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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 02.11.2023, Az.: BVerwG 2 A 4.23 (2 A 19.21)
Aufzeigen der für eine Fortführung des Verfahrens erforderlichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör; Vernehmung der weiteren Mitglieder des parlamentarischen Untersuchungsausschusses
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 02.11.2023
Referenz: JurionRS 2023, 45802
Aktenzeichen: BVerwG 2 A 4.23 (2 A 19.21)
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2023:021123B2A4.23.0

BVerwG, 02.11.2023 - BVerwG 2 A 4.23 (2 A 19.21)

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. November 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Hissnauer
beschlossen:

Tenor:

Die Anhörungsrüge des Beklagten gegen das Urteil vom 2. März 2023 - BVerwG 2 A 19.21 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1

1. Über die Anhörungsrüge ist in der geschäftsplanmäßigen Besetzung des Senats zu befinden. Eine Regelung - wie etwa in § 119 Abs. 2 Satz 3 VwGO für den Fall der Tatbestandsberichtigung -, nach der an der Entscheidung nur die Richter mitwirken dürften, die auch bei dem angegriffenen Urteil mitgewirkt haben, ist für die Anhörungsrüge nicht vorgesehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. November 2007 - 8 C 17.07 u. a. - juris Rn. 1; OVG Münster, Beschluss vom 13. Juni 2012 - 16 A 1127/12 - NVwZ-RR 2012, 779 Rn. 1 ff.; hierzu auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 188/09 - NVwZ 2009, 580 Rn. 16).

2

2. Die vom Beklagten erhobene Anhörungsrüge ist unbegründet, weil sie die für eine Fortführung des Verfahrens erforderliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO) nicht aufzeigt. Die Frage, ob die vorgetragenen Rügen entscheidungserheblich wären (vgl. hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 188/09 - NVwZ 2009, 580 Rn. 13), bedarf daher keiner Erörterung.

3

Der in Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör verbürgt als "prozessuales Urrecht" den Beteiligten eines Gerichtsverfahrens, vor Erlass einer Entscheidung, die ihre Rechte betrifft, zu Wort kommen und mit ihren Ausführungen und Anträgen Einfluss auf das Verfahren nehmen zu können (vgl. BVerfG, Plenumsbeschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395 <408 f.>). Diese Ausführungen hat das Gericht zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. August 2018 - 3 BN 1.18 - juris Rn. 2). Einen Verstoß gegen diese Verpflichtung hat die Anhörungsrüge nicht aufgezeigt.

4

a) Mit der Rüge, der Senat habe die Schlüsse, die der Abgeordnete aus den vom Beklagten erlangten Informationen für sich und seine Tätigkeit als Obmann seiner Fraktion im NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages gezogen habe, nicht hinreichend berücksichtigt, wendet sich der Beklagte in der Sache gegen die vom Senat für richtig befundene Würdigung des gegen den Beklagten erhobenen Disziplinarvorwurfs. Daraus, dass der Senat der Sichtweise des Beklagten nicht gefolgt ist, lässt sich indes nicht auf eine mangelnde Berücksichtigung seines Vorbringens schließen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Juni 2020 - 3 C 12.20 - juris Rn. 4). Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht nicht, der Rechtsansicht des Beklagten zu folgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. April 1983 - 2 BvR 678/81 u. a. - BVerfGE 64, 1 <12>). Dementsprechend gewährleistet § 152a VwGO auch nicht eine wiederholte inhaltliche Überprüfung der Entscheidung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Mai 2022 - 3 B 13.22 - juris Rn. 4).

5

Ausweislich der Begründung des Senatsurteils vom 2. März 2023 (Rn. 38) war der Beklagte auch gegenüber dem Abgeordneten nicht von seiner Verschwiegenheitspflicht befreit. Dies galt in besonderer Weise für Angaben zur Identität von Legendenwohnungsgebern (Rn. 47 ff.). Ausgehend hiervon ist für die Bewertung des dem Beklagten vorgeworfenen Dienstvergehens nicht erheblich, welche Schlüsse der Abgeordnete aus den vom Beklagten erhaltenen Informationen anschließend gezogen hat. Nach der - für die Beurteilung der geltend gemachten Verfahrensrüge maßgeblichen - Rechtsauffassung des Gerichts kommt diesen Fragen weder für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit der Verschwiegenheitsverletzung noch im Rahmen der prognostischen Frage zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung Bedeutung zu. Es bestand daher weder Veranlassung zu weiterer Sachverhaltsaufklärung noch zu einer weiteren "Berücksichtigung" dieser Aspekte. Im Übrigen hat der Senat die Angabe des Klägers, er habe zum Schutz des Abgeordneten (und des BND) gehandelt, als unglaubhaft bewertet (Rn. 62 ff.). Die geltend gemachten "billigenswerten Motive" lagen damit nach Auffassung des Senats - unabhängig von etwaigen Folgerungen des Abgeordneten - in keinem Falle vor.

