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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 05.02.2024, Az.: BVerwG 20 F 8.21
Auskunftsanspruch gegenüber dem Land über die zur Person gespeicherten personenbezogenen Daten ; Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 05.02.2024
Referenz: JurionRS 2024, 11582
Aktenzeichen: BVerwG 20 F 8.21
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2024:050224B20F8.21.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Berlin-Brandenburg - 20.09.2021 - AZ: 95 A 5/21

BVerwG, 05.02.2024 - BVerwG 20 F 8.21

Redaktioneller Leitsatz:

Ein Bundesland muss keine Auskunft über die zu einer Person gespeicherten personenbezogenen Daten erteilen, wenn zutreffende Weigerungsgründe bestehen, es sich also um Informationen handelt, die Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Polizei und deren Informationsstand zulassen.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 5. Februar 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und Dr. Koch
beschlossen:

Tenor:

Die Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport des Landes Berlin wird beigeladen.

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. September 2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I

1

Der Kläger begehrt in der diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsache, das beklagte Land zu verpflichten, ihm gemäß § 50 des Berliner Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten personenbezogenen Daten zu erteilen.

2

Auf einen entsprechenden Antrag des Klägers hatte ihm der Polizeipräsident in Berlin mit Bescheid vom 13. Februar 2018 einige der über ihn gespeicherten Informationen mitgeteilt und im Übrigen die Auskunft verweigert. In dem nach erfolglosem Widerspruch eingeleiteten Klageverfahren hat der Beklagte einen teilgeschwärzten Verwaltungsvorgang vorgelegt. Mit Beweisbeschluss vom 10. November 2020 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aufgefordert, den vollständigen und ungeschwärzten Verwaltungsvorgang sowie die ungeschwärzten Originaldokumente zu vier auf Blatt 46 des Verwaltungsvorgangs geschwärzten Vorgängen vorzulegen.

3

Der Beklagte hat daraufhin durch die Senatsverwaltung für Inneres und Sport unter dem 3. März 2021 eine Sperrerklärung abgegeben, mit der er die Vorlage der genannten Originaldokumente sowie einzelner, konkret bezeichneter Blätter des Verwaltungsvorgangs, die teilweise geschwärzt oder abgedeckt sind, gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO (nunmehr § 99 Abs. 1 Satz 3 VwGO) verweigerte; diese Unterlagen enthielten Angaben, deren Offenlegung dem Wohl des Landes erhebliche Nachteile bereiten würde, und Daten, die ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssten.

4

Auf Antrag des Klägers hat das Verwaltungsgericht die Sache mit Beschluss vom 28. April 2021 an den Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zur Durchführung eines Zwischenverfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO abgegeben. Mit Beschluss vom 20. September 2021 hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass die Schwärzung bestimmter, im Einzelnen bezeichneter Textpassagen auf sechs Blättern des Verwaltungsvorgangs rechtswidrig ist, und im Übrigen den Antrag des Klägers abgelehnt.

5

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

6

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Sperrerklärung der Beigeladenen vom 3. März 2021 ist über den vom Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts festgestellten Umfang hinaus nicht rechtswidrig.

7

1. Für die mit der Sperrerklärung geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 und 3 VwGO gelten, soweit dies für den vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung ist, die folgenden rechtlichen Maßstäbe.

8

Ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO ist gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit und Freiheit von Personen gefährden würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2019 - 20 F 8.17 - juris Rn. 16 m. w. N.). Eine solche Erschwernis kann sich auch daraus ergeben, dass bei einer umfangreichen Zusammenschau offen-gelegter Unterlagen Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen möglich werden. Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen, Arbeitstitel, Verfügungen, namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen, Querverweise, Hervorhebungen und Unterstreichungen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. April 2019 - 20 F 15.17 - juris Rn. 6, vom 16. April 2019 - 20 F 18.17 - juris Rn. 13 und vom 10. Mai 2019 - 20 F 1.19 - juris Rn. 6) sowie Vermerke zur Aktenverwaltung, Schriftverkehr mit anderen Behörden, Gesprächsdokumentationen, Verfügungsbögen und Deckblattberichte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 20 F 7.16 - juris Rn. 7).

9

Personenbezogene Daten im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig. Bei ihnen besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundrechtlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen. Vielmehr können auch Äußerungen und Angaben zur Sache geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht (BVerwG, Beschluss vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 12). Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter. Daran ändert nichts, dass Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten (BVerwG, Beschluss vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 14).

10

2. Ausgehend davon ist die Sperrerklärung vom 3. März 2021, soweit sie vom Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts nicht beanstandet worden und noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, rechtmäßig.

11

Die beigeladene Senatsverwaltung hat in der Sperrerklärung - unter Angabe von Blattzahlen - differenzierende und den einzelnen geschwärzten Passagen und Aktenteilen konkret zugeordnete Geheimhaltungsgründe dargelegt. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Gründe ebenso konkret und nachvollziehbar Punkt für Punkt überprüft. Es hat dabei im Ergebnis einen Teil der Schwärzungen beanstandet und ihre Freigabe verlangt (unter II.2.a.bb), und hinsichtlich der übrigen Punkte das Eingreifen des Geheimhaltungsgrunds eines möglichen Nachteils für das Wohl des Landes bejaht (unter II.2.a.cc).

12

Die Durchsicht der dem Senat vollständig und ungeschwärzt vorliegenden Unterlagen hat bestätigt, dass die Weigerungsgründe, die die Beigeladene für die noch strittigen Passagen geltend macht, bestehen. Hinsichtlich der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss verwiesen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Dies gilt insbesondere auch für die vier auf Blatt 46 des Verwaltungsvorgangs geschwärzten Vorgänge. Die vier Berichte (mit insgesamt 38 Seiten) betreffen zum weitaus überwiegenden Teil andere Personen und sind insoweit nicht vom Auskunftsanspruch des Klägers umfasst; ansonsten handelt es sich, wie vom Oberverwaltungsgericht zutreffend festgestellt, um Informationen, die Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Polizei und deren Informationsstand zuließen. Von einer über die Darlegungen des Oberverwaltungsgerichts hinausreichenden Begründung wird im Übrigen abgesehen, weil die Entscheidungsgründe Art und Inhalt der geheim gehaltenen Akten und elektronischen Dokumente nicht erkennen lassen dürfen (§ 99 Abs. 2 Satz 14 i. V. m. Satz 10 Halbs. 2 VwGO).

13

3. Soweit ein Weigerungsgrund vorliegt, ist schließlich auch die nach § 99 Abs. 1 Satz 3 VwGO erforderliche Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Die Beigeladene hat in ihrer Sperrerklärung eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und die widerstreitenden Interessen der Beteiligten abwägende Ermessensentscheidung getroffen, die den rechtlichen Anforderungen (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 - NJW 2010, 2295 Rn. 12 m. w. N.) genügt. Da die förmliche Beiladung versehentlich unterblieben ist, war sie nachzuholen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. November 2022 - 20 F 2.22 - juris Rn. 6).

14

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Dr. Häußler

Dr. Langer

Dr. Koch

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