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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 21.09.2022, Az.: BVerwG 5 P 17.21
Begriff der "Aufstellung des Urlaubsplans" im Sinne des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 LPVG NRW; Umfassung der der konkreten Festlegung des Urlaubs sachlich und zeitlich vorgelagerten abstrakt-generellen Festlegung sogenannter allgemeiner Urlaubsgrundsätze
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 21.09.2022
Referenz: JurionRS 2022, 48702
Aktenzeichen: BVerwG 5 P 17.21
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2022:210922B5P17.21.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Nordrhein-Westfalen - 25.10.2021 - AZ: 20 A 1981/20.PVL

Fundstellen:

BVerwGE 176, 282 - 289

ArbR 2023, 80

DÖV 2023, 354

FA 2023, 51

NPA 2023

öAT 2023, 63

PersV 2023, 180-183

RiA 2023, 83-87

VRÜ 2023, 144

BVerwG, 21.09.2022 - BVerwG 5 P 17.21

Amtlicher Leitsatz:

Vom Begriff der "Aufstellung des Urlaubsplans" im Sinne des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 LPVG NRW ist auch die der konkreten Festlegung des Urlaubs sachlich und zeitlich vorgelagerte abstrakt-generelle Festlegung sogenannter allgemeiner Urlaubsgrundsätze umfasst (Änderung der Rechtsprechung).

In der Personalvertretungssache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. September 2022
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer,
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und
Dr. Harms sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und
Preisner
beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen - Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen - vom 25. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Die Verfahrensbeteiligten streiten darum, ob die Anordnung der Dienststellenleitung, Urlaubsvertretungen innerhalb einer Arbeitseinheit sicherzustellen, mitbestimmungspflichtig ist.

2

Der Beteiligte ist Dienststellenleiter einer Klinik für Psychiatrie und Neurologie in Trägerschaft des Landschaftsverbandes Rheinland. In jeder ihrer allgemeinen psychiatrischen Abteilungen ist der Sozialdienst mit mindestens zwei Personen besetzt, die sich gegenseitig vertreten können. Mit einer an die in der Dienststelle tätigen Sozialarbeiter gerichteten E-Mail vom 31. Oktober 2018 bat der Beteiligte den Sozialdienst, spätestens ab Januar 2019 die gegenseitige Urlaubsvertretung, wie es der Praxis in allen übrigen Bereichen entspreche, nur noch innerhalb der Abteilung sicherzustellen und diese Planung mit den zuständigen Chefärzten abzustimmen. Der Antragsteller machte dem Beteiligten gegenüber erfolglos geltend, dass dies seiner Mitbestimmung unterliege und leitete das Beschlussverfahren ein.

3

Hiermit ist der Antragsteller vor dem Verwaltungsgericht erfolglos geblieben. Dieses hat zur Begründung ausgeführt, es könne offenbleiben, ob es sich bei der als Bitte formulierten E-Mail um eine Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinne handle. Jedenfalls bestehe das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 - Erster Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW nicht. Die Vertretungsregelung sei kein Urlaubsplan im Sinne des Mitbestimmungstatbestands. Sie koordiniere nicht individuelle Urlaubszeiten, sondern gebe lediglich abstrakt vor, dass die Urlaubsvertretung nur noch abteilungsintern erfolgen könne. Es handele sich auch nicht um einen allgemeinen Urlaubsgrundsatz, der ebenfalls unter den Mitbestimmungstatbestand fallen könne. Urlaubsgrundsätze seien denknotwendig der konkreten Urlaubsplanung vorgelagert und bezögen sich sowohl auf Verfahrensfragen etwa zur Erfassung der Urlaubswünsche als auch auf materielle Regelungen, nach welchen Gesichtspunkten unter Beachtung der gesetzlichen und tariflichen Vorschriften die Urlaubswünsche der Beschäftigten zu koordinieren seien. Von den Regelungen zur Koordinierung der konkreten Urlaubszeiten der Beschäftigten seien diejenigen Maßnahmen zu unterscheiden, die sich - wie hier - auf den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb als solchen bezögen, der eigentlichen Urlaubsplanung vorgeschaltet seien und für diesen zugleich den Rahmen absteckten.

