OLG Hamm I-4 U 105/15 kein Rechtsmissbrauch LG Münster 025 O 63/15

Abmahnung
28.10.2017373 Mal gelesen
Als Antwort auf OLG Hamm I-4 U 105/15 entscheiden immer mehr Untergerichte auch im Bezirk des OLG Hamm, dass das dortige Vorgehen kein Rechtsmissbrauch war. Auch das LG Bochum, I-15 O 86/15, Urt. v. 05.07.2017, schloss sich der Wertung des LG Münster 025 O 63/15 nunmehr an.

Bundesweit hat das Urteil des OLG Hamm I-4 U 105/15 für große Unruhe gesorgt, weil es aufgrund der eigentlich überschaubaren Zahl von 43 Abmahnungen innerhalb von immerhin 14 Tagen Rechtsmissbrauch nicht nur erwog, sondern tatsächlich entschied. Normaler Weise sollte man annehmen, dass dies nur darauf beruhen kann, dass sich das abmahnende Unternehmen in besonders vorwerfbarer Weise verhielt, beispielsweise dass es in Wahrheit gar kein Wettbewerber ist, die Abmahnungen zur Erreichung anderer Zwecke instrumentalisierte oder gar mit seinen Anwälten gemeinsam kollusiv vorging, beispielsweise in der Weise, dass eine Gebührenfreistellung erfolgt oder das abmahnende Unternehmen an den Abmahnungen sogar wirtschaflich partizipiert. Doch weit gefehlt: Hier tätigt das abmahnende Unternehmen hohe sechsstellige Umsätze im Segment und zahlte für die Abmahnungen letztlich unstreitig sogar 35.700 € in Vorkasse an die beauftragten Anwälte. Auch war es so, dass die abgemahnten Unternehmen die Abmahnungen keineswegs völlig unvorbereitet erhielten, sondern vielmehr waren es grundsätzlich Folgeabmahnungen weil die Herstellerin, die zuvor ebenso berechtigt abgemahnt worden war, von sich aus nicht reagiert hatte und ihre Kunden noch nicht umgestellt hatte.

Konkret war es so, dass wir für unsere Mandantin im Mai 2015 die Firma Burg-Wächter wegen fehlender Herstellerkennzeichnung und irreführenden Werbeaussagen („umweltfreundlich produziert“ und ein Siegel „geprüfte Qualität“) abmahnten. Die Vorwürfe waren berechtigt. Weder war die Ware von Burg-Wächter „umweltfreundlich produziert“, noch hatte sie „geprüfte Qualität“ wie jeweils beworben. Weil Burg-Wächter keine Unterwerfung auf die Abmahnung erklärte, beantragten wir für unsere Mandantin sodann eine einstweilige Verfügung vor dem LG Hagen, die nach mündlicher Verhandlung auch erlassen wurde. 1,5 Monate nach der Abmahnung gegen Burg-Wächter ließ unsere Mandantin sodann auch einige Onlinehändler abmahnen, um die notwendigen Impulse zur Marktbereinigung zu geben. Insgesamt kam es dabei zu 71 Abmahnungen.

Hinsichtlich der 43 Abmahnungen, die das OLG Hamm zum Anlass seiner Wertung zu § 8 IV UWG nahm, obgleich diese schon per se nicht nach einer großen Masse klingen, muss man aber wissen, dass diese zudem in Relation zu über 3.500 nicht umgestellten Kunden von Burg-Wächter zu setzen waren, die Burg-Wächter also trotz eigener Abmahnung von sich aus nicht informiert hatte, dass die eigene Ware fehlerhaft ist.

Wie auch immer, dennoch kam es dann zur bezeichneten Entscheidung des OLG Hamm. Wie der Sachverhalt u.E. einzuordnen ist, hatten wir schon mehrfach berichtet, u.a. ist auf die Entscheidungen OLG Düsseldorf I-20 U 150/15 und LG Frankfurt 3-06 O 84/15 zu verweisen. Beide Gerichte bestätigten unsere Mandantin. Seitdem müssen sich die Untergerichte in Hamm immer wieder mit der Farge befassen, so auch das LG Münster 025 O 63/15 mit Urteil vom 07.07.2016. Als erstesInstanzgericht des OLG Hamm hat es sich sodann sehr treffend hierzu geäußert, ganz im Sinne der Rechtsmeinung unserer Mandantin, wie zuletzt auch das LG Bochum I-15 O 86/15, Urt. v. 05.07.2017.

 

Verkündet am 07.07.2016 

Landgericht Münster 025 O 63/15

 

IM NAMEN DES VOLKES 

 

Urteil 

 
 

In dem Rechtsstreit 

 

der P....... GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer, .....feld, 

Klägerin, 

 

Prozessbevollmächtigte: Faustmann ...Kollegen, ....., 4..... ..........f, 

 
 

g e g e n 

 
 

die F... ......r OHG, vertreten durch die Gesellschafter, Ses.... , 48161 Münster, 

Beklagte, 

 

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Krieger, Dr. Mes, Graf v. d. Groeben und Partner, Bennigsen-Platz 1, 40474 Düsseldorf, 

 

hat die 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster 

auf die mündliche Verhandlung vom 07.07.2016 

durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Ademmer 

und die Handelsrichter Hans und Knubel 

für Recht erkannt: 

 
 
 

Das Versäumnisurteil vom 14.04.2016 wird aufgehoben. 

 

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.141,90 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.07.2015 sowie weitere 5,99 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.08.2015 zu zahlen. 

 

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der durch die Säumnis im Termin vom 14.04.2016 bedingten Kosten, welche die Klägerin zu tragen hat. 

 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des insgesamt zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. 

 

T a t b e s t a n d : 

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Anwaltskosten in Anspruch. Sie ist Herstellerin und Importeurin und beliefert u. a. große Handelsketten mit Waren. Sie vertreibt auch Briefkästen in den Zwischenhandel. Die Beklagte vertreibt ebenfalls u. a. Briefkästen. So auch einen Briefkasten des Herstellers Burg-Wächter, auf dessen Verpackung des Typs „Classico“ (Art.-Nr. 8224740) mit einem „Prüfsiegel“ geworben wird, das die Aufschrift enthält: „Made in Germany – geprüfte Qualität (in größerer Schrift) Burg-Wächter Markenprodukt“. Es befinden sich auf dem Siegel auch drei Sterne in den Farben Schwarz, Rot und Gold. Hinsichtlich der genauen Gestaltung wird auf Blatt 4 der Gerichtsakte Bezug genommen. 

 

Des Weiteren verwendete die Beklagte in ihrem Online-Auftritt auf der Amazon.de-Plattform eine Widerrufsbelehrung, ohne das Muster Widerrufsformular zur Verfügung zu stellen. Ein solches lag auch nicht der Warenlieferung bei, die die Klägerin veranlasst hat. Darüber hinaus wird in der Widerrufsbelehrung keine 

Telefonnummer mitgeteilt, obwohl eine solche verfügbar ist. Innerhalb der von der Beklagten verwendeten AGB wird eine Klausel

„II. Besondere Bedingungen für den Warenverkauf

Vertragsschluss“

verwendet, in der es u. a. heißt: 

„Der Kunde hält sich für einen Zeitraum von zehn Kalendertagen an sein Angebot gebunden.“ sowie „Der Kaufvertrag kommt mit unserer separaten Auftragsbestätigung, oder der Lieferung der bestellten Waren zustande.“ 

Hinsichtlich des genauen Wortlauts der Klausel wird auf Blatt 5 der Akte Bezug genommen. Dabei bietet die Beklagte Vorkasse an. Bei einem durchgeführten Testkauf wurde die Forderung eingezogen, ohne dass eine gesonderte Vertragsannahme erfolgt ist. 

