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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 10.03.2022, Az.: BVerwG 6 B 5.22
Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Versammlung (hier: Kletteraktion mit einem Banner)
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 10.03.2022
Referenz: JurionRS 2022, 16509
Aktenzeichen: BVerwG 6 B 5.22
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2022:100322B6B5.22.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Niedersachsen - 02.12.2021 - AZ: 11 LC 84/20

BVerwG, 10.03.2022 - BVerwG 6 B 5.22

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. März 2022
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Hahn und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Versammlung.

2

Der Kläger wollte anlässlich einer Demonstration im Juli 2017 in Lüneburg einen Baum erklettern, um zusammen mit einer anderen Person auf einem Baum auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Banner über der Straße zu entfalten ("Banner Drop"). Seine Kletterpartnerin wurde jedoch von Einsatzkräften der Polizei am Weiterklettern gehindert. Der Kläger kam der Aufforderung, vom Baum herabzusteigen, erst nach Durchzug des Demonstrationszuges nach.

3

Seine auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme, ein Transparent über die Straße zu spannen, gerichtete Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung der Beklagten stattgegeben und die Klage abgewiesen; es hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

4

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Den geltend gemachten Zulassungsgrund der Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) hat die Beschwerde nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt.

5

Die Darlegung einer Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten, tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift widersprochen hat. Die Beschwerde muss aufzeigen, dass zwischen den beiden Gerichten ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines bestimmten Rechtssatzes besteht. Die Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die ein in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genanntes Gericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen an eine Divergenzrüge nicht (BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 21. Dezember 2017 - 6 B 43.17 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 198 Rn. 4, jeweils m.w.N.). Daran gemessen lässt das Beschwerdevorbringen des Klägers keinen Anknüpfungspunkt für eine Revisionszulassung wegen Divergenz erkennen.

6

Der Kläger rügt im Wesentlichen, das Oberverwaltungsgericht habe sich dadurch in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gesetzt, dass es die Kletteraktion des Klägers und seiner Kletterpartnerin als eigene Versammlung eingestuft habe, anstatt sie als Teilnehmer der für den 1. Juli 2017 angemeldeten Versammlung anzusehen. Das angefochtene Urteil beruhe auf der Abweichung, da andernfalls er und seine Kletterpartnerin nicht als Veranstalter/Leiter einer eigenen Versammlung hätten in Anspruch genommen werden können. Zudem gebe das Berufungsgericht einer bewehrten Gemeindeverordnung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die u.a. das Erklettern von Bäumen verbiete, den Vorrang gegenüber der Versammlungsfreiheit und verkenne dabei die Reichweite des Art. 8 Abs. 1 GG. Dieses Vorbringen genügt auch mit Blick auf die von der Beschwerde wiedergegebenen Auszüge aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1985 (1 BvR 233/81 und 1 BvR 341/81 - BVerfGE 69, 315) und 20. Juni 2014 (1 BvR 980/13 - NJW 2014, 2706) nicht den Anforderungen an die Darlegung einer Abweichung gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

7

Das Oberverwaltungsgericht hat in seinen Ausführungen zur Sache den von dem Kläger und seiner Kletterpartnerin geplanten "Banner Drop" ausdrücklich dem Schutz der Versammlungsfreiheit unterstellt (UA S. 13). Es hat jedoch im Rahmen seiner Prüfung, ob sich die Einschränkung der Versammlungsfreiheit des Klägers als rechtmäßig und insbesondere verhältnismäßig erweist, die Straßenbäume - in nachvollziehbarer Weise - nicht als für die allgemeine Kommunikation eröffnete Orte angesehen und deshalb dem öffentlichen Interesse an der Abwehr der Gefahren für die Rechtsgüter der Verkehrsteilnehmer den Vorrang eingeräumt (UA S. 17 f.). Die Beschwerde legt nicht dar, dass sich das Berufungsgericht mit seiner tatrichterlichen Würdigung, die Kletteraktion des Klägers und seiner Kletterpartnerin sei nicht als Teilnahme an dem für den 1. Juli 2017 angemeldeten Aufzug mit Kundgebungen, sondern als eigene Versammlung anzusehen (UA S. 19 ff.), in prinzipieller Weise in Widerspruch zu den genannten verfassungsgerichtlichen Entscheidungen gesetzt hat. Denn diese verhalten sich nicht zu der Frage, unter welchen Umständen eine Aktion als eigene Versammlung oder Teil einer anderen Versammlung anzusehen ist. Mit ihrem Vorbringen kritisiert die Beschwerde lediglich im Gewande der Divergenzrüge die Sachverhaltswürdigung des Berufungsgerichts in dem hier vorliegenden Fall; damit vermag sie die Zulassung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht zu erreichen.

8

Auch soweit der Kläger am Ende seines Beschwerdevorbringens zum Feststellungsinteresse ausführt, benennt er keinen Anknüpfungspunkt für eine Zulassung der Revision wegen Divergenz. Im Übrigen hat das Berufungsgericht ein (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresse des Klägers angenommen (UA S. 11 f.), so dass das Beschwerdevorbringen zur Zulässigkeit der Klage ins Leere geht.

9

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO). Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Prof. Dr. Kraft

Hahn

Dr. Gamp

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