4

Der Antragsteller hat die erstinstanzliche Entscheidung mit Erfolg vor dem Oberverwaltungsgericht angefochten. Dieses hat zur Begründung ausgeführt: Nicht zuletzt im Hinblick auf den Vortrag der Verfahrensbeteiligten bestehe kein Zweifel daran, dass die E-Mail eine Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinne darstelle. Um die Aufstellung eines Urlaubsplans im Sinne eines Programms für die konkrete zeitliche Reihenfolge, in der den Beschäftigten Urlaub erteilt werden soll, gehe es bei dieser zwar nicht. Trotz des Fehlens einer ausdrücklichen Regelung unterlägen aber auch den Urlaubsplan vorbereitende Verfahrensschritte wie etwa die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze der Mitbestimmung nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 - Erster Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW. Denn es gebe letztlich keine eindeutigen Anforderungen an Art und Inhalt eines Urlaubsplans, sodass die Übergänge zwischen Urlaubsplänen und allgemeinen Urlaubsgrundsätzen fließend seien. Die Anordnung, die Urlaubsvertretung im Sozialdienst auf die jeweilige Abteilung zu beschränken, beinhalte die Aufstellung eines solchen allgemeinen Urlaubsgrundsatzes, da sie eine die Urlaubsplanung vorbereitende generelle Regelung zur Urlaubsplanung darstelle. Sinn und Zweck des Mitbestimmungstatbestands seien damit einschlägig, weil die Vertretungsregelung Einfluss auf die individuellen Urlaubswünsche der Beschäftigten haben könne. Dem Eingreifen des Mitbestimmungsrechts könne nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die in Rede stehende Anordnung beziehe sich auf den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb als solchen. Die insoweit gegenteilige frühere höchstrichterliche Rechtsprechung sei überholt.

5

Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten, der geltend macht, der Mitbestimmungstatbestand des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 LPVG NRW beschränke sich auf die Aufstellung eines Urlaubsplans. Die hier in Rede stehende Maßnahme stelle weder einen solchen Urlaubsplan dar, noch habe sie einen allgemeinen Urlaubsgrundsatz zum Inhalt. Raum für eine Erweiterung des Tatbestands der Vorschrift im Wege richterlicher Rechtsfortbildung gebe es nicht. Gerade die anderslautende Fassung des § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG mache deutlich, dass aus Sicht des nordrhein-westfälischen Gesetzgebers die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze kein Unterfall der Aufstellung eines Urlaubsplans sein solle. Selbst wenn man die Aufstellung von allgemeinen Urlaubsgrundsätzen in den Tatbestand des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 LPVG NRW einbeziehen wollte, wäre die hier in Rede stehende Maßnahme nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, an der festzuhalten sei, nicht mitbestimmungspflichtig. Denn sie beziehe sich auf den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb als solchen, weil sie darauf angelegt sei, das notwendige Wissen innerhalb der Abteilung auch in der Urlaubszeit sicherzustellen. Außerdem sei sie der eigentlichen Urlaubsplanung vorgelagert und habe auf diese nur mittelbare Folgewirkungen.

6

Der Antragsteller verteidigt den angegriffenen Beschluss.

II

7

Das Rubrum war hinsichtlich der Bezeichnung des Beteiligten als offenbar unrichtig von Amts wegen zu berichtigen (§ 79 Abs. 2 LPVG NRW, § 92 Abs. 2 Satz 1, § 72 Abs. 5 ArbGG, § 555 Abs. 1, § 319 Abs. 1 ZPO). Für die Dienststelle handelt im Anwendungsbereich des Personalvertretungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen deren Leiter (§ 8 Abs. 1 Satz 1 LPVG NRW), was auch für das gerichtliche Verfahren gilt. Als dieser fungiert im Fall der Kliniken des Landschaftsverbandes Rheinland der Klinikvorstand (vgl. § 7 Abs. 4 der Betriebssatzung für die LVR-Kliniken des Landschaftsverbandes Rheinland vom 28. August 2009, GV NRW. S. 796).

8

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 79 Abs. 2 LPVG NRW i. V. m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).

9

Zwischen den Verfahrensbeteiligten steht zu Recht weder die fortbestehende Zulässigkeit des vorinstanzlich formulierten konkreten Feststellungsantrags noch der Maßnahmecharakter der E-Mail vom 31. Oktober 2018 in Frage. Ihr Streit konzentriert sich vielmehr darauf, ob die mit der Maßnahme verfügte Regelung zur Gestaltung der Urlaubsvertretung dem Mitbestimmungstatbestand des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 LPVG NRW in der unveränderten Fassung des Änderungsgesetzes vom 26. Februar 2019 unterfällt. Dies ist mit dem Oberverwaltungsgericht zu bejahen.

