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Bundesverwaltungsgericht
Urt. v. 07.09.1989, Az.: BVerwG 7 C 4.89

Landkreis; Kreisrat; Selbstständige Tätigkeit; Verdienstausfallentschädigung; Feststellungsklage; Leistungsklage

Bibliographie

Gericht
BVerwG
Datum
07.09.1989
Aktenzeichen
BVerwG 7 C 4.89
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 12336
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG Regensburg - 22.07.1987 - AZ: 3 K 87.00058
VGH Bayern - 27.01.1989 - AZ: 4 B 87.02968

Fundstellen

  • BayVBl 1990, 117-120
  • DVBl 1990, 155-158 (Volltext mit amtl. LS)
  • DokBer 1989, 359-364
  • DÖV 1990, 626 (amtl. Leitsatz)
  • DöV 1991, 62
  • JuS 1990, 978
  • NVwZ 1990, 158-162
  • NVwZ 1993, 546-548 (Urteilsbesprechung von RA Hajo Duken)
  • NVwZ 1990, 162-165 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Art. 14 a Abs. 2 Nr. 2 der Landkreisordnung für den Freistaat Bayern ist verfassungskonform dahin auszulegen, daß von der dem Landkreis eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen ist, für selbständig tätige Kreisräte satzungsmäßig eine Verdienstausfallentschädigung vorzusehen, soweit Art. 3 Abs. 1 GG dies aus Gründen der Gleichbehandlung mit Kreisräten gebietet, die als Arbeitnehmer Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung haben.

Bei gleichheitswidrig fehlender Entschädigungsregelung in einer Satzung kann Rechtsschutz durch eine Feststellungsklage und eine auf Zahlung gerichtete, unbezifferte Leistungsklage nachgesucht werden.

Der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat
am 7. September 1989
durch
den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Sendler und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Kreiling, Dr. Gaentzsch, Dr. Paetow und Dr. Bardenhewer
ohne mündliche Verhandlung
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Januar 1988 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 22. Juli 1987 werden aufgehoben.

Es wird festgestellt, daß die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist, daß die Satzung zur Regelung der Entschädigung ehrenamtlich tätiger Kreisräte und sonstiger Kreisbürger vom 14. Mai 1984 (Amtsblatt für den Landkreis Freyung-Grafenau 1984 S. 59) keine Verdienstausfallentschädigung nach Art. 14 a Abs. 2 Nr. 2 der Bayerischen Landkreisordnung vorsieht.

Wegen des Zahlungsantrags der Klägerin wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin als Kreisrätin eine Verdienstausfallentschädigung insbesondere für die Teilnahme an Sitzungen des Kreisrats des beklagten Landkreises zusteht.

2

Die Klägerin ist seit dem 1. Januar 1985 Inhaberin eines Ladengeschäfts für Naturkosmetik, das sie allein betreibt. Als Kreisrätin des beklagten Landkreises erhält sie nach § 1 Abs. 1 und 2 der Satzung zur Regelung der Entschädigung ehrenamtlich tätiger Kreisräte und sonstiger Kreisbürger vom 14. Mai 1984 (Amtsblatt für den Landkreis Freyung-Grafenau S. 59) anläßlich der Sitzung des Kreistags oder eines Ausschusses für jeden Sitzungstag eine Entschädigung bei Teilnahme an der Sitzung von 70 DM zuzüglich Kilometergeld nach den reisekostenrechtlich festgesetzten Sätzen. Eine Verdienstausfallentschädigung für Zeitversäumnis, die selbständig Tätige nach Art. 14 a Abs. 2 Nr. 2 der Landkreisordnung für den Freistaat Bayern vom 31. Mai 1978 (GVBl. S. 377) - LKrO - erhalten können, sieht die Satzung nicht vor. Angestellten und Arbeitern wird nach Art. 14 a Abs. 2 Nr. 1 LKrO der ihnen entstandene nachgewiesene Verdienstausfall ersetzt; dementsprechend erhalten Lohn- und Gehaltsempfänger nach § 1 Abs. 3 der Satzung Ersatz für den durch die Teilnahme an der Kreistags- oder Ausschußsitzung entgangenen Lohn oder das entgangene Gehalt in voller Höhe.

