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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 29.08.2023, Az.: BVerwG 1 B 17.23
Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht des Gerichts wegen Ablehnung der in der mündlichen Verhandlung gestellten und in der Beschwerdebegründungsschrift wiedergegebenen Beweisanträge als Ausforschungsbeweisanträge; Nachweis über die Aushändigung der Mitteilung des Bundesamts an einen Ausländer hinsichtlich Überstellung
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 29.08.2023
Referenz: JurionRS 2023, 38384
Aktenzeichen: BVerwG 1 B 17.23
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2023:290823B1B17.23.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Berlin-Brandenburg - 30.03.2023 - AZ: 6 B 12/22

Rechtsgrundlagen:

§ 86 Abs. 1 S. 1 VwGO

Art. 20 Abs. 1 Buchst. e UAbs. 1 VO 343/2003/EG

BVerwG, 29.08.2023 - BVerwG 1 B 17.23

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Ein Beweisantrag ist unzulässig und darf abgelehnt werden, wenn es sich um einen Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag handelt, er mithin allein zum Ziel hat, Zugang zu einer bestimmten Informationsquelle zu erlangen, um auf diesem Wege Anhaltspunkte für neuen Sachvortrag zu gewinnen.

  2. 2.

    Fragen zur Auslegung und Anwendung ausgelaufenen Rechts verleihen einer Rechtssache regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

  3. 3.

    In einem Revisionsverfahren sind nur solche Rechtsfragen klärungsfähig, die die Vorinstanz entschieden hat.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. August 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Fleuß und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wittkopp
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. März 2023 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 334,41 € festgesetzt.

Gründe

1

1. Die auf die Zulassungsgründe eines Verfahrensmangels (a), der Divergenz (b) und der grundsätzlichen Bedeutung (c) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

a) Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Damit sind Verstöße gegen Vorschriften gemeint, die den Verfahrensablauf oder den Weg zu der Entscheidung und die Art und Weise des Ergehens der Entscheidung regeln, nicht jedoch Vorschriften, die den Urteils- oder Beschlussinhalt betreffen und deren Verletzung sich als Mangel der sachlichen Entscheidung darstellt. Ein Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ausreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 2015 - 5 B 14.15 - juris Rn. 14 m. w. N.). Daran gemessen kommt die Zulassung der Revision nicht in Betracht.

3

aa) Ohne Erfolg rügt die Beschwerde, das Berufungsgericht habe seine Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt, indem es die in der mündlichen Verhandlung gestellten und in der Beschwerdebegründungsschrift wiedergegebenen Beweisanträge als Ausforschungsbeweisanträge abgelehnt habe.

4

Die Ablehnung eines förmlichen und unbedingt gestellten Beweisantrags ist nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2020 - 1 B 65.19 - Buchholz 310 § 86 VwGO Nr. 382 Rn. 17). Ein Beweisantrag ist unzulässig und darf abgelehnt werden, wenn es sich um einen Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag handelt, er mithin allein zum Ziel hat, Zugang zu einer bestimmten Informationsquelle zu erlangen, um auf diesem Wege Anhaltspunkte für neuen Sachvortrag zu gewinnen. Auch Beweisanträge, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann, müssen regelmäßig dem Gericht eine weitere Sachaufklärung nicht nahelegen und können als unsubstantiiert abgelehnt werden. So liegt es, wenn für den Wahrheitsgehalt der Beweistatsachen nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, das heißt, wenn jene - mit anderen Worten - ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aus der Luft gegriffen", "ins Blaue hinein", also "erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage" behauptet worden sind. Welche Anforderungen vom Tatsachengericht an die Substantiierung des Vorbringens gestellt werden dürfen, bestimmt sich zum einen danach, ob die zu beweisende Tatsache in den eigenen Erkenntnisbereich des Beteiligten fällt, und zum anderen nach der konkreten prozessualen Situation (BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2020 - 1 B 65.19 - Buchholz 310 § 86 VwGO Nr. 382 Rn. 18 m. w. N.).

