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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 16.10.2023, Az.: BVerwG 6 B 6.23
Klage eines islamischen Kulturvereins gegen die sein Verbot wegen der nachhaltigen Unterstützung der verbotenen Terrororganisation Hizb Allah; Verneinung der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob für die Erfüllung des subjektiven Verbotstatbestandes im Falle der Unterstützung einer terroristischen Organisation die Identifizierung mit Aktivitäten und Zielen der Terrororganisation erforderlich sei
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 16.10.2023
Referenz: JurionRS 2023, 41899
Aktenzeichen: BVerwG 6 B 6.23
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2023:161023B6B6.23.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Bremen - 15.11.2022 - AZ: 1 D 87/22

BVerwG, 16.10.2023 - BVerwG 6 B 6.23

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Oktober 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Tegethoff und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 15. November 2022 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Der Kläger, ein islamischer Kulturverein, wurde von der Beklagten mit Verfügung vom 1. März 2022 gemäß § 3 Abs. 1 VereinsG verboten. Der Kläger richte sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung, da er die Bestrebungen der verbotenen Terrororganisation Hizb Allah nachhaltig unterstütze.

2

Das Oberverwaltungsgericht hat die gegen das Verbot gerichtete Klage abgewiesen. Es hat sein Urteil im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger auf für ihn prägende Weise der Hizb Allah und deren Gedankengut eine Plattform in Deutschland sowie signifikante ideologische Unterstützung geboten habe. Zudem habe er dazu beigetragen, völkerverständigungswidrige Überzeugungen zu verbreiten. Der Kläger erfülle auch die subjektiven Voraussetzungen des Verbotstatbestandes des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG, für die ein bedingter Unterstützungsvorsatz ausreiche. Ihm sei in Person seiner leitenden Mitglieder bekannt gewesen, dass er die Hizb Allah unterstütze. Selbst wenn man über das Wissen und die Billigung einer Unterstützung völkerverständigungswidriger Aktivitäten hinaus eine Identifizierung mit den Zielen der geförderten Organisation fordere, sei das beim Kläger der Fall. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde, der die Beklagte entgegentritt.

II

3

Die zulässige Beschwerde des Klägers, mit der dieser die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie des Bundesverfassungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) geltend macht, bleibt ohne Erfolg.

4

1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 2023 - 6 B 30.22 - NVwZ-RR 2023, 716 Rn. 7 m. w. N.).

5

Die Beschwerde wirft als Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf, ob für die Erfüllung des subjektiven Verbotstatbestandes des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG im Falle der Unterstützung einer terroristischen Organisation die Identifizierung mit Aktivitäten und Zielen der Terrororganisation erforderlich sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe im Urteil vom 18. April 2012 - 6 A 2.10 - (NVwZ-RR 2012, 648 [BVerwG 18.04.2012 - BVerwG 6 A 2.10]) für den Verbotsgrund des sich Richtens gegen den Gedanken der Völkerverständigung verlangt, dass dem verbotenen Verein die Zugehörigkeit des unterstützten Vereins zu der Terrororganisation bekannt sei und er sich mit der Terrororganisation einschließlich der von ihr ausgehenden Gewalttaten identifiziere. Denn das Identifizierungserfordernis wirke der Gefahr eines unverhältnismäßigen Verbotserlasses entgegen. Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

6

Die von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich angesehene Rechtsfrage erweist sich hier nicht als klärungsfähig. Denn sie war für die Vorinstanz nicht entscheidungserheblich und würde sich in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Zwar ist das Oberverwaltungsgericht in den Gründen der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass es aus Gründen effektiver Gefahrenabwehr neben dem bedingten Unterstützungsvorsatz keiner Identifikation mit der unterstützten Organisation einschließlich der von ihr ausgehenden völkerverständigungswidrigen und gewalttätigen Aktivitäten bedürfe (UA S. 20 f.). Im Folgenden ist es dann aber trotzdem auf diese Frage eingegangen und hat festgestellt, dass der Kläger sich mit der Hizb Allah identifiziert habe (UA S. 21).

7

Das verkennt auch die Beschwerde nicht, macht aber geltend, die Vorinstanz habe das nur pauschal bejaht, ohne sich näher mit der tatsächlichen Identifizierung des Klägers auseinanderzusetzen. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass er damit implizit die Verletzung des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO als Verfahrensmangel geltend machen will, vermag sein Vorbringen die zu der Identifizierung getroffenen tatrichterlichen Feststellungen nicht zu erschüttern. Denn das Oberverwaltungsgericht hat insoweit auf die Bezüge der Pfadfinderorganisation des Klägers und deren Entsprechung bei der Hizb Allah, die Übernahme von Logos und Losungen, die in den Vereinsräumen aufgefundenen Materialien, die Erkenntnisse über den 1. Vorsitzenden, die Verwendung von Symbolen und Bildern mit Bezug zur Hizb Allah bei Veranstaltungen sowie die entsprechenden Bezüge regelmäßiger Besucher abgestellt. Es hat betont, dass insbesondere das Rekurrieren auf Symbole der Hizb Allah sowie von dieser als "Märtyrer" verehrter Personen einen gewichtigen Hinweis auf eine Identifizierung mit deren Zielen und gewaltsamen Aktivitäten darstelle. Wenn die Beschwerde diese Indizien unter Verweis auf von ihr angeführten Umstände anders als die Vorinstanz gewürdigt wissen will, zeigt sie damit keinen Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf. Denn der Grundsatz der freien Beweiswürdigung wird nicht schon dadurch infrage gestellt, dass ein Beteiligter aus dem vorliegenden Prozessstoff andere Schlüsse ziehen will als der Tatrichter (BVerwG, Urteil vom 2. März 2022 - 6 C 7.20 - BVerwGE 175, 76 Rn. 40).

8

2. Eine die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen genügt nicht den an eine Divergenzrüge zu stellenden Zulässigkeitsanforderungen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 2011 - 6 B 7.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 410 Rn. 14).

9

Nimmt man zugunsten des Klägers an, dass er mit seinen Ausführungen in der Beschwerdebegründung eine Abweichung des Oberverwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 18. April 2012 - 6 A 2.10 - (NVwZ-RR 2012, 648 Rn. 19) zum Erfordernis der Identifizierung des unterstützenden Vereins mit der völkerverständigungswidrigen Betätigung der Terrororganisation sowie des Bundesverfassungsgerichts zu den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes an ein Vereinsverbot (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 u. a. - BVerfGE 149, 160 [BVerfG 13.07.2018 - 1 BvR 1474/12]) geltend machen will, kann er damit die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht erreichen. Denn die angefochtene Entscheidung beruht - wie bereits dargelegt - nicht auf der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, aus Gründen effektiver Gefahrenabwehr bedürfe es neben dem bedingten Unterstützungsvorsatz keiner Identifikation mit der unterstützten Organisation einschließlich der von ihr ausgehenden völkerverständigungswidrigen und gewalttätigen Aktivitäten (UA S. 20 f.). Mit der weiteren Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Subsumtion nicht berücksichtigt, vermag die Beschwerde keine Rechtssatzdivergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zu belegen.

10

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO). Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG und Nummer 45.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

Prof. Dr. Kraft

Dr. Tegethoff

Dr. Gamp

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