Die Klägerin mahnte mit Schreiben vom 23.06.2015 die Beklagte ab und machte diverse Verstöße gegen das UWG geltend und forderte die Beklagte zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung auf, die indes zunächst unterblieb. Bzgl. des Inhalts der gerügten Verstöße wird auf Blatt 30 der Gerichtsakte Bezug 

genommen. Daraufhin beantragte die Klägerin beim Landgericht Münster (24 O 37/15) den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Das Verfahren wurde nach zwei Unterlassungserklärungen der Beklagten letztlich für erledigt erklärt. 

 

Die mit der Abmahnung geltend gemachten Anwaltskosten belaufen sich basierend auf einem Streitwert von 30.000,00 € auf 1.141,90 €. Diese macht die Klägerin in diesem Verfahren geltend. Weiter verlangt die Klägerin 5,99 € für die Rücksendung des Testkaufs. 

 

Dieses Vorgehen hatte eine Vorgeschichte. Die Klägerin hatte zunächst den Hersteller der Briefkästen, die Firma Burg-Wächter in Anspruch genommen und am 11.05.2015 wegen der hier streitgegenständlichen Werbung und einer anderen Werbeaussage abgemahnt. Da die Firma Burg-Wächter die begehrte Unterwerfungserklärung nicht abgab, beantragte die Klägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht Hagen. Am 03.06.2015 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der die Kammer zu erkennen gab, die Unterlassungsansprüche für begründet zu halten. Da zu diesem Zeitpunkt die Klägerin nicht davon ausging, dass die Firma Burg-Wächter einlenken würde, ermittelte der Prozessvertreter der Klägerin am 04.06.2015 durch „Marktsichtungen“ 50 Unternehmen, die als Endverkäufer die Briefkästen der Firma Burg-Wächter vertrieben. Am 05.06.2015 übersandten die Prozessbevollmächtigten an die Klägerin eine Email mit Auflistung der 50 Unternehmen und wies darauf hin, dass mit Blick auf die fortdauernde Verweigerungshaltung von Burg-Wächter und dem späten Verkündungstermin in Hagen ein unmittelbares Vorgehen auch gegen Händler „in der Tat“ alternativlos sei. Hinsichtlich des genauen Wortlauts der Email wird auf Blatt 346 der Gerichtsakte verwiesen. Hierauf antwortete der Geschäftsführer der Klägerin mit Email vom 08.06.2015, bedankte sich für das schnelle Tätigwerden der Prozessvertreter und erklärte weiterhin: „Wie besprochen, gehen Sie bitte gegen sämtliche Händler vor, die ebenfalls mit beiden Verstößen auffallen.“. Am 12.06.2015 übersandten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine Vorschussrechnung über 35.700,00 € mit dem Rechnungsgegenstand „Abmahnung Briefkastenverkäufer betreffend Burg-Wächter-Ware, Ihr Auftrag vom 08.06.2015“. Am 18.06.2015 ging eine entsprechende Zahlung der Klägerin auf dem Konto der Klägervertreter ein. Am 23.06.2015 begannen die Anwälte der Klägerin sodann mit Abmahnungen von Verkäufern von Burg-Wächter-Briefkästen. Darunter eben auch die hier streitgegenständliche. Die Abmahnungen bezogen sich jeweils nicht nur auf die Werbung auf den Briefkästen, sondern auch jeweils weitere wettbewerbsrechtliche Beanstandungen in Bezug auf die jeweiligen Internetauftritte der Verkäufer. Bis zum 29.06.2015 sprach die Klägerin 43 Abmahnungen, bis Anfang August insgesamt jedenfalls 71 weitere Abmahnungen aus. Bis zum 03.07.2015 erhielt die Klägerin 27 Unterwerfungserklärungen. 

 

Am 10.07.2015 stellten die Prozessvertreter der Klägerin dieser die Kosten für die Abmahnung von Burg-Wächter in Rechnung. 

 

Am 03.08.2015 mahnte die Klägerin sodann die Zentrale der Hagebau-Baumärkte ab und forderte sie auf, dafür zu sorgen, dass sämtliche Hagebau-Baumärkte ebenfalls eine strafbewährte Unterlassungserklärung abgeben. Für diese Abmahnung stellte sie ebenfalls die Rechtsanwaltsgebühr für die Abmahnung in Rechnung. Es wurde um eine Fristverlängerung gebeten, die – wenn auch um zwei Tage kürzer, nämlich 

nur bis zum 12.08.2015 – gewährt wurde. Sodann antwortete die Firma Hagebau am 12.08.2015, dass von dort aus zunächst das Berufungsverfahren im Verfahren der Klägerin gegen Burg-Wächter vor dem Landgericht Hagen/OLG Hamm abgewartet werden sollte. Beim Landgericht Hagen war zwischenzeitlich am 10.07.2015 ein für die Klägerin positives Urteil ergangen. Am 10.08.2015 unterbreitete die Firma Burg-

Wächter ein Vergleichsangebot, das die Klägerin nicht annahm. Ab dem 12.08.2015 wurden von der Klägerin sodann die einzelnen Hagebau-Märkte abgemahnt. Insgesamt gab es mindestens 200 Abmahnungen. Diese mündeten teilweise in Gerichtsverfahren, es sind aber auch negative Feststellungsklagen anhängig. Die Angelegenheit eskalierte. 

 

In einem einstweiligen Verfügungsverfahren aus dem Komplex der ersten Abmahnungen vom 23.06.2015 hat das Oberlandesgericht Hamm in einem Urteil vom 15.09.2015 mittlerweile die Klage der Klägerin wegen Rechtsmissbräuchlichkeit abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts des Urteils wird auf Blatt 272 der Gerichtsakte 

Bezug genommen. 

 

Die Entscheidung, die Klage der Klägerin als rechtsmissbräuchlich anzusehen, stützt das OLG in seiner oben genannten Entscheidung u. a. auf das Missverhältnis zwischen dem aus dem Vorgehen resultierenden Kostenrisiko für die Klägerin und den Zahlen hinsichtlich des Umfangs der wirtschaftlichen Betätigung der Klägerin. Dabei trägt die Klägerin zum einen vor, im Jahr 2015 einen Nettoumsatz mit Briefkästen von mehr als 500.000,00 € zu erzielen. Die Jahresabschlusskennzahlen der Klägerin aus dem Jahre 2012 und 2013 wiesen indes nur für 2012 einen Jahresüberschuss von 5.873,09 € und ein Eigenkapital von 294.193,77 € aus und im Jahr 2013 einen Überschuss von 5.491,20 € bei einem Eigenkapital von 299.684,97 €. Wobei diese Werte sich nicht nur auf die Sparte Briefkästen beziehen. 