5

Das Oberverwaltungsgericht hat die in der Berufungsverhandlung gestellten Anträge der Beklagten nach diesen Grundsätzen verfahrensfehlerfrei als unzulässige Ausforschungsbeweisanträge abgelehnt. Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat die Beklagte keine konkreten Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass der Klägerin die Mitteilung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. e UAbs. 1 VO (EG) Nr. 343/2003 durch die namentlich bezeichnete Polizeihauptmeisterin ausgehändigt wurde.

6

Ausweislich der Antragsbegründung übermittelte das Bundesamt die betreffende Mitteilung vom 4. Januar 2012 am 5. Januar 2012 der Bundespolizei zum Zwecke der Aushändigung an die Klägerin. Um 6.45 Uhr desselben Tages habe die zuständige Beamtin der Bundespolizei den Empfang von Überstellungsunterlagen bestätigt. Um 13.14 Uhr desselben Tages habe sich die Prozessbevollmächtigte der Klägerin für diese erstmals bei dem Bundesamt bestellt. Zum Beweis der Tatsache, dass die namentlich bezeichnete Polizeihauptmeisterin die Dokumente der Klägerin ausgehändigt hat, hat die Beklagte deren Vernehmung als Zeugin und die Vernehmung der Klägerin als Beteiligte beantragt. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Anträge jeweils mit der Begründung abgelehnt, es handle sich um einen Ausforschungsbeweisantrag, der darauf gerichtet sei, den für entscheidungserheblich gehaltenen Sachverhalt zu ermitteln. Weder den Verwaltungsvorgängen der Bundespolizei noch denjenigen des Bundesamts ließen sich Anhaltspunkte für die unter Beweis gestellte Tatsache oder den Einsatz eines Dolmetschers entnehmen. Das Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 5. Januar 2012 enthalte einen Asylantrag und reagiere auf die Zurückschiebungsverfügung vom 25. Dezember 2011, gegen die die Prozessbevollmächtigte ebenfalls am 5. Januar 2012 Widerspruch eingelegt habe.

7

Diesen tatrichterlichen Feststellungen ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Die Substantiierung der Beweistatsache erschöpft sich in einem Empfangsbekenntnis einer Polizeibeamtin, hinsichtlich derer zwar behauptet, aber nicht substantiiert dargetan wird, dass diese persönlich nicht nur für die Entgegennahme von Posteingängen, sondern auch für die Aushändigung von Mitteilungen gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. e UAbs. 1 VO (EG) Nr. 343/2003 zuständig war. Über etwaige Bemühungen im Vorfeld der Berufungsverhandlung, die betreffende Polizeihauptmeisterin zu erreichen, wird ebenso wenig berichtet, wie dargelegt wird, dass und wie in der Kürze der Zeit der Einsatz eines Sprachmittlers organisiert wurde. Nicht hergestellt wird auch ein nicht lediglich zeitlicher, sondern auch inhaltlicher Bezug zwischen der behaupteten Bekanntgabe der Mitteilung nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. e UAbs. 1 VO (EG) Nr. 343/2003 und dem Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 5. Januar 2012. Die von der Beklagten unter Beweis gestellte Tatsache erschöpft sich damit in einer bloßen Behauptung, die auch nicht auf eine gefestigte Praxis innerhalb dieser Polizeidienststelle oder auf gesicherte Erfahrungen gestützt wird. Das Oberverwaltungsgericht musste allein auf der Grundlage dieses Vortrages nicht davon ausgehen, dass für den Wahrheitsgehalt der Beweistatsache wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht. Die Anträge waren in Bezug auf die unter Beweis gestellte Tatsache vielmehr so unbestimmt, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst diese hätte aufdecken können. Ihnen ist nicht mit dem erforderlichen Grad der Substantiierung zu entnehmen, dass die konkret behauptete Tatsache bei einer Beweiserhebung mit dem erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad bewiesen werden würde.

8

bb) Nicht durchzudringen vermag die Beschwerde auch mit der Rüge einer Verletzung sowohl von § 96 Abs. 1 Satz 2 und § 98 VwGO i. V. m. den §§ 450 ff. ZPO als auch von § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO dadurch, dass das Oberverwaltungsgericht die beantragte Vernehmung der Klägerin als Beteiligte als unzulässiges Beweismittel angesehen hat.

