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Bundesgerichtshof
Urt. v. 03.04.1957, Az.: IV ZR 291/56

Rechtsmittel

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
03.04.1957
Aktenzeichen
IV ZR 291/56
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1957, 14413
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG München - 27.03.1956

Fundstelle

  • DB 1957, 454-455 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

der Firma O. W. c.A. St. Söhne GmbH., vertreten durch den Geschäftsführer Rechtsanwalt Dr. F. v. H. in M.,

Prozessgegner

1) die Stadtgemeinde M., gesetzlich vertreten durch den Oberbürgermeister,

2) die Städtische Sparkasse M., gesetzlich vertreten durch den Vorsitzenden des Verwaltungsrats,

Amtlicher Leitsatz

Die Auslegung von Verträgen unter Ergänzung des Vertragswillens hat ihre Grenze, wo an und für sich bestehende Vertragslücken durch gesetzliche Vorschriften geregelt werden, die zum Zweck der Luckenausfüllung erlassen sind. Die Haftung aus Art. 47 REG-AmZ (Art. 39 REG-BrZ) kann daher nicht durch "ergänzende" Vertragsauslegung nach §157 BGB ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Ein Ausschluß oder eine Einschränkung der Haftung nach diesen Vorschriften ist nur nach §242 BGB möglich.

hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 1957 unter Mitwirkung des Senatspräsidenten Schmidt, der Bundesrichter Ascher, Dr. v. Werner, Wüstenberg und Wilden

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das den Parteien an Verkündungs Statt am 27. März 1956 zugestellte Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in München aufgehoben, soweit durch dieses Urteil die Klage abgewiesen ist. Die Berufung der Beklagten gegen das den Parteien am 22. Mai 1955 an Verkündungs Statt zugestellte Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts München I wird in vollem Umfang zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung und der Revision fallen der Beklagten zur Last mit Ausnahme der Kosten der Nebenintervention, die die Streithelferin zu tragen hat.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1

Der Turn- und Sportverein M.-O. e.V. (im folgenden: Turnverein) war seit dem Jahre 1926 Eigentümer des aus den Pl Nr. ...6 und ...7 der Steuergemeinde G. bestehenden Grundbesitzes. Er errichtete auf Pl. Nr. ...7, Haus Nr. ... an der St. Ma.-Straße, eine Turnhalle und legte auf dem Grundstück Pl. Nr. ...6 einen Sportplatz an. Beide Grundstücke waren im Jahre 1933 mit Hypotheken von insgesamt 93.700,- RM belastet. An erster Stelle stand eine Buchhypothek zugunsten der Spar- und Girokasse M., der jetzigen Streithelferin der Beklagten; die gesicherte Forderung belief sich samt den Zinsen bis zum 1. Januar 1933 auf 49.570,56 RM.

2

Am 19. Mai 1933 wurde der Turnverein als "marxistische Organisation" aufgelöst. Durch Verfügung des Politischen Polizeikommandeurs Bayern vom 18. Januar 1934 wurde das Anwesen St. Ma. Straße ... zu Gunsten des Volksstaats Bayern eingezogen. Am 10. September 1934 wurde der Turnverein im Vereinsregister gelöscht. Im Jahre 1936 betrieb die Streithelferin wegen einer am 1. Juli 1932 fälligen Tilgungsrate von 1.851,86 RM die Zwangsversteigerung aus der Hypothek in die beiden Grundstücke, deren Einheitswert für den 1. Januar 1935 auf 124.800,- RM festgesetzt worden war. Die Grundstücke wurden der Streithelferin zugeschlagen. Am 31. März 1938 überließ sie die Grundstücke der Beklagten zum Selbstkostenpreis von 64.240,- RM. Nach Abtrennung einer kleinen Teilparzelle veräußerte die Beklagte das Grundstück Pl. Nr. ...7 durch Kaufvertrag vom 30. Dezember 1938 lastenfrei an die Klägerin zum Preise von 80.000,- RM. Der Kaufvertrag enthielt folgende Klausel:

"Die Stadt haftet bei der Verkaufsfläche nur für die Freiheit von Hypotheken, nicht aber von Dienstbarkeiten, sonstigen Rechten anderer und Grundlasten, ferner nicht für die Richtigkeit des Beschriebes und nicht für die Beschaffenheit des Untergrundes.

Die Käuferin bekennt, hierauf aufmerksam gemacht worden zu sein. Für die weitere Bebauungsmöglichkeit der Verkaufsfläche wegen etwaiger Nachbareinspruche haftet die Stadt gleichfalls nicht."

3

Nach dem Zusammenbruch wurde der Turnverein erneut ins Leben gerufen. In dem von ihm anhängig gemachten Rückerstattungsverfahren gegen die Beklagte und die Klägerin wurde die letztere durch rechtskräftigen Teilbeschluß der Wiedergutmachungskammer beim Landgericht München I vom 11. Dezember 1950 zur Rückerstattung des Grundstücks Pl. Nr. ...7 verurteilt. Über das Vermögen der Klägerin war damals das Konkursverfahren eröffnet, das im Laufe des zweiten Rechtszugs des gegenwärtigen Rechtsstreits eingestellt worden ist. In einem Teilvergleich vom 29. November 1951 verpflichtete sich der in dem Konkurs über das Vermögen der Klägerin bestellte Verwalter, an den Turnverein den Betrag von 10.000,- DM zur Abfindung von dessen Nutzungsanspruch für die Zeit vom 26. Januar 1939 bis zum 1. April 1949 zu zahlen. Der durch das Bayerische Landesamt für Vermögensverwaltung seit dem 1. April 1949 für den Grundbesitz eingesetzte Treuhänder lieferte im Dezember 1951 als Einnahmen aus der Vermietung des Objekts 6.180,- DM an den rückerstattungsberechtigten Turnverein ab. Dieser zahlte seinerseits an den Konkursverwalter der Klägerin den Betrag von 5.819,24 DM aus, weil der Erlös der Zwangsversteigerung in Höhe von 58.192,40 RM zur Befriedigung von Gläubigern verwendet worden war.