 

Die Klägerin ist der Ansicht, die Bewerbung der Briefkästen mit „geprüfte Qualität“ in Verbindung mit der Nutzung des konkreten „Prüfsiegels“ erwecke unzutreffend den Eindruck, eine dritte unabhängige Stelle, wie z. B. die Stiftung Warentest oder der TÜV, hätten das Angebot geprüft. Dazu trage auch die äußere gestaltung des Siegels bei. Auch in Bezug auf die übrigen Beanstandungen liege jeweils ein Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften und somit ein wettbewerbswidriges Verhalten der Beklagten vor, weshalb die Abmahnung berechtigt gewesen sei. 

 

Sie ist der Ansicht, sie habe nicht rechtsmissbräuchlich gehandelt, da ein anderes, mit weniger Abmahnungen verbundenes Vorgehen nicht möglich gewesen sei, um das Ziel zu erreichen. Sie sei auch durchaus in der Lage, das finanzielle Risiko zu tragen. Es sei nicht auf den Gewinn des Unternehmens abzustellen, sondern auf den Umsatz und darüber hinaus könnten nicht nur die Zahlen aus der Branche „Briefkästen“ zugrundegelegt werden, da es um gesamtunternehmerische Entscheidungen gehe. Außerdem sei der hinter der Klägerin stehende Gesellschafter willens und auch in der Lage, jederzeit durch die Gewährung von Darlehen die Firma zu unterstützen, wenn es denn erforderlich würde. Das Prozessrisiko sei indes nicht als groß zu bewerten, da die Verstöße, die jeweils geltend gemacht wurden, eindeutig seien. Das habe die Klägerin auch in ihrer Bewertung zugrundelegen dürfen.  

 

In der mündlichen Verhandlung vom 14.04.2016 trat die Klägerin nicht auf, weshalb ein klageabweisendes Versäumnisurteil erging. Gegen dieses legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein. 

 

Sie beantragt daher nunmehr, 

 
 

das Versäumnisurteil vom 14.04.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, 

 

 1. der Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von  1.141,90 € nebst Zinsen in Höhe          von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.07.2015 zu erstatten, 

 

 2. der Klägerin Testkaufkosten in Höhe von 5,99 € nebst Zinsen in Höhe  von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu erstatten. 

 

Die Beklagte beantragt, 

 

          das Versäumnisurteil vom 14.04.2016 aufrecht zu erhalten. 

 
 
 

Die Beklagte ist der Ansicht, das Vorgehen der Klägerin sei rechtsmissbräuchlich. Die Beklagte stützt sich auf die Entscheidung des OLG Hamm und meint, insbesondere das weitere Vorgehen gegen die Hagebau-Märkte bestätige die Einschätzung. Vor diesem Hintergrund bestehe kein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten. 

 

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst der umfangreichen Unterlagen Bezug genommen. 

 
 
 

Entscheidungsgründe: 

 

Die Klage ist begründet. Der Anspruch folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. 

 

Er setzt eine berechtigte Abmahnung voraus. Daran fehlt es, wenn die Abmahnung der unzulässigen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen dient, weil sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen (§ 8 Abs. 4 UWG). Ein Missbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich betrachtet nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, 33. Aufl., § 8 Rn. 4.10 m.w.N.). Ein Fehlen oder vollständiges zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Ziele ist für die Annahme eines Missbrauchs allerdings nicht erforderlich; ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (Köhler/Bornkamm/Köhler, a.a.O. m.w.N.). 

 

Als typischen Beispielsfall für Rechtsmissbrauch benennt § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG die Geltendmachung eines Anspruchs, die vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen, wobei dies in gleicher Weise für das Interesse, Ansprüche auf Zahlung von Vertragsstrafen entstehen zu lassen, gilt (Köhler/Bornkamm/Köhler, a.a.O., Rdnr. 4.12). Hiervon ist auszugehen, wenn die äußeren Umstände in ihrer Gesamtheit aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers deutlich machen, dass der Anspruchsberechtigte kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an den Rechtsverfolgung haben kann und deshalb allein oder ganz überwiegend nur ein Gebühreninteresse verfolgen kann (OLG Hamm, Urteil vom 15.09.2015 – 4 U 105/15; Textziffer 13, zitiert nach juris). 

 

Letztlich muss zu Beantwortung der Frage, ob Rechtsmissbrauch vorliegt, eine Gesamtabwägung aller Umstände, die für und gegen rechtsmissbräuchliches Verhalten sprechen, vorgenommen werden. 

 

Die Kammer ist durchaus der Auffassung, dass es hier erhebliche Indizien für rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin gibt. Auch hält sie es für gut möglich, dass tatsächlich das Gebühreninteresse der Prozessvertreter die wahre Triebfeder der umfangreichen Tätigkeit der Klägerin bzw. ihrer Prozessbevollmächtigten ist. Aber die Anzeichen hierfür sind nach Auffassung der Kammer nicht ausreichend, um die Überzeugung zu gewinnen, dass tatsächlich rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegt. 

 

1. 

Dabei müssen hier im vorliegenden Fall indes – wie es letztlich auch das OLG Hamm in seiner Entscheidung vom 15.09.2015 (4U 105 / 15) gemacht hat – die Vorgänge ab August 2015 im Zusammenhang mit den Hagebau-Baumärkten außer Acht gelassen werden. Denn bei der Beurteilung, ob rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegt, muss auf den Zeitpunkt der zu beurteilenden Handlungen abgestellt werden und das ist hier das Vorgehen im Juni 2015. Dass bereits zu diesem Zeitpunkt ein Vorgehen gegen die Hagebau-Baumärkte beabsichtigt war, ist weder von der darlegungs-und beweisbelasteten Beklagten (vgl. insoweit Köhler/Bornkamm, UWG, § 8 Rn. 4.25) vorgetragen, noch ersichtlich. 

 

Der gesamte Komplex im Zusammenhang mit den Hagebau-Baumärkten kam erst später ans Laufen und startete mit der Abmahnung der Klägerin vom 03.08.2015. Erst als Folge der Reaktion der in diesem Schreiben abgemahnten Hagebau Handelsgesellschaft für Baustoffe mbH und Co KG kam es zur Abmahnung der letztlich mehr als 200 einzelnen Hagebau-Filialen bzw. deren Betreiber. Es handelt sich also um eine zweite „Abmahnwelle“, die im Juni 2015 weder absehbar noch bereits angelegt war. 

 

