müssen, daß die Klägerin wisse, wie Rechtsangelegenheiten zu behandeln seien, um die Interessenten vor Schaden zu bewahren, und daß sie auch den Willen habe, es recht zu machen, und ihre Betreuungspflicht in einer Weise erfülle, welche die Rechtsstellung der Interesssenten durch Beachtung der in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften, insbesondere der Formvorschriften, sicherstelle. Entgegen dieser Pflicht habe die Klägerin - ob bewußt oder unbewußt, sei nebensächlich - sich die Möglichkeit offengehalten, den Vorvertrag tatsächlich in der Schwebe und es jahrelang in ihrem Belieben zu lassen, ob sie ihn erfüllen oder seine Nichtigkeit geltend machen wolle, so daß sie sich bei Auftreten von Meinungsverschiedenheiten und sonstigen Streitigkeiten auf diese Möglichkeit berufen könne und darauf berufe.
Das alles deckt sich inhaltlich und teilweise auch im Wortlaut mit dem, was der erkennende Senat in BGHZ 16, 334, 337 f [BGH 18.02.1955 - V ZR 108/53]über die Rechtsbeziehungen zwischen einer Siedlungsgesellschaft und einem Kleinsiedler ausgeführt hat. Inwieweit es angängig war, die dortigen Ausführungen, welche die besonderen Verhältnisse bei sogenannten Träger-Siedler-Verträgen zum Gegenstand hatten, ohne weiteres auf den vorliegenden Fall zu übertragen, bei dem es um den Erwerb eines Kaufeigenheims geht, kann dahingestellt bleiben. Keiner näheren Erörterung bedarf insbesondere, ob hier wirklich ein Geschäftsbesorgungsvertrag vorlag oder ob nicht durch die Vereinbarung vom 29. November 1957, wie auch die Beklagten selbst wiederholt hervorgehoben haben (Schriftsätze vom 14. Januar 1963, S. 2, vom 18. Februar 1963, S. 1 f, und vom 26. September 1963, S. 2 f; ebenso die Klägerin in ihrem Schreiben vom 4. Januar 1961, unter Nr. 1), lediglich Verkäufer- und Käuferpflichten gemäß §§ 433 ff BGB begründet werden sollten, ob der Klägerin den Beklagten gegenüber eine besondere Betreuungspflicht oblag, wie sie die §§ 37 und 38 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes vom 27. Juni 1956 (BGBl I 523) im Verhältnis zwischen Betreuungsunternehmen und Bauherrn, nicht aber zwischen Bauherrn und Kaufbewerber vorsehen (über Betreuungspflicht vgl. auch das Urteil des Senats vom 8. April 1964, V ZR 95/62, WM 1964, 679, 681 f), und ob der Erstbeklagte, der in seinen schriftlichen Verlautbarungen Rechtsausführungen zu machen pflegt (vgl. die in der Klageschrift auszugsweise mitgeteilte "Denk- und Anklageschrift" vom 11. September 1961 sowie das Schreiben an Ursula St. vom 12. Juni 1963), als rechtsunkundig bezeichnet werden kann.
