Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 22.11.1995, Az.: BVerwG 4 B 224.95
Materielle Rechtsanwendung des Berufungsgerichts als Gegenstand einer Verfahrensrüge; Möglichkeit des Beschwerdegerichts zur eigenständigen Beweiserhebung; Bestimmung des Umfangs der Aufklärungspflicht nach der vom Tatsachengericht zum materiellen Recht vertretenen Auffassung; Sicherung der Erschließung in rechtlicher Hinsicht als Teil des bundesrechtlichen Begriffs "gesicherte Erschließung"; Notwendigkeit zur Sicherung der Erschließung auf Dauer
Bibliographie
- Gericht
- BVerwG
- Datum
- 22.11.1995
- Aktenzeichen
- BVerwG 4 B 224.95
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1995, 20183
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OVG Nordrhein-Westfalen - 30.06.1995 - AZ: 10 A 3170/91
Rechtsgrundlagen
Der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat
am 22. November 1995
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Gaentzsch,
den Richter Prof. Dr. Dr. Berkemann und
die Richterin Heeren
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. Juni 1995 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 165.000 DM festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht.
Soweit die Beschwerde vorträgt, ein schwerwiegender Verfahrensmangel des angefochtenen Beschlusses liege darin, daß das Gericht eine ausreichende Erschließung des streitbefangenen Grundstücks zu Unrecht verneint habe, kann unter Berücksichtigung ihrer weiteren Ausführungen bereits zweifelhaft sein, ob damit eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung gerügt werden soll oder ob sie sich gegen die materielle Rechtsanwendung des Berufungsgerichts wendet; letzteres kann nicht Gegenstand einer Verfahrensrüge im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sein. Sie verkennt im übrigen, daß es dem Beschwerdegericht verwehrt ist, selbst Beweis zu erheben. Der Umfang der Aufklärungspflicht richtet sich im übrigen nach der vom Tatsachengericht zum materiellen Recht vertretenen Auffassung. Das Berufungsgericht hat das zur Bebauung vorgesehene Grundstück durch den Berichterstatter in Augenschein genommen. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen hat es die ausreichende Erschließung des Grundstücks im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB verneint: Zum einen grenzt das zur Bebauung vorgesehene Grundstück nicht an eine befahrbare Verkehrsfläche, die auch für die Aufnahme des von dem Vorhaben ausgelösten Erschließungsverkehrs gewidmet ist; zum anderen ist eine rechtliche Absicherung des Feldweges nicht gegeben. Von diesem Standpunkt aus hatte das Berufungsgericht für eine weitere Aufklärung keinen Anlaß. Das gilt auch für die Frage, ob und aus welchen Gründen für in der Nähe gelegene Grundstücke Baugenehmigungen erteilt worden sind.
Es mag dahinstehen, ob das Berufungsgericht die Mindestanforderungen an die Erschließung des von dem Kläger beabsichtigten Vorhabens zu hoch angesetzt hat (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 30. August 1985 - BVerwG 4 C 48.81 - Buchholz 406.11 § 35 BBauG/BauGB Nr. 228), jedenfalls muß die Zugänglichkeit des Grundstücks des Klägers rechtlich ausreichend gesichert sein. Zum bundesrechtlichen Begriff der gesicherten Erschließung gehört ihre Sicherung in rechtlicher Hinsicht. Die Erschließung muß auf Dauer zur Verfügung stehen. Einer besonderen rechtlichen Sicherung bedarf es nur dann nicht, wenn das Baugrundstück eine unmittelbare Zufahrt zum öffentlichen Wegenetz besitzt. Fehlt diese, so muß die Zugänglichkeit abgesichert werden. Aus der Notwendigkeit, die Erschließung auf Dauer zu sichern, folgt, daß eine rein schuldrechtliche Vereinbarung des Bauherrn mit einem privaten Nachbarn nicht ausreicht. Dagegen bestehen aus bundesrechtlicher Sicht keine Bedenken, eine gesicherte Zufahrt nicht nur anzunehmen, wenn die Zufahrt zum öffentlichen Straßennetz öffentlich-rechtlich, z.B. durch Baulast, gesichert ist, sondern beispielsweise auch dann, wenn sie dinglich, z.B. durch eine Grunddienstbarkeit, gesichert ist (BVerwG, Urteil vom 3. Mai 1988 - BVerwG 4 C 54.85 - BRS 48 Nr. 92).
Auch die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung sind nicht dargetan. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung auf zwei jeweils selbständig tragende Gründe gestützt: Es hat sowohl die ausreichende Erschließung des Baugrundstücks als auch die Privilegierung des Vorhabens im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB verneint. Ist ein Urteil solchermaßen begründet, so kann eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nur erfolgen, wenn in bezug auf beide Begründungen Zulassungsgründe vorgetragen werden. Daran fehlt es hier. Die Beschwerde wendet sich insoweit nur noch gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dem Nebenerwerbsbetrieb des Klägers fehle es an der erforderlichen Dauerhaftigkeit. Wenn diese Begründung des Berufungsurteils hinweggedacht wird, verbleibt es bei der unzureichenden Erschließung des Vorhabens.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 165.000 DM festgesetzt.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 14 Abs. 1 und 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Berkemann
Heeren