EuGH-Generalanwalt zur Zuständigkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen von Unternehmen

EU-Wirtschaftsrecht
20.07.201751 Mal gelesen
Bei Angriffen auf das Persönlichkeitsrecht von Unternehmen soll der Interessensmittelpunkt einer Gesellschaft die Zuständigkeit des Gerichts bestimmen.

Geschäftsschädigung durch Verleumdungen im Internet

Bei Schäden für Unternehmen, die aufgrund von Verleumdungen im Internet eintreten, soll hinsichtlich des gesamten geltend gemachten Schadens in dem EU-Mitgliedstaat geklagt werden können, in dem sich der Mittelpunkt der unternehmerischen Interessen befindet. Mit dieser Argumentation tritt der EuGH Generalanwalt Michael Bobek für eine einheitliche und klare Zuständigkeitsregelung für Unternehmen ein, wie sie bereits für Klagen von natürlichen Personen besteht.

Estnisches Unternehmen landet auf schwarzer Liste

Geklagt hatte eine Gesellschaft mit Sitz in Tallinn, Estland, die einen Großteil ihrer Geschäfte in Schweden betreibt. Sie wurde durch eine schwedische Handelsvereinigung wegen "Täuschung und betrügerischen Handlungen" auf eine schwarze Liste im Internet gesetzt. In der Folge kam es zu zahlreichen Kommentierungen. Die Gesellschaft klagte vor dem obersten Gerichtshof in Tallinn gegen die schwedische Handelsvereinigung. Explizit ging es um die Entfernung der Eintragung und um eine Schadensersatzforderung von mehreren zehntausend Euro wegen Geschäftsschädigung.
Im Verlauf der Klage stellte sich die Frage nach der Zuständigkeit der estnischen Gerichte mit Blick auf unionsrechtliche Vorgaben.

Welches nationale Gericht ist zuständig?

Diese Frage gibt nun Anlass, generelle Zuständigkeitsregelungen innerhalb der EU durch den Europäischen Gerichtshof einheitlich zu regeln. Insbesondere bei Streitigkeiten um die Beeinträchtigung des Ansehens durch Veröffentlichungen im Internet herrscht bisher Uneinigkeit.

Nach den allgemeinen Regeln über die Zuständigkeit von Gerichten nach dem Unionsrecht muss der Beklagte dort verklagt werden, wo sich sein Wohnsitz befindet. Dies wäre im vorliegenden Fall Schweden. Allerdings gibt es auch eine besondere Zuständigkeitsregelung, wonach die Klage dort erhoben werden kann, in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.
Diese besondere Zuständigkeitsregel hat der EuGH bereits bei natürlich Personen angewendet. Der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, ist demnach in der Regel der Mitgliedstaat, in dem sich der Mittelpunkt der Interessen dieser Person befindet.

Unternehmen fordern Gleichstellung

Diese Zuständigkeitsregelung erlaubt es unter anderem auch, dass eine Klage wegen der in allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union eingetretenen Schäden bei dem Gericht eines Mitgliedstaates einzureichen. So wird verhindert, dass in jedem einzelnen Mittgliedstaat eine Klage erhoben werden muss.
Eine Anwendung dieser Rechtspraxis auch für in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzte Unternehmen fordert nun auch die klagende Gesellschaft aus Tallinn. Sie plädiert für eine Übertragung der Grundsätze bei natürlichen Personen auf juristische.

Auch Generalanwalt plädiert für klare Zuständigkeitsregel

Auch nach Ansicht des Generalanwalts Bobek solle ein Unternehmen, dass eine Persönlichkeitsschädigung durch Internetinhalte erfahren habe, vor den Gerichten des Mitgliedstaates klagen können, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befinde und dies auch hinsichtlich des gesamten geltend gemachten Schadens. Es gäbe keine Gründe dafür, eine Unterscheidung der besonderen Zuständigkeitsregeln zwischen natürlichen und juristischen Personen vorzunehmen.

Wie verbindlich ist die Meinung des Generalanwalts?

Hauptaufgabe der Generalanwälte am EuGH ist die Unterstützung der Richter in ihrer Entscheidungsfindung. Nach einer mündlichen Verhandlung unterbreiten sie öffentlich und unparteiisch einen Vorschlag hinsichtlich der Beurteilung des konkreten Sachverhaltes.
Ihre Vorschläge sind nicht verbindlich, es werden aber ähnliche vorherige Entscheidungen zusammengefasst. So entstehen Vorschläge für die Beurteilung des konkreten Falls. Dies erfolgt in Form eines Schlussantrages, der dem Gerichtshof vorgebracht wird.
Der Generalsanwalt schlägt somit eine unverbindliche Entscheidung vor, wie nach seiner Meinung der Rechtsstreit entschieden werden sollte.

Mit diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, wie sich die Richter am EuGH bei der Frage der Zuständigkeit der estnischen Gerichte im vorliegenden Fall entscheiden werden. Mit einer Entscheidung für eine einheitliche Anwendung der besonderen Zuständigkeitsregelung könnte in Zukunft für mehr Klarheit gesorgt werden.

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