Klinsmann Satire - "Die vielleicht schlimmste Entgleisung" seit es Medien gibt?

Medien- und Presserecht
08.07.20091126 Mal gelesen

Der Entscheidung des Landgericht München I, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen, ist zuzustimmen, da offensichtlich das Medieninteresse an der Veröffentlichung der Fotomontage dem Persönlichkeitsrecht des Antragstellers überwiegt.  

Eine gegenteilige Entscheidung würde im Widerspruch zu der inzwischen umfangreichen, einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung stehen und wäre auch mit dem Zeitgeist einer digitalen Welt unvereinbar. (vgl. Caroline, Soraya, Esra).

Beachtlich erscheint daher der Vortrag des Antragstellers, dass die Darstellung seiner Person als Gekreuzigter "die vielleicht schlimmste Entgleisung" gewesen sei, die es "in den Medien jemals gegeben hat".

Diese Ansicht kann nicht geteilt werden. Insbesondere fehlt es bereits an einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Antragstellers.

Rechtswidrigkeit der Bildveröffentlichung

Der Antragsteller hätte - um erfolgreich aus dem Verfahren hervorzugehen - zunächst nachweisen müssen, dass die Veröffentlichung der Fotomontage sein Persönlichkeitsrecht verletzt. Dieser Nachweis schlug fehl, da zwar der Schutzbereich seines Persönlichkeitsrechts eröffnet war, dieser Eingriff jedoch letztlich sachlich durch das Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung gerechtfertigt war.

Die Richter betonten, dass eine Berührung der schutzwürdigen Interessen vorliegend angenommen werden könne, da jedermann das Recht auf einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung habe, ohne dass Dritte darauf Einfluss nehmnen können. Allerdings müsse man als Person der Zeitgeschichte angesichts der heutigen Reizüberflutung aller Art auch mal einprägsame und starke Formulierungen hinnehmen.
Dies gelte auch für Äußerungen, die in scharfer und abwertender Kritik bestehen, mit übersteigerter Polemik vorgetragen werden oder in ironischer Weise formuliert sind, sofern dies dem Meinungskampf diene und nicht die Verunglimpfung der Person im Vordergrund stehe.

Der Antragsteller ist zweifelsohne eine Person der Zeitgeschichte, nach dem eigens einberaumten Brennpunkt im Anschluss an die Tagesschau nach seiner vorzeitigen Entlassung als Trainer des Bundesligisten Bayern München wohl auch eine absolute Person der Zeitgeschichte. Die Einordnung ließ das Gericht offen, dürfte aber mit dem Brennpunkt auf einem öffentlich - rechtlichen Sender beantwortet sein. Jedenfalls sind bei einer Person der Zeitgeschichte in einer demokratischen Presselandschaft andere Maßstäbe anzusetzen als dies bei einem Privatmann der Fall wäre, schließlich machen sich nicht wenige Personen der Zeitgeschichte das Pressegeschehen zu nutzen, um daraus finanzielle Vorteile zu erlangen.

Der Antragsteller trägt vor, durch die Bildveröffentlichung insbesondere in seiner religiösen Individualität auf das Massivste und Unerträglichste verletzt worden zu sein. Dies eröffnet den Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts. Zumindest sind hierdurch berechtigte Interessen Klinsmanns dargelegt.

Verletzung des Persönlichkeitsrechts

Diese schutzwürdigen Belange müssten auch tatsächlich verletzt worden sein. Dies wäre dann anzunehmen, wenn die Veröffentlichung der Satire durch nichts zu rechtfertigen gewesen wäre.
Vorliegend steht dem Persönlichkeitsrecht Klinsmanns jedoch das Interesse der "Taz" an der Veröffentlichung entgegen - ein ureigenes Interesse jeder Tageszeitung. Erforderlich ist daher eine Abwägung der widerstreitenden Interessen.

Güterabwägung

Die Medienfreiheit und das Persönlichkleitsrecht haben den gleichen Rang, so dass im Konfliktfall eine Interessenabwägung stattfinden muss.

Meinungsäußerung - Tatsachenbehauptung

Zu berücksichtigen war vorliegend der Umstand, dass die Fotomontage richtigerweise als Meinungsäußerung qualifiziert wurde.

Eine Meinungsäußerung liegt vor, wenn sie nicht dem Beweis zugänglich ist, sondern vom Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet ist, wenn also eine subjektive Beziehung des Einzelnen zum Inhalt der Aussage zum Ausdruck kommt.

Liegt eine Meinungsäußerung vor, kann daher eine Presseveröffentlichung und damit das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegen, wenn nicht Belange des Persönlichkeitsschutzes überwiegen.

Satire und Karikatur

Im Falle von Satire und Karikatur, die von der Natur der Sache die Darstellung der Dinge überzeichnen, kommt es für die Abgrenzung auf den Aussagekern an, der unter der satirischen Einkleidung steckt, BverfG NJW 2005, 3271 - 3273.

Vorliegend stand die überspitzte Darstellung des beruflichen Misserfolgs Klinsmanns im Vordergrund, nicht eine Herabwürdigung seiner religiösen Selbstbestimmung. Somit war die Darstellung zulässig und begegnet daher keinen rechtlichen Bedenken.

Fazit:

Eine begrüßenswerte und erwartungsgemäße Entscheidung, die geeignet scheint, den aktuell nicht zeitgemäßen Tendenzen wie sie etwa mit der "Esra"-Entscheidung einhergehen zu begegnen.

 


Datum: 29.04.2009
Autor: Gulden
Rubrik: Persönlichkeitsrecht
mehr über: Meinungsäußerungsfreiheit, Tatsachenbehauptung, Güterabwägung

Zum Urteil LG München 9 O 6897/09

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