9

Hiermit zeigt die Beschwerde keinen Verfahrensfehler auf, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Das Oberverwaltungsgericht hat die Ablehnung des betreffenden Beweisantrages, wie sich aus der Verwendung des Wortes "überdies" ergibt, selbstständig tragend auch auf das Vorliegen eines unzulässigen Ausforschungsantrages gestützt.

10

Bei einer derartigen selbstständig tragenden Mehrfachbegründung ist die Revision nur zuzulassen, wenn hinsichtlich jeder der Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 2015 - 5 B 14.15 - juris Rn. 15 m. w. N.). Daran fehlt es hier (vgl. oben aa)).

11

cc) Eine Verletzung von § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO rügt die Beklagte der Sache nach auch mit dem Vorbringen, das Oberverwaltungsgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, sie, die Beklagte, habe den erforderlichen Nachweis, dass das Schreiben des Bundesamts vom 4. Januar 2012 der Klägerin zugegangen sei, nicht führen können, eine Darlegungs- und Beweislast allein auf ihrer Seite habe zu diesem Zeitpunkt nicht bestanden, eine solche hätte erst nach vollständiger Ausschöpfung sämtlicher Beweismöglichkeiten und Beweisangebote durch das Gericht angenommen werden dürfen.

12

Die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht erfordert nicht nur die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Es muss des Weiteren dargelegt werden, dass entweder bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. November 2018 - 1 B 77.18 - juris Rn. 3 m. w. N.).

13

Dem bezeichneten Beschwerdevorbringen ist im Lichte der Ausführungen zu aa) nicht zu entnehmen, dass sich dem Oberverwaltungsgericht die von der Beklagten allein beantragte Vernehmung der Polizeibeamtin als Zeugin oder der Klägerin als Beteiligte von Amts wegen hätte aufdrängen müssen.

14

dd) Ohne Erfolg bleibt auch das Vorbringen, die diesbezüglichen Urteilsausführungen erschienen in sich widersprüchlich, da das angegriffene Urteil allein die Feststellung enthalte, dass die Beklagte einen Nachweis über die Aushändigung der Mitteilung nicht habe führen können, ohne indes zugleich auch ausdrücklich festzustellen, dass die Klägerin die Mitteilung des Bundesamts nicht erhalten habe.

15

Das Tatsachengericht entscheidet gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurteilung des Revisionsgerichts nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung, sondern nur ein Verfahrensvorgang auf dem Weg dorthin. Derartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also etwa entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert. Das Gericht darf nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist. Das Ergebnis der gerichtlichen Beweiswürdigung selbst ist vom Revisionsgericht nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen Logik (Denkgesetze) und Naturgesetze verstößt oder gedankliche Brüche und Widersprüche enthält (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 C 30.05 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16 und Beschluss vom 3. September 2018 - 1 B 41.18 - juris Rn. 3, jeweils m. w. N.).

16

Die Beklagte hat nicht in einer § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt, dass sich das Oberverwaltungsgericht zu einer entscheidungserheblichen Frage auf zwei einander widersprechende Tatsachenfeststellungen stützt und es daher an einer tragfähigen Grundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts fehlt. Das Oberverwaltungsgericht hat den Abschnitt zu 2. b) seiner Entscheidungsgründe mit dem Satz eingeleitet, auch im Zeitpunkt des Erlasses der Zurückschiebungsverfügung vom 9. Februar 2012 seien nicht sämtliche Voraussetzungen der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 für eine Überstellung der Klägerin und ihrer minderjährigen Kinder nach Polen erfüllt gewesen. Im Weiteren formuliert es den Rechtssatz, dass eine Überstellung erst erfolgen dürfe, wenn auch die in Art. 20 Abs. 1 Buchst. e UAbs. 1 Satz 1 VO (EG) Nr. 343/2003 vorgesehene Mitteilungspflicht erfüllt worden sei. Daran fehle es hier, weil die Beklagte nicht den erforderlichen Nachweis habe führen können, dass das Schreiben des Bundesamts vom 4. Januar 2012 der Klägerin zugegangen sei. Das Berufungsgericht hat damit der Sache nach eine Beweislastentscheidung getroffen. Dies ist nicht zu beanstanden, wenn - wie hier - eine Verpflichtung zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung nicht besteht.