4

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Ersatz des Schadens, der ihr dadurch erwachsen ist, daß sie das Grundstück an den Turnverein herausgeben mußte. Der in dem früheren Konkursverfahren über das Vermögen der jetzigen Klägerin bestellte Konkursverwalter hat in der von ihm erhobenen Klage diesen Schaden wie folgt berechnet:

  1. a)

    100.000 DM Wert des an den Turnverein zurückgegebenen Grundstücks,

  2. b)

    10.000 DM an den Turnverein bezahlte Nutzungsentschädigung für die Zeit von der Inbesitznahme bis zum 1.4.1949,

  3. c)

    20.000 DM Entschädigung für die der Klägerin in der Zeit der Treuhänderschaft seit 1.4.1949 entgangenen Mieteinnahmen, die von dem Treuhänder an den Turnverein abgeliefert worden seien,

  4. d)

    10.000 DM weiterer ihr seit 1.4.1949 entgangener Nutzungswert - sie hätte durch Errichtung einer Lehrlingswerkstätte eine um 10.000 DM über die Mieteinnahmen hinausgehende Nutzung erzielt -,

  5. e)

    5.000 DM ihr im Rückerstattungsverfahren erwachsene außergerichtliche und Vertretungskosten, die sie selbst tragen müsse.

5

Von dem so errechneten Schadensbetrag ist die Summe von 5.819,24 DM abgezogen, die der Turnverein an die Klägerin bezahlt hat. Wegen des Restes von 139.180,76 DM nebst 4 % Zinsen seit dem Tage der Klagerhebung hat der Konkursverwalter Leistungsklage erhoben.

6

Die Beklagte hat beantragt,

7

die erhobene Klage abzuweisen.

8

Sie hat den Anspruch dem Grunde und dem Betrage nach bestritten.

9

Gegen den Grund des Anspruchs hat die Beklagte zunächst eingewandt, durch die in den Kaufvertrag vom 30. Dezember 1938 aufgenommene Klausel sei ihre Haftung für alle Rechtsmängel ausgeschlossen. Auch seien alle Mängel, die zur Zeit der Zwangsversteigerung bestanden hätten, durch den Zuschlag in der Zwangsversteigerung geheilt. Auf Grund der vorzunehmenden ergänzenden Auslegung des Vertrages ergebe sich, daß sie, die Beklagte, wenn sie die Rückerstattungsgesetzgebung vorausgesehen hatte, zumindest die Haftung für die positive Vertragserfüllung ausgeschlossen hätte. Der Anspruch auf Gewährleistung wegen eines Rechtsmangels müsse sich aber nach den Grundsätzen über die Rechtsfolgen eines nachträglichen unverschuldeten Unvermögens richten. Das Eigentum, dessen Erwerb sie nach der Zwangsversteigerung für unanfechtbar habe halten dürfen, sei erst durch die nachträgliche Gesetzgebung fehlerhaft geworden. Nehme man an, daß die Parteien sich über den Haftungsausschluß nicht hätten einigen können, so wäre der Vertrag als nicht geschlossen anzusehen, der Klägerin stünden dann aber nur Bereicherungsansprüche zu. Im übrigen läge auch eine gemischte Schenkung vor, da das Grundstück weit unter Wert - unter dem Druck des Reichsluftfahrtministeriums - an die Klägerin habe verkauft werden müssen.

10

Auch fechte sie den Kaufvertrag wegen Irrtums an, weil sie seine Haftung für durch künftige Gesetze entstehende Rechtsmängel nicht habe übernehmen wollen. Die Klägerin treffe an dem ihr erwachsenen Schaden ein erhebliches Mitverschulden. Sie habe als Grundstücksnachbarin die Vorgänge gekannt, die zu dem "scheinbaren" Eigentumsverlust des Turnvereins geführt hätten. Bei den Verkaufsverhandlungen habe die Klägerin die Autorität des Reichsluftfahrtministeriums, das sich für sie als einen Rüstungsbetrieb eingesetzt habe, geschickt zu ihren Gunsten ausgespielt. Auch müsse ihre, der Beklagten, Haftung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben entfallen, ohne daß es darauf ankomme, ob ihr ein Rückgriffsrecht gegen den Freistaat Bayern zustehe oder nicht. Das Verlangen auf Ersatz eines über den Betrag von 80.000,- RM hinausgehenden Schadens laufe auf eine besonders unbillige Bereicherung der Klägerin hinaus.

11

Auch mindere sich der Schaden der Klägerin dadurch, daß sie durch die Rückerstattung des Grundstücks die Lastenausgleichsabgabe gespart habe.

12

Der der Klägerin zustehende Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung sei im Verhältnis 10 : 1 auf 8.000,- DM umzustellen. Dieser mindere sich um den Betrag des ihr, der Klägerin, zurückgezahlten Betrages von 5.819,24 DM. Gegen den Rest rechne sie mit einem Gegenanspruch von 5.889,92 DM auf. Dieser beruhe darauf, daß sie von der Klägerin Ersatz des für die Wiederinstandsetzung des dieser verpachteten Grundstücks Pl. Nr. 15670 verlangen könne.

13

Außerdem bestreitet die Beklagte, daß der Klägerin ein Schaden in der geltend gemachten Höhe entstanden sei. Vor allem wendet sie sich gegen den Ansatz der Schadensberechnung zu a), c) und d) der Schadensaufstellung.

14

Die Klägerin ist den Ausführungen der Beklagten aus Rechts- und tatsächlichen Gründen entgegengetreten. Sie hat hierzu vorgetragen, der Ausschluß der Haftung in dem Kaufvertrag beziehe sich nicht auf den Mangel des Eigentums. Der der Kaufsache anhaftende Rechtsmangel sei auch nicht durch die Zwangsversteigerung behoben. Von dem Entziehungsvorgang habe sie, die Klägerin, erst nach dem Kriege erfahren. Außerdem komme es auf diese Kenntnis nicht an, ebensowenig auf die angeblich eigenmächtige Besitzergreifung vor Abschluß des Kaufvertrags und das angebliche Mitverschulden. Eine gemischte Schenkung liege nicht vor, da beide Teile keinen auf eine teilweise Schenkung und deren Annahme gerichteten Willen gehabt hätten. Die Irrtumsanfechtung sei unstatthaft, da sie sich auf einen bloßen Irrtum im Beweggrund stütze, ausserdem sei sie verspätet. Unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben müsse vor allem berücksichtigt werden, daß das zurückerstattete Grundstück unter erheblichen Aufwendungen in den Betrieb des Unternehmens einbezogen worden sei; dadurch sei ihr, der Klägerin, ein über den Grundstückswert weit hinausgehender Schaden entstanden.