Die Kammer vermag auch in dem Geschehen im Zusammenhang mit den Hagebau-Baumärkten keine nachträgliche Bestätigung einer etwaigen rechtsmissbräuchlichen Einstellung der Klägerin im Zeitpunkt Juni 2015 zu erkennen. Es ist hier ein - wie ausgeführt – anderer Komplex betroffen. Daher kommt es schon gar nicht darauf an, ob das Verhalten in Bezug auf die Hagebaummärkte rechtsmissbräuchlich war. Daher ist es auch nicht einmal entscheidend, dass die Kammer diesen Komplex jedenfalls in seinem ursprünglichen Ansatz auch schon nicht als rechtsmissbräuchlich einzustufen vermag, da mit dem ersten Abmahnschreiben vom 03.08.2015 der Vorgang nämlich zunächst sehr klein gehalten wurde. Es wurden noch nicht die einzelnen Filialen in Anspruch genommen, sondern die Zentrale und es wurde versucht, mit dieser einen Abmahnung ein Ergebnis für sämtliche Hagebau-Baumärkte herbeizuführen. Wäre dies gelungen, hätte es keine weiteren Abmahnungen gegeben. Als Kosten wären dann nur die Kosten für diese einmalige Abmahnung in Höhe von relativ übersichtlichen 1.163,90 € entstanden. Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung der Beklagten, dass die insoweit gesetzten Fristen zur Reaktion auf die Abmahnung zu kurz gewesen wären. Denn auch wenn dem Fristverlängerungsgesuch von Hagebau bis zum 14.08.2015 nicht vollumfänglich entsprochen und die Frist zunächst nur bis zum 12.08.2015 verlängert wurde, ist zum einen zu berücksichtigen, dass dies somit zu einer zeitlichen Spanne von immerhin elf Tagen führte und darüber hinaus, dass die Klägerin in dem Verlängerungsschreiben auch eine – dann auf konkreten Fortschritten basierende – weitere Verlängerung in Aussicht gestellt hatte. Die Kammer sieht insoweit keinen Rechtsmissbrauch. Denn bei einem sachgerechten und verstärkten Bemühen des Adressaten der Abmahnung wäre es fraglos möglich gewesen, in der gesetzten Frist zumindest teilweise Veranlassungen im Sinne des Begehrens der Klägerin zutreffen. Es wurde aber nichts dergleichen getan. Dies war letztlich Auslöser der dann folgenden Welle weitere Abmahnungen, die Gegenstand weiterer Verfahren sind, aber aus den oben genannten Gründen hier außer Betracht zu bleiben haben. Ob man das Verhalten im Sinne der Klägerin als deeskalierend ansehen kann, mag dahinstehen. Jedenfalls kann man im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 03.08.2015 aber nicht feststellen, dass die Klägerin es auf die zweite Welle der Abmahnungen angelegt hatte. 

 

Da nach alledem das Vorgehen im Zusammenhang mit der zweiten Abmahnungswelle außer Betracht zu bleiben hat, kommt es auf den Großteil der Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 06.04.2016 nicht an, da dieser erkennbar in erster Linie auf den Komplex Hagebau-Märkte abstellt. 

 

Insbesondere müssen die Kosten, die durch diese zweite Welle der Abmahnungen ausgelöst wurden und das damit einhergehende Prozessrisiko zumindest bei der nachfolgend dargestellten Analyse des Prozesskostenrisikos im Zusammenhang mit der hier streitgegenständlichen Abmahnung vom 23.06.2015 außer Betracht bleiben, da diese Kosten zu diesem Zeitpunkt jedenfalls noch in keiner Weise konkret im Raum standen und vorhersehbar waren. Da es aber für die Beurteilung, ob ein Vorgehen rechtsmissbräuchlich ist oder nicht, auf die Gesinnung im Zeitpunkt des Handelns ankommt, kann auch nur das berücksichtigt werden, was in diesem Zeitpunkt schon vorhersehbar ist. 

 

Für die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit ist somit allein zu prüfen, ob die Abmahnungswelle vom 23.06.2015 bis zum 02.08.2015, also diejenige Abmahnungswelle, die sich auf andere Verkäufer der Produkte der Firma Burg Wächter als die Hagebau-Märkte bezog, auf sachfremden Motiven beruhte und ob mit ihr nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt wurden, die das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung zu sein scheinen.  

 

2. 

Die Zahl der eingeleiteten Verfahren allein vermag insoweit Rechtsmissbräuchlichkeit nicht zu begründen, da natürlich Fälle denkbar sind, in den umfangreichen Wettbewerbsverstöße in Betracht kommen und in denen anders als mit einer hohen Zahl an Abmahnungen oder Verfahren gegen diese nicht wirksam vorgegangen werden kann (vergleiche OLG Hamm a.a.O.). Hier ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Klägerin zunächst gegen den Hersteller der streitgegenständlichen Produkte vorgegangen ist. In dem Verfahren vor dem Landgericht Hagen hat sich der Hersteller zur Wehr gesetzt. Bei Einleitung des Verfahrens bestand indes noch die berechtigte Hoffnung der Klägerin, dass die Abmahnung unmittelbar zum Erfolg führt und die Klägerin durfte auch hoffen, dass der Hersteller daraufhin von sich aus alle erforderlichen Veranlassungen trifft, um einen Vertrieb der beanstandeten Produkte im Handel zu unterbinden. Das wäre ihm auch ohne weiteres möglich gewesen. Natürlich hätte der Hersteller seine Abnehmer anschreiben können, eine Umtauschaktion starten und die Händler dazu bringen können, die beanstandeten Produkte nicht mehr zu verkaufen. Davon konnte die Klägerin angesichts der Verteidigung des Herstellers gegen die Abmahnung indes im Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Abmahnung nicht mehr ausgehen. 

 

Es stellt sich sodann die Frage, welche Möglichkeiten die Klägerin daraufhin gehabt hätte. 

 

a. 

Sie hätte zum einen den Ausgang dieses Hagener Verfahrens abwarten können. Sie wusste allerdings nicht, wie lange das Verfahren noch dauern würde. Im Falle der Durchführung einer Berufung gegen eine streitige Entscheidung des Landgerichtes können auch im einstweiligen Verfügungsverfahren mehrere Monate ins Land gehen. Darüber hinaus hätte auch im Falle des Erfolges keine Garantie dafür bestanden, dass der Hersteller daraufhin auch zeitnah und mit Nachdruck dafür sorgt, dass die Produkte aus dem Handel verschwinden. Zwar hätte die Klägerin darauf hoffen dürfen, aber eine Gewähr hätte es dafür nicht gegeben. In der Zwischenzeit aber wären die beanstandeten Produkte von den Endhändlern (möglicherweise) weiter vertrieben worden, mit der Folge, dass bis zu einer erfolgreichen Veranlassung durch den Hersteller es für den Wettbewerb zu keinerlei Verbesserung gekommen wäre. Die Klägerin hätte dann in Kauf nehmen müssen, dass möglicherweise weiterhin durch die begangenen Wettbewerbsverletzungen Umsatzeinbußen eintreten, die zu verhindern sie gerade indes mit dem Rückgriff auf das UWG bemüht war. 

 

b. 

Als Alternative, mit der eine sofortige Abhilfe dergestalt erreicht werden konnte, dass auch von den Endhändlern die Produkte nicht mehr vertrieben werden, so dass unmittelbar positive Auswirkungen auf den Wettbewerb und somit auch auf ihre Umsatzchancen eingetreten wären, kam das sodann von ihr gewählte Vorgehen in Betracht, nämlich die einzelnen Händler abzumahnen. Es ist natürlich im Nachhinein nicht möglich, genau festzustellen, was passiert wäre, wenn das ein oder andere veranlasst worden wäre. Die Kammer muss es indes für möglich halten, dass dann, wenn der Hersteller der Briefkästen sich konzilianter verhalten hätte, auch diese Abmahnungswelle möglicherweise vermieden worden wäre. Die Kammer hat daher keine Veranlassung, dass massenhafte Vorgehen generell zu beanstanden, da es nach Auffassung der Kammer jedenfalls zielführend sein konnte und die Kammer auch keine eindeutige bessere Alternative für eine solche Vorgehensweise erkennen kann. 

 

c. 