17

b) Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz zuzulassen.

18

Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung der Rechtssätze, die das betreffende Gericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Dabei ist es nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichts, aus umfangreichen Passagen seiner Entscheidungen einen von der Beschwerde wohl in den Blick genommenen Rechtssatz herauszufiltern, sondern Teil der in § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gründenden Darlegungspflicht der Beschwerde, einen bestimmten Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts konkret und eindeutig zu bezeichnen.

19

Diesen Anforderungen wird die Rüge, das Oberverwaltungsgericht sei von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Oktober 2012 - 10 C 6.12 - und vom 8. Mai 2014 - 1 C 3.13 - abgewichen, nicht gerecht. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob den vorstehenden Bezeichnungsanforderungen noch hinreichend Rechnung getragen worden ist. Selbst wenn den von der Beschwerdebegründung zitierten Passagen der revisionsgerichtliche Rechtssatz entnommen werden sollte, dass der Kostenschuldner für eine der Durchführung einer rechtmäßigen Abschiebung dienenden Amtshandlung, die nicht in die Rechte des abzuschiebenden Ausländers eingreift, auch dann haftet, wenn diese Amtshandlung objektiv rechtswidrig war, sofern die Rechtswidrigkeit nicht offenkundig war und die Kosten bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären (BVerwG, Urteile vom 16. Oktober 2012 - 10 C 6.12 - BVerwGE 144, 326 Rn. 23 und vom 8. Mai 2014 - 1 C 3.13 - BVerwGE 149, 320 Rn. 21), so wäre dieser Rechtssatz im Rahmen einer Divergenzrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nur dann von Bedeutung, wenn er die betreffenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts auch trüge. Dieser Frage muss indes nicht nachgegangen werden, weil die Beschwerdebegründung nicht schlüssig aufzeigt, dass das Oberverwaltungsgericht einen abstrakten Rechtssatz gebildet hat, welcher dem vorstehenden Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts entgegensteht. Das Oberverwaltungsgericht ist vielmehr unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon ausgegangen, als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Kostenhaftung gelte, dass die kostenauslösenden Amtshandlungen, die selbstständig in Rechte des Ausländers eingriffen, rechtmäßig gewesen sein müssten. Damit hat es namentlich keinen die Entscheidung tragenden Rechtssatz aufgestellt, der die Kostenhaftung für rechtswidrige Amtshandlungen bei der Durchführung einer rechtmäßigen Abschiebung betrifft und damit dem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts entgegenstehen könnte. Das ergibt sich schon daraus, dass es die Zurückschiebung selbst für rechtswidrig befunden hat.

20

c) Die Revision ist schließlich nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

21

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung entscheidungserhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und im Einzelnen aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Juni 2006 - 6 B 22.06 - NVwZ 2006, 1073 Rn. 4 f. und vom 10. August 2015 - 5 B 48.15 - juris Rn. 3 m. w. N.). Die Darlegung muss sich auch auf die Entscheidungserheblichkeit des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrunds erstrecken. Sofern nationales Recht an Unionsrecht zu messen ist, ist die substantiierte Auseinandersetzung mit der themenrelevanten Rechtsprechung auch auf diejenige des Gerichtshofs der Europäischen Union zu erstrecken (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. September 2018 - 1 B 45.18 - juris Rn. 4 und vom 28. März 2019 - 1 B 7.19 - juris Rn. 4). Den vorstehenden Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

22

aa) Rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf sieht die Beschwerde in Hinblick auf die Fragen

"Ist eine auf § 57 Abs. 2 Hs. 2 AufenthG gestützte Zurückschiebungsverfügung der zuständigen Grenzbehörde im Zusammenhang mit einem sogenannten Dublin-II-Verfahren bereits dann rechtswidrig, wenn sie zu einem Zeitpunkt ergeht, in dem das (Wieder-)Aufnahmeverfahren nach der Dublin-II-Verordnung noch nicht förmlich von der zuständigen nationalen Behörde eingeleitet worden ist?"