Hierauf kommt es, wie gesagt, nicht entscheidend an. Denn keine Zustimmung verdient auf jeden Fall die Schlußfolgerung des Berufungsgerichts: nur die Erfüllung des Vorvertrages vom 29. November 1957 und nicht irgendein Rechtsbehelf aus einem nichtigen Vertrag werde den berechtigten Interessen der Beklagten gerecht, eine befriedigende Lösung stelle allein die Anerkennung rechtsgeschäftlicher Beziehungen auf Grund des genannten Vorvertrages dar und dieser müsse daher nach § 242 BGB so behandelt werden, als ob er formgültig abgeschlossen worden sei. Dem kann nicht beigetreten werden. Das Berufungsgericht setzt sich in Widerspruch mit den vom Bundesgerichtshof entwickelten und in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen, die es in seinem Urteil zwar anführt, aber nicht richtig auf den zu entscheidenden Sachverhalt anwendet, Nach dieser Rechtsprechung müssen gesetzliche Formvorschriften, zu denen insbesondere auch der § 313 BGB gehört, im Interesse der Rechtssicherheit unbedingt eingehalten werden, und es geht nicht an, sie aus allgemeinen Billigkeitserwägungen außer Anwendung zu lassen; Ausnahmen hiervon sind nur in besonders liegenden Fällen statthaft, sofern es nach den Beziehungen der Beteiligten und nach den gesamten Umständen mit Treu und Glauben unvereinbar wäre, vertragliche Vereinbarungen wegen Formmangels unausgeführt zu lassen; ein solcher Ausnahmefall ist nicht schon dann gegeben, wenn die Nichtanerkennung des formnichtigen Vertrages zu einem harten Ergebnis für den dadurch betroffenen Vertragsteil führen würde; das Ergebnis muß vielmehr schlechthin untragbar sein (BGHZ 29, 6, 10 [BGH 03.12.1958 - V ZR 28/57]; Urteile vom 25. September 1957, V ZR 188/55, WM 1957, 1440 = LM BGB § 313 Nr. 13, und vom 12. Dezember 1962, V ZR 111/61, WM 1963, 407, 408, jeweils mit weiteren Nachweisen). Diese strengen Anforderungen gelten auch dann, wenn es sich nicht, wie in der Mehrzahl der vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fälle, um Ansprüche auf Erfüllung formnichtiger Verträge handelt, sondern wenn, wie hier, der § 242 BGB dazu dienen soll, einen durch formnichtigen Vertrag geschaffenen Zustand - hier: Besitz der Beklagten am Grundstück - entgegen der wirklichen Rechtslage aufrechtzuerhalten (Urteil vom 29. Januar 1964, V ZR 23/63, WM 1964, 482, 486).
Daß es hart für die Beklagten ist, wenn sie das Hausgrundstück, das sie längst bezahlt haben und in dem sie seit einer Reihe von Jahren wohnen, wieder räumen und an die Klägerin herausgeben müssen, leuchtet ohne weiteres ein. Unzutreffend ist jedoch die Meinung, ein solches Ergebnis sei untragbar oder, wie das angefochtene Urteil sich ausdrückt, es "schlüge jedem Gerechtigkeitsempfinden ins Gesicht". Für eine derartig schroffe Mißbilligung des Klagebegehrens bietet der festgestellte Sachverhalt keinen Anlaß. Der Umstand insbesondere, daß die Klägerin den für die Nichtigkeit des Vorvertrages ursächlichen Formmangel verschuldet hat (BU S. 24), reicht dazu nicht aus. Es handelt sich um keinen Vorsatz, sondern bloß um Fahrlässigkeit. Der Sachverhalt in BGHZ 29, 6, wo der Senat ausnahmsweise den Einwand unzulässiger Rechtsausübung gegenüber den Rechtsfolgen aus § 125 Satz 1 BGB hatte durchgreifen lassen, lag wesentlich krasser als der hier zur Entscheidung stehende Fall; denn dort hatte die Vertragspartei, auf deren schuldhaftes Verhalten der Formverstoß zurückzuführen war, sich von vornherein mit der Absicht getragen, jede nur denkbare Möglichkeit eines Loskommens vom Vertrage auszunützen, sobald das für ihre persönlichen Zwecke günstig sein würde (a.a.O. S. 12 f), während im vorliegenden Fall die Klägerin zunächst durchaus bereit war, die Vereinbarung vom 29. November 1957 zu erfüllen, und ihre Einstellung sich erst wegen der Streitigkeiten, zu denen es in der Folgezeit zwischen den Parteien kam, geändert hat. Hoch weniger kann hier auf die Rechtsprechung des Senats zum formlosen Hofübergabevertrag (BGHZ 23, 249 m. Nachw.) zurückgegriffen werden; die dortigen Grundsätze gelten nur für besondere Tatbestände und sind auf die Rechtsbeziehungen der Parteien auch nicht entsprechend anwendbar (Urteil vom 10. Juli 1963, V ZR 181/61, WM 1963, 1066, 1068).