15

Das Landgericht hat durch Vorbehalts-, Teil- und Zwischenurteil die Beklagte verurteilt, an den Konkursverwalter der Klägerin 84.770,84 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16. Dezember 1953 und einen weiteren Betrag von 5.589,92 DM nebst 4 % Zinsen vom 16. Dezember 1953 ab unter Vorbehalt der Aufrechnung mit der Forderung auf Erstattung der Wiederherstellungskosten für das Grundstück Pl. Nr. 15670 zu zahlen. Den darüber hinausgehenden Klaganspruch hat es dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

16

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie den Antrag auf Klagabweisung weiter verfolgt hat. Nach Aufhebung des Konkursverfahrens im zweiten Rechtszug hat die Klägerin den Rechtsstreit anstelle des Konkursverwalters fortgesetzt.

17

Das Oberlandesgericht hat das Urteil des Landgerichts teilweise geändert. Es hat die Beklagte zur Zahlung von 74.180,76 DM nebst Zinsen vorbehaltslos und zur Zahlung des weiteren Betrages von 5.589,92 DM unter Vorbehalt der Aufrechnung mit der Gegenforderung der Beklagten verurteilt. Wegen des über diese Beträge hinausgehenden Teils der Klagforderung hat es die Klage abgewiesen. Im übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

18

Gegen den die Klage abweisenden Teil des Berufungsurteils richtet sich die Revision der Klägerin, die mit ihren Antragen die vollständige Zurückweisung der Berufung erstrebt.

19

Die Beklagte und ihre Streithelferin haben beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

20

1)

Daß die Klägerin befugt war, nach Beendigung des Konkursverfahrens den Rechtsstreit, den der für ihr Vermögen bestellte Konkursverwalter durch Klägerhebung begonnen und geführt hatte, fortzusetzen, hat der Berufungsrichter im Anschluß an die herrschende Rechtsauffassung zutreffend angenommen. Auch der Bundesgerichtshof hat sich in den Gründen des Urteils vom 27. Januar 1954 - VI ZR 257/52 (LM Nr. 2 zu §265 ZPO) in diesem Sinne ausgesprochen.

21

2)

Zur Sache selbst hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß die Klageforderung dem Grunde nach gerechtfertigt sei. Er ist dabei davon ausgegangen, daß die Klägerin als Rückerstattungspflichtige nach Art. 47 Abs. 1 REG (AmZ) gegen ihre unmittelbare Rechtsvorgängerin, die Beklagte, Rückgriffsansprüche geltend machen könne und daß sich die Rückgriffsrechte nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts bestimmen. Die Rückerstattungspflicht bilde somit nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift einen Mangel im Recht. Dabei sei das Unvermögen des Verkäufers, dem Käufer das Eigentum zu verschaffen wie ein anfängliches, nicht erst ein nachträgliches, erst durch die Rückerstattungsgesetzgebung eingetretenes Unvermögen zu behandeln. Da der Schuldner mit der Übernahme der Leistungspflicht auch die Haftung dafür übernehme, daß er leistungsfähig sei, könne die Beklagte sich nicht darauf berufen, daß sie kein Verschulden treffe, sie müsse vielmehr, wenn diese Leistungsunfähigkeit eine dauernde sei, der Klägerin Schadensersatz wegen Nichterfüllung leisten. Zur Begründung der Schadensersatzpflicht brauche nicht auf §325 BGB, der keine unmittelbare Anwendung finden könne, zurückgegriffen zu werden, sie ergebe sich unmittelbar auf Grund des Kaufvertrages, da die Beklagte für ihre Leistungspflicht einzustehen habe. Damit scheide auch die Anwendbarkeit des §323 BGB aus, auf den sich die Beklagte berufe. Das Unvermögen der Beklagten gehe nicht auf einen Umstand zurück, der von keiner Partei zu vertreten sei, noch sei er erst nachträglich eingetreten.

22

Diese Ausführungen des Berufungsurteils können aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden, sie stehen in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, insbesondere dem in BGHZ 11, 16 abgedruckten Urteil vom 28. Oktober 1953. An den dort niedergelegten Grundsätzen über die Auslegung und Anwendung des Art. 39 Abs. 1 REG (BrZ), dem der hier anzuwendende Art. 47 Abs. 1 REG (AmZ) entspricht, hat der Bundesgerichtshof seitdem festgehalten (vgl. Urteil vom 10. Dezember 1955 - IV ZR 173/55 [WPM 1956 I, 539]).

23

3)

Zutreffend wendet sich das Berufungsgericht auch gegen die von der Beklagten vertretene Ansicht, der Rechtsmangel sei dadurch beseitigt, daß das Grundstück nach der Entziehung zur Zwangsversteigerung gekommen und von der Streithelferin auf Grund des gerichtlichen Zuschlagbeschlusses erworben worden sei. Hier ist zu scheiden zwischen dem Rechtsmangel und der Gewährleistungspflicht für den Rechtsmangel. Der Mangel, der dem von der Beklagten an die Klägerin verkauften Grundstück anhaftet, weil es nach den auch in diesem Rechtsstreit maßgebenden Feststellungen des Beschlusses der Wiedergutmachungskammer des Landgerichts vom 11. Dezember 1950 durch Staatsakt dem Turnverein gemäß Art. 1, 2 b Abs. 1 b und Abs. 3 REG (AmZ) im Wege der schweren Entziehung (Art. 2, 30 a.a.O.) weggenommen worden ist, ist durch den Zuschlag in der Zwangsversteigerung, in der es die Streithelferin erworben hat, nicht beseitigt worden. Das ergibt sich schon daraus, daß die Klägerin zur Rückerstattung für verpflichtet erklärt worden ist. Dieser Mangel ist zwar kein Rechtsmangel im eigentlichen Sinne nach bürgerlichem Recht oder nach den Vorschriften des Zwangsversteigerungsgesetzes, wohl aber auf Grund des Art. 47 des Rückerstattungsgesetzes (AmZ) zu einem solchen rückwirkend erklärt und nach dieser Vorschrift mit allen sich daraus ergebenden Folgen wie ein anfänglicher Mangel im Eigentum zu behandeln. Eine andere Frage ist aber, ob der Rückerstattungspflichtige deswegen, weil er das Grundstück herausgeben mußte und sein Eigentumserwerb rückwirkend als nicht erfolgt gilt (Art. 14 REG-AmZ), sich wegen der Herausgabe an seine unmittelbaren oder mittelbaren Rechtsvorgänger halten kann. Der Rückgriff richtet sich nach Art. 47 Abs. 1 a.a.O. nach bürgerlichem Recht. Da die Vorschriften über die Gewährleistungspflicht, auch soweit sie den Mangel im Eigentum betreffen, nur eingreifen, sofern die Parteien nichts Abweichendes vereinbart haben (§443 BGB), so kann trotz des sich aus der Rückerstattung ergebenden Mangels ein Rückgriffsrecht gegen den unmittelbaren Rechtsvorgänger ganz oder teilweise ausgeschlossen sein. Die Gewährleistungspflicht des Verkäufers beruht auf den vertraglichen Beziehungen zwischen ihm und dem Kaufer. Sie ist auch unabhängig davon, ob der Verkäufer auf Grund der Rechtsbeziehungen zu seinem Vormann sich an diesen halten kann. Daraus folgt für die Entscheidung des vorliegenden Falls, daß die Haftung der Beklagten wegen des Rechtsmangels weder ausgeschlossen ist noch sich mindert, wenn der Entzieher des Grundstücks, der Freistaat Bayern, seinem Rechtsnachfolger, der Streithelferin, oder auch der Beklagten gegenüber sich darauf berufen kann, daß er für den Rechtsmangel nach §56 Satz 3 ZVG nicht haftet. Es erübrigt sich, auf die Ausführungen des Berufungsgerichtes, das zu demselben Ergebnis kommt, Stellung zu nehmen, insbesondere auch zu den Bedenken, die der Berufungsrichter gegen die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Mai 1954 - IV ZR 9/54 (LM Nr. 5 zu Art. 39 REG-BrZ = NJW 1954, 1365) glaubt vorbringen zu können. Gegenstand des hier anhängigen Rechtsstreits ist nur der Anspruch der Klägerin der Beklagten gegenüber, nicht aber deren Rückgriffsrechte gegen ihre Vormänner oder der Rückgriffsanspruch der Streithelferin gegen das Land Bayern. Auch sonst kann der Verkäufer einen Gewährleistungsanspruch nicht deswegen abwehren, weil sein Vormann das Grundstück in einer Zwangsversteigerung erworben hat.