"Ist eine auf § 57 Abs. 2 Hs. 2 AufenthG gestützte Zurückschiebungsverfügung der zuständigen Grenzbehörde im Rahmen eines sogenannten Dublin-II-Verfahrens bereits dann rechtswidrig, wenn sie zu einem Zeitpunkt ergeht, in dem das (Wieder-)Aufnahmeverfahren nach der Dublin-II-Verordnung zwar förmlich eingeleitet, aber noch nicht vollständig abgeschlossen ist?"

"Ist eine auf § 18 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG a.F. gestützte Zurückschiebungsverfügung der zuständigen Grenzbehörde im Rahmen eines sogenannten Dublin-II-Verfahrens bereits dann rechtswidrig, wenn sie zu einem Zeitpunkt ergeht, in dem das (Wieder-)Aufnahmeverfahren nach der Dublin-II-Verordnung zwar eingeleitet, aber noch nicht vollständig abgeschlossen ist?".

23

Die Fragen knüpfen an die Rechtssätze des Oberverwaltungsgerichts an, eine Zurückschiebungsverfügung dürfe wegen des Vorrangs des Unionsrechts erst dann verfügt und vollzogen werden, wenn sämtliche Anforderungen, die die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 an eine Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat aufstellt, erfüllt seien. Das Unionsrecht verlange, dass vor dem Erlass einer Zurückschiebungsverfügung das (Wieder-)Aufnahmeverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 zu einem positiven Abschluss gekommen sei und dabei außerdem die Informationspflichten, so auch die in Art. 20 Abs. 1 Buchst. e UAbs. 1 Satz 1 VO (EG) vorgesehene Mitteilungspflicht, und die Rechtsschutzgewährleistungen der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 eingehalten worden seien. Die Beschwerdebegründung tritt diesen Rechtssätzen entgegen und vertritt die Auffassung, eine Zurückschiebungsverfügung dürfe bereits dann, gleichsam "vorläufig", ergehen, wenn das (Wieder-)Aufnahmeverfahren eingeleitet worden sei. Mit diesen Ausführungen bleibt sie hinter den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO zurück.

