BAG: Pflicht zur Zeiterfassung à la EuGH gilt bereits jetzt

Zeiterfassung
13.09.202278 Mal gelesen
BAG wartet nicht auf den Gesetzgeber: Die Pflicht zur Zeiterfassung à la EuGH gilt aufgrund europarechtskonformer Auslegung deutschen Rechts bereits jetzt!

Das Bundesarbeitsgericht hat heute eine für die Praxis bedeutsame, nahezu bahnbrechende Entscheidung getroffen. Es hat entschieden, dass Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet sind, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen (BAG, Beschluss vom 13.9.2022, 1 ABR 21/22, Pressemitteilung 35/22).

Das BAG begründet dies mit der europarechtskonfromen Auslegung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG, was eine offensichtliche Bezugnahme auf das bekannte Arbeitszeit-Urteil des EuGH vom 14.5.2019 – C-55/18 ist. 

Damit hat das BAG den zahlreichen, teilweise recht selbstsicher auftretenden Stimmen eine Abfuhr erteilt, die fest davon ausgegangen sind, dass das Urteil des EuGH durch den Gesetzgeber umgesetzt werden müsste, aber eine europarechtskonforme Auslegung nicht möglich sei (vgl. dazu bereits den Beitrag Zeiterfassung à la EuGH: "erst in Zukunft" vs. "schon jetzt").

Die Entscheidung ist für manch andere Arbeitgeber, die sie auch mit einer gewissen Anspannung entgegengesehen haben, unerfreulich. Dies gilt insbesondere, soweit solche Arbeitgeber eine Vertrauensarbeitszeit praktizieren, die auch schon bisherigen Vorgaben nicht unbedingt gerecht wird (siehe dazu den Beitrag Vertrauensarbeitszeit und Überstunden: BAG sieht Vergütungspflicht und lehnt pauschale Abgeltung ab). Für Betriebsräte und Arbeitnehmer ist die Entscheidung des BAG, auch wenn der am Verfahren beteiligte Betriebsrat unterlegen ist, eindeutig eine Verbesserung ihrer Rechtsposition bei der Zeiterfassung, die sich auch über das Arbeitsschutzrecht hinaus auswirken wird (vgl. dazu den Beitrag Auswirkungen der Zeiterfassung à la EuGH auf Vergütungsfragen?). 

Die Vorgeschichte der Entscheidung des BAG, die bisherige Rechtsprechung und die möglichen Auswirkungen stelle ich im Einzelnen im verlinkten Beitrag vor: BAG statt Gesetzgeber: Pflicht zur Zeiterfassung à la EuGH gilt bereits jetzt!