24

4)

Daß es für den Rückgriffsanspruch ohne Bedeutung ist, ob die Klägerin bei des Erwerb des Grundstücks von dem Entziehungstatbestand Kenntnis gehabt hat oder nicht, ergibt sich aus Art. 47 Abs. 1 S. 3 REG (AmZ). Auch darin ist dem Berufungsgericht beizutreten, daß der Vertrag zwischen den Parteien ein Kaufvertrag ist und daß er nicht deshalb zu einer gemischten Schenkung wird, weil er zum gesetzlichen Stoppreis abgeschlossen worden ist. Die Voraussetzungen und die Folgen der Gewährleistung für den Mangel im Eigentum an dem Grundstück bestimmen sich daher lediglich nach den Vorschriften, die die Haftung für Rechtsmängel bei Kaufverträgen regeln (§§433 ff BGB).

25

5)

Die Parteien haben in dem Kaufvertrag die Gewährleistungspflicht der Beklagten eingeschränkt und es nicht bei den gesetzlichen Vorschriften der §§433 ff a.a.O. belassen. Die hier zu entscheidende Frage ist daher, ob, was an und für sich rechtlich möglich ist, durch die auf die Gewährleistung bezügliche Klausel des Kaufvertrags die Haftung der beklagten Stadt nicht nur für die Freiheit von "Rechten Dritter", sondern auch für Rechtsmängel im Eigentum selbst ausgeschlossen werden sollte. Die Bedeutung der Klausel entscheidet dann auch für die Rückgriffshaftung der Beklagten nach Art. 47 REG.

26

Da die Klausel in dieser Hinsicht nicht eindeutig und klar ist, bedarf sie der Auslegung, die das Berufungsgericht auch vorgenommen hat. Es ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß die Worte der Klausel "Freiheit von Rechten Dritter" nur auf die Freiheit von Belastungen und Beschränkungen des Eigentums, nicht aber auf das Vollrecht selbst oder auf eine diesem gleichstehende Rückerstattungspflicht zu beziehen sind. Bei der Auslegung hat es unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in BGHZ 11, 16 [24] auch dem Umstand Rechnung getragen, daß in der Regel nach der Verkehrssitte und der Lebenserfahrung Grundstücksübereignungsverträge nicht vorkommen, bei denen von vornherein der Erwerber das Wagnis des nicht rechtmäßigen Erwerbs trägt und damit Gefahr läuft, das dafür aufgewendete Entgelt zu verlieren. Auch hätte sich die Klägerin, so führt das Berufungsgericht weiter aus, auf eine solche Vereinbarung nicht eingelassen, da sie an dem dauernden Erwerb des Grundstücks interessiert gewesen sei und sie dann glaubhaft lieber von dem Abschluß des Kaufvertrags überhaupt Abstand genommen hätte. Auf Grund dieser Feststellungen ist es gerechtfertigt, die Vertragsbestimmung, die die Parteien über die Gewährleistung für Rechtsmängel getroffen haben, so auszulegen, daß die Beklagte grundsätzlich für den Rechtsmangel einzustehen hat, auf den die Klägerin ihren Rückgriffsanspruch stützt.

27

6)

Der Berufungsrichter meint jedoch, der Klausel komme die Bedeutung zu, daß die Beklagte für den Schaden, den die Klägerin erlitten habe, nur bis zur Höhe des Kaufpreises aufzukommen habe. Beide Parteien hätten bei Abschluß des Kaufvertrages an die Möglichkeit nicht gedacht, daß später einmal eine gesetzliche Verpflichtung zur Rückgabe des Grundstücks an den damals schon lange aufgelösten Verein festgesetzt und einer diesem Anspruch des Vereins stattgebenden gerichtlichen Entscheidung rückwirkende Kraft in Gestalt einer Fiktion beigelegt werden könne. Da die Partner diese Möglichkeit nicht geahnt hätten, sei die hier bestehende Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung auszufüllen. Hätten die verantwortlichen Vertreter der Beklagten die Möglichkeit bedacht, daß die Stadt einmal wegen Fehlens des Eigentums haftbar gemacht werde, so wären sie nach dem für die Verwaltung einer Großstadt selbstverständlichen Grundsatz verfahren, die Gefahr einer späteren Haftung im Rahmen des Möglichen und des für den Vertragsgegner Zumutbaren auszuschalten oder wenigstens einzuschränken.