3

Mit Schreiben vom 7. März 1985 bat die Klägerin den Landrat zu veranlassen, daß ihr im Wege einer Änderung der Satzung eine Verdienstausfallentschädigung zugesprochen werde. Sie könne den Umfang ihres Verdienstausfalls zur Zeit noch nicht überblicken; da sie nebenberuflich für eine Tätigkeit als Gästebetreuerin 20 DM je Stunde beanspruche, schlage sie diesen Betrag als Berechnungsgrundlage vor; als Ansatz für die Berechnung kämen auch die Kosten einer Vertretung in Betracht, die sich auf täglich 150 DM beliefen. In seiner Sitzung vom 22. April 1985 empfahl der Kreisausschuß dem Kreistag mit 8:3 Stimmen, diesen Antrag abzulehnen. Mit Beschluß vom 29. April 1985 lehnte der Kreistag den Antrag mehrheitlich ab.

4

Die Klägerin erhob hiergegen Klage, die das Verwaltungsgericht mit der Begründung abwies, daß eine Berechtigung der Klägerin zum Bezug einer Verdienstausfallentschädigung nicht festzustellen sei. Die Berufung der Klägerin wies der Verwaltungsgerichtshof zurück: Die Klägerin mache einen Anspruch auf Zahlung von Verdienstausfallentschädigung im Wege der Leistungsklage geltend, der unbegründet sei. Der geltend gemachte Entschädigungsanspruch bedürfe einer Satzung als Rechtsgrundlage. Die Satzung des Beklagten zur Regelung der Entschädigung ehrenamtlicher Kreisräte und sonstiger Kreisbürger räume der Klägerin jedoch keinen Anspruch ein. Ob dem Antrag der Klägerin der Erlaß einer den Entschädigunganspruch begründenden Satzung als Klageziel zu entnehmen und ob eine Normerlaßklage hier ausnahmsweise zulässig sei, bedürfe keiner Entscheidung. Art. 14 a Abs. 2 Nr. 2 LKrO gebe einen solchen Anspruch nicht her, denn nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung stehe es im Ermessen des Satzunggebers, eine Entschädigung für Selbständige vorzusehen. Daß der Gesetzgeber der Landkreisordnung den Landkreisen freistelle, für Selbständige eine satzungsmäßige Entschädigung vorzusehen, den unselbständig Tätigen dagegen ein Anspruch auf die Entschädigung einzuräumen sei, erkläre sich daraus, daß Selbständige regelmäßig freier über ihre Arbeitszeit verfügen könnten als Arbeite und Angestellte.

5

Die vom erkennenden Senat zugelassene Revision rügt die Verletzung des Grundsatzes allgemeiner Wahlen (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) und des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG). Diese Grundsätze beschränkten das dem beklagten Landkreis gesetzlich eingeräumte Satzungsermessen dahin, daß eine Entschädigungsregelung auch zugunsten der selbständig tätigen Kreisräte erlassen werden müsse. In die Entschließungsfreiheit solcher Kreisräte, ihr Mandat anzunehmen, werde verfassungswidrig eingegriffen, wenn ihnen eine Verdienstausfallentschädigung im Gegensatz zu Arbeitern und Angestellten vorenthalten werde. Der Betroffene werde faktisch von der Wählbarkeit ausgeschlossen, wenn er sich wegen der Auswirkungen auf seine berufliche Existenz praktisch nicht in der Lage sehe, das errungene Mandat auszuüben (Hinweis auf BVerfGE 48, 64 [BVerfG 04.04.1978 - 2 BvR 1108/77]). Der Gesetzgeber gehe von der überholten Vorstellung aus, daß Selbständige ihre Arbeitszeit frei bestimmen könnten, während unselbständig Beschäftigte in ihrem Einkommen durch die Kreisratstätigkeit benachteiligt seien. Das vom Gesetzgeber gezeichnete Bild der Selbständigen als einer in sich undifferenzierten, von Arbeitern und Angestellten sozial abgrenzbaren Gruppe entspreche nicht der Wirklichkeit.