10

Nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 LPVG NRW hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen über die Aufstellung des Urlaubsplans. Unter dem Tatbestandsmerkmal der "Aufstellung des Urlaubsplans", das sich so auch im Personalvertretungsrecht des Bundes und der übrigen Länder findet, ist in einem eigentlichen oder engeren Sinne die vollständige oder teilweise Feststellung der zeitlichen Lage des Urlaubs aller oder jedenfalls von Teilen der Beschäftigten einer Dienststelle für eine oder auch mehrere Urlaubsperioden unter Berücksichtigung dienstlicher Belange und nach Abstimmung sich gegebenenfalls überschneidender Urlaubsansprüche zu verstehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. August 2022 - 5 P 14.21 - Rn. 14 m. w. N.). Um ein derartiges Programm für die zeitliche Reihenfolge, in der den einzelnen Beschäftigten Urlaub erteilt werden soll, handelt es sich, was das Oberverwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, bei der hier streitigen Maßnahme nicht. Vom Begriff der "Aufstellung des Urlaubsplans" im Sinne des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 LPVG NRW sind aber auch sogenannte allgemeine Urlaubsgrundsätze umfasst, mit denen in Form abstrakt-genereller Regelungen der eigentlichen zeitlichen Festlegung des Urlaubs sachlich und zeitlich vorgelagerte Entscheidungen getroffen werden, die sich auf diese gegebenenfalls nur mittelbar auswirken, aber jedenfalls Vorfestlegungen für die Koordinierung zwischen dienstlichen Erfordernissen und individuellen Urlaubsansprüchen enthalten. Soweit sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts etwas anderes ergibt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. Januar 1993 - 6 P 19.90 - BVerwGE 91, 343 <344 f.> und vom 23. August 2007 - 6 P 7.06 - Buchholz 251.4 § 86 HmbPersVG Nr. 13 Rn. 40), hält der Senat hieran nicht fest (1.). Bei der vom Beteiligten verfügten Maßnahme handelt es sich auch um einen derartigen allgemeinen Urlaubsgrundsatz (2.).

11

1. Dass die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze von § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 LPVG NRW umfasst wird, ergibt dessen Auslegung insbesondere nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift. Systematik und Entstehungsgeschichte stehen ihr nicht entgegen. Der Tatbestand des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 LPVG NRW ist auch nicht deswegen einzugrenzen, weil die Anordnung eines allgemeinen Urlaubsgrundsatzes mit unabweisbaren dienstlichen Notwendigkeiten begründet wird.

12

a) Der Wortlaut des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 LPVG NRW benennt als Tatbestand der Mitbestimmung die "Aufstellung des Urlaubsplans". Dies steht einer Einbeziehung auch der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze jedenfalls nicht entgegen. Denn schon die Fassung der Norm deutet zumindest an, dass nicht lediglich mitzubestimmen ist über "den Urlaubsplan" in einem ergebnishaften Sinne. Vielmehr wird die "Aufstellung" mit einbezogen, was ein Verständnis nahelegt, das auch die auf das Ergebnis (den Urlaubsplan) hinführenden Vorentscheidungen miterfasst. In diesem Sinne sind schon dem Wortlaut nach nicht nur die Erstellung der abschließenden konkret-generellen Regelung in die Mitbestimmung einbezogen, sondern auch die dieser zeitlich und sachlich vorangehenden Maßnahmen des Dienststellenleiters, die Auswirkungen auf den Inhalt des Urlaubsplans und das Verfahren seiner Erstellung haben, also die materielle und verfahrensbezogene "Aufstellung" in ihrer Gesamtheit betreffen.

13

Dafür spricht auch, dass der Begriff "Urlaubsplan" - ebenfalls schon dem Wortlaut nach - dessen Ursprung aus einer planerischen Grundlage und damit bestimmten, gesondert festgelegten systematischen Grundsätzen andeutet. Werden diese Aufstellungsgrundsätze sachlich-zeitlich unabhängig von einem eigentlichen Urlaubsplan aufgestellt, sind sie in diesem gleichwohl immanent enthalten, weil ohne sie die Entstehung des Plans als logisch-systematische Regelung nicht nachvollziehbar ist. Dementsprechend hat es schon die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung für möglich gehalten, dass das Tatbestandsmerkmal "Aufstellung des Urlaubsplans" auch eine Auslegung zulässt, welche die Mitbestimmung auf die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze erstreckt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. August 2007 - 6 P 7.06 - Buchholz 251.4 § 86 HmbPersVG Nr. 13 Rn. 40).