Eine solche bessere Alternative sieht die Kammer auch nicht in einem gestaffelten und zeitlich gestreckten Vorgehen, da dies zu mehreren Wochen oder sogar Monaten Verzögerung geführt hätte und in der gesamten Zwischenzeit die Produkte bei den Endhändlern weiterhin verkauft worden wären. Es liegt auf der Hand, dass jedes von dem angegriffenen Hersteller verkaufte Produkt einen potentiell entgangenen Kunden bedeutet, da natürlich nicht ausgeschlossen werden kann, dass ohne die beanstandete Werbung der Kunde auf ein Produkt der Klägerin zurückgegriffen hätte. Das kann nicht infrage gestellt werden, da andernfalls der Sinn und Zweck des Wettbewerbsrechts infrage gestellt würde. Der zeitliche Faktor kann nicht als unbedeutend angesehen werden. Schon das Wettbewerbsrecht als solches zeigt durch § 12 Abs. 2 UWG, dass der Gesetzgeber bei Wettbewerbsverstößen eine prinzipielle Eilbedürftigkeit für gegeben hält. Die Kammer – im Einklang mit dem überwiegenden Teil der Rechtsprechung – setzt Abmahnern üblicherweise sehr strenge Fristen für ein Vorgehen im einstweiligen Rechtsschutz. Will ein Wettbewerber verhindern, dass über viele Monate weiter ungehindert wettbewerbswidrige Konkurrenzprodukte gewinnschädigend verkauft werden, muss er schon im einstweiligen Rechtsschutz vorgehen. Und hier war für den Prozessvertreter der Klägerin, der als spezialisierter Anwalt diese Gefahren erkennen konnte, zu befürchten, dass ihm ein späteres Vorgehen gegen die Endverkäufer hätte abgeschnitten werden können, mit der Begründung, er habe die bis dahin bestehende Praxis sehenden Auges über längere Zeit in Kauf genommen. Dies berücksichtigend kann ein Kläger nach Auffassung der Kammer nicht darauf verwiesen werden, ein zeitliches Strecken des Vorgehens über mehrere Wochen in Kauf zu nehmen, jedenfalls nicht ohne etwaige Folgen für die Stellung am Markt in eine Abwägung mit einzubeziehen. 

 

3. 

Neben der bloßen Zahl an Verfahren kann auch die Auswahl der Angegriffenen ein Indiz für Rechtsmissbrauch sein, etwa wenn massenhaft Konkurrenten abgemahnt werden, bei denen eigentlich in Wahrheit nicht ernstlich mit gewinnbeeinträchtigender Tätigkeit des Abgemahnten zu rechnen ist, die Konkurrenzsituation also fast nur „theoretisch“ ist. Aber das kann hier auch nicht greifen, da es dem Kläger nunmal – was nicht zu beanstanden ist – darum ging, ein bestimmtes Produkt in seiner konkret beworbenen Form vom Markt nehmen zu lassen. Er hat es zunächst mit dem Hersteller versucht. Weil sich das als nicht in der gebotenen Kürze zielführend erwiesen hat, war die Entscheidung, dann gegen die Verkäufer vorzugehen, zumindest nachvollziehbar. Und dann kann es auch nicht darauf ankommen, ob ein bestimmter Verkäufer unmittelbar eine Gefahr darstellt, sondern wenn das Produkt insgesamt verschwinden soll, ist der gewählte Weg nachvollziehbar. 

 

Daher ist nach Auffassung der Kammer zumindest nicht auszuschließen, dass dem massenhaften Vorgehen der Klägerin ein schützenswertes und berechtigtes rechtliches – genauer: wettbewerbsrechtliches – Interesse zugrundelag. 

 

Die Kammer vermag aber auch keine weiteren Umstände zu erkennen, die in einer Gesamtschau i.V.m. der großen Anzahl der Abmahnungen zur Annahme von Rechtsmissbräuchlichkeit führen. 

 

Die Kammer ist sich durchaus bewusst, dass sie sich damit vermeintlich gegen die oben genannte Entscheidung des OLG Hamm stellt. Es ist indes zu berücksichtigen, dass es dabei nur um ein einstweiliges Verfügungsverfahren ging und darüber hinaus nunmehr weiterer erheblicher rechtlicher Vortrag erfolgt ist, der eine andere Bewertung der Geschehnisse rechtfertigt. 

 

5. 

Der Senat hat besondere Umstände, die zur Annahme von Rechtsmissbrauch führten, darin gesehen, dass die Abmahntätigkeit sich derart verselbständigt habe, dass sie in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zur eigentlichen gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden gestanden habe. Dabei hat der Senat das aus der umfangreichen Abmahntätigkeit resultierende Kostenrisiko für die Klägerin analysiert und dies der wirtschaftlichen Betätigung der Klägerin gegenübergestellt. 

 

a. 

Bei der Ermittlung des Kostenrisikos hat der Senat Zahlen zugrundegelegt, die auch die Kammer sich zu Eigen macht. Auf die überzeugende Darstellung im oben genannten Urteil des OLG Hamm wird insoweit verwiesen. Teilweise wird von Urteilen in Parallelverfahren auch über die Kostenrechnung des OLG Hamm hinaus ein Kostenrisiko von bis zu 500.000 € angenommen. Selbst wenn man von diesen Zahlen ausgeht, kommt die Kammer indes nicht zu Rechtsmissbräuchlichkeit. Dabei sei nochmals darauf hingewiesen, dass es hier nicht um die Abmahnwelle in Bezug auf die Hagebau-Baumärkte geht. 

b. 

Die Rechtsmissbräuchlichkeit folgt nicht allein aus dem Umstand, dass ein Unternehmer wirtschaftlich sinnlos und unvernünftig handelt, wie es der Fall ist, wenn er Risiken eingeht, die von seinem Unternehmensvolumen eigentlich nicht getragen werden können. Denn wirtschaftlich unvernünftiges Handeln ist nicht gleich rechtsmissbräuchlich. Ein solches Handeln ist aber ein Indiz, das in Verbindung mit anderen zur Annahme von Rechtsmissbrauch führen kann. Dem liegt nach dem Verständnis der Kammer der Gedanke zugrunde, dass der redliche Unternehmer wahrscheinlich auch wirtschaftlich vernünftig und wie ein ordentlicher Kaufmann handelt. Oder anders ausgedrückt: Wer nicht wie ein ordentlicher und vernünftiger Kaufmann handelt, nährt den Verdacht, dass er auch ansonsten nicht schützenswerte und redliche Ziele verfolgt. Aber dieser Verdacht ist eben kein Beweis, weshalb weitere Indizien hinzukommen müssen, die diesen Grundgedanken untermauern. Und letztlich muss unter Verwendung dieses Indizes ein Ziel festgestellt werden können, dass wettbewerbsrechtlich nicht schützenswert ist. 

 

c. 

Ob hier die wirtschaftliche Bewertung des Vorgehens der Klägerin als Indiz dafür angesehen werden kann, dass er nicht schützenswerte Interessen mit seinem Vorgehen verfolgt, ist nach Auffassung der Kammer zweifelhaft. Die Kammer vermag mit der erforderlichen Überzeugung kein Ziel festzustellen, dass rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 WUG ist.  

