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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 22.05.2023, Az.: BVerwG 8 BN 2.22
Einführung des offenen Deckungsplanverfahrens für geleistete Pflichtbeiträge ab dem 1. Januar 2015 auf Grundlage der 12. Änderungssatzung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung vom 25. November 2014; Ausgleich der Bilanzunterdeckungen durch die Festlegung eines Rentenbemessungsfaktors von unter 1,00; Mindestanforderungen an eine prozessordnungsgemäße Darlegung der Beschwerdebegründung
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 22.05.2023
Referenz: JurionRS 2023, 26454
Aktenzeichen: BVerwG 8 BN 2.22
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2023:220523B8BN2.22.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

VGH Bayern - 17.03.2022 - AZ: 21 N 15.2531

BVerwG, 22.05.2023 - BVerwG 8 BN 2.22

In der Normenkontrollsache
hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Mai 2023
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller und
Dr. Naumann
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. März 2022 wird verworfen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller ist Pflichtmitglied der Antragsgegnerin. Er begehrt, die 12. Änderungssatzung der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung vom 25. November 2014 für unwirksam zu erklären. Mit dieser hat die Antragsgegnerin für Beiträge, die für Zeiträume ab dem 1. Januar 2015 geleistet werden, das offene Deckungsplanverfahren eingeführt. Es ermöglicht, Bilanzunterdeckungen durch die Festlegung eines Rentenbemessungsfaktors von unter 1,00 auszugleichen. Anwartschaften, die bis zum 31. Dezember 2014 erworben wurden (Anwartschaftsverbände 1 bis 3), werden nach dem bis Ende 2014 geltenden Recht verrentet; sie unterliegen jedoch künftig Änderungen nach Maßgabe des § 32 Abs. 11 Satz 2 und 3 der angegriffenen Satzung. Danach sind Anpassungen dieser Renten insbesondere vorgesehen, wenn die zugrunde liegenden versicherungstechnischen Annahmen auf Dauer nicht mehr erfüllbar sind oder es sonst zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung der ab 2015 erworbenen Anrechte käme.

2

Der Antragsteller sieht in der Änderungssatzung eine unzulässige Verlagerung in der Vergangenheit entstandener, aus einem Verstoß gegen den Imparitätsgrundsatz folgender Finanzierungsdefizite auf spätere Generationen. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag abgelehnt und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

3

Die dagegen erhobene Beschwerde, die sich auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO beruft, hat keinen Erfolg.

4

Nach § 132 Abs. 2 VwGO ist die Revision nur wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (Nr. 1), wegen Divergenz (Nr. 2) oder wegen Verfahrensmängeln zuzulassen, auf denen das angegriffene Urteil beruhen kann (Nr. 3). Nach § 133 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 3 VwGO müssen diese Zulassungsgründe vom Beschwerdeführer fristgerecht substantiiert dargelegt werden. Dies setzt ein Mindestmaß an Klarheit, Verständlichkeit und Übersichtlichkeit der Ausführungen voraus. Eine umfangreiche Beschwerdebegründung entspricht jedenfalls dann nicht den formellen Erfordernissen, wenn die Ausführungen zu den Zulassungsgründen in unübersichtlicher, unklarer, kaum auflösbarer Weise mit Einlassungen zu irrevisiblen oder für das Beschwerdeverfahren sonst unerheblichen Fragen vermengt sind. Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, aus einem derartigen Gemenge das herauszusuchen, was möglicherweise - bei wohlwollender Auslegung - zur Begründung der Beschwerde geeignet sein könnte. Eine solche Verpflichtung des Beschwerdegerichts lässt sich auch nicht Art. 19 Abs. 4 oder Art. 103 Abs. 1 GG entnehmen (BVerfG, Beschluss vom 6. September 1983 - 1 BvR 237/83 - SozR 1500 § 160a SGG Nr. 48 und zuletzt BVerwG, Beschluss vom 15. August 2016 - 10 BN 3.15 - juris Rn. 3).

5

Die 564-seitige Beschwerdebegründung, die der Antragsteller mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2022 auf 64 Seiten um ein Inhaltsverzeichnis und eine wörtliche Wiedergabe der Grundsatzfragen und Verfahrensrügen ergänzt hat, genügt nicht diesen Mindestanforderungen an eine prozessordnungsgemäße Darlegung. Sie beginnt auf den ersten 255 Seiten mit einer Zusammenfassung des Streitgegenstands, der Darlegung einiger vom Antragsteller vertretener und auf vielen Seiten ausgeführter Rechtspositionen, die mit unter anderem versicherungsmathematischen Tatsachenfragen verbunden werden, sowie Kritik an der angeblich unzureichenden Prozessführung der Antragsgegnerin, ohne dass die Beschwerdebegründung insoweit einen Bezug zu einzelnen Revisionszulassungsgründen herstellt. Die nachfolgend ausgebreiteten Divergenzrügen (S. 256 bis 330 der Beschwerdebegründung, unter 1.), die insgesamt 24 Grundsatzfragen (S. 331 bis 467 der Beschwerdebegründung, unter 2.) und die sich teilweise mit diesen überschneidenden Verfahrensrügen (S. 461 bis 483 der Beschwerdebegründung, unter 3.) sind ebenfalls nicht prozessordnungsgemäß dargelegt. Das Gleiche gilt für die abschließend formulierten 67 "sonstigen Rechtsfragen" (S. 487 bis 555 der Beschwerdebegründung, unter 4.).

