Keine Insolvenzanfechtung, wenn andere Stelle des gleichen Finanzamtes drohende Insolvenz kennt

Keine Insolvenzanfechtung, wenn andere Stelle des gleichen Finanzamtes drohende Insolvenz kennt
15.10.2013704 Mal gelesen
Kenntnisse der Umsatz- und Einkommensteuerstelle eines Finanzamts über die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sind nach Ansicht des Oberlandesgerichts Nürnberg einer organisatorisch und personell getrennten Vollstreckungsstelle für Kraftfahrzeugsteuer desselben Finanzamts nicht zuzurechnen.

Rechtshandlungen, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, kann der Insolvenzverwalter, wenn der andere Teil, also der Gläubiger, zur Zeit der Handlung diesen Vorsatz kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der Gläubiger wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Ist der Gläubiger eine natürliche Person, ist oft leicht festzustellen, ob diese Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung vorliegen oder nicht. Was ist aber, wenn der Gläubiger eine größere juristische Person mit vielen Mitarbeitern und Abteilungen ist. Ist die Kenntnis der einen Abteilung dann der gesamten juristischen Person zuzurechnen? Das Oberlandesgericht Nürnberg musste sich mit der Frage beschäftigen, ob dies beim Finanzamt der Fall ist.

 

Ein Insolvenzverwalter fordert vom Finanzamt Rückzahlung von vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gezahlter Kraftfahrzeugsteuer aufgrund einer Insolvenzanfechtung. Vor dem Landgericht hatte er mit seiner Klage Erfolg.

 

Das Oberlandesgericht wies die Klage des Insolvenzverwalters ab.

Eine Kenntnis des Finanzamtes von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin und der Gläubigerbenachteiligung könne nicht daraus gefolgert werden, dass es sich das Wissen aller seiner Behörden zurechnen lassen müsse. Es komme auf das Wissen des jeweils zuständigen Bediensteten der zuständigen Behörde an.

Zwar habe die Rechtsprechung institutionellen Gläubigern Beobachtungs- und Erkundigungspflichten auferlegt, die an besondere Umstände anknüpfen. Dies bedeute aber nicht, dass das Finanzamt sich das Wissen aller Untergliederungen einer Behörde zurechnen lassen müsse. Vielmehr komme es auf eine wertende Betrachtung an.Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Wissenszurechnung sei zwischen Dienststellen desselben Finanzamts, die organisatorisch, personell und nach ihren sachlichen Aufgaben getrennt arbeiten, eine Zurechnung aktenkundiger Tatsachen nur dann zulässig, wenn ein sachlich begründeter Anlass bestanden habe, diese Tatsachen einander mitzuteilen. Unter Berücksichtigung dieser Abgrenzungskriterien komme eine Zurechnung der bei der Umsatz- und Einkommenssteuerstelle vorhandenen Erkenntnisse über die Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin nicht in Betracht. Bei der Sondervollstreckungsstelle für die Kraftfahrzeugsteuer handele es sich um eine organisatorisch, sachlich und personell getrennte Einheit innerhalb des Finanzamts Fürth, die in einem vereinfachten Massenverfahren ohne Aktenführung Pfändungen vornehme und Vollstreckungsaufträge an Vollziehungsbeamte ausreicht.

Ein Anfechtungsgrund sei daher nicht gegeben.

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Fazit: Die Frage, ob eine Insolvenzanfechtung berechtigt ist, oder nicht, bedarf sorgfältiger Untersuchung. Im Zweifelsfall fragt man seinen Anwalt um Rat, bevor dem Verlangen des Verwalters nachkommt.

(Quelle: Oberlandesgericht Nürnberg, Urteil vom 09.01.2012; 4 U 931/11

Vorinstanz: Landgericht Ansbach, Urteil vom 08.04.2011; 2 O 1204/10)

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