14

b) Der Sinn und Zweck der Mitbestimmungspflicht bei der Aufstellung eines Urlaubsplans nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 LPVG NRW besteht darin, dem Personalrat die Möglichkeit der Einwirkung auf das Direktionsrecht des Dienststellenleiters bei der Urlaubsfestsetzung zu geben, um unter Beachtung der Interessen des Dienstbetriebs das Interesse der Beschäftigten an einer gleichmäßigen Verteilung der Urlaubszeiten durchzusetzen und dabei erforderlichenfalls deren Urlaubswünsche zu harmonisieren. Wegen dieses Schutzzwecks besteht das Mitwirkungsrecht nur, soweit kollektive Interessen betroffen sind, weil entweder dienstliche Interessen mit Freistellungsinteressen allgemein abzustimmen sind oder Urlaubswünsche von Beschäftigten in Widerstreit geraten, da sie aus dienstlichen Gründen nicht gleichzeitig erfüllt werden können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. August 2022 - 5 P 14.21 - Rn. 18).

15

Mit Blick darauf müssen auch Maßnahmen des Dienststellenleiters, durch die Entscheidungselemente der Urlaubsverteilung verallgemeinert und aus der abschließenden Festlegung des konkret-generellen Urlaubsplans mittels der Schaffung abstrakt-genereller Regelungen vorgelagert werden, als solche in die Mitbestimmung durch den Personalrat einbezogen werden. Denn soweit die im Urlaubsplan enthaltenen Festlegungen der Urlaubszeiten auf derartigen abstrakt-generellen Vorfestlegungen beruhen, ist die Mitbestimmung bei der Aufstellung des Urlaubsplans der Sache nach - etwa mit Blick auf eine sachgerechte Harmonisierung der Urlaubszeiten oder eine angemessene Gewichtung gegenläufiger Interessen des Dienstbetriebs ohne eine gleichzeitige Mitbeurteilung dieser Vorfestlegungen etwa auf der Grundlage einer Begründung nach § 66 Abs. 2 Satz 2 LPVG NRW (vgl. Janssen, jurisPR-ArbR 27/2020 Anm. 5 D) - kaum denkbar. Schließlich entscheidet die Festlegung des durch sie umrissenen abstrakten Rahmens der Konfliktbewältigung zwischen dienstlichen Belangen und individuellen Urlaubsansprüchen auch über die endgültig im eigentlichen Urlaubsplan zum Ausdruck kommende Konfliktbewältigung für die konkrete Urlaubsperiode. Die Mitbestimmung des Personalrats über abstrakt-generelle Regelungen, die Vorfestlegungen für den eigentlichen Urlaubsplan und seine Erstellung enthalten, erweitert den materiellen Gehalt des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 LPVG NRW damit nicht. Vielmehr macht eine frühzeitige Beteiligung des Personalrats die Ausübung des Mitbestimmungsrechts über den Urlaubsplan im engeren Sinne nur wirkungsvoller. Sie kann dieses sogar vor einer Aushöhlung schützen, weil dadurch verhindert wird, dass der Dienststellenleiter infolge solcher Vorfestlegungen möglicherweise rechtlichen Bindungen unterliegt, über die sich auch der Personalrat später nicht mehr ohne Weiteres hinwegsetzen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. September 1990 - 6 P 27.87 - Buchholz 250 § 76 BPersVG Nr. 20 S. 13 f.).

16

c) Gesichtspunkte der Systematik lassen sich diesem Ergebnis nicht entgegenhalten. Insbesondere führt eine übergreifende systematische Betrachtung mit Blick darauf, dass der Gesetzgeber im Bundesrecht (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG und § 80 Abs. 1 Nr. 6 BPersVG) und teilweise auch im Landesrecht (§ 78 Abs. 1 Nr. 3 SPersVG) hinsichtlich der Mitbestimmung ausdrücklich zwischen der "Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans" unterscheidet, zu keinem anderen Ergebnis. Sie bedeutet nicht zwingend, dass diese begriffliche Aufgliederung zwei selbständige Tatbestände mit sich gegenseitig ausschließender Bedeutung enthält.