6

1. Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nicht substantiiert dargelegt. Der Antragsteller arbeitet keinen Widerspruch zwischen entscheidungstragenden, abstrakten Rechtssätzen des angegriffenen Urteils und denen der angeblichen Divergenzentscheidungen heraus. Er stellt vielmehr allein Auszüge aus Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundesverwaltungsgerichts, von denen viele völlig andere Rechtsgebiete betreffen, Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs gegenüber. Ein divergenzfähiger Rechtssatz, von dem der Verwaltungsgerichtshof abgewichen wäre, wird nicht erkennbar. Der Sache nach erschöpft sich die Kritik an der angegriffenen Entscheidung hier im Vorwurf unrichtiger Rechtsanwendung.

7

2. Als Grundsatzrügen bezeichnet finden sich umfangreiche Ausführungen, die die Auffassung des Antragstellers zu insgesamt 24 Tatsachen- sowie revisiblen und irrevisiblen Rechtsfragen wiedergeben. Diese überschneiden sich teilweise, ohne dass die Erheblichkeit auch nur einer dieser Fragen für das angegriffene Urteil und für das angestrebte Revisionsverfahren verständlich und substantiiert dargelegt würde. Soweit die Fragen die Anwendung revisiblen (Verfassungs-)Rechts in Bezug auf das - irrevisible - Versorgungssystem der Antragsgegnerin und deren 12. Änderungssatzung betreffen, wird nicht dargetan, dass sie über die bisherige einschlägige Rechtsprechung hinausgehenden, weiteren revisionsrechtlichen Klärungsbedarf in Bezug auf die verfassungsrechtlichen Maßstäbe aufwerfen. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass sich den vom Antragsteller vielfach bemühten Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG keine Aussagen zu einem einzig zulässigen Versorgungssystem entnehmen lassen, sondern dass diese Normen lediglich Grenzen bei der Gestaltung und Umgestaltung des jeweiligen Versorgungssystems ziehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2007 - 1 BvL 10/00 - BVerfGE 117, 272 <293 f.>; BVerwG, Beschluss vom 15. August 2016 - 10 BN 3.15 - juris Rn. 6). Davon geht auch das angegriffene Urteil aus.

8

Bezüglich des vom Antragsteller ebenfalls herangezogenen Art. 28 Abs. 3 GG fehlt es ebenso an der Darlegung einer grundsätzlichen Rechtsfrage wie bezüglich der von ihm gerügten Verfassungswidrigkeit der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe.

9

Die von der Beschwerde weiter aufgeworfenen Fragen zum Prüfungsumfang und entscheidungserheblichen Zeitpunkt im Verfahren nach § 47 VwGO führen ebenfalls nicht auf eine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage. Auch hier werden Probleme des Systems der Versorgungsanwartschaften breit ausgeführt, ohne sich mit der umfänglichen Rechtsprechung zu § 47 VwGO im Ansatz auseinanderzusetzen oder eine abstrakte und ungeklärte Rechtsfrage bezüglich dieser Norm darzulegen.

10

3. Das als Verfahrensrüge bezeichnete weitere Vorbringen (S. 461 ff. der Beschwerdebegründung) genügt ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen. Die Beschwerde wiederholt hier zunächst die zuvor formulierten Grundsatzfragen, um sodann insbesondere die Gestaltung und den Umfang des Urteils zu kritisieren. Dies ist jedoch nicht geeignet, einen Verfahrensfehler geltend zu machen. Die gerügte Verletzung der Amtsaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO ist ebenfalls nicht dargetan, weil die Beschwerde den Aufklärungsbedarf ausgehend von der eigenen Rechtsauffassung und nicht von jener des Verwaltungsgerichtshofs zu bestimmen versucht. Soweit der Antragsteller sich gegen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs bezüglich des Bestehens einer Deckungslücke und zum Finanzierungsmodell der Antragsgegnerin wendet und diesen Annahmen eigene Berechnungen und Rechtsausführungen gegenüberstellt, legt er nicht dar, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung der Vorinstanz aufklärungsbedürftig gewesen wären, inwieweit sich der Vorinstanz deren Aufklärung auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung auch ohne - weitere - förmliche Beweisanträge des vor ihr anwaltlich vertretenen Antragstellers hätte aufdrängen müssen, welche Aufklärungsmaßnahmen dazu geeignet gewesen wären, zu welchen Feststellungen die Aufklärung voraussichtlich geführt hätte und inwieweit diese - wiederum auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung der Vorinstanz - eine dem Antragsteller günstigere Entscheidung hätten herbeiführen können.

11

Soweit den Ausführungen zu nicht weiter konkretisierten Verfahrensrügen sinngemäß eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder des Überzeugungsgrundsatzes zu entnehmen sein sollte, fehlt es auch insoweit an einer substantiierten Darlegung. Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, dass der Verwaltungsgerichtshof den Prozessstoff nicht vollständig verwertet, aus seiner Sicht erhebliches Vorbringen übergangen oder das Beweismaterial denkfehlerhaft gewürdigt hätte.

12

4. Den abschließend formulierten "sonstigen Rechtsfragen", die sich in großen Teilen mit den vorstehenden Ausführungen überschneiden, lässt sich selbst bei einer wohlwollenden Auslegung auch sinngemäß kein durchgreifender Zulassungsgrund entnehmen.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und 8 GKG.

Dr. Held-Daab

Dr. Seegmüller

Dr. Naumann

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