Selbstverwaltung der Gemeinden
Gemeindeordnungen der Bundesländer
1 Einführung
Gemeinden sind Körperschaften des öffentlichen Rechts (Gebietskörperschaften). Als diese steht ihnen gemäß Art. 28 Abs. 2 GG das Recht zu, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln (gemeindliche Selbstverwaltung). Dazu gehören alle örtlichen Angelegenheiten, die nicht kraft Gesetzes anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind.
2 Inhalt der Selbstverwaltung
Inhalt der Selbstverwaltung der Gemeinden ist die selbstständige Verwaltung der eigenen, örtlichen Angelegenheiten durch die Gemeinde unter eigener Verantwortung. Es besteht nur eine Rechtsaufsicht des Staates. Selbstverwaltungsaufgaben sind von den Gemeinden aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Die Widerspruchsentscheidung ergeht durch die Gemeinde selbst.
Der Schutzbereich der »Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft« erstreckt sich auf Angelegenheiten, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben. Der Schutz wird jedoch nur im Rahmen der Gesetze gewährleistet, d.h. es besteht ein allgemeiner Gesetzesvorbehalt, der zu folgenden Schranken führt:
Ein Eingriff in den Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts ist unzulässig:
Bei der Bestimmung des Kernbereichs ist gemäß des Wortlauts des Art. 28 Abs. 2 GG davon auszugehen, dass den Gemeinden grundsätzlich alle Aufgaben übertragen sind, die nicht bereits kraft Gesetzes anderen Trägern öffentlicher Verwaltung übertragen sind. Dazu gehören u.a.:
die Organisationshoheit
die Personalhoheit
die Finanzhoheit
die Planungshoheit, z.B. das Gemeindliche Einvernehmen
Hinweis:
Eine Gemeinde kann im Rechtsstreit gegen einen Planfeststellungsbeschluss nur eigene Rechte und schutzwürdige Belange geltend machen, nicht aber Rechte Dritter und Belange des Gemeinwohls (BVerwG 28.04.2016 – 9 A 8.15).
die Rechtsetzungshoheit
die Daseinsvorsorge
Der Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie ist tangiert, wenn die Vorgaben des Gesetzgebers eine eigenständige organisatorische Aufgabenerfüllung ersticken, sei es, dass die Gemeinde aus der Verantwortung verdrängt wird, sei es, dass sie keinen organisatorischen Spielraum zur Aufgabenbewältigung mehr hat (BVerwG 06.04.2005 – 8 CN 1/04).
Sonstige Eingriffe sind nur zulässig, wenn sie verhältnismäßig sind.
Zur Verwirklichung der Selbstverwaltung haben die Gemeinden das Recht, Satzungen zur Regelung ihrer Angelegenheiten zu erlassen. Die gemeindliche Selbstverwaltung wird daneben durch folgende Rechte gewährleistet:
Das Recht der Gemeinden, einen Anteil am Steueraufkommen zu erhalten (Art. 106 Abs. 5 – 8 GG).
Das Recht der Gemeinden zur Einrichtung einer Volksvertretung (Art. 28 Abs. 1 S. 2 – 4 GG).
Das Recht der Gemeinden zur Erhebung einer Kommunalverfassungsbeschwerde (Art. 94 Abs. 1 Nr. 4b GG).
Es werden folgende Aufgaben der Gemeinde unterschieden:
Selbstverwaltungsaufgaben (eigener Wirkungskreis):
Pflichtaufgaben
Freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben
Übertragener Wirkungskreis (mittelbare Staatsverwaltung):
Pflichtaufgaben nach Weisung
Auftragsangelegenheiten
3 Kämmerer
Bei dem Kämmerer handelt es sich um den Leiter des Finanz- und Rechnungswesens einer Gemeinde.
Für Nordrhein-Westfalen besteht folgende Rechtslage:
Eine Kommune ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Leitung des Finanz- und Rechnungswesens auf einen Kämmerer zu übertragen. Jedoch sind mit der Funktionsbezeichnung Kämmerer in der Gemeindeordnung NRW bestimmte Rechte und Pflichten verbunden, die so für den für das Finanzwesen zuständigen Beschäftigten nicht bestehen.