28

7)

Auf die eingehenden Erwägungen, die das Berufungsgericht zu dieser Frage anstellt, braucht im einzelnen nicht eingegangen zu werden. Wie die Revision mit Recht rügt, hat das Berufungsgericht vor allem verkannt, daß neben Art. 47 REG eine ergänzende Vertragsauslegung nicht zulässig ist.

29

a)

Das Wesen der ergänzenden Vertragsauslegung besteht nicht in der Ermittlung des tatsächlichen (empirischen) Willens der Parteien, wie sie das Ziel einer Auslegung nach §133 BGB ist (Staudinger-Coing BGB 11. Aufl. §133 Anm. 18 S. 760 und 21 b S. 760). Ihre Aufgabe ist eine zweifache. Durch sie soll einmal der Sinn einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung nach der Verkehrssitte ermittelt werden, zum anderen hat sie, wie der Berufungsrichter richtig angenommen hat, Lücken der rechtsgeschäftlichen Parteivereinbarungen zu schließen. Um diese zweite Aufgabe der Auslegung handelt es sich im vorliegenden Fall. Sie hat ihren Grund und ihre Rechtfertigung darin, daß rechtsgeschäftliche Erklärungen häufig in die Zukunft wirken sollen, es sollen künftige Verhältnisse geordnet werden. Werden solche zukünftigen Verhältnisse von den Beteiligten geregelt, so ist diese Regelung oft mangelhaft, weil die menschliche Voraussicht begrenzt ist und niemand jede tatsächliche Entwicklung voraussehen kann, so daß sich vielfach Lücken ergeben. Das Gleiche trifft zu, wenn die Parteien eines Vertrages in Verkennung der zukünftigen Gestaltung der Entwicklung von einer Regelung absehen (Staudinger-Coing a.a.O. Anm. 37 S. 754). In solchen Fällen ist mit Enneccerus-Nipperdey (Allg T BGB 14. Aufl. §205 II auf Seite 899) die Aufgabe der ergänzenden Auslegung nach §157 BGB darin zu sehen, aus dem gesellschaftlichen Zweck des Geschäfts, der Interessenlage, der Verkehrssitte, den begleitenden Umständen und der Erfahrung des Lebens das eigentliche, den Parteien vorschwebende Ziel zu ergründen, die hierauf gerichtete. Absicht ihren eigenen Unterlassungen oder Denkfehlern gegenüber zur Geltung zu bringen und alle Vertragslücken ergänzend und berichtigend auszufüllen.

30

b)

Diese Auslegung zur Ergänzung des Vertragswillens hat aber ihre Grenze da, wo sie einmal dem aus den Vertragsvereinbarungen sich ergebenden Erklärungen und ihrem von den Parteien tatsächlich gemeinten Sinne widerspricht, andererseits ist sie auch ausgeschlossen, wo an und für sich bestehende Vertragslücken durch gesetzliche Vorschriften geschlossen werden, die zu diesem Zweck erlassen sind, denn in diesem Falle sind die Lücken nicht ausfüllungsbedürftig (BGHZ 16, 71 [76]), wie die Revision mit Recht unter Berufung auf die Ausführungen bei Palandt BGB 16. Aufl. §157 Anm. 2 a hervorhebt. Eine gesetzliche Schranke für die ergänzende Auslegung ergibt sich hier nämlich aus Art. 47 REG (AmZ).

31

Die Rückerstattungsgesetzgebung hat durch die Anordnung der Rückerstattung von Rechten und anderen Vermögensbestandteilen, die durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen dem rechtmäßigen Inhaber entzogen worden sind, einschneidend in unzählige Rechtsverhältnisse eingegriffen, die solche entzogenen Gegenstände, vor allem auch Kaufverträge über die entzogenen Vermögenswerte nach der Entziehung betrafen. Wenn auch nicht in allen Fällen, so doch wohl in ihrer überwiegenden Zahl ist von den Vertragsteilen bei der Regelung ihrer Rechtsbeziehungen die zukünftige Entwicklung nicht in Betracht gezogen worden und konnte es auch nicht, ohne daß deswegen gegen sie stets ein sittlicher Vorwurf erhoben werden, kann. Von den verschiedenen Möglichkeiten, die Folgen der Rückerstattung für die Rechtsbeziehungen zwischen dem Rückerstattungspflichtigen und seinen Vormännern zu ordnen, hat sich der Gesetzgeber für die entschieden, die in Art. 47 a.a.O. getroffen ist. Davon ausgehend, daß die Rechtsgeschäfte, die sich auf widerrechtlich entzogene Gegenstände beziehen, von vornherein unter objektiven Gesichtspunkten als mit "einem Makel behaftet" anzusehen sind, hat der Gesetzgeber die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften ergänzt und verfügt, daß dieser Makel wie ein von vornherein bestehender Mangel im Recht zu behandeln sei. Wie im Schrifttum und auch in der Rechtsprechung richtig erkannt worden ist, würden die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Rechtsmangelhaftung nicht unmittelbar auf die Entziehungsfälle anzuwenden sein. Art. 47 REG (AmZ) schafft in dem ihm nachgebildeten Art. 39 REG (BrZ) die Fiktion, daß dieser Rechtsmangel schon zur Zeit des Vertragsschlusses vorhanden gewesen sei (BGHZ 11, 16 [20]). Würde diese Vorschrift nicht bestehen, so wäre in aller Regel im Wege der ergänzenden Auslegung zu ermitteln, welche Rechtsbeziehungen sich durch die Rückerstattung im Verhältnis zwischen dem Rückerstattungspflichtigen und seinen Rechtsvorgängern ergäben. Diese Vorschrift macht aber die ergänzende Vertragsauslegung grundsätzlich unnötig, sie tritt an die Stelle einer solchen. Es ist daher unrichtig zu sagen, die ergänzende Auslegung sei schon deswegen notwendig und zulässig, weil die Auferlegung der Rückerstattungspflicht eine nachträgliche Lücke im Vertragsverhältnis, hier zwischen Verkäufer und Käufer, geschaffen habe. Diese Lücke ist dadurch geschlossen, daß der Gesetzgeber bestimmt, der Makel der Entziehung habe als Rechtsmangel zu gelten, und damit anordnet, die Vorschriften über Rechtsmangelhaftung seien in allen von Art. 47 REG betroffenen Fällen anzuwenden. Daß die Vertragsauslegung der gesetzlichen Regelung eines Tatbestandes grundsätzlich zu weichen hat, hat auch der Berufungsrichter nicht verkannt, wie sich aus den Ausführungen auf Seite 25 zweiter Absatz des Berufungsurteils ergibt.