24

Die Fragen betreffen, jedenfalls soweit sie an die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 anknüpfen, ausgelaufenes Recht. Fragen zur Auslegung und Anwendung ausgelaufenen Rechts verleihen einer Rechtssache regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil dieser Zulassungsgrund die Revision eröffnen soll, um Fragen zur Auslegung des geltenden Rechts mit Blick auf die Zukunft richtungweisend zu klären. Etwas anderes kann dann gelten, wenn das ausgelaufene Recht noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist oder noch eine erhebliche Anzahl oder gar eine nicht überschaubare Vielzahl von Fällen nach dem ausgelaufenen Recht zu entscheiden ist (BVerwG, Beschlüsse vom 27. Oktober 2010 - 5 B 18.10 - juris Rn. 6 und vom 22. Oktober 2012 - 8 B 40.12 - juris Rn. 7). Hierzu verhält sich die insoweit darlegungspflichtige Beschwerdebegründung nicht. Das Vorbringen, die aufgezeigten Rechtsfragen seien auch nach Außerkrafttreten der seinerzeit anwendbaren Verordnung (EG) Nr. 343/2003 und des Asylverfahrensgesetzes weiterhin relevant, weil sie sich entscheidungserheblich auf die im konkreten Verfahren streitgegenständliche Frage der Kostenhaftung auswirkten, ist insoweit unbehelflich. Eine Zulassung der Revision ist allerdings auch für den Fall in Betracht zu nehmen, dass sich die als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage bei den gesetzlichen Bestimmungen, die den außer Kraft getretenen Vorschriften nachgefolgt sind, in gleicher Weise stellt. Dies muss jedoch offensichtlich sein, weil es nicht Aufgabe des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ist, in diesem Zusammenhang mehr oder weniger komplexe Fragen des jetzt geltenden Rechts zu klären und die frühere mit der geltenden Rechtslage zu vergleichen (BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2010 - 5 B 18.10 - juris Rn. 4 f. m. w. N.). Eine solche Offensichtlichkeit ist durch den Vortrag, die aufgezeigten Rechtsfragen seien auch nach Außerkrafttreten der seinerzeit anwendbaren Verordnung (EG) Nr. 343/2003 und des Asylverfahrensgesetzes weiterhin relevant, weil sie sich in vergleichbarer Weise im Hinblick auf die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 und das Asylgesetz stellten, nicht substantiiert dargetan. Ebenso wenig genügen insoweit die Ausführungen zu Wortlaut und Systematik von § 57 Abs. 2 Halbs. 2 AufenthG, § 18 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG a. F. und zu Art. 4 Abs. 5, Art. 16 Abs. 1 Buchst. c), Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) VO (EG) Nr. 343/2003. Mit Blick auf das Erfordernis, dass sich die als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage bei den gesetzlichen Bestimmungen, die den außer Kraft getretenen Vorschriften nachgefolgt sind, in gleicher Weise stellen muss, wäre die Beschwerdebegründung gehalten gewesen, sich mit dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 31. Mai 2018 - C-647/16 [ECLI: EU: C: 2018: 368], Hassan - Rn. 39 ff., 73 und 75 auseinanderzusetzen. Darin hat der Gerichtshof unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 26. Juli 2017 - C-490/16 [ECLI: EU: C: 2017: 585], A. S. - Rn. 33 für Recht erkannt, dass Art. 26 Abs. 1 VO (EU) Nr. 604/2013, dessen Wortlaut in seinem ersten Halbsatz den Wortlaut von Art. 19 Abs. 1 Halbs. 1 VO (EG) Nr. 343/2003 weitgehend aufgreift und wie dieser an die Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaats zur Aufnahme eines Antragstellers anknüpft, dahin auszulegen ist, dass er es dem Mitgliedstaat, der bei einem anderen Mitgliedstaat, den er aufgrund der in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 festgelegten Kriterien dafür zuständig hält, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, ein Gesuch um Aufnahme oder Wiederaufnahme einer Person im Sinne des Art. 18 Abs. 1 VO (EU) Nr. 604/2013 gestellt hat, verwehrt, eine Überstellungsentscheidung zu erlassen und dieser Person zuzustellen, bevor der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. In diesem Zusammenhang hat er zudem betont, dass eine Überstellungsentscheidung der betroffenen Person nicht entgegengehalten werden kann, bevor sie ihr zugestellt worden ist (vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi vom 2o. Dezember 2017 - C-647/16 [ECLI: EU: C: 2017: 1018] - Rn. 33 ff.). Zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung hätte Veranlassung bestanden, da sowohl § 57 Abs. 2 Halbs. 2 AufenthG in der bis zum 5. September 2013 gültigen Fassung und § 57 Abs. 2 Halbs. 2 AufenthG in der derzeit gültigen Fassung als auch § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylG in der bis zum 26. Juni 2020 gültigen Fassung und § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylG in der derzeit gültigen Fassung auf die einschlägigen Rechtsvorschriften des europäischen Asylrechts Bezug nehmen und die Verordnungen (EG) Nr. 343/2003 und (EU) Nr. 604/2013 insoweit Vorrang gegenüber dem nationalen Recht beanspruch(t)en.