Soweit der Berufungsrichter seine Ansicht, das Räumungs- und Herausgabeverlangen führe zu einem untragbaren Ergebnis, durch die vermeintlich äußerst ungünstige wirtschaftliche Lage bestätigt findet, in welche die Beklagten geraten würden, falls man den Vorvertrag als nichtig behandele, beurteilt er die mit einem Obsiegen der Klägerin verbundenen Rechtsfolgen nicht richtig. Zwar trifft es zu, daß in diesem Falle die Beklagten, die den Hauskauf unter Anspannung aller Mittel finanziert haben mögen und das streitige Grundstück nun schon seit vielen Jahren bewohnen, ihre Bemühungen gescheitert sehen würden, sich durch den Erwerb des Anwesens Am.weg ... ein Familienheim zu schaffen und auf Lebenszeit darin zu bleiben. Als nicht stichhaltig erweisen sich aber die weiteren Erwägungen im angefochtenen Urteil (S. 23 f): die Beklagten hätten nicht einmal einen Anspruch auf Schadensersatz oder Gewährleistung, mit denselben finanziellen Mitteln wie im Jahre 1957 lasse sich bei den inzwischen erheblich gestiegenen Kosten für Baugrundstücke und Bauleistungen heute kein Haus mehr bauen und keine Eigentumswohnung mehr erwerben und um so weniger könnten die Beklagten dies mit dem Betrag von rund 10.000 DM tun, den ihnen als Ersatz für ihre wesentlich höheren Leistungen, nach Abzug einer Nutzungsentschädigung von 250 DM monatlich für die Zeit vom 17. Oktober 1958 bis zum 31. Juli 1962, die Klägerin zubilligen wolle.
Wieso die Beklagten, wenn man ihnen das Grundstück wieder wegnimmt, lediglich auf das angewiesen sein sollten, was die Klägerin ihnen im Wege der Zug um Zug-Leistung gemäß § 273 BGB zu bezahlen bereit ist - nämlich die im Klageantrag genannten 9.739,92 DM und vielleicht außerdem noch (vgl. den Schluß des Schriftsatzes vom 17. Dezember 1962) den Zinsentgang für ihre Barleistungen -, ist keineswegs einzusehen. Es ergibt sich insbesondere nicht aus den im Berufungsurteil (S. 24) angeführten Schrifttumsstellen. Der Satz im Reichsgerichtsräte-Kommentar über das Nichtbestehen von Ansprüchen auf Schadensersatz oder Gewährleistung (BGB RGRK 11. Aufl. § 313 Anm. 58) ist vom Oberlandesgericht mißverstanden worden; er besagt, wie der Zusammenhang unschwer erkennen läßt, im Grunde genommen etwas Selbstverständliches, nämlich daß "der nichtige Vertrag" keine solchen Ansprüche begründe (vgl. auch die a.a.O. zitierte Reichsgerichtsentscheidung JW 1906, 161 Nr. 3: kein Anspruch "aus dem Vertrage"). Ähnlich verhält es sich mit der in Bezug genommenen Bemerkung von Weber (bei Staudinger, BGB 11. Aufl. § 242 Anm. D 444); dort werden nur solche Schadensersatzansprüche verneint, die "auf Erfüllung" des formnichtigen Kaufvertrages gerichtet sind, d.h. der Käufer kann nicht auf dem Umweg über die §§ 823, 826 BGB Auflassung des formlos verkauften Grundstücks verlangen. Eine andere Frage ist jedoch, ob und in welchem Umfang die Beklagten, falls sie das Anwesen Am.weg ... wieder hergeben müssen, die Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsabschluß auf Schadensersatz in Anspruch nehmen können.