17

Die normative Aufnahme der Mitbestimmung bei der "Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze" geht auf das Betriebsverfassungsgesetz zurück. Sie ist dort im Jahr 1972 vorgenommen worden; zuvor war nach § 56 Abs. 1 Buchst. c BetrVG 1952 allein die Aufstellung des Urlaubsplans mitbestimmungspflichtig. Allerdings hat die höchstrichterliche Rechtsprechung auch schon für § 56 Abs. 1 Buchst. c BetrVG 1952 unter einem Urlaubsplan die Festlegung von Richtlinien bzw. Grundsätzen verstanden, nach denen Beschäftigten im Laufe des Urlaubsjahres Urlaub gewährt werden soll (BAG, Urteile vom 26. Oktober 1956 - 1 AZR 350/55 - AP Nr. 15 zu § 611 Urlaubsrecht <241 f.> und vom 12. Oktober 1961 - 5 AZR 423/60 - BAGE 11, 318 <321 f.>; vgl. im Übrigen auch BAG, Urteil vom 21. März 1990 - 5 AZR 383/89 - BAGE 64, 260 <264>), sodass die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze auch vor der 1972 erfolgten Rechtsänderung betriebsverfassungsrechtlich der Mitbestimmung unterlag. Vor dem Hintergrund dieser etablierten Entscheidungspraxis besagt auch die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 87 BetrVG 1972, nach der dem Betriebsrat über das geltende Recht hinaus ausdrücklich ein Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze eingeräumt werde (BT-Drs. 6/1786 S. 48), nicht, dass der Gesetzgeber mit der Verselbständigung auf Tatbestandsebene eine materielle Rechtsänderung herbeigeführt hat oder die Neuregelung als solche aufgefasst hat. Vielmehr ist die Gesetzesbegründung als Betonung des Umstands zu verstehen, dass die Erfassung allgemeiner Urlaubsgrundsätze nunmehr ausdrücklich im Gesetz enthalten und damit nicht mehr allein der Rechtsprechung zu entnehmen war. Bestätigt wird dies durch die Erwägungen des Bundesgesetzgebers im Zusammenhang mit der jüngsten Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes. Die dort nunmehr vorgenommene Angleichung der Formulierung des § 80 Abs. 1 Nr. 6 BPersVG an § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG ist nämlich ausdrücklich damit begründet worden, dass schon bislang die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze, also abstrakt-genereller Regelungen, nach denen bei der Urlaubsplanung zu verfahren sei, als Grundlage für die Aufstellung des Urlaubsplans der Mitbestimmung unterlegen habe; die Ergänzung habe daher (nur) klarstellenden Charakter (BT-Drs. 19/26820 S. 124).

18

d) Ebenfalls nichts Gegenteiliges lässt sich der Gesetzgebungsgeschichte entnehmen. Die Regelung des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 LPVG NRW war bereits in der Ursprungsfassung des Gesetzes von 1958 enthalten (damals § 65 Abs. 1 Buchst. f LPVG). Der Gesetzesbegründung lässt sich hierzu nur allgemein entnehmen, dass der Landesgesetzgeber sich an den Parallelbestimmungen des Bundesrechts orientiert hat (LT-Drs. 3/589 S. 49 f.). Dieses sah ebenfalls von Anfang an die Mitbestimmung bei der Aufstellung des Urlaubsplans vor (damals § 67 Abs. 1 Buchst. c PersVG 1955). In der Entwurfsbegründung hierzu ist ausgeführt, dass die Aufstellung des Urlaubsplans in den Verwaltungen und in den Bundesgerichten auch die Interessen der Staatsbürger zu beachten habe. Der Leiter der Dienststelle habe dabei diese Interessen wahrzunehmen (BT-Drs. 2/1189 S. 10). Für das Verhältnis zwischen Urlaubsplan und allgemeinen Urlaubsgrundsätzen besagt dies nichts.

19

e) Erfasst der Tatbestand des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 LPVG NRW damit ebenfalls die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze, ist er auch nicht deswegen einzugrenzen, weil und soweit die Anordnung eines solchen Grundsatzes mit unabweisbaren dienstlichen Notwendigkeiten begründet wird und diesen unmittelbar dient (so insbesondere noch BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 1993 - 6 P 19.90 - BVerwGE 91, 343 <344>). Es kommt daher für die Frage des Bestehens des Mitbestimmungsrechts auch nicht darauf an, ob es sich gleichzeitig als organisatorische Regelung erweist.