25

bb) Die Revision ist auch nicht im Hinblick auf die als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage

"Liegt ein 'Antreffen im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der unerlaubten Einreise' i.S.d. § 18 Abs. 3 AsylVfG a.F., welcher eine behördliche Zuständigkeit und Befugnis der Grenzbehörde gemäß § 18 AsylVfG für eine Zurückschiebung an der Grenze begründet, auch dann vor, wenn der Ausländer innerhalb von 48 Stunden nach dem Grenzübertritt von der Grenzbehörde angetroffen wird, sodann unverzüglich nach dem Antreffen des Ausländers ein (Wieder-)Aufnahmeverfahren gemäß der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18. Februar 2003 (Dublin-II-Verordnung) eingeleitet wird und der ersuchte Mitgliedstaat der Übernahme innerhalb der Frist gemäß Art. 20 Abs. 1 lit. b) Dublin-II-Verordnung zustimmt und der Ausländer erst zu einem dann nachfolgenden Zeitpunkt einen Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland stellt, der mehr als 48 Stunden nach dem Grenzübertritt liegt?"

zuzulassen.

26

Diese Frage bezieht sich auf die Annahme des Berufungsgerichts, vieles spreche unabhängig von den vorangegangenen Ausführungen dafür, dass die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 AsylG a. F. für eine Zurückschiebung auch nach nationalem Recht nicht erfüllt gewesen seien. Selbst wenn es sich bei den so eingeleiteten Ausführungen um eine die Entscheidung selbstständig tragende Mehrfachbegründung handeln sollte, käme eine Zulassung der Revision wegen sich hieraus etwa ergebender grundsätzlich bedeutsamer Rechtsfragen mangels Entscheidungserheblichkeit nicht in Betracht. Denn im Falle einer Mehrfachbegründung kann die Revision - wie bereits dargelegt - nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung tragend jedenfalls darauf gestützt, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Zurückschiebungsverfügungen nicht alle Voraussetzungen der Dublin II-Verordnung für eine (zwangsweise) Überstellung der Klägerin und ihrer Kinder nach Polen erfüllt gewesen seien. Die in Bezug auf diese erste Begründung geltend gemachten Zulassungsgründe greifen aber sämtlich nicht durch. Damit erweist sich der zweite Begründungsstrang zum nationalen Recht - ungeachtet der angesichts der vom Berufungsgericht gewählten Formulierungen wohl zur verneinenden Frage, ob er die Entscheidung überhaupt selbstständig trägt - als nicht entscheidungserheblich.

27

cc) Zum Erfolg verhelfen der Beschwerde des Weiteren nicht die Fragen

"Wird die für den Erlass eines Leistungsbescheids gemäß §§ 66 Abs. 3 Satz 1, 67 AufenthG zuständige Behörde den Anforderungen an eine zügige, konsequente und hinreichend strenge Handhabung von Erstattungsansprüchen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 8. Mai 2014 - 1 C 3/13 - Rn. 15, nach juris) gerecht, wenn sie zur Beitreibung eines fälligen und durchsetzbaren Kostenerstattungsanspruchs gegenüber einem gemäß § 66 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 AufenthG Primärverpflichteten, der seinen Wohnsitz im europäischen Ausland hat und/oder sich gewöhnlich im europäischen Ausland aufhält, ein Vollstreckungsersuchen im Rahmen der Grenzausschreibung an die zuständige nationale Vollstreckungsbehörde im Rahmen eines Amtshilfeersuchens richtet?"

"Welche anderen Schritte - neben einem Vollstreckungsersuchen im Rahmen der Grenzausschreibung und neben einem etwaigen Amtshilfeersuchen an den polnischen Staat - muss die für den Erlass eines Leistungsbescheids gemäß §§ 67 Abs. 3 Satz 1, 71 AufenthG zuständige Behörde zusätzlich unternehmen, um den Anforderungen an eine zügige, konsequente und hinreichend strenge Handhabung von Erstattungsansprüchen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 8. Mai 2014 - 1 C 3/13 - Rn. 15, nach juris) gerecht zu werden, wenn der primärverpflichtete Kostenschuldner seinen Wohnsitz und/oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Republik Polen hat?"

