„Ausschweifende“ private Internetnutzung? Während der Arbeitszeit kündigungsrelevant!

„Ausschweifende“ private Internetnutzung? Während der Arbeitszeit kündigungsrelevant!
18.07.2014345 Mal gelesen
Das LAG Schleswig-Holstein hatte sich vor kurzem mit der Frage zu befassen, ob einem Arbeitnehmer auch nach 21 Jahren Betriebszugehörigkeit und ohne Abmahnung gekündigt werden kann, wenn dieser während der Arbeitszeit „ausschweifend“ das Internet privat nutzt.

Im Ergebnis hielt das LAG die Kündigung angesichts 17.429 gefundener Dateien (einschließlich umfangreicher Downloads von Filmen und Musik) und der durch die private Nutzung verursachte Beeinträchtigung für gerechtfertigt (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 06.05.2014 - 1 Sa 421/13).

Grundsätzlich kommt es bei der Bewertung der privaten Internetnutzung durch den Arbeitnehmer bei der Arbeit entscheidend darauf an, ob der Arbeitgeber die private Internetnutzung ausdrücklich verboten oder ausdrücklich erlaubt hat. In der Praxis gibt es nach wie vor oft keine klaren Regelungen durch den Arbeitgeber, aber seine stillschweigende Duldung zumindest eines begrenzten Nutzungsumfanges.

Das BAG hat bereits in einem Urteil vom 27.04.2006 (Az.: 2 AZR 386/05) festgestellt, dass ein Arbeitnehmer ganz erheblich gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoße, wenn er ein ausdrückliches und fortlaufend wiederholtes Verbot des Arbeitgebers missachte, das Internet privat zu nutzen und innerhalb von mehr als zwei Monaten fast täglich, insgesamt in erheblichem Umfang privat im Internet surfe. Ein solch hartnäckiger und uneinsichtiger Verstoß gegen die Weisung des Arbeitgebers, nicht während der Arbeitszeit mit den Arbeitsmitteln private Dinge zu treiben, rechtfertigte regelmäßig auch eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung.

Nach der Rechtsprechung des BAG kommt als kündigungsrelevante Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten bei einer privaten Nutzung des Internets ua. in Betracht:

das Herunterladen einer erheblichen Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme, insbesondere wenn damit einerseits die Gefahr möglicher Vireninfizierungen oder anderer Störungen des - betrieblichen - Betriebssystems verbunden sein können oder andererseits von solchen Daten, bei deren Rückverfolgung es zu möglichen Rufschädigungen des Arbeitgebers kommen könne, beispielsweise weil strafbare oder pornografische Darstellungen heruntergeladen würden; die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internetanschlusses als solche, weil durch sie dem Arbeitgeber möglicherweise - zusätzliche - Kosten entstehen könnten und der Arbeitnehmer jedenfalls die Betriebsmittel - unberechtigterweise - in Anspruch genommen habe (dieser Aspekt dürfte sich zwischenzeitlich deutlich relativiert haben, da Zusatzkosten im Zeitalter von Flatrates i.d.R. nicht entstehen); die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internets während der Arbeitszeit, weil der Arbeitnehmer während des Surfens im Internet zu privaten Zwecken seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringe und dadurch seine Arbeitspflicht verletzte.

Ist die private Nutzung ausdrücklich verboten, rechtfertigt ein Verstoß dagegen in der Regel die außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung.

Anders hat das BAG dies allerdings in einem Fall gesehen, in dem der Arbeitnehmer keine festen Arbeitszeiten hatte, die durch das Internetsurfen "ausgefallene" Arbeitszeit daher abends und am Wochenende nachholen konnte und nachgeholt hat, und er davon ausgehen durfte, dass der Arbeitgeber die private Internetnutzung trotz des Verbots nicht zum Anlass für eine Kündigung nehmen würde. Hier sollen weder außerordentliche noch ordentliche Kündigung zulässig sein, eine Abmahnung genüge (BAG 2 AZR 186/11).

Hat der Arbeitgeber keine Regelung zur privaten Nutzung des Internets getroffen, wird vertreten, dass der Arbeitnehmer sie für zulässig halten darf, solange seine Arbeitsleistung darunter nicht leidet.

Gestattet der Arbeitgeber das private Surfen in gewissem Umfang ausdrücklich oder duldet er es über einen längeren Zeitraum und gestattet es damit konkludent, setzt eine Kündigung nach einer Entscheidung des ArbG Wesel vom 21.03.2001 (Az.: 5 Ca 4021/00) voraus, dass der Arbeitnehmer dieses Maß so erheblich überschreite, dass aus seiner Sicht ein Einverständnis des Arbeitgebers schlechthin auszuschließen sei. Die Kündigung bedürfe dann in aller Regel auch der vorherigen Abmahnung.

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