32

Es ist dem Berufungsrichter darin beizutreten, daß Art. 47 in Ansehung der Haftung für Mängel im Eigentum eine Auslegung des Vertrages nicht schlechthin in dem Sinne ausschließt, daß der Rückerstattungsverpflichtete stets Rückgriffsrechte nach Art. 47 hat. Wenn auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts verwiesen wird, so bezieht sich diese Verweisung nicht nur auf die besonderen Vorschriften des Rechtsmängelrechts, sondern auch auf die Vorschriften des allgemeinen Rechts, soweit sie einschlägig sind. Da die deutschen Rechtsmängelvorschriften für den Kaufvertrag nachgiebiger Natur sind, so entfällt eine Haftung nach Art. 47 REG das wo die Parteien eine Haftung ausdrücklich ausgeschlossen haben oder wo sich nach dem wirklichen Willen der Parteien (§133 BGB) oder nach dem sich aus der Verkehrssitte ergebenden Sinn der Erklärungen der Vertragsparteien (§157 BGB) ergibt, daß der Verkäufer für Rechtsmängel überhaupt nicht oder nur in beschränktem Umfang haften soll. In diesen Grenzen ist eine Vertragsauslegung zulässig, wie auch aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs (in BGHZ 11, 16 [24]) entnommen werden kann. Ergibt sich also auf Grund der Vertragsauslegung, daß der Verkäufer für Mängel im Eigentum überhaupt nicht haften soll, denn entfällt auch die Rückgriffshaftung nach Art. 47 REG. Unrichtig ist es daher zu prüfen, ob im Einzelfall die Parteien den Verkäufer von der Haftung für Rückgriffsrechte entbunden hätten, wenn sie an die Rückerstattungsmöglichkeit gedacht hätten. Das würde zu einer unzulässigen Ausschließung des Art. 47 REG führen. Denn das ist nicht mehr eine Auslegung zu dem Zweck, den in dem Vertrag zum Ausdruck gekommenen Parteiwillen festzustellen, sondern eine Lücke zu schließen, die bereits durch das Gesetz geschlossen ist. Auf die zu diesem Punkt angestellten Erwägungen des Berufungsrichters kommt es daher nicht an.

33

c)

Die beklagte Stadt kann sich der Rückgriffshaftung auch nicht dadurch entziehen, daß sie den Kaufvertrag angefochten hat. Es kann dahinstehen, ob die erst in diesem Rechtsstreit ausgesprochene Anfechtung rechtzeitig erfolgt ist. Sie ist in jedem Falle unzulässig. Eine Anfechtung einer Willenserklärung ist nach §119 BGB nur dann statthaft, wenn der innere Wille des Erklärenden von dem abweicht, was sich als Inhalt seiner tatsächlichen Erklärung nach der Verkehrssitte und den Umständen des Falles ergibt. Daß die Haftung der Beklagten für Mängel im Eigentum nach dem erklärten Willen der Parteien nicht ausgeschlossen werden sollte, hat der Berufungsrichter festgestellt. Eine Beschränkung der Haftung für den nicht vorausgesehenen Fall der Rückerstattung ist nicht Inhalt der Erklärung. Ein Widerspruch zwischen dem wirklichen Willen und der abgegebenen Erklärung, wie er für die Anwendung des §119 BGB notwendig ist, liegt nicht vor. Die Folgen, die sich aus Art. 47 REG ergeben, sind weder Gegenstand des wirklichen Willens noch der darauf gerichteten Erklärung, sie stehen außerhalb des Inhalts der Erklärung und modifizieren sie unter Umständen. Eine Anfechtung kann daher nicht stattfinden.

34

8

a)

Es bleibt daher nur noch zu prüfen, ob sich die Beklagte, wie der Berufungsrichter in der Hilfserwägung ausführt, mit Erfolg auf §242 BGB berufen kann. Das ist zu verneinen. Daß die Ausübung des Rückgriffsrechts nur in den Grenzen, die durch Treu und Glauben nach §242 BGB geboten sind, ausgeübt werden darf, ist in der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt (BGHZ 11, 16 [26 f]). Es ist dabei auch angenommen worden, daß bei der Anwendung dieser Vorschrift ein Schadensausgleich im Einzelfalle in Betracht kommen und daß es Treu und Glauben widersprechen kann, wenn sich der Rückerstattungspflichtige in voller Höhe des Schadens an den Rechtsvorgänger hält (BGHZ 11, 16; NJW 1954 Nr. = - LM Nr. 7 zu Art 39 REG (BrZ); dahingestellt gelassen in einem Urteil vom 22. Juni 1955 - IV ZR 303/54; Urteil vom 22. Oktober 1955 - IV ZR 133/55). Zu der Frage des Schadensausgleiches hat der erkennende Senat in einem Urteil vom 22, Oktober 1955 (WPM 1956 T 94) ausführlich Stellung genommen Wie dort ausgeführt wird, kann §242 BGB gegenüber der eindeutigen Regelung, welche der Rückgriffsanspruch in Art. 47 REG (AmZ) und Art. 39 REG (BrZ) gefunden habe, nicht dazu dienen, in jedem Falle einen billigen Ausgleich der Schadensverteilung zwischen dem Ersterwerber, etwaigen Zwischenerwerbern und dem rückerstattungspflichtigen Letzterwerber herbeizuführen Abweichend von dem Oberlandesgericht in Frankfurt sei davon auszugehen, daß die genannten Rückgriffsvorschriften grundsätzlich die Verpflichtung des Ersterwerbers ausgesprochen hatten, den bei der Rückerstattung entstehenden Schaden allein zu tragen. Die Bestimmungen eröffneten auch bei mehrfacher Veräußerung des entzogenen Gegenstandes jedem Nachmann die Möglichkeit, sich an seinen Vormann zu halten. Die Regelung sei in vielen Fällen hart. Etwaige Härten würden aber nicht dadurch beseitigt, daß der Schaden in irgendeiner Weise auf die verschiedenen Erwerber verteilt werde. Es sei auch nicht Sache des Richters, in eine Regelung, die der Gesetzgeber getroffen habe, einzugreifen und einer Partei gesetzlich festgelegte Ansprüche allein deshalb abzuschneiden oder zu beschränken, weil die gesetzliche Regelung als solche zu Karten führe. Härten, die eine unmittelbare Folge einer bestimmten Gesetzgebung seien, dürfe der Richter für den Regelfall nicht auf dem Umweg über §242 BGB beseitigen.