6

Die Klägerin beantragt sinngemäß

die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Erlaß einer Satzung, die ihr einen Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung gewährt, sowie die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung.

7

Der beklagte Landkreis hält dem Revisionsvorbringen entgegen, daß die berufliche Existenz eines Selbständigen durch seine Inanspruchnahme als Kreisrat, die wenige Stunden monatlich betrage, keinesfalls gefährdet werde; von einem Zwang, zwischen Beruf und Mandat wählen zu müssen - so der Sachverhalt in BVerfGE 48, 64 [BVerfG 04.04.1978 - 2 BvR 1108/77] - könne keine Rede sein. Der Klägerin seien die nötigen Vorkehrungen zur Überbrückung ihrer geschäftlichen Abwesenheit zuzumuten. Regelmäßig wirke sich die ehrenamtliche Tätigkeit in einer kommunalen Vertretung eher günstig auf die berufliche Lage des Selbständigen aus. Die Gruppen der selbständig und der unselbständig Beschäftigten seien in einer Weise voneinander abgrenzbar, daß ihre differenzierende Behandlung vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sei. Der Verwaltungsgerichtshof sehe diesen unterschied in seinem Urteil vom 31. Mai 1960 (BayVBl. 1960, 287) zu Recht darin, daß der Selbständige die Arbeitszeit in der Regel frei bestimme, während der unselbständig Beschäftigte in einen arbeitsteilig aufgebauten Betriebsorganismus eingebunden sei. Daß die Entschädigung abweichend gehandhabt werde, rechtfertige sich aus der unterschiedlichen Finanzkraft der Landkreise.

8

Die Landesanwaltschaft Bayern unterstützt den Beklagten.

9

II.

Die Revision der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 141, 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht.

10

Der Verwaltungsgerichtshof geht in Anwendung von Landesrecht, nämlich des Art. 14 a Abs. 2 Nr. 2 der Landkreisordnung für den Freistaat Bayern vom 31. Mai 1978 (GVBl. S. 377) - LKrO - davon aus, daß es im Entscheidungsermessen des beklagten Landkreises liege, ob für die der Klägerin wegen ihres Mandats als Kreisrätin entstehende Zeitversäumnis durch Satzung eine Verdienstausfallentschädigung vorgesehen wird. Diese Auslegung ist unvereinbar mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Art. 14 a Abs. 2 Nr. 2 LKrO läßt eine verfassungskonforme Auslegung dahin zu, daß die von dem Beklagten erlassene Satzung zur Entschädigung ehrenamtlich tätiger Kreisräte und sonstiger Kreisbürger vom 14. Mai 1984 (Amtsblatt für den Landkreis Freyung-Grafenau 1984 S. 59) - Entschädigungssatzung - durch eine dem Gleichheitssatz Rechnung tragende Regelung zu ergänzen ist (1.). Wegen des von der Klägerin erhobenen Anspruchs auf Zahlung von Verdienstausfallentschädigung, der sich nach Maßgabe der durch den Beklagten zu ändernden Satzung bestimmt, wird der Rechtsstreit an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen (2.).

11

1.

Mit ihrem Feststellungsantrag macht die Klägerin sinngemäß geltend, in ihren Rechten dadurch verletzt zu sein, daß in der Entschädigungssatzung des Beklagten keine Verdienstausfallentschädigung nach Art. 14 a Abs. 2 Nr. 2 LKrO vorgesehen ist. Dieser Antrag ist zulässig und begründet.

12

a)

Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, daß sie sich mit dem Vorbringen, das Fehlen einer die Klägerin begünstigenden Entschädigungsregelung sei verfassungswidrig und verletze diese in ihren Rechten, gegen den Beklagten als Satzunggeber richtet und - hier in der Form der Feststellung - einen Anspruch aus höherrangigem Recht auf Satzungsergänzung, also auf Rechtsetzung geltend macht. Die Klägerin kann sich hierfür auf Art. 19 Abs. 4 GG berufen. Rechtsschutz gewährleistet das Grundgesetz nicht nur gegen die mit höherrangigem Recht unvereinbaren Rechtsetzungsakte des - im Rang unterhalb des parlamentarischen Gesetzgebers stehenden - Normgebers, es schließt Rechtsschutz auch gegen ein mit höherrangigem Recht unvereinbares normgeberisches Unterlassen ein (Senatsurteil vom 3. November 1988 - BVerwG 7 C 115.86 - <BVerwGE 80, 355, 361>[BVerwG 03.11.1988 - 7 C 115/86]). Ob die Gewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG bei förmlichen Gesetzen, die dem Entscheidungsmonopol der Verfassungsgerichtsbarkeit unterliegen, eine Einschränkung erfährt, kann offenbleiben. Der kommunale Satzunggeber ist jedenfalls in gleicher Weise wie der Verordnunggeber und sonstige normsetzende Träger öffentlicher Gewalt dem in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten Rechtsschutz unterworfen. Seine Legitimation durch Wahlen ändert hieran nichts.

13

Über das Feststellungsbegehren der Klägerin ist im Instanzenzug nach §§ 45, 46 VwGO zu entscheiden; es unterfällt nicht der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle nach § 47 VwGO. Eine in Rechtsprechung und Schrifttum gelegentlich erörterte - und zum Teil auch befürwortete - analoge Anwendung von § 47 VwGO auf Klagen, die sich gegen ein normgeberisches unterlassen richten, kommt nicht in Betracht. Die den Oberverwaltungsgerichten überantwortete Kontrollzuständigkeit zur abstrakten Überprüfung der in § 47 Abs. 1 VwGO aufgeführten untergesetzlichen Rechtsvorschriften mag Anlaß zu der rechtspolitischen Fragestellung geben, ob es prozessual sinnvoll ist, die Erklärung der Ungültigkeit von Normen dem Oberverwaltungsgericht vorzubehalten, für die gerichtliche Entscheidung über die Verpflichtung zum Erlaß von Normen dagegen von einer solchen Verfahrenskonzentration abzusehen. Für das geltende Verfahrensrecht hat diese Fragestellung keine Bedeutung. Die gesetzliche Zuständigkeitsregelung des 6. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung weist insoweit weder ein Argument gegen die Klagemöglichkeit bei normgeberischem Unterlassen noch eine durch Analogie zu schließende Lücke auf (vgl. BVerwGE 80, 355 <361 ff.>[BVerwG 03.11.1988 - 7 C 115/86]).

14

Der Revision ist darin zuzustimmen, daß zwischen den Beteiligten ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO besteht. Der Status der Klägerin als Kreisrätin begründet gegenüber dem Beklagten ein konkretes, durch Art. 14 a Abs. 2 LKrO geregeltes Rechtsverhältnis. Diesem Rechtsverhältnis entspringt die Verpflichtung des Beklagten, durch den Erlaß einer Entschädigungssatzung Ersatzleistungen für die zur Wahrnehmung des Kreisratsamtes notwendige Teilnahme an Sitzungen, Besprechungen und anderen Veranstaltungen vorzusehen. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung, ob ihr hieraus der Anspruch auf eine Regelung erwächst, nach der sie von dem Beklagten Verdienstausfallentschädigung verlangen kann.

15

Der Einwand der Subsidiarität von Feststellungsklagen nach § 43 Abs. 2 VwGO greift nicht durch. Die begehrte Feststellung wird weder durch die zugleich erhobene Zahlungsklage noch dadurch ausgeschlossen, daß anstelle des geltend gemachten Feststellungsbegehrens eine Leistungsklage, gerichtet auf Normerlaß in Form einer die Klägerin begünstigenden Änderung der Entschädigungssatzung, zu erheben wäre. Die Regelung des § 43 Abs. 2 VwGO soll unnötige Feststellungsklagen vermeiden, wenn für die Rechtsverfolgung eine andere sachnähere und wirksamere Klageart zur Verfügung steht (Urteil vom 18. Oktober 1985 - BVerwG 4 C 21.80 - <NJW 1986, 1826> und Senatsurteil vom 29. August 1986 - BVerwG 7 C 5.85 - <HFR 1988, 476>). Was den von der Klägerin erhobenen Zahlungsantrag betrifft, so ist dieser Grundsatz schon darum nicht berührt, weil einem Anspruch auf Zahlung von Verdienