Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 08.02.2024, Az.: BVerwG 20 F 29.22
Auskunft über die zur Person bei einer Landesverfassungsschutzbehörde gespeicherten Daten; Formelle Anforderungen an eine Sperrerklärung
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 08.02.2024
Referenz: JurionRS 2024, 12911
Aktenzeichen: BVerwG 20 F 29.22
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2024:080224B20F29.22.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Niedersachsen - 29.11.2022 - AZ: 19 PS 1/22

BVerwG, 08.02.2024 - BVerwG 20 F 29.22

Redaktioneller Leitsatz:

Ein Nachteil für das Wohl des Landes i.S.d. § 99 Abs. 1 S. 3 Alt. 1 VwGO liegt vor, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts zu einer Erschwerung der zukünftigen Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden führen würde. Eine solche kann vorliegen, wenn bei einer umfangreichen Gesamtschau offengelegter Unterlagen Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen möglich werden. Personenbezogene Daten i.S.d. § 99 Abs. 1 S. 3 Alt. 3 VwGO sind ihrem Wesen nach grundsätzlich als geheimhaltungsbedürftig anzusehen, da bei ihnen ein privates Interesse an der grundrechtlich geschützten Geheimhaltung vordergründig ist.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 8. Februar 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Fachsenats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. November 2022 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I

1

Die Klägerin begehrt in der diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsache, den Beklagten zu verpflichten, ihr gemäß § 30 Abs. 1 des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes weitere Auskunft über die zu ihr gespeicherten personenbezogenen Daten zu erteilen.

2

Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aufgefordert, die vollständigen Unterlagen zu übersenden. Daraufhin wurde durch den Beklagten ein teilweise geschwärzter Teil der Akten vorgelegt, die Vorlage der vollständigen, ungeschwärzten Akten aber unter Vorlage einer Sperrerklärung vom 6. April 2022 verweigert.

3

Auf Antrag der Klägerin hat das Verwaltungsgericht die Sache mit Beschluss vom 19. September 2022 an den Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zur Durchführung eines Zwischenverfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO abgegeben, ohne die bisher zurückgehaltenen Aktenbestandteile lasse sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht aufklären. Mit Beschluss vom 29. November 2022 hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass die Sperrerklärung des Beklagten rechtswidrig ist, soweit sie sich auf zwei einzeln bezeichnete Blätter bezieht, und im Übrigen die Sperrerklärung für rechtmäßig erklärt.

4

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

II

5

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Sperrerklärung des Beklagten vom 6. April 2022 ist über den vom Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts festgestellten Umfang hinaus nicht rechtswidrig.

6

1. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat das Vorliegen der mit der Sperrerklärung geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO a. F. (nunmehr § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 und 3 VwGO) unter Anlegung zutreffender rechtlicher Maßstäbe geprüft.

7

Danach ist ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren würde. Eine entsprechende Erschwernis kann sich daraus ergeben, dass bei einer umfangreichen Zusammenschau offengelegter Unterlagen Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen möglich werden. Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen, Arbeitstitel, Verfügungen, namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen, Querverweise, Hervorhebungen und Unterstreichungen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. April 2019 - 20 F 15.17 - juris Rn. 6, vom 16. April 2019 - 20 F 18.17 - juris Rn. 13 und vom 10. Mai 2019 - 20 F 1.19 - juris Rn. 6) sowie Vermerke zur Aktenverwaltung, Schriftverkehr mit anderen Behörden, Gesprächsdokumentationen, Verfügungsbögen und Deckblattberichte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 20 F 7.16 - juris Rn. 7).

8

Personenbezogene Daten im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig. Bei ihnen besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundrechtlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen. Vielmehr können auch Äußerungen und Angaben zur Sache geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht (BVerwG, Beschluss vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 12). Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter. Personenbezogene Angaben wie Name, Funktionsbezeichnungen, Telefonnummer und sonstige Angaben zu Telekommunikationsverbindungen werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Daran ändert nichts, dass Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten (BVerwG, Beschluss vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 14). Der Schutz personenbezogener Daten begründet grundsätzlich auch im Fall von Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben, einen Weigerungsgrund (BVerwG, Beschluss vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 15).

9

2. Ausgehend davon ist die Sperrerklärung, soweit sie vom Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts nicht beanstandet worden und noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, rechtmäßig.

10

Insoweit hat eine Durchsicht der dem Senat im Original vorliegenden Unterlagen bestätigt, dass die vom Beklagten geltend gemachten Weigerungsgründe bestehen. Weitere Teilschwärzungen in Bezug auf entnommene Aktenbestandteile kommen nicht in Betracht, weil sie nur zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2019 - 20 F 1.19 - juris Rn. 12 m. w. N.). Von einer über die Darlegungen des Oberverwaltungsgerichts hinausreichenden Begründung wird abgesehen, weil die Entscheidungsgründe Art und Inhalt der geheim gehaltenen Akten und elektronischen Dokumente nicht erkennen lassen dürfen (§ 99 Abs. 2 Satz 14 i. V. m. Satz 10 Halbs. 2 VwGO).

11

Soweit ein Weigerungsgrund vorliegt, ist auch die nach § 99 Abs. 1 Satz 3 VwGO erforderliche Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat in seiner Sperrerklärung eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und die widerstreitenden Interessen der Beteiligten abwägende Ermessensentscheidung getroffen, die den rechtlichen Anforderungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 - NJW 2010, 2295 Rn. 12 m. w. N.) genügt.

12

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Dr. Häußler

Dr. Henke

Dr. Koch

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.