35

Wenn der Bundesgerichtshof gleichwohl den §242 BGB bisher in Fällen des §39 REG (BrZ) für anwendbar erklärt habe, so seien damit nur besonders gelagerte Einzelfälle gemeint, in denen im Verhältnis der Parteien zueinander ernstlich von einem Verstoß gegen Treu und Glauben gesprochen werden könne. Das sei, wenn jemand ein gesetzlich verbrieftes Recht geltend mache, regelmäßig nicht der Fall. Es müßten dann schon schwerwiegende Gründe vorliegen, um die Anwendung des §242 BGB zu rechtfertigen. Der II. Zivilsenat habe auch nur ausgesprochen, daß in der Tat Fälle denkbar seien, in denen es eine unzulässige Rechtsausübung bedeute, wenn der Rückgriffsberechtigte in voller Höhe Schadensersatz verlange (BGHZ 11, 16 [27]).

36

b)

Unter Berücksichtigung der in diesem Urteil näher erörterten Rechtslage kann die beklagte Stadt eine Herabsetzung der Haftung nicht erreichen, da besondere Umstände nicht vorliegen, die eine solche Herabsetzung nach §242 BGB rechtfertigen. Weder die wirtschaftlichen Folgen, die der Abschluß des Vertrages für die Vermögenslage der Beteiligten gehabt hat, noch die Umstände, unter denen der Vertrag zustandegekommen ist, rechtfertigen eine solche Herabsetzung. Was den Inhalt des Vertrages und seine wirtschaftlichen Folgen anlangt, so ist davon auszugehen, daß der von beiden Parteien mit dem Vertrag verfolgte Vertragszweck der Austausch eines Grundstücks gegen Geld war. Es handelte sich um ein typisches Grundstücksgeschäft, wie es nicht nur damals abgeschlossen wurde, sondern zu jeder Zeit abgeschlossen wird. Die Klägerin wollte das Grundstück erwerben, um eine Erweiterung ihrer Fabrikanlagen für die Rüstungsproduktion vornehmen zu können Es kann dabei davon ausgegangen werden, daß erhebliche Investitionen auf dem Spiel standen. Die Vertragsbedingungen weisen keine Besonderheit auf. Wie die Klausel über die Rechtsmängelhaftung auszulegen ist, hat der Berufungsrichter rechtsirrtumsfrei festgestellt. Daraus ergibt sich, daß, wie bereits erörtert, die Haftung für Mängel im Eigentum nicht ausgeschlossen werden sollte. Nach den eigenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht anzunehmen, daß die Klägerin eine Bereicherung erführe, wenn ihr über den Betrag von 80.000,- DM ein Ersatz gewährt wird. Wie in dem Berufungsurteil selbst ausgeführt wird, ist der Schaden, den die Klägerin durch die Rückerstattung des Grundstücks erlitten hat, nämlich weit höher als 80.000,- DM. Allein der Wert des Grundstücks ist, so stellt das Berufungsurteil auf Seite 31 fest, mit 100.000,- DM im Zeitpunkt der Rückgabe sicherlich nicht zu hoch angeschlagen. Daß die Erstattung des Schadens in voller Höhe der Beklagten im Hinblick auf den im Jahre 1938 erzielten Erlös nicht angesonnen werden kann, kann nach den Feststellungen des Urteils gleichfalls nicht angenommen werden. Der von der Klägerin gezahlte Preis entsprach dem Stoppreis. Da dieser Preis auf einem rechtsbeständigen Gesetz beruht, kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, daß sie, wenn die Preisbildung frei gewesen wäre, einen höheren Preis erzielt haben würde. Die Folgen gesetzlicher Eingriffe hat grundsätzlich jede Partei selbst zu tragen. Daß die Beklagte Stadt damals ohne Verlust, vielmehr mit erheblichem Gewinn, verkauft hat - sie hat das gekaufte Grundstück zusammen mit dem weiteren Grundstück Pl. Nr. 15666, die beide einen Einheitswert von über 124.000,- RM am 1. Januar 1935 hatten zu dem Preise von rund 64.000,- RM erstanden -, stellt der Berufungsrichter fest. Die beklagte Stadt hat nicht behauptet, daß sie durch die Wegnahme des Grundstücks in der Durchführung ihrer kommunalpolitischen Aufgaben irgendwie beeinträchtigt worden wäre. Andererseits lag der Ausbau des Unternehmens der Klägerin im Interesse der Stadt.

37

c)