Daß die Voraussetzungen eines solchen Ersatzanspruchs (§ 276 BGB) hier gegeben sind, steht nach den tatrichterlichen Feststellungen außer Zweifel. Die Klägerin, ein gemein nütziges Wohnungsunternehmen, hat die beklagten Eheleute, die sich als Bewerber Tür ein Kaufeigenheim vertrauensvoll an sie wandten, zum Abschluß einer nach §§ 313, 125 BGB nichtigen Vereinbarung veranlaßt, indem sie ihnen ein von ihr selbst entworfenes Schriftstück zur Unterzeichnung vorlegte, von dem die Beklagten glaubten, damit sei alles Erforderliche geschehen und sie würden, soweit sie die ihrerseits geschuldeten Leistungen erbracht hätten, ordnungsgemäß als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Dadurch, daß die Klägerin es unterließ, die Beklagten auf die Notwendigkeit gerichtlicher oder notarieller Beurkundung der getroffenen Vereinbarungen aufmerksam zu machen, hat sie den Sorgfaltspflichten zuwidergehandelt, die durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien begründet worden waren. Angesichts der Schwere dieses Verstoßes und seiner weittragenden Folgen kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin später, als es zwischen den Parteien bereits zu Meinungsverschiedenheiten gekommen war, noch eine weitere Pflichtverletzung dadurch begangen hat, daß sie ein Aufbaudarlehen, das den Beklagten auf Grund des Lastenausgleichsgesetzes gewährt worden war, kurzerhand und ohne Zustimmung der Beklagten kündigte und an das betreffende Kreditinstitut zurückzahlte (vgl. den Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 18. Februar 1963, S. 2 f, dessen Richtigkeit von der Klägerin mit Schriftsatz vom 17. Oktober 1963, S. 2, zugestanden worden ist). Die Nichtaufklärung ihrer Verhandlungspartner hinsichtlich der Formbedürftigkeit des Vorvertrages gereicht der Klägerin auch zum Verschulden. Wenn ihr wirklich, ihrer Behauptung (S. 3 a.a.O.) zufolge, "diese Dichtigkeit gar nicht bewußt" gewesen sein sollte, so wäre jedenfalls von ihr in ihrer Eigenschaft als Handelsgesellschaft und gemeinnütziges Wohnungsunternehmen zu erwarten gewesen, daß sie, bevor sie derartige Grundstücksverträge mit Kaufbewerbern abschloß, in geeigneter Weise Rechtsauskunft über die dabei zu beachtenden Formvorschriften einholte. Es wird zu erwägen sein, ob nicht das Verschulden der Klägerin und das Ausmaß ihrer Schadensverursachung so groß sind, daß daneben ein etwaiges mitwirkendes Verschulden der Beklagten (§ 254 BGB) kaum ins Gewicht fiele und daher bei der Schadensbemessung außer Betracht bleiben kann.
Was den Umfang des den Beklagten gebührenden Schadensersatzes anbetrifft, so ist von der tatsächlichen Feststellung im Berufungsurteil (S. 21) auszugehen, sie hätten, falls ihnen bekannt gewesen wäre, daß ihrer die ganze Leistungsfähigkeit für lange Jahre ausschöpfenden finanziellen Belastung keine nach dem Gesetz wirksame Verpflichtung zum Hausverkauf gegenüberstand, sich nie auf den Abschluß des privatschriftlichen Vorvertrages eingelassen, sondern hätten eine notarielle Verbriefung verlangt. Unter diesen Umständen liegt die Annahme nahe, daß der Kaufvertrag ohne das zum Schadensersatz verpflichtende Verhalten der Klägerin formgültig zustandegekommen wäre. Es würde sich dann um einen jener Fälle handeln, in denen das Erfüllungsinteresse geltend gemacht werden kann; die Beklagten müßten so gestellt werden, wie sie stehen würden, wenn der Vertrag rechtswirksam wäre (RGZ 151, 357; Soergel/Schmidt, BGB 9. Aufl. Vorbem. 