6

b) Entsprechendes gilt für die vermisste Vernehmung der weiteren Mitglieder des parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Abgesehen davon, dass der Beklagte einen entsprechenden Beweisantrag im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht gestellt hat, benennt auch die Rüge nicht, zu welchem Beweisthema eine etwaige Zeugenvernehmung hätte durchgeführt werden sollen. Unabhängig hiervon ist in der angegriffenen Entscheidung ausgeführt, dass sich der Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens im Verhältnis zum Dienstherrn und zur Allgemeinheit bestimmt (Rn. 44). Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG vorliegen, obliegt dem Disziplinargericht und ist einer Beweisaufnahme, etwa durch die Befragung von bestimmten Personengruppen, nicht zugänglich. Ausgehend hiervon käme den Aussagen der Mitglieder des parlamentarischen Untersuchungsausschusses auch keine Bedeutung zu.

7

c) Auf eine Vernehmung der ursprünglich geladenen sachverständigen Zeuginnen zum Gesundheitszustand des Beklagten im maßgeblichen Zeitpunkt der Begehung des Dienstvergehens hat der Senat verzichtet, weil den vorliegenden Unterlagen kein Anhaltspunkt für eine Mitursächlichkeit der gesundheitlichen Beeinträchtigungen für die Hinweise an den Abgeordneten bezüglich der Legendenwohnungsgeber ersichtlich sei (Rn. 66 f.). Einen hierauf zielenden Beweisantrag hat der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Auch die Rüge zeigt keine substantiierten Anhaltspunkte für eine abweichende Einschätzung auf; sie erschöpft sich vielmehr in der Wiedergabe der vom Beklagten getätigten Äußerungen.

8

d) Eine Ladung des Abgeordneten zum Termin der mündlichen Verhandlung schied aus, weil ein Bundestagsabgeordneter nach § 58 Abs. 3 BDG i. V. m. § 50 Abs. 1 StPO während der Sitzungswochen des Bundestags nicht außerhalb Berlins geladen werden darf. Einen Vertagungsantrag hat der Beklagte nicht gestellt.

9

Im Übrigen hat der Abgeordnete im Vorfeld der mündlichen Verhandlung an Eides statt versichert, dass der Beklagte ihm die mitgeteilten Informationen in Bezug auf das Abgeordnetenmandat anvertraut habe und er von dem ihm nach Art. 47 Satz 1 GG zustehenden Zeugnisverweigerungsrecht umfassend Gebrauch machen werde. Einen Antrag auf Vernehmung des Abgeordneten als Zeugen hat der Beklagte nachfolgend nicht gestellt.

10

Die mit der Rüge in Bezug genommene Befragung hinsichtlich der Auswirkungen der Hinweisgabe auf nachfolgende Entscheidungen des Abgeordneten wäre im Übrigen - wie bereits dargelegt - nicht entscheidungserheblich gewesen.

11

e) Aus diesem Grund geht auch der Einwand ins Leere, das Urteil habe den wesentlichen Kern des Vorbringens des Beklagten bei seiner Entscheidungsfindung unberücksichtigt gelassen. Der Senat hat die mit der Anhörungsrüge vorgebrachten Umstände gesehen, in der mündlichen Verhandlung erörtert (vgl. hierzu auch die Erwiderung der Klägerin mit den dort benannten Beispielen) und gewürdigt. Er hat ihnen indes nicht die vom Beklagten gewünschte Bedeutung zugemessen.

12

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nach § 78 Satz 1 BDG nicht, weil Gerichtsgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 BDG erhoben werden (vgl. Nr. 50).

Dr. Kenntner

Dr. Hartung

Dr. Hissnauer

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