Das Oberlandesgericht Stuttgart hat abermals mit Urteil vom 27.10.2010 - 9 U 148/08 in bemerkenswerter Klarheit eine deutsche Großbank wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Swap-Geschäfts verurteilt.
Das Gericht stellt in seiner Entscheidung klar, die beklagte Bank habe u.a. nicht darauf hingewiesen, dass die Risiken und Erfolgsaussichten des Geschäfts für den Anleger nur mit Hilfe anerkannter Bewertungsmodelle und gerade nicht ausschließlich auf der Zinsmeinung des Anlegers bewertet werden können. Weiterhin bemängelt das Gericht, die Bank habe über Höhe und Bedeutung des anfänglichen (negativen) Marktwerts nicht aufgeklärt und schließlich nicht auf den Vertragscharakter als hoch spekulatives Glücksspiel und die unfaire Verteilung der Gewinnchancen hingewiesen. Das Gericht bezeichnet das Geschäft sogar als gefährlich und unseriös.
Bei der Vertragskonstruktion trug der Anleger, ein kommunaler Zweckverband, gemäß den Ausführungen des OLG Stuttgart ein Vielfaches an Risiko im Vergleich zu der deutschen Großbank. Diese konnte ohne Ausgleichszahlung halbjährlich das Vertragsverhältnis beenden und sah sich maximalen Verlustrisiken in Höhe von EUR 25.000,00 pro Halbjahr ausgesetzt, wohingegen der Anleger kein ordentliches Kündigungsrecht besaß und sich von Beginn an einem maximalen Verlustrisiko in Höhe von EUR 1 Mio. ausgesetzt sah. Über dieses strukturelle Ungleichgewicht wurde der Anleger in Unkenntnis gelassen.
Weiterhin sind nach Auffassung des Gerichts die tatsächlichen Risiken eines solchen Geschäfts für einen nicht professionellen Marktteilnehmer nicht transparent.
Das Gericht geht sogar so weit, der Bank in seinen Entscheidungsgründen eine heimliche Selbstbedienung am Vermögen des Kunden vorzuwerfen, da diese in der Lage war, ihre eigene Vergütung aus dem Geschäft selbst in beliebiger Höhe zu berechnen, ohne dass dies dem Kunden erkennbar war.
Schließlich kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Bank weder anlage- noch anlegergerecht beraten und sich daher schadensersatzpflichtig gemacht hat.
Diese Entscheidung kann daher zahlreichen Swap-Geschädigten Hoffnung auf Ersatz des ihnen entstandenen oder ihnen drohenden Schadens machen.
Rechtsanwalt Siegfried Reulein ist Inhaber der KSR | Kanzlei Siegfried Reulein, Pirckheimerstraße 33, 90408 Nürnberg, Telefon: 0911/760 731 10, E-Mail: s.reulein@ksr-law.de. Schwerpunktmäßig ist RA Reulein seit Jahren auf dem Rechtsgebiet des Kapitalanlagerechts, des Bankrechts sowie des Anlegerschutzes tätig. Dort ist er hauptsächlich mit der Geltendmachung von Ansprüchen aufgrund der Vermittlung von Zertifikaten, der Rückabwicklung von Fondsanlagen aller Art, insbesondere Immobilienfonds, atypisch stiller Beteiligungen sowie mit der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen Banken, Anlagevermittler, Anlageberater und Prospektverantwortliche, gerade auch aus dem Kauf einer Schrottimmobilie befasst.