Berufsausbildung - Kündigung
TVAöD (BBiG), TVAöD (Pflege)
TVA-L BBiG
TVA-L Pflege
1 Allgemein
Ein Berufsausbildungsverhältnis kann wie folgt gekündigt werden:
In der Probezeit: Jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist (§§ 20, 22 Abs. 1 BBiG)
Nach der Probezeit:
Durch den Ausbildenden:
Die ordentliche Kündigung ist ausgeschlossen, das Ausbildungsverhältnis kann nur bei Vorliegen der Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 BGB gekündigt werden.Durch den Auszubildenden:
Ordentliche Kündigung ist möglich mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen, wenn die Berufsausbildung aufgeben werden soll oder der Auszubildende sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will. Daneben kann bei Vorliegen der Voraussetzungen natürlich immer außerordentlich gekündigt werden.
2 Außerordentliche Kündigung des Ausbildenden
Zum einen sind an den Kündigungsgrund strengere Anforderungen zu stellen:
»Bei der Prüfung der Kündigungsrelevanz vertragswidriger Verhaltensweisen eines Auszubildenden kann dabei jedoch nicht von denselben Maßstäben ausgegangen werden, die bei Arbeitsverhältnissen erwachsener Arbeitnehmer angelegt werden (…). Strengere Anforderungen als bei erwachsenen Arbeitnehmern sind auch deshalb gerechtfertigt, weil es sich bei Auszubildenden nicht selten (…) um ältere Jugendliche und Heranwachsende handelt, deren geistige, charakterliche und körperliche Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist« (LAG Köln 08.01.2003 – 7 Sa 852/02).
Zum anderen ist die Interessenabwägung stärker auf den Auszubildenden zu fokussieren:
Im Rahmen der Interessen des Auszubildenden sind die bisherige Dauer der Ausbildung, sein Alter sowie die Lage auf dem Ausbildungsmarkt zu berücksichtigen. Insbesondere bei einer Kündigung im dritten Ausbildungsjahr sind an den Kündigungsgrund hohe Anforderungen zu stellen.
So ist die fristlose Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses als nicht gerechtfertigt beurteilt worden, da die Ausbildungszeit zu mehr als 80 % abgelaufen war und nur noch eine Theoriephase vor der Abschlussprüfung anstand (LAG Rheinland-Pfalz 20.11.2018 – 8 Sa 24/18).
Vor dem Ausspruch einer verhaltensbedingtenaußerordentlichen Kündigung ist der Auszubildende abzumahnen, es sei denn aufgrund der Schwere des Verstoßes ist dies entbehrlich.
Zu den Voraussetzungen einer Verdachtskündigung gegenüber einem Auszubildenden siehe dort.In dem Kündigungsschreiben ist der die Kündigung rechtfertigende wichtige Grund anzugeben:
»Zur Begründung der außerordentlichen Kündigung gegenüber einem Auszubildenden kann sich der Ausbilder wegen § 22 Abs. 3 BBiG nur auf diejenigen Gründe berufen, die konkret und nachvollziehbar im Kündigungsschreiben selbst oder in einer Anlage zu diesem Kündigungsschreiben angegeben sind. Das schließt ein Nachschieben von dort nicht aufgeführten Kündigungsgründen selbst dann aus, wenn nachgeschobene Kündigungsgründe bereits im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs vorhanden waren, dem Ausbildenden jedoch erst nachträglich bekannt geworden sind« (LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2013 – 10 Sa 518/12;LAG Rheinland-Pfalz 17.01.2008 – 10 Sa 845/06).
Die Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie der Betriebsrat sind zu beteiligen.
Vor der Erhebung der Kündigungsschutzklage muss der Auszubildende gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG ein Schlichtungsverfahren vor der zuständigen Stelle (§ 71 BBiG) durchführen. Ist bei der zuständigen Stelle kein Schlichtungsausschuss eingerichtet, so kann sogleich Klage erhoben werden.
Wird der Schlichtungsspruch nicht anerkannt, so kann gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG der Auszubildende innerhalb von zwei Wochen nach dem ergangenen Spruch Klage erheben.
3 Kündigung des Auszubildenden
Das Ausbildungsverhältnis kann vom Auszubildenden gemäß § 22 BBIG unter Einhaltung einer vierwöchigen Kündigungsfrist schriftlich gekündigt werden. Voraussetzung ist, dass der Auszubildende im Zeitpunkt der Kündigungserklärung die Berufsausbildung aufgeben will oder die Berufsausbildung wechseln will.
Dabei hat das BAG nunmehr die Frage entschieden, ob die vierwöchigen Kündigungsfrist für beide Seiten zwingend ist:
»Die vierwöchige Kündigungsfrist des § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG (…) darf also nicht durch Vereinbarungen zwischen den Parteien des Ausbildungsverhältnisses zulasten des Auszubildenden verlängert werden. Diese Frist ist aber als Höchstkündigungsfrist nur einseitig zwingend. Deshalb darf der Auszubildende bei einer Berufswechselkündigung das Ausbildungsverhältnis zu dem von ihm beabsichtigten Zeitpunkt der Aufgabe der Berufsausbildung auch mit einer längeren als der gesetzlich normierten Frist von vier Wochen kündigen« (BAG 22.02.2018 – 6 AZR 50/17).
4 Kündigung minderjähriger Auszubildender
Die Kündigung eines minderjährigen Auszubildenden muss gegenüber dessen Eltern bzw. sonstigen gesetzlichen Vertreter, z.B. dem alleinsorgeberechtigtem Elternteil, ausgesprochen werden (LAG Schleswig-Holstein 20.03.2008 – 2 Ta 45/08).
Denn: Nach dem Gesetzeswortlaut erstreckt sich die Befugnis des § 113 BGB nur auf die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses.
»Eine gegenüber einem nach § 106 BGB in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkten Minderjährigen abgegebene schriftliche Willenserklärung geht zu (…), wenn sie mit dem erkennbaren Willen abgegeben worden ist, dass sie seinen gesetzlichen Vertreter erreicht, und wenn sie tatsächlich in den Herrschaftsbereich des Vertreters gelangt. Sie muss mit Willen des Erklärenden in Richtung auf den gesetzlichen Vertreter in den Verkehr gelangt sein und der Erklärende muss damit gerechnet haben können und gerechnet haben, sie werde - und sei es auf Umwegen - den von ihm bestimmten Empfänger erreichen« (BAG 08.12.2011 – 6 AZR 354/10).
Zu der Frage des wirksamen allgemeinen Zugangs der Kündigung siehe den Beitrag »Kündigung - Arbeitsrecht - Zugang«.
5 Schadensersatz
Hat bei der Kündigung die jeweils andere Vertragspartei einen Grund für die Kündigung geliefert, so besteht gemäß § 23 BBIG ein Anspruch auf Schadensersatz, der jedoch einer Ausschlussfrist von drei Monaten unterliegt.
Die Höhe des Schadensersatzes beläuft sich auf die Ausbildungsvergütung, die bis zum Ende des Ausbildungsverhältnisses angefallen wäre. Dabei ist jedoch das Einkommen anzurechnen, das der Auszubildende in dieser Zeit durch eine andere Tätigkeit erhalten hat (BAG 08.05.2007 – 9 AZR 527/06).