18 vor § 275; Soergel/Siebert a.a.O. § 242 Anm. 222). Das bedeutet allerdings nicht, daß nunmehr auf Abschluß eines formgültigen Kaufvertrages oder gar auf Grundstücksauflassung geklagt werden könnte; denn das wäre Vertragserfüllung und kein Schadensersatz und würde auf eine Außerkraftsetzung der Formvorschrift des § 313 BGB hinauslaufen (Urteil des erkennenden Senats vom 4. März 1955, V ZR 66/54, WM 1955, 728, 729 = BB 1955, 429; Staudinger/Weber a.a.O. § 242 Anm. A 788; a.M. Soergel/Siebert a.a.O.). Vielmehr wäre die Klägerin verpflichtet, die Beklagten in Geld dahingehend schadlos zu stellen, daß sie sich nach Herausgabe des Anwesens Am.weg ... unter Berücksichtigung der heutigen Grundstücks- und Baustoffpreise und der heutigen Arbeitslöhne sowie ihrer damals (1957) vorhandenen eigenen Finanzierungsmittel ein gleichwertiges Hausgrundstück beschaffen könnten. Da hierfür angesichts der gerichtsbekannten Preissteigerungen im Grundstücksverkehr und Baugewerbe heute ein erheblich höherer Geldbetrag erforderlich ist als im Jahre 1957, dürfte die Klägerin sich dann nicht damit begnügen, den Beklagten einfach die von ihnen seinerzeit erbrachten Leistungen zurückzugewähren. Sie könnte auch nicht ohne weiteres mit einer Nutzungsentschädigung von monatlich 250 DM aufrechnen; denn selbst wenn dieser Betrag angemessen wäre, was die Beklagten bestreiten (Schriftsätze vom 15. Oktober 1962, S. 12 und vom 26. September 1963, S. 6), bliebe noch immer offen, ob der Erstbeklagte als Bundesbahnoberinspektor, wenn er mit seiner Familie nicht in das Haus der Klägerin eingezogen wäre, in der Zeit vom Oktober 1958 bis zu seinem Auszug eine derartig hohe Monatsmiete für eine Familienwohnung ausgegeben haben würde; nur das, was die Beklagten durch ihr Wohnen im Am.weg ... tatsächlich an Wohnungsmiete anderweitig erspart haben, brauchten sie sich auf ihre Schadensersatzforderung anrechnen zu lassen.
Diese Forderung entfällt schließlich nicht wegen der Meinungsverschiedenheiten, die nach dem 29. November 1957 zwischen den Parteien aufgetreten sind. Wäre allerdings die Klägerin aus diesem Anlaß berechtigt gewesen, von der Vereinbarung zurückzutreten oder sich in sonstiger Weise von ihrer Pflicht zur Eigentumsübertragung loszusagen, dann käme es auf die schuldhaft herbeigeführte Formnichtigkeit nicht mehr an, da solchenfalls auch ein formgültiger Vorvertrag den Beklagten nichts genutzt hätte. Aber ein Rücktritts- oder ähnliches Recht stand der Klägerin nicht zu. Das hat das Berufungsgericht unter eingehender Würdigung des gesamten Sach- und Streitstandes rechtsirrtumsfrei dargetan. Es hat insbesondere die Vereinbarung vom 29. November 1957 - die es nur fälschlicherweise trotz Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Form als rechtswirksam ansah - dahin ausgelegt, daß durch sie eine Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin an den Grundstück eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit und ein dingliches Wiederkaufsrecht einzuräumen, nicht begründet worden sei; wenn sie sich daher weigerten, diese ihnen von der Klägerin nachträglich angesonnenen Eigentumsbeschränkungen auf sich zu nehmen, so war das vom Boden dieser Vertragsauslegung aus ihr gutes Recht und gereichte ihnen keineswegs zum Vorwurf. Auch die weiteren Streitpunkte - vor allem das möglicherweise unbegründete Verlangen der Beklagten nach einer Endabrechnung, ihr Versuch, eine Garage zu errichten, das zeitweilige Abstellen ihres Personenkraftwagens auf dem Grundstück und die Entgleisungen, deren sich der Erstbeklagte in seinen Briefen an die Klägerin und in Beschwerdeschriften an Bauaufsichtsbehörden usw. schuldig gemacht hat - erachtet das Berufungsgericht nicht für so schwerwiegend, daß das Vertrauensverhältnis der Parteien dadurch endgültig zerstört worden wäre.