20

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist inzwischen geklärt, dass Verfassungsrecht nicht verlangt, die Anwendbarkeit von Mitbestimmungstatbeständen bereits tatbestandlich auszuschließen. Der Mitbestimmung des Personalrats sind durch das Demokratieprinzip zwar Grenzen gesetzt. Nach der daraus abgeleiteten sogenannten Schutzzweckgrenze darf sich die Beteiligung des Personalrats nur auf innerdienstliche Maßnahmen erstrecken und nur soweit gehen, als die spezifischen, im Beschäftigungsverhältnis angelegten Interessen der Angehörigen der Dienststelle sie rechtfertigen. Die Mitbestimmung des Personalrats ist mithin unter dem Gesichtspunkt der Schutzzweckgrenze nur dann ausgeschlossen, wenn die in Rede stehende Maßnahme keinen die Interessen der Beschäftigten berührenden innerdienstlichen Charakter aufweist. Dabei wird der Charakter als in diesem Sinne innerdienstliche Maßnahme durch den Zusammenhang mit der Erledigung der Amtsaufgabe aber nicht in Frage gestellt. Für innerdienstliche Maßnahmen ist es nicht untypisch, dass durch sie behördenintern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung des Amtsauftrags geschaffen werden. Hat eine innerdienstliche Maßnahme erhebliche Auswirkungen auf die Erledigung des Amtsauftrags, so ist dem nicht durch den Ausschluss jeglicher Beteiligung, sondern durch die Beachtung der Verantwortungsgrenze Rechnung zu tragen. Diese besagt, dass die Angelegenheit nicht der Letztentscheidungsbefugnis der der Volksvertretung verantwortlichen Stelle entzogen werden darf. Sofern Entscheidungen im Einzelfall wegen ihrer Auswirkungen auf das Allgemeinwohl wesentlicher Bestandteil der Regierungsgewalt sind, müssen sie einem parlamentarisch verantwortlichen Amtsträger vorbehalten bleiben (BVerwG, Beschluss vom 24. November 2021 - 5 P 7.20 - NZA-RR 2022, 330 Rn. 12 f. m. w. N.).

21

In Anwendung dieser Grundsätze scheidet die Anwendung des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 LPVG NRW selbst dann nicht aus, wenn die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze durch den Dienststellenleiter wegen unabweisbarer dienstlicher Notwendigkeiten verfügt wird. Denn die Schutzzweckgrenze ist auch in einem solchen Fall eingehalten, weil die Entscheidung über solche Grundsätze zweifellos auch einen innerdienstlichen Charakter aufweist. Die Verantwortungsgrenze ist beachtet, weil nach § 66 Abs. 7 Satz 4 bis 9 LPVG NRW in diesem Fall, sofern die Entscheidung hierüber wegen ihrer Auswirkungen auf das Gemeinwohl als wesentlicher Bestandteil der Regierungsgewalt anzusehen ist, auch bei einem grundsätzlich bindenden Beschluss der Einigungsstelle ein Letztentscheidungsrecht der nach § 68 LPVG NRW zuständigen Stelle besteht und die Maßnahme damit der Letztentscheidungsbefugnis der der Volksvertretung verantwortlichen Stelle nicht entzogen ist (vgl. dazu Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, Das Personalvertretungsrecht in Nordrhein-Westfalen, Stand Juli 2022, § 66 Rn. 459 ff.).

22

2. Die Anordnung des Beteiligten, die gegenseitige Urlaubsvertretung im Sozialdienst nur noch innerhalb der Abteilung sicherzustellen, ist dementsprechend, wie das Oberverwaltungsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, als nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Alt. 1 LPVG NRW der Mitbestimmung des Personalrats unterliegender allgemeiner Urlaubsgrundsatz anzusehen. Denn sie bewirkt in Form einer abstrakt-generellen Regelung eine Vorfestlegung für die spätere Koordinierung in einem Urlaubsplan zwischen dem vom Beteiligten angegebenen dienstlichen Interesse, das notwendige Wissen innerhalb der Abteilung auch in der Urlaubszeit sicherzustellen, und individuellen Urlaubsansprüchen der betroffenen Beschäftigten. Deren Urlaubswünsche können danach nur eingeschränkt berücksichtigt werden, nämlich nur, soweit eine Urlaubsvertretung auf eine bestimmte Weise gewährleistet werden kann. Dies hat hinreichende Auswirkungen auf die zeitliche Festlegung des Urlaubs in künftigen Urlaubsplänen und löst auch die für die Mitbestimmung erforderliche kollektive Betroffenheit aus.

Dr. Störmer

Stengelhofen-Weiß

Dr. Harms

Holtbrügge

Preisner

Verkündet am 14. September 2022

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