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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 25.06.2021, Az.: BVerwG 3 B 1.21
Grundsätzliche Bedeutung der Feststellung der Zugehörigkeit von Grundstücken zu einem Jagdbezirk
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 25.06.2021
Referenz: JurionRS 2021, 32015
Aktenzeichen: BVerwG 3 B 1.21
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2021:250621B3B1.21.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

VGH Baden-Württemberg - 06.10.2020 - AZ: 5 S 1039/18

BVerwG, 25.06.2021 - BVerwG 3 B 1.21

Redaktioneller Leitsatz:

Soweit bei einer Mehrfachbegründung die Revision nur zugelassen werden kann, wenn gegen jede der tragenden Begründungen des Tatsachengerichts mindestens ein Beschwerdegrund vorgebracht wird, der die Zulassung rechtfertigt, fehlt es an solchen Rügen, wenn die selbstständigen Begründungen als "kombiniert" betrachtet werden.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Juni 2021
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. habil. Wysk und
Dr. Kenntner
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 6. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Der Kläger begehrt die Feststellung der Zugehörigkeit seiner Grundstücke zu einem Jagdbezirk.

2

Die vom Kläger seit 2009 erworbenen Grundstücke liegen in der Gemeinde Z., Gemarkung O. (Baden-Württemberg) und im Geltungsbereich eines 1974 zwischen zwei Jagdgenossenschaften geschlossenen Jagdangliederungsvertrages, mit dem unter anderem die Grundstücke des Klägers dem Jagdbezirk K. angegliedert wurden. Eine vom Kläger 2014 beantragte Neugliederung des Jagdbezirks lehnte die beklagte Jagdgenossenschaft ab. Die Klage mit dem Antrag festzustellen, dass der Westteil der zur Jagdgenossenschaft Z. gehörenden Teilgemarkung O. dem Jagdbezirk der angrenzenden Jagdgenossenschaft K. nicht wirksam angegliedert worden sei, sondern zur Jagdgenossenschaft Z. gehöre, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zurückgewiesen. Der Angliederungsvertrag aus dem Jahre 1974 sei wirksam. Es sei trotz der seinerzeitigen kommunalen Neugliederung klar, dass die frühere Jagdgenossenschaft der Gemeinde B. Vertragspartner habe sein sollen. Das sei von den Vertragspartnern übereinstimmend gewollt gewesen; die Falschbezeichnung der Parteien sei nach dem Grundsatz "falsa demonstratio non nocet" unerheblich. Zur Unwirksamkeit des Vertrages führe es nicht, dass der Bürgermeister der Gemeinde B. beim Vertragsschluss ohne Vertretungsmacht gehandelt habe. Der Vertrag sei deswegen schwebend unwirksam gewesen, aber später von dem Vertretenen konkludent genehmigt worden. Das komme jedenfalls in der Billigung der Neuverpachtung des Jagdbezirks durch Beschluss des Gemeinderats der Gemeinde Z. vom 25. September 1984 und dem Einverständnis mit dem Neuzuschnitt des Bezirks O. ohne den an K. angegliederten Bereich hinreichend deutlich zum Ausdruck. Zudem sei eine Berufung auf den Mangel der Vertretungsmacht und die Unwirksamkeit des Vertrages nach dem Grundsatz "venire contra factum proprium" als treuwidrig (§ 242 BGB) anzusehen, weil die Beteiligten das Vertretergeschäft über Jahrzehnte als wirksam behandelt und erfüllt hätten.

II

3

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

4

Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung setzt nach ständiger Rechtsprechung die Formulierung einer bestimmten, jedoch fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Eine solche Frage ist der Beschwerde nicht zu entnehmen.

5

Die Beschwerde formuliert als grundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob einem unter Falschbezeichnung der Beteiligten und dazu vom unzuständigen Organ abgeschlossenen öffentlich-rechtlichen Jagdangliederungsvertrag unter kombinierter Anwendung der Grundsätze 'falsa demonstratio non nocet' und 'venire contra factum proprium' zur Wirksamkeit verholfen werden kann, wenn das als Not-Vorstand der Jagdgenossenschaft zuständige Organ seine Zuständigkeit nicht kannte".

6

Erläuternd wird dazu ausgeführt, es gehe letztlich um die Frage, "ob ein öffentlich-rechtlicher Vertrag (Jagdangliederung), der sowohl mit der falschen (nicht mehr existenten) Partei als auch vom falschen Organ geschlossen wurde (mithin doppelt fehlerhaft ist), stillschweigend geheilt bzw. später nicht mehr angegriffen werden kann, obwohl das zuständige Organ seine Zuständigkeit offensichtlich nicht kannte". Damit ist keine in einem Revisionsverfahren abstrakt und verallgemeinerungsfähig zu beantwortende Rechtsfrage aufgeworfen. Es handelt sich vielmehr um eine Subsumtionsrüge, mit der durch eine in Frageform gekleidete Schilderung von Fallumständen eine rechtliche Neubewertung der Wirksamkeit des Jagdangliederungsvertrages durch den Senat erstrebt wird. Diese Bewertung ist jedoch nur mittels einer tatrichterlichen Würdigung der Umstände des Einzelfalls möglich, die dem Revisionsgericht verwehrt ist.

7

Abgesehen davon können dem Beschwerdevortrag auch bei wohlwollender Auslegung keine abstrakten klärungsbedürftigen Rechtsfragen entnommen werden. Das gilt insbesondere für die bezeichneten Grundsätze "falsa demonstratio non nocet" und "venire contra factum proprium", die das Berufungsgericht keineswegs - wie die Beschwerde in ihrer Frage unterstellt - kombiniert, sondern die es zu selbstständigen Begründungen dafür herangezogen hat, dass die Fehler bei Abschluss des Angliederungsvertrages aus verschiedenen, teilweise selbstständig tragenden Gründen keine rechtliche Bedeutung haben. Bei einer Mehrfachbegründung kann die Revision nur zugelassen werden, wenn gegen jede der tragenden Begründungen des Tatsachengerichts mindestens ein Beschwerdegrund vorgebracht wird, der die Zulassung rechtfertigt (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 30. November 2020 - 8 B 16.20 - juris Rn. 2 m.w.N.). An solchen Rügen fehlt es, wenn die selbstständigen Begründungen als "kombiniert" betrachtet werden. Von diesem Standpunkt aus verkennt die Beschwerde auch, dass das Berufungsgericht den Grundsatz "venire contra factum proprium" nicht im Zusammenhang mit der Wirksamkeit der Vereinbarung erörtert, sondern zur Begründung herangezogen hat, dass eine Berufung auf einen (fortbestehenden) Mangel der Vertretungsmacht gegen Treu und Glauben verstoßen würde.

8

Soweit der Beschwerde sinngemäß eine Rüge unrichtiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung zu entnehmen sein sollte, ist weder eine grundsätzliche Bedeutung noch ein Verfahrensmangel erkennbar. Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind, wenn sie vorliegen, revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen (stRspr, Beschluss vom 2. November 1995 - 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266). Dass hiervon im Fall des Klägers eine Ausnahme eingreifen könnte, ist weder dargelegt noch ersichtlich.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Dr. Philipp

Prof. Dr. habil. Wysk

Dr. Kenntner

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