"Liegt hinsichtlich des Zeitpunktes der Geltendmachung des staatlichen Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem gemäß § 66 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 AufenthG subsidiär haftenden Ausländer Willkür vor, wenn diese Inanspruchnahme ab dem Zeitpunkt erfolgt, nachdem ein zum Zwecke der Beitreibung gegenüber dem Primärverpflichteten erlassenes Vollstreckungsersuchen nach sechs Jahren von der zuständigen Vollstreckungsbehörde an die für den Erlass eines Leistungsbescheids gemäß §§ 67 Abs. 3 Satz 1, 71 AufenthG zuständige Behörde zurückgegeben wird, wenngleich eine Vollstreckung dem Grunde nach auch weiterhin gegenüber dem Primärverpflichteten rechtlich möglich ist?"

"Liegt im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 8. Mai 2014 - 1 C 3/13 - Rn. 14, nach juris) ein hinreichendes Zeitmoment vor, welches zu einer Verwirkung des staatlichen Kostenerstattungsanspruchs i.S.d. § 66 Abs. 4 Satz 1 AufenthG führen kann, wenn die Kostenerhebung gegenüber dem Ausländer gemäߧ 66 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 AufenthG zeitlich nach einer erfolglos gebliebenen Inanspruchnahme des Primärverpflichteten und insgesamt acht Jahre nach dem die Kosten verursachenden Tatsachengeschehen erfolgt, weil ein solcher Zeitraum von acht Jahren über die gewöhnliche Beitreibungszeit gegenüber einem Primärverpflichteten weit hinausgeht, selbst wenn dieser hiergegen denkbare Rechtsschutzverfahren durchläuft?"

"Entsprechend wie lang ist die gewöhnliche Zeitdauer zur Beitreibung des staatlichen Kostenerstattungsanspruchs gegenübereinem Primärverpflichteten i.S.d. § 66 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, einschließlich der jeweils denkbaren Rechtsschutzverfahren, im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 8. Mai 2014 - 1 C 3/13 - Rn. 14, nach juris), bei dessen Ausschöpfung noch nicht das Vorliegen eines hinreichenden Zeitmoments im Hinblick auf eine Verwirkung dieses staatlichen Anspruchs angenommen werden kann?"

"Lässt die für den Erlass eines Leistungsbescheids gemäß §§ 67 Abs. 3 Satz 1, 71 AufenthG zuständige Behörde den gemäß § 66 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 AufenthG subsidiär haftenden Ausländer im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 8. Mai 2014 - 1 C 3/13 - Rn. 15, nach juris) länger als erforderlich darüber im Ungewissen, ob noch eine Erstattungsforderung auf ihn zukommt, wenn die Behörde den Ausländer bereits am Tag des die Kosten verursachenden Tatsachengeschehens über seine Kostenerstattungspflicht informiert und belehrt hat, sodann zunächst einen gemäß § 66 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 AufenthG Primärverpflichteten (erfolglos) in Anspruch zu nehmen versucht und schließlich acht Jahre nach dem zugrunde liegenden Geschehen einen Leistungsbescheid gegenüber dem Ausländer erlässt?".

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Klärungsfähig in einem Revisionsverfahren sind nur solche Rechtsfragen, die die Vorinstanz entschieden hat. Die rechtsgrundsätzlich bedeutsame Frage muss zum entscheidungstragenden Teil der Gründe der angegriffenen Entscheidung gehören (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juli 2016 - 6 B 35.16 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 425 Rn. 4 und vom 30. Januar 2018 - 9 B 20.17 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 52 Rn. 9; Czybulka/Hösch, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 132 VwGO Rn. 28). Daran fehlt es hier. Das Oberverwaltungsgericht hat sich - von seinem insoweit maßgeblichen Rechtsstandpunkt konsequent - mit der Problematik der vorrangigen Inanspruchnahme einzelner (Gesamt-)Kostenschuldner (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Mai 2014 - 1 C 3.13 - BVerwGE 149, 320 Rn. 14) sowie mit den Voraussetzungen der Verwirkung des geltend gemachten Anspruchs nicht befasst, sondern diese Fragen ausdrücklich offengelassen (UA S. 15), da es eine Haftung der Klägerin wegen der angenommenen Rechtswidrigkeit der Zurückschiebungsverfügungen bereits dem Grunde nach verneint hat.

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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstands beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.

Dr. Keller

Prof. Dr. Fleuß

Dr. Wittkopp

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