 

Schon bei der wirtschaftlichen Bewertung des Vorgehens der Klägerin sieht die Kammer kein eindeutig unvernünftiges Handeln. Bei der Beurteilung des Prozesskostenrisikos darf nämlich nicht auf die volle o.g. Summe abgestellt werden, sondern es sind auch die Erfolgsaussichten in dem Verfahren mit einzubeziehen. Dabei kann das Argument der Erfolgsaussichten tatsächlich in beide Richtungen verwendet werden. Einerseits wird man sagen müssen, dass derjenige, der beispielsweise nur Gebühren generieren möchte, sich natürlich auch besonders erfolgsversprechende Abmahnungen aussucht. Andererseits lässt sich auch nicht wegdiskutieren, dass eine gute Erfolgsaussicht des Vorgehens zum einen wettbewerbsrechtlich eigentlich besonders schützenswert ist und zum anderen sich jedenfalls bei der Beurteilung des Prozesskostenrisikos niederschlägt und somit dazu führt, dass auch ein ordentlicher und vernünftig handelnder Wettbewerber mehr zu investieren bereit ist, weil er weniger Risiko befürchten muss. Bzgl. des Prozessrisikos sind nach Auffassung der Kammer folgende maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen: Zum einen hatte schon am 03.06.2015 und somit ca. drei Wochen vor Beginn der Abmahnungen das Landgericht Hagen in der mündlichen Verhandlung einen für die Klägerin günstigen Hinweis zur materiellen Rechtslage erteilt. Diese bezog sich zwar auf das Verfahren gegen den Hersteller, jedoch durfte insoweit die Klägerin die berechtigte Erwartung haben, dass diese Rechtslage auch auf die Erlaubnis zum Vertrieb der Produkte durch die Endverkäufer entsprechend übertragen werden konnte. Und der rechtliche Hinweis hat, auch wenn es sich noch nicht um ein Urteil handelte, natürlich – gerade im einstweiligen Verfügungsverfahren – erhebliche Bedeutung und begründet auch ein gewisses Vertrauen in die Richtigkeit der eigenen Rechtsauffassung. 

 

Zum anderen hält die Kammer die Rechtslage jedenfalls in Bezug auf die auch in diesem Verfahren geltend gemachten Vorwürfe hinsichtlich der Verwendung des Prüfsiegels, was noch später ausgeführt wird, für eindeutig. Im Übrigen zeigt auch die Reaktion der Abgemahnten, dass die Klägerin sich die Hoffnung auf einen Erfolg der Abmahnwelle durchaus berechtigterweise machte, hatten doch schon am 03.07.2015 27 Abgemahnte Unterwerfungserklärungen abgegeben. Und in diesem Zusammenhang darf auch das Prozessrisiko nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit dem verfolgten Ziel betrachtet werden. Wie bereits ausgeführt dürfte es der Klägerin nicht zuzumuten gewesen sein, mehrere Monate den Ausgang des Verfahrens gegen den Hersteller abzuwarten, wo noch nicht einmal gesichert war, dass dies auch zu entsprechenden Veranlassungen in Bezug auf die Verkäufer geführt hätte, sondern sie durfte es vielmehr für erforderlich halten, auch gegen die Endverkäufer selbst vorzugehen. Dass dies ein aufwändiger und natürlich auch risikoreicher Weg sein kann, versteht sich von selbst. Wenn aber die Alternativen nicht gegeben sind, kann das zumindest ein guter Grund dafür sein, ein höheres Kostenrisiko einzugehen, als in einem Fall, in dem ein umfangreiches Vorgehen gar nicht nötig gewesen wäre oder möglicherweise nur geringfügige Interessen betroffen gewesen wären. Und die Umsatzzahlen der Klägerin mit Briefkästen waren jedenfalls bedeutend genug, dass es aus ihrer Sicht nicht egal sein konnte, ob ein unmittelbares Konkurrenzprodukt derart effektiv wettbewerbswidrig beworben wird, dass Kunden von ihrem eigenen Produkt abgehalten werden konnten. 

 

Die Kammer hält es bei der Bewertung des Prozessrisikos nicht für gerechtfertigt, auch die Gefahr der Unzulässigkeit des Vorgehens wegen Rechtsmissbrauchs zu berücksichtigen, soweit diese (auch) darauf gestützt werden soll, dass eine so große Zahl an Verfahren angestrengt wird. Darin liegt ein Zirkelschluss, da die Unzulässigkeit der Durchführung einer Vielzahl von Verfahren damit begründet werden soll, dass eine Vielzahl von Verfahren durchgeführt wird. Ein an sich nicht rechtsmissbräuchliches, also eigentlich redliches Vorgehen kann nicht (allein) durch die große Zahl an Abmahnungen rechtmissbräuchlich werden. Wenn der Vorgehende auf der Ebene des Prozessrisikos berücksichtigen müsste, dass die hohe Anzahl zum (tatsächlich unbegründeten) Verdacht der Rechtsmissbräuchlichkeit führt, dann würde einem redlichen Abmahnenden aufgrund eines unbegründeten Verdachtes das an sich zulässige Vorgehen abgeschnitten. Denn er müsste aufgrund des – unberechtigten – Verdachtes der Rechtsmissbräuchlichkeit das Prozessrisiko so hoch ansetzen, dass er möglicherweise vom Vorgehen Abstand nehmen müsste, um nicht tatsächlich als rechtsmissbrauchend eingestuft zu werden. Die Kammer ist – wie auch die gesamte Rechtsprechung – durchaus der Auffassung, dass eine Vielzahl von Verfahren ein Indiz für Rechtsmissbrauch sein kann. Es indes schon bei der Bewertung eines etwaigen Prozesskostenrisikos zu berücksichtigen, dass im Falle der Durchführung einer Vielzahl von Verfahren gerade dies zu Rechtsmissbrauch und somit zu einem erhöhten Prozesskostenrisiko führen könnte, würde der Anzahl der angestrengten Verfahren eine Bedeutung geben, die den möglicherweise diesen gegenüberstehenden, berechtigten wettbewerbsrechtlichen Interesse nicht gerecht werden würde. Man muss sich klarmachen, dass dann, wenn bei dem Prozessrisiko auch der Einwand des Rechtsmissbrauchs „eingepreist“ werden müsste, einem Unternehmen mit relativ geringer wirtschaftlicher Bedeutung per se abgeschnitten würde, eine Vielzahl von Abmahnungen auszusprechen, und zwar auch dann, wenn dies zur Wahrung der wettbewerbsrechtlichen Interessen und möglicherweise sogar zur Wahrung ihrer Existenz zwingend erforderlich sein würde. Einem großen, umsatzstarken Unternehmen würde dann die Vielzahl der Verfahren nicht zur Gefahr reichen, da insoweit das Prozesskostenrisiko immer auch durch die hohen Geschäftszahlen aufgefangen würde. Die Bedeutung der Anzahl der Abmahnfälle kann daher nach Auffassung der Kammer jedenfalls nicht in dem Indiz des unvernünftigen Prozesskostenrisikos liegen. 

 

d. 

Zwar besteht auch ohne Berücksichtigung der Gefahr des Unterliegens wegen Rechtsmissbrauchs im vorliegenden Fall ein beträchtliches Prozesskostenrisiko. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass es ausgeschlossen erscheint, dass im Falle eines solchen Vorgehens sämtliche Fälle im Gerichtsverfahren münden und dann auch noch in die Berufungsinstanz gehen. Denn in der Praxis zeigt sich, dass durch die unterschiedliche Bearbeitungszeit bei den Gerichten und die unterschiedliche zeitliche Dynamik der einzelnen Abmahnungen relativ schnell Entscheidungen von einigen Gerichten getroffen werden, die den Beteiligten sodann immer wieder neu die Möglichkeit geben, erneut zu überprüfen und zu bewerten, inwieweit weiter vorgegangen werden soll. Somit besteht jederzeit die Möglichkeit, im Falle einer negativen Entwicklung der Rechtsauffassungen der einzelnen Instanzen oder auch der einzelnen Abmahngegner das Vorgehen zu stoppen, klein beizugeben und die weiteren Verfahren nicht durchzuziehen. Man hat also in gewisser Weise das Prozessrisiko zumindest in begrenztem Maße noch in der Hand und kann es – zumindest in begrenztem Umfang – noch steuern. 

