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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 05.02.2024, Az.: BVerwG 20 F 6.22
Auskunftsanspruch gegenüber dem Land über die zur Person gespeicherten personenbezogenen Daten ; Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 05.02.2024
Referenz: JurionRS 2024, 11581
Aktenzeichen: BVerwG 20 F 6.22
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2024:050224B20F6.22.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Berlin-Brandenburg - 14.02.2022 - AZ: 95 A 4/21

BVerwG, 05.02.2024 - BVerwG 20 F 6.22

Redaktioneller Leitsatz:

Ein Bundesland muss keine Auskunft über die zu einer Person gespeicherten personenbezogenen Daten erteilen, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit und Freiheit von Personen gefährden würde. Dies ist anzunehmen, wenn sich dadurch Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Polizei, deren Erkenntnisstand und Informationsquellen ziehen ließen.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 5. Februar 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und Dr. Koch
beschlossen:

Tenor:

Die Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport des Landes Berlin wird beigeladen.

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Februar 2022 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I

1

Der Kläger begehrt in der diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsache, das beklagte Land zu verpflichten, ihm gemäß § 50 des Berliner Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten personenbezogenen Daten zu erteilen.

2

Auf einen entsprechenden Antrag des Klägers hatte ihm der Polizeipräsident in Berlin mit Bescheid vom 22. August 2019 einige der über ihn gespeicherten Informationen mitgeteilt und im Übrigen die Auskunft verweigert. In dem nach erfolglosem Widerspruch eingeleiteten Klageverfahren hat der Beklagte einen teilgeschwärzten Verwaltungsvorgang vorgelegt. Mit Beweisbeschluss vom 8. Dezember 2020 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aufgefordert, den vollständigen und ungeschwärzten Verwaltungsvorgang sowie die ungeschwärzten Originaldokumente, namentlich die Tätigkeitsberichte, zu den geschwärzten Vorgängen vorzulegen.

3

Die beigeladene Senatsverwaltung für Inneres und Sport hat daraufhin unter dem 1. März 2021 eine Sperrerklärung abgegeben, mit der sie die Vorlage der genannten Originaldokumente (Tätigkeitsberichte) sowie einzelner, konkret bezeichneter Blätter des Verwaltungsvorgangs, die teilweise geschwärzt oder abgedeckt sind, gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO a.F. (nunmehr § 99 Abs. 1 Satz 3) verweigerte; diese Unterlagen enthielten Angaben, deren Offenlegung dem Wohl des Landes erhebliche Nachteile bereiten würde, und Daten, die ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssten.

4

Mit Schriftsatz vom 15. April 2021 hat der Kläger beantragt, die Sache dem Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts vorzulegen mit dem Antrag, festzustellen, dass die Verweigerung der Aktenvorlage rechtswidrig sei, soweit die Sperrung jeweils eines Abschnitts auf Blatt 7 und Blatt 14 des Verwaltungsvorgangs und der Originaldokumente zu den dort geschwärzt referierten Vorgängen erklärt werde; hinsichtlich der Originaldokumente werde der Feststellungsantrag insoweit eingeschränkt, dass die Sperrung von Daten dritter Personen ausgenommen sei. Das Verwaltungsgericht hat daraufhin die Sache mit Beschluss vom 21. April 2021 an das Oberverwaltungsgericht zur Durchführung eines Zwischenverfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO abgegeben.

5

Mit Beschluss vom 14. Februar 2022 hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts den Antrag des Klägers abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

6

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Sperrerklärung vom 1. März 2021 ist, soweit sie Gegenstand des Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO ist, rechtmäßig.

7

1. Mit dem Oberverwaltungsgericht bestehen keine Bedenken dagegen, dass der Kläger seinen Antrag auf einzelne Aktenteile beschränkt hat. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind damit nur die geschwärzten Abschnitte auf Blatt 7 und Blatt 14 des Verwaltungsvorgangs sowie die beiden Tätigkeitsberichte, auf die sich die geschwärzten Abschnitte beziehen.

8

2. Für die mit der Sperrerklärung geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 und 3 VwGO gelten, soweit dies für den vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung ist, die folgenden rechtlichen Maßstäbe.

9

Ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO ist gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit und Freiheit von Personen gefährden würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2019 - 20 F 8.17 - juris Rn. 16 m. w. N.). Eine solche Erschwernis kann sich auch daraus ergeben, dass bei einer umfangreichen Zusammenschau offen-gelegter Unterlagen Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen möglich werden. Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen, Arbeitstitel, Verfügungen, namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen, Querverweise, Hervorhebungen und Unterstreichungen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. April 2019 - 20 F 15.17 - juris Rn. 6, vom 16. April 2019 - 20 F 18.17 - juris Rn. 13 und vom 10. Mai 2019 - 20 F 1.19 - juris Rn. 6) sowie Vermerke zur Aktenverwaltung, Schriftverkehr mit anderen Behörden, Gesprächsdokumentationen, Verfügungsbögen und Deckblattberichte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 20 F 7.16 - juris Rn. 7).