Der Berufungsrichter meint, die Klägerin müßte im Rahmen des §242 BGB gegen sich gelten lassen, daß der Abschluß des Vertrages auf das Drängen des Reichsluftfahrtministeriums zurückzuführen sei. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hinzuweisen, daß die Klägerin die Turnhalle schon lange vor der Einräumung vertraglicher Rechte gewaltsam in Besitz genommen hätte. Es mag dahinstehen, ob, wie der Berufungsrichter annimmt, die Vorgänge, die zum Vertragsabschluß führten, unbestritten sind, oder ob, wie die Revision behauptet, das darauf bezügliche Vorbringen der Beklagten von der Klägerin in den Vorinstanzen bestritten worden ist. Selbst wenn man die von dem Berufungsrichter als unbestritten festgestellten Behauptungen der Beklagten als wahr unterstellt, können sie zu einer Minderung der Ansprüche aus §242 BGB nicht führen. Hätte es sich bei dem Verhalten der Klägerin oder des in ihrem Interesse auftretenden Reichsluftfahrtministeriums um eine widerrechtliche Drohung gehandelt, dann hätte die beklagte Stadt den Vertrag noch anfechten können, nachdem der "Druck" weggefallen war und sie frei sich auf die Unrechtmäßigkeit des Verhaltens der Klägerin, oder des Ministeriums hätte berufen können. Das hat sie nicht getan. Im übrigen ist auch für das Vorliegen einer widerrechtlichen Drohung nichts hinreichendes dargetan. Daß die Klägerin sich schon vor Abschluß des Vertrages in den Besitz des Grundstücks gesetzt und an der Turnhalle Veränderungen vorgenommen hat, kann, wenn man von dem Vorbringen der Beklagten ausgeht, wohl als widerrechtliches Handeln bezeichnet werden. Die Beklagte wäre diesem Verhalten nach ihrer eigenen Darstellung entgegengetreten, wenn sie nicht gefürchtet hätte, sich nachteiligen Maßnahmen des Reichsluftfahrtministeriums auszusetzen. Wie sich aber aus dem Zusammenhang der Ausführungen des Berufungsurteils ergibt, hat die Beklagte dem Druck auch deswegen schließlich nachgegeben, weil sie nicht nur keinen Verlust zu erleiden glaubte, sondern, wie der Berufungsrichter ausdrücklich feststellte, "ein gutes Geschäft zu machen glaubte", da sie das Grundstück weit unter seinem damaligen Wert erworben hatte, von dem sie auch wußte, daß es dem früheren Eigentümer weggenommen war. Daß sie bei den Vertragsverhandlungen auch dem Einfluß des Reichsluftfahrtministeriums ausgesetzt war, kann sie nicht ins Feld führen, ebensowenig den Umstand, daß ihr, der Beklagten, wenn sie sich nicht gefügt hätte, die Zwangsenteignung gedroht hätte. Mag der Kaufvertrag abgeschlossen worden sein, um eine Enteignung zu vermeiden, oder mögen die Beteiligten nur irrtümlich eine solche Möglichkeit im Betracht gezogen haben, so kann dies zu einer Herabsetzung des Haftungsbetrages und zu einer Verteilung des durch die Rückerstattung erwachsenen Schadens auf die verschiedenen Glieder in der Kette der Eigentümer nach §242 BGB nicht führen. Wie der Senat in dem Urteil vom 19. Januar 1955 - IV ZH 164/54 (LM Nr. 7 zu Art 39 REG (BrZ)) ausgeführt hat, kann sich der Verkäufer nicht darauf berufen, daß er den Kaufvertrag habe abschließen müssen, um der Enteignung zu entgehen. Denn wenn der Kaufvertrag auch unter diesen Umständen abgeschlossen worden ist, so hat der Verkäufer nicht nur die Rechte eines Verkäufers aus dem Kaufvertrag erworben, sondern auch die Pflichten. Er kann damit weder seine Haftung nach Art. 47 im Verbindung mit §440 BGBüberhaupt ausschließen noch daraus eine Beschränkung dieser Haftung gemäß §242 BGB herleiten.

38

d)

Unbeachtlich ist es aber auch weiter, wenn die beklagte Stadt sich darauf beruft, daß sie nur dem Druck des Reichsluftfahrtministeriums nachgegeben habe und das Grundstück sonst behalten hätte. Der II. Zivilsenat hat in dem in BGHZ 11, 16 damals entschiedenen Fall ausgesprochen, daß die Haftung des Verkäufers nicht deswegen ausgeschlossen sei, weil der Verkäufer durch die in den politischen Verhältnissen begründete Machtstellung des Käufers genötigt war, das Grundstück dem Käufer zu einem unverhältnismäßig niedrigen Kaufpreis zu überlassen. In dieser Entscheidung hat sich der Bundesgerichtshof auch mit der Frage der Anwendbarkeit des §242 BGB befaßt. Wenn er (auf Seite 27) ausführt, es ließen sich auch Fälle denken, in denen eine "Zusprechung des Schadensersatzes im vollen Umfange einen beträchtlichen wirtschaftlichen Vorteil für den Rückgriffsberechtigten in sich schließe, der ihm ohne sein Zutun zu Lasten des Rückgriffspflichtigen zufalle", so hat er eine solche Beschränkung aus dem von ihm festgestellten Sachverhalt nicht hergeleitet. Da in dem vorliegenden Fall eine so weitgehende Beeinträchtigung der beklagten Stadt nicht vorliegt, so entfällt hier erst recht die Möglichkeit, nach §242 BGB zu dem Ergebnis zu kommen, zu dem der Berufungsrichter gelangt ist. Daran ändert auch nichts, daß unter den vorliegenden Umständen der beklagten Stadt möglicherweise der Rückgriff auf ihre Vormänner abgeschnitten ist. Da nach ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung die Vorschriften des bürgerlichen Rechts eingreifen, so kann sich allgemein der Schuldner nicht darauf berufen, daß er sich wegen seiner Rückgriffshaftung nicht an einen Rechtsvorgänger halten kann. Die Rückgriffshaftung ist eine schuldrechtliche, die lediglich auf den schuldrechtlichen Beziehungen zwischen den an dem Vertragsverhältnis Beteiligten beruht. Nach Art. 47 REG hat der unmittelbare Rechtsvorgänger seinem Fachmann in voller Höhe für den Schaden einzustehen. Angesichts dieser ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift kann er nur in besonderen Ausnahmefällen, wie der Senat in dem Urteil vom 22. Oktober 1955 - IV ZR 133/55 (WPM 1956, 94) - dargelegt hat, die Haftung für den Rückgriffsanspruch ganz oder teilweise anwenden, also namentlich dann, wenn der Nachmann an dem Entziehungsvorgang selbst beteiligt war. Das war hier nicht so, der vorliegende Fall liegt aber auch sonst nicht auf der Ebene wie der in dem Urteil vom 21. Juni 1954 - IV ZR 54/54 (LM Nr. 7 zu Art. 39 REG-BrZ) - entschiedene. Die sich daraus für die beklagte Stadt ergebenden Härten muß diese hinnehmen, wie es der Senat grundsätzlich in dem erwähnten Urteil vom 22. Oktober 1955 ausgesprochen hat.

39

e)

Auf Grund der vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen ist daher eine Beschränkung der Haftung der Beklagten nicht gerechtfertigt; auch sonst läßt sie sich nicht begründen. Der Schaden, den die Klägerin erlitten hat, überschreitet bei weitem den Betrag, in dessen Höhe das Landgericht den Schaden für erwiesen erachtet. Nach den Feststellungen des Berufungsrichters beläuft sich dieser Schaden auf mehr als 80.000,- DM. Allein der Wert des zurückgegebenen Grundstücks beträgt, wie das Berufungsurteil ausführt, zur Zeit der Rückerstattung mindestens 100.000,- DM. Das Urteil des Landgerichts, in dem die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 90.360,76 DM verurteilt ist, während der Restanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt ist, muß bestehen bleiben. Die Berufung mußte deshalb zurückgewiesen werden. Demgemäß war auf die Revision, wie geschehen, mit der sich aus den §§97, 101 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolgen zu erkennen.

Schmidt Ascher v. Werner Wüstenberg Wilden