 

e. 

Dieses Prozesskostenrisiko ist mit der wirtschaftlichen Betätigung der Klägerin abzugleichen. Das OLG Hamm hat insoweit in seiner Entscheidung ausgeführt, dass Kostenrisiko habe in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis mehr zu eigentlichen wirtschaftlichen Betätigung der Klägerin gestanden. 

 

Dabei hat der Senat als Vergleichsgröße das Betriebsvermögen und zwar in erster Linie den Gewinn herangezogen. Das Eigenkapital allerdings auch nur insoweit, als es in dem in Rede stehenden Marktsegment erwirtschaftet wurde. 

 

aa. 

Die Kammer meint indes, dass der Gewinn nicht in erster Linie maßgeblich sein kann, da insoweit die Ausführungen der Klägerin überzeugen. In der Tat gibt es zahlreiche große, sehr wirtschaftsstarke Unternehmen, die seit Jahren keine richtigen Gewinne erzielen, sondern zukunftsorientiert arbeiten. Käme es auf den Gewinn an, wäre es zutreffend, dass große, umsatzstarke Unternehmen mit geringem oder sogar negativem Gewinn im Grunde in ihrer Möglichkeit, Abmahnungen auszusprechen, stark eingeschränkt würden. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass bei solchen Unternehmen auch nicht immer ein so großes Eigenkapital besteht, dass über den hilfsweisen Rückgriff auf das Eigenkapital argumentiert werden könnte. Darum kann nach Auffassung der Kammer für die Frage, ob das eingegangene Kostenrisiko in einem vernünftigen Verhältnis zur Wirtschaftskraft steht, nicht in erster Linie auf den Gewinn abgestellt werden. Es ist zu berücksichtigen, dass unternehmerische Entscheidungen, ob Investitionen getätigt werden, sich nicht immer nur am Gewinn in der Vergangenheit oder am vorhandenen Eigenkapital orientieren, sondern oft strategischer Natur sind und durch zahlreiche Faktoren beeinflusst, aber eben auch begründet und gerechtfertigt werden können. Auch ohne umfassendes Eigenkapital oder Gewinn können unternehmerische Investitionen sinnvoll und geboten sein. Das muss auch für Investitionen in ein wettbewerbsrechtliches Vorgehen gegen Konkurrenten gelten, wenn damit berechtigte, positive Erwartungen für die eigene wirtschaftliche Tätigkeit verknüpft sind. Die Kammer hält es für schwierig, zu beurteilen, welches Risiko ein Unternehmen noch eingehen darf. Es ist zu berücksichtigen, dass viele Unternehmen durchaus wirtschaftliche Entscheidungen in Bezug auf Investitionen treffen, die sogar auch mal die Existenz des Unternehmens gefährden können. Wenn sie sich als alternativlos erweisen, sind solche Entscheidungen nicht per se ausgeschlossen. Und erst recht dann, wenn – wie von der Klägerin hier dargelegt und von der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht substantiell angegriffen – ein solventer Geldgeber im Hintergrund steht, der (möglicherweise) bereit gewesen wäre, weitere Gelder in das Unternehmen reinzustecken, kann allein aufgrund der wirtschaftlichen Zahlen nicht der Rückschluss darauf gezogen werden, dass die Entscheidung für Investitionen in Abmahntätigkeit für sich betrachtet derart unvernünftig sind, dass sie letztlich nur den Schluss auf eine Rechtsmissbräuchlichkeit und in Wahrheit zweckfremde Intentionen zulassen. Das aber ist Voraussetzung dafür, dass Rechtsmissbrauch angenommen werden kann. Letzten Endes geht es darum aus der wirtschaftlichen Sinnlosigkeit eines Vorgehens Rückschlüsse darauf ziehen, dass der wahre Zweck des Handelns nicht durch das unternehmerische Handeln gedeckt wird, sondern in sachfremden Zielen liegt. Und diesen Rückschluss kann die Kammer hier nicht ziehen. Und zwar auch dann nicht, wenn die Verluste im Jahr 2014 tatsächlich den Umfang gehabt haben, wie die Beklagte im Schriftsatz vom 28.06.2016 dargelegt hat und auch wenn die Gewinnsituation im Jahr 2015 im Wesentlichen unverändert geblieben sein sollte. Mag unterm Strich somit kein Gewinn, sondern statt dessen sogar ein Verlust vorgelegen haben und mag das Eigenkapital auch nicht unmittelbar ausgereicht haben, um das volle Prozesskostenrisiko aufzufangen, kann die Kammer daraus nicht der Schluss ziehen, dass die unternehmerische Entscheidung, die Abmahnung auszusprechen nach den Maßstäben eines ordentlichen Kaufmannes nicht haltbar gewesen ist. Und zwar nicht nur wegen der von der Klägerin dargelegten Möglichkeit, dass vom Gesellschafter zusätzliches Geld nachgeschossen wird, sondern darüber hinaus – und auch insoweit folgt die Kammer der Entscheidung des OLG Hamm nicht – auch deshalb, weil die gesamtunternehmerische Strategie für das gewählte Vorgehen sprechen kann. 

bb. 

Die Kammer meint nicht, dass nur auf die Zahlen des in Rede stehenden Marktsegments abgestellt werden kann. Auf diese Zahlen ist sicherlich abzustellen, wenn es um die Frage geht, ob überhaupt eine ernstzunehmende Konkurrententätigkeit besteht. Darum geht es hier aber nicht. Vielmehr geht es um die Frage, ob bei der Abwägung des Prozessrisikos mit der wirtschaftlichen Tätigkeit nur auf den betroffenen Unternehmenszweig abgestellt werden darf. Hier also den Vertrieb mit den streitgegenständlichen Produkten. Das ist aber nicht der Fall. Denn einem Unternehmen, das in verschiedenen Branchen tätig ist, kann nicht abgesprochen werden, gesamtunternehmerische Entscheidungen zu treffen, die möglicherweise isoliert betrachtet für den ein oder anderen Zweig nicht vernünftig erscheinen, aber in der Gesamtstrategie des Unternehmens durchaus Sinn machen. Als Beispiel sei angeführt, dass Versicherer durchaus Versicherungsprodukte führen, die für sich betrachtet nicht sonderlich lukrativ für das Unternehmen sind, aber gesamtstrategisch deshalb Sinn machen, weil durch sie Kunden auch zu anderen Produkten des Unternehmens geführt werden, was sich dann im Ergebnis auszahlt und somit das Vorhalten dieser „schwachen“ Produkte sinnvoll macht. So kann auch hier nicht der Klägerin das Recht abgesprochen werden, in der Branche mit den hier streitgegenständlichen Produkten durch das Prozessrisiko möglicherweise finanzielle Einbußen in Kauf zu nehmen, wenn auf der anderen Seite im Falle des Erfolges auch für die anderen Zweige Vorteile erzielt werden können, die eine Abwägung des Risikos letztlich in einer Gesamtbetrachtung als vertretbar erscheinen lassen. Die Beklagte müsste beweisen, dass das Vorgehen gänzlich sinnlos ist. Es fehlt indes schon hierzu an jeglichem Vortrag. 