Gemäß § 70 GO NRW ist er neben dem Bürgermeister und ggf. bestellten Beigeordneten Teil der Verwaltungsleitung.
Die Funktion des Kämmerers kann z.B. in Nordrhein-Westfalen aufgrund folgender Rechtsverhältnisse ausgeübt werden:
Er kann als Beigeordneter (Wahlbeamter) tätig sein. Hier erfolgt eine Wahl durch den Stadtrat. Gemäß § 71 Abs. 4 GO NRW besteht für kreisfreie Städte die Verpflichtung, einen Beigeordneten als Kämmerer zu bestellen.
Es kann sich um einen (»normalen«) Beamten auf Lebenszeit handeln, der auf diesen Dienstposten der Leitung des Finanz- und Rechnungswesens versetzt/umgesetzt wird.
Es kann sich um einen Angestellten handeln, der nach Tarifrecht (TVöD-VKA) eingruppiert ist.
Ein bestellter Kämmerer hat die Zuständigkeit und das Recht alle Aufgaben durchzuführen, die ihm durch Gesetz zugewiesen sind. Insoweit ist die Bestellung eine Kämmerers nicht als bloßen Ausfluss der Organisationshoheit des Bürgermeisters gemäß § 62 Abs. 1 S. 3 GO NRW sehen, weil es sich bei der Funktion des Kämmerers um eine herausgehobene Stellung innerhalb der Verwaltung handelt (z.B. das Recht auf Stellungnahme gegenüber dem Rat wenn der Bürgermeister vom aufgestellten Entwurf abweicht).
Sofern der Kämmerer Beigeordneter ist, kann er nur durch den Rat bestellt und abberufen werden.
4 Gemeindeverbände
Auch die Gemeindeverbände (z.B. [Land-]Kreise) haben gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 2 GG im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung.
Anders als den Gemeinden wird ihnen aber kein bestimmter Aufgabenbereich gewährleistet. Die Zuweisung eines Aufgabenbereichs obliegt allein dem Gesetzgeber. Bei dieser Zuweisung darf es sich nach der Entscheidung BVerfG 09.03.2007 – 2 BvR 2215/01 nicht durchweg um an sich staatliche Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises handeln. Der Gesetzgeber muss den Kreisen vielmehr auch bestimmte Aufgaben als eigene Selbstverwaltungsaufgaben, also als kreiskommunale Aufgaben des eigenen Wirkungskreises, zuweisen.
5 Rechtsschutz
Eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts kann mit der Kommunalverfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Landesverfassungsgerichtshof des jeweiligen Bundeslandes angegriffen werden.
Beispiel:
So wurde im Rahmen einer Kommunalverfassungsbeschwerde mit dem Urteil BVerfG 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04 die in § 44b SGB II geregelte Pflicht der Kreise zur Aufgabenübertragung der Leistungen nach dem SGB II auf die Arbeitsgemeinschaften und die einheitliche Aufgabenwahrnehmung von kommunalen Trägern und der Bundesagentur für Arbeit in den Arbeitsgemeinschaften als mit Art. 28 Abs. 2 GG unvereinbar angesehen. Die Pflicht verletzte die Gemeindeverbände in ihrem Anspruch auf eigenverantwortliche Aufgabenerledigung und verstieß gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes (Mischverwaltung).
Die Rechtslücke wurde mit der Einfügung des Art. 91e GG geschlossen. Die Norm bestimmt, dass bei der Ausführung von Bundesgesetzen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende Bund und Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Gemeinden und Gemeindeverbände in der Regel in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirken. Die Regelung schafft die verfassungsrechtliche Grundlage für die Fortsetzung der Aufgabenwahrnehmung der aus den Agenturen für Arbeit und den kommunalen Trägern bestehenden Arbeitsgemeinschaften in gemeinsamen Einrichtungen.