10

Personenbezogene Daten im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig. Bei ihnen besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundrechtlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen. Vielmehr können auch Äußerungen und Angaben zur Sache geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht (BVerwG, Beschluss vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 12). Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter. Daran ändert nichts, dass Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten (BVerwG, Beschluss vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 14).

11

3. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Oberverwaltungsgericht die Sperrerklärung vom 1. März 2021, soweit hier gegenständlich, zutreffend für rechtmäßig erachtet.

12

a) Die beigeladene Senatsverwaltung hat in der Sperrerklärung (auf Seite 3 unter <1> und Seite 4 unter <4>) zu den Teilschwärzungen auf Blatt 7 und Blatt 14 des Verwaltungsvorgangs nachvollziehbar und auf den konkreten Akteninhalt bezogen ihre Geheimhaltungsgründe dargelegt. Nicht zu beanstanden ist, dass unter (4) weitgehend auf die Ausführungen unter (1) verwiesen wird, weil es sich im Wesentlichen um gleichartige Vorgänge handelt. Zutreffend weist das Oberverwaltungsgericht darauf hin, dass in die Darlegung der Geheimhaltungsgründe auch die - hinter die Klammer gezogenen - zusammenfassenden Ausführungen auf Seite 6 (nach <12>) und Seite 7 (erste drei Absätze) einzubeziehen sind. Insbesondere aus diesen zusammenfassenden Ausführungen ist erkennbar, dass sich die Geheimhaltungsbedürftigkeit nicht nur auf die geschwärzten Passagen des Verwaltungsvorgangs, sondern auch und vor allem auf die dahinterstehenden "Originaldokumente, namentlich die Tätigkeitsberichte" erstreckt.

13

b) Die Durchsicht der dem Senat vollständig und ungeschwärzt vorliegenden Unterlagen hat bestätigt, dass die Weigerungsgründe, die die Beigeladene für die strittigen Passagen des Verwaltungsvorgangs und für die beiden Tätigkeitsberichte geltend macht, bestehen.

14

Mit dem Oberverwaltungsgericht ist zunächst festzuhalten, dass der größte Teil der Tätigkeitsberichte sich auf Daten dritter Personen bezieht, die der Kläger von vornherein von seinem Antrag aus § 99 Abs. 2 VwGO ausgenommen hat und die deshalb ihrerseits bei einer Offenlegung der Tätigkeitsberichte zu schwärzen wären. Es verbliebe damit, wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, lediglich ein vergleichsweise geringer, den Kläger betreffender "Restbestand". Aus den dem Senat offen vorliegenden Unterlagen ist allerdings ohne Weiteres nachvollziehbar, dass - wenn auch nur dieser "Restbestand" dem Kläger mitgeteilt würde - sich aus den ihn betreffenden Passagen und den begleitenden Sachinformationen über Örtlichkeiten, Zeit und weitere beteiligte Personen Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Polizei, deren Erkenntnisstand und Informationsquellen sowie insbesondere auf Maßnahmen zu einer dritten Person, die im Fokus der Tätigkeitsberichte steht, ziehen ließen. Der geltend gemachte Geheimhaltungsgrund eines möglichen Nachteils für das Wohl eines Landes liegt daher für die geschwärzten Passagen des Verwaltungsvorgangs und für die beiden Tätigkeitsberichte insgesamt vor.

15

Wegen der weiteren Einwände des Klägers wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss (Seite 5 und 6) verwiesen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Von einer über die Darlegungen des Oberverwaltungsgerichts hinausreichenden Begründung wird im Übrigen abgesehen, weil die Entscheidungsgründe Art und Inhalt der geheim gehaltenen Akten und elektronischen Dokumente nicht erkennen lassen dürfen (§ 99 Abs. 2 Satz 14 i. V. m. Satz 10 Halbs. 2 VwGO).

16

4. Soweit ein Weigerungsgrund vorliegt, ist schließlich auch die nach § 99 Abs. 1 Satz 3 VwGO erforderliche Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Die Beigeladene hat in ihrer Sperrerklärung eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und die widerstreitenden Interessen der Beteiligten abwägende Ermessensentscheidung getroffen, die den rechtlichen Anforderungen genügt (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 - NJW 2010, 2295 Rn. 12 m. w. N.). Da die förmliche Beiladung versehentlich unterblieben ist, war sie nachzuholen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. November 2022 - 20 F 2.22 - juris Rn. 6).

17

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Dr. Häußler

Dr. Langer

Dr. Koch

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