Bundesgerichtshof
Urt. v. 08.07.1954, Az.: 4 StR 350/54
Rechtsmittel
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 08.07.1954
- Aktenzeichen
- 4 StR 350/54
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1954, 10087
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Dortmund - 12.04.1954
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- BGHSt 6, 248 - 251
- NJW 1954, 1495 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
räuberischen Diebstahls
Prozessgegner
den z.Zt. arbeitslosen Musiker Rudolf B. aus D., geboren am ... in H., z.Zt. in Untersuchungshaft,
Amtlicher Leitsatz
Der Diebesgehilfe kann nur dann Täter eines Verbrechens gegen § 252 StGB sein, wenn er sich im Besitze des gestohlenen Gutes befindet.
hat der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in der Sitzung vom 8. Juli 1954, an der teilgenommen haben:
Senatspräsident Dr. Groß als Vorsitzender,
Bundesrichter Krumme Bundesrichter Dr. Engels Bundesrichter Dr. Augustin Bundesrichter Dr. Seibert als beisitzende Richter,
Staatsanwalt Dr. ... in der Verhandlung, Staatsanwalt ... bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellter ... als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts in Dortmund vom 12. April 1954 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Die Revision des wegen räuberischen Diebstahls, begangen unter den erschwerenden Merkmalen des § 250 Abs. 1 Nr. 3 StGB, in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilten Angeklagten ist begründet, weil der Tatbestand des § 252 StGB nicht nachgewiesen ist.
Die Strafkammer ist von folgendem Sachverhalt ausgegangen: Als der Angeklagte am Abend des 20. Januar 1954 in der Gastwirtschaft He. zusammen mit den beiden anderen Zigeunern L. und Gerste K. spielte, gesellte sich der Textilvertreter W. zu ihnen, aus dessen Gespräch sie erfuhren, daß er seinen Kraftwagen auf der gegenüberliegenden Strassenseite abgestellt hatte und Ware bei sich führte; während der Unterhaltung mit W. riefen sich der Angeklagte und Gerste einerseits und der abseits stehende L. anderseits mehrfach etwas in der Zigeunersprache zu. Als die Wirtin Feierabend bot, verließ L. das Lokal, während die übrigen Anwesenden noch einige Minuten im Gespräch zusammenblieben. Unmittellbar nachdem schließlich auch der Angeklagte und Gerste gegangen waren, schritt die Wirtin ebenfalls zur Tür, die einen Spalt weit offenstand. Ihre Bemühungen, die Tür ganz zu öffnen, blieben zunächst erfolglos, weil der Angeklagte sie mit dem Fuß zuhielt. Ein erneuter gewaltsamer Versuch der Wirtin, die Tür zu öffnen, gelang. In diesem Augenblick löste sich Laubinger, der sich an dem Kraftwagen W. zu schaffen gemacht hatte, mit einer Tasche und einer Wolldecke über dem Arm von dem Wagen ab. Die drei Zigeuner liefen nun schnell in derselben Richtung davon. W., der sie noch eilends davonstreben sah, stellte fest, daß von dem hinteren Sitz des Kraftwagens Sachen fehlten und nahm sofort die Verfolgung, auf. Als er aus dem ihn blendenden Schein einer Strassenlaterne kam, trat ihm Gerste im Dunkeln entgegen, hielt ihn zunächst mit Worten auf und holte dann mit der Hand zum Schlage aus, um ihn an der weiteren Verfolgung zu hindern. Hiergegen setzte sich W. zur Wehr und warf den Angreifer zu Boden. Als er über ihm kniete, kam der Angeklagte lautlos hinzu, schlug zunächst mit der Faust auf W. ein und trat ihn dann mehrmals mit der Schuhspitze gegen den Kopf, wodurch er eine Platzwunde am Auge davontrug.
Die Strafkammer hält den Schluß für gerechtfertigt, daß der Angeklagte von Anfang an im Einverständnis mit L. und Gerste handelte und den Diebstahl aus dem Kraftwagen als seine eigene Tat wollte. Seine Einschaltung in das Geschehen sei spätestens in dem Augenblick erfolgt, als er beim Verlassen der Wirtschaft den L. am Wagen beschäftigt sah und darauf sogleich die Tür zuhielt. Es stehe darüber hinaus zu vermuten, daß die Tat schon im Lokal zwischen den Beteiligten besprochen und geplant worden sei. Der Angeklagte sei daher Mittäter des von L. durchgeführten Diebstahls.
Diese Auffassung begegnet rechtlichen Bedenken. Der Tatrichter hat sich trotz seiner Verdachtsgründe nicht davon überzeugen können, daß der Diebstahl schon in der Gastwirtschaft verabredet worden ist. Sicher erscheint ihm nur, daß der Angeklagte, als er beim Verlassen der Wirtschaft den L. am Wagen beschäftigt sah, den Entschluß faßte, dessen Diebstahl als eigene Tat mitzumachen, und diesen Entschluß sogleich durch Zuhalten der Tür betätigte. Dieses Verhalten während des Diebstahls stellt sich indessen möglicherweise nicht als Mittäterschaft, sondern nur als Beihilfe dar.