Was die Revision gegen diese Urteilsausführungen einwendet, ist nicht stichhaltig. Ihre zahlreichen Rügen laufen auf den verfahrensrechtlich unzulässigen Versuch hinaus, den Sachverhalt anders zu würdigen als der Tatrichter. Das gilt insbesondere von der Auslegung des Vorvertrages, die aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist. Wenn die Klägerin es damals unterließ, sich die Bestellung der Dienstbarkeit und des Wiederkaufsrechts vorzubehalten, dann berechtigte sie auch ihr gemeinnütziger Charakter und ihr Bestreben, das einheitliche Gesamtbild der Siedlung zu erhalten, nicht dazu, entgegen der ursprünglichen Vereinbarung den Abschluß eines notariellen Kaufvertrages von der Bewilligung solcher Eigentumsbeschränkungen abhängig zu machen; daran ändert auch der Umstand nichts, daß andere Kaufbewerber sich nachträglich dazu bereit gefunden haben mögen. Auf das, was die Beklagten über diese Dinge wußten oder womit sie nach Ansicht der Revision rechnen mußten, kam es nicht an, so daß sich die Erhebung der angetretenen Beweise erübrigte. Daß das Berufungsgericht das Schreiben des Erstbeklagten an eine Grundstücksnachbarin vom 12. Juni 1963 unberücksichtigt gelassen hätte, ist nicht ersichtlich. Das weitere Verhalten der Beklagten ist vom Berufungsrichter ohne Rechtsirrtum als nicht so schwerwiegend beurteilt worden, daß der Klägerin daraus ein Rücktrittsrecht erwachsen wäre; auch insoweit bedurfte es keiner Beweiserhebungen.
Was die Revision gegen das Berufungsurteil unter dem Gesichtspunkt des § 139 BGB ins Feld führt, schlägt schon deshalb nicht durch, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht gegeben sind. Das von ihr in Bezug genommene Urteil des erkennenden Senats vom 31. Januar 1961, V ZR 6/60 (MDR 1961, 400) betrifft die Heilung formnichtiger Grundstückskaufverträge gemäß § 313 Satz 2 BGB; ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Da die Beklagten den Abschluß des von der Klägerin gewünschten Vertrages - mit Dienstbarkeit und Wiederkaufsrecht - verweigern durften, kommt es darauf, ob vor Erklärung des Rücktritts eine Frist gesetzt werden mußte, nicht an. Die Ansicht des Berufungsgerichts, daß die Streitigkeiten der Parteien "nicht überbewertet werden" sollten, wird durch die gegenteiligen Bewertungsversuche der Revision, deren Einwendungen sich durchweg auf dem ihr verschlossenen Gebiet der Tatsachenwürdigung bewegen, nicht erschüttert.
Hält mithin die Ansicht, den Beklagten stehe kein über rund 10.000 DM hinausgehender Ersatzanspruch zu, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, so trifft es nicht zu, daß die Nichtanerkennung des formlosen Vorvertrages für sie zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde (§ 242 BGB). Der Vorvertrag ist und bleibt also nichtig (§ 125 Satz 1 BGB), und die Beklagten können aus ihn kein den Räumungs- und Herausgabeanspruch der Klägerin beseitigendes Recht zum Besitz (§ 986 BGB) herleiten. Das wiederum hat zur Folge, daß sich die klageabweisende Entscheidung nicht aufrechterhalten laßt. Das Berufungsgericht, an das die Sache gemäß § 565 Abs. 1 ZPO zurückzuverweisen war, wird in der neuen mündlichen Verhandlung den Beklagten Gelegenheit geben müssen (§ 139 ZPO), ihre Gegenansprüche, soweit sie den von der Klägerin bereits eingeräumten Betrag von 9.739,92 DM übersteigen, im einzelnen darzutun.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens war, da sie von dem endgültigen Ausgang des Rechtsstreits abhängt, ebenfalls dem Berufungsgericht zu übertragen.
Schuster
Dr. Piepenbrock
Rothe
Dr. Mattern