 

f. 

Wenn man all dies gegeneinander abwägt und berücksichtigt, dass es aus Sicht der Kammer der Klägerin nicht abgesprochen werden kann, den hier beschrittenen Weg als alternativlos angesehen zu haben, um weitere Umsatzeinbußen einzuschränken, darüber hinaus die Prozessaussichten sich für die Klägerin als gut darstellten, darüber hinaus auch in der Folgezeit immer wieder die Möglichkeit bestanden hätte, von einem weiteren Vorgehen Abstand zu nehmen und damit das Kostenrisiko geringer zu halten, im Übrigen zuvor versucht wurde, durch das Vorgehen gegen den Hersteller bereits einfacher zum Ziel zu kommen, des Weiteren der Klägerin auch nicht abgesprochen werden kann, zumindest eine beträchtliche Zahl an Briefkästen zu verkaufen und somit eine nicht gänzlich unbedeutende Stellung auf dem Markt zu haben, im Übrigen nicht festgestellt werden kann, dass es überhaupt keine wirtschaftliche und unternehmerische Grundlage für die Entscheidung gab, ein derartiges Prozesskostenrisiko einzugehen, um weitere Umsatzeinbußen auf wettbewerbsrechtlicher Ebene zu verhindern, kann die Kammer nicht feststellen, dass ausreichend Indizien dafür vorliegen, dass die wahren Motive der Klägerin nicht der Schutz ihrer Stellung im Wettbewerb, sondern sachfremde Ziele waren. 

 

g.

Es kann im Zusammenhang mit der hier betroffenen Abmahnungswelle auch nicht festgestellt werden, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit dieser vereinbart haben, dass diese keine Kosten für deren Beauftragung zu zahlen hat. Vielmehr zeigt die vorgelegte Kostenvorschussnote und die darauf erfolgte Zahlung, dass die Klägerin die ersten Kosten aufgebracht hat. Der Zusammenhang der Kostennote mit der Beauftragung der Abmahnung der ca. 50 Fälle zeigt, dass es genau um die Kosten dieser Abmahnungswelle ging. Daher kann nicht festgestellt werden, dass es ihr darum ging, Gebühren für die Prozessbevollmächtigten zu generieren. Die Kammer hält es zwar für möglich, dass dies eine Triebfeder des Vorgehens war, kann dies indes nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen. Da es aber für die Bewertung der Rechtsmissbräuchlichkeit des vorliegenden Falles nicht darauf ankommen kann, wie sich die Kostenproblematik hinsichtlich der erst deutlich später begonnenen Hagebau-Abmahnwelle darstellt, kommt es auf die umfangreichen Ausführungen zu den Hagebaumärkten, insbesondere zu der diesbezüglichen Kostenfrage – wie im Schriftsatz vom 28.06.2016 – nicht an. 

 

g. 

Die Kammer vermag auch nicht zu beanstanden, dass das Internet durchforstet wurde, um herauszufinden, wer hier abzumahnen ist. Dieses Vorgehen ist die bloße Folge der strategischen Entscheidung, nunmehr gegen die Endverkäufer vorzugehen. Anders wäre es nicht möglich gewesen. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass im Falle einer solchen Entscheidung in so kurzer Zeit so viele Fälle generiert werden. Zwar ist dies auch die typische Vorgehensweise im Falle einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung, jedoch lässt dies nicht den Schluss auf ein Vorliegen von Rechtsmissbräuchlichkeit zu. Gleiches gilt für die Tätigkeit am Feiertag oder die – bemerkenswerte – Schnelligkeit des Vorgehens. Auch wenn diese bei rechtsmissbräuchlichem Vorgehen ebenfalls typisch ist, lässt sich daraus nicht der Schluss auf Rechtsmissbräuchlichkeit ziehen. 

 

h. 

 
 

Soweit die Beklagte anführt, es sei der Klägerin nur darum gegangen, mehr Geld von der Herstellerin rauszuschlagen, erschließt sich dieses Argument der Kammer nicht. Es sind höhere Kosten verursacht worden. Die Streitmasse wurde erhöht. Wie dies dazu hätte führen sollen, dass die Herstellerin für die Markenauseinandersetzung an die Klägerin einen höheren Preis zahlt, vermag die Kammer nicht zu erkennen. 

 

i. 

Unter Berücksichtigung all der oben genannten Umstände und nach Vornahme einer Gesamtabwägung reicht es nicht für eine Überzeugung der Kammer davon, dass hier dem Vorgehen der Klägerin in erster Linie sachfremde Ziele zugrunde lagen. Die Kammer findet keine befriedigende Antwort auf die sich immer wieder stellende Frage: „Was hätte ein redliches und nicht rechtsmissbräuchlich handelndes Unternehmen in der Lage der Klägerin denn anderes tun sollen?“. 

 
 
 

Die Abmahnung war auch im Übrigen begründet. Die Kammer hält es für eindeutig, dass das hier mit der Abmahnung beanstandete „Prüfsiegel“ irreführende Werbung darstellt, da das Siegel nach seiner Aufmachung und Formulierung bei einem durchschnittlich informierten und interessierten Verbraucher den Eindruck erweckt, das Produkt sei im Hinblick auf Sicherheit, Umweltverträglichkeit oder sonstige relevante Umstände in einem besonderen Qualitätsprüfverfahren umfassend geprüft worden. Dass dies der Fall ist, hat die Beklagte nicht dargelegt. Auch lag der von der Klägerin geltend gemachte Verstoß gegen § 312d Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB mit den daraus folgenden Unterlassungsanspruch nach §§ 3, 8, 4 Nr. 11 UWG a.F. vor. Auch durch den unterlassenen Hinweis auf die Telefonnummer verstieß die Beklagte gegen § 3 UWG und die Klauseln, nach der der Kunde sich für einen Zeitraum von zehn Kalendertagen an den Angebot gebunden halte und wonach der Kaufvertrag mit einer separaten Auftragsbestätigung oder der Lieferung der bestellten Waren zustande komme waren unwirksam, so dass die Beklagte sich auch durch die Verwendung dieser einen Unterlassungsanspruch aus den §§ 3, 8, 4 Nr. 11 UWG a. F. aussetzte. Die Abmahnung war daher insgesamt begründet, so dass die Klägerin auch die für diese angefallenen Rechtsanwaltskosten und darüber hinaus auch die geltend gemachten Testkaufkosten nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG verlangen kann. Die geltend gemachten Kosten sind angemessen, da der Streitwert i.H.v. 30.000 € angemessen ist und darüber hinaus auch die Geltendmachung einer 1,3 Geschäftsgebühr berechtigt war. Insoweit ist die Berechtigung allein schon deshalb gegeben, da nicht nur auf ein Massen- Abmahnschreiben zurückgegriffen wurde, sondern in diesem Fall wie auch in anderen Fällen jeweils unterschiedliche, individuelle weitere Wettbewerbsverstöße geltend gemacht wurden. 

 

Die Klage ist daher begründet, weshalb wie erkannt zu entscheiden war. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 344 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711. 

 
 

Ademmer        Hans         Knubel 

 

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