Mittäterschaft kann nämlich nicht schon durch das Einverständnis mit der Tat eines anderen und die Betätigung eines solchen Einverständnisses begründet werden. Erforderlich ist vielmehr, daß jeder Beteiligte seine eigene Tätigkeit durch die Handlung des anderen vervollständigen und auch diese sich zurechnen lassen will, daß somit alle, in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken handeln (RGSt 58, 279; 71, 24 f). Die Strafkammer hat indessen keine Feststellungen darüber getroffen, ob L. bei der Wegnahmehandlung die unterstützende Tätigkeit des Angeklagten überhaupt wahrgenommen hat. Hat er diese gar nicht bemerkt, oder war sie ihm gleichgültig, etwa weil er sie zur Durchführung seiner Absicht für nicht mehr erforderlich hielt, so fehlte ihm das Bewußtsein oder der Wille, daß neben ihm auch noch der Angeklagte als Täter wirke, mangelt es mithin von seiner Seite aus an der erforderlichen Gemeinschaftlichkeit des Tatentschlusses. Da der Angeklagte mangels eigener Verwirklichung des Tatbestandes nicht Nebentäter des Diebstahls sein kann, ist er somit möglicherweise nur Gehilfe gewesen, - und zwar auch dann, wenn er als Entgelt für seine Mitwirkung an der Beute beteiligt zu werden hoffte.
Der Diebesgehilfe aber kann nur dann Täter des Verbrechens gegen § 252 StGB sein, wenn er sich im Besitze des gestohlenen Gutes befindet, - was beim Beschwerdeführer nicht der Fall war.
"Bei einem Diebstahl" kann nicht nur der Dieb und sein Mittäter, sondern auch der Gehilfe betroffen werden; denn da er sich vom Täter nicht durch die Art seines Tatbeitrags, sondern nur durch seine Willensrichtung unterscheidet, mag eben er es sein, der die Wegnahme durchführt: aber auch wenn er sich auf eine Förderung der Wegnahmehandlung beschränkt, kann seine räumliche Beziehung zu dieser so nahe sein, daß seine unmittelbare Beteiligung am Diebstahl für den hinzukommenden Beobachter offen zutage liegt.
Nach vollendetem Diebstahl muß der Täter des Verbrechens gegen § 252 StGB indessen Gewalt gegen eine Person verübt oder eine gefährliche Drohung angewendet haben, um "sich" im Besitze des gestohlenen Gutes zu erhalten. Dieses Merkmal kann nicht den klaren Worten des Gesetzes zuwider dahin ausgelegt werden, daß auch die Absicht genüge, einen anderen im Besitze der Beute zu erhalten (vgl. RGSt 67, 266; BGHSt 4, 238 f [BGH 23.04.1953 - 3 StR 219/52]). Die zweite Stufe des Tatbestandes setzt somit voraus, daß der Täter die Beute besitzt. Unter dem Besitz des gestohlenen Gutes ist dabei ersichtlich die tatsächliche Innehabung zu verstehen. Der Diebesgehilfe aber befindet sich nur dann im Besitze der Beute, wenn er selbst sie in seiner Gewalt hat, - sei es, daß er selbst sie mit Gehilfenvorsatz weggenommen hat, sei es, daß sie ihm vom Diebe alsbald nach der Wegnahme übergeben worden ist; denn ihm kann nicht, wie dem Mittäter, das Tun und somit auch der Besitz des Täters als eigenes Verhalten zugerechnet werden. Demgemäß kann der Gehilfe die im Gesetz vorausgesetzte Absicht, "sich" im Besitze des gestohlenen Gutes zu erhalten, nur dann hegen, wenn er selbst die tatsächliche Gewalt darüber ausübt (vgl. Maurach, Bes.Teil S. 204).
Auf Grund der bisherigen Feststellungen durfte der Beschwerdeführer somit nicht als Täter eines Verbrechens gegen § 252 StGB verurteilt werden. Eine solche Verurteilung würde, da er die entwendeten Sachen nicht besaß, nur dann in Betracht kommen, wenn er Mittäter Lau. gewesen wäre. Mittäterschaft könnte - den Mittäterwillen auch auf Seiten Lau. vorausgesetzt - nicht nur durch das Zuhalten der Tür, sondern auch noch durch die Gewaltanwendung gegen Wit. begründet worden sein; denn der Diebstahl war im Zeitpunkt dieser Gewaltanwendung zwar rechtlich vollendet, aber noch nicht beendet, und die Teilnahme an fremder Tat ist bis zu deren tatsächlicher Beendigung möglich (RGSt 71, 194; RG JW 1934, 837 Nr. 8; HRR 1940 Nr. 467; OGHSt 3, 3).
Der Beihilfe zum räuberischen Diebstahl kann der Angeklagte sich nur dann schuldig gemacht haben, falls der Dieb Lau. die Gewaltanwendung kannte und als eigene Handlung wollte; denn auch unter der Geltung des Grundsatzes begrenzter Abhängigkeit (§ 50 Abs. 1 StGB) setzt die Teilnahme eine Verwirklichung des äusseren Straftatbestandes, durch den Täter voraus (vgl. BGHSt 1, 132 f, 370; 4, 357). In dieser Hinsicht enthält das angefochtene Urteil indessen keine Feststellungen. Hat Lau. die Gewalttätigkeit des Angeklagten nicht gebilligt, so kommt für diesen - falls er nicht Mittäter des Diebstahls war - eine Verurteilung wegen, gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung, gegebenenfalls im weiteren Zusammentreffen mit Beihilfe zum Diebstahl oder mit Begünstigung (vgl. BGHSt 4, 133 [BGH 23.04.1953 - 4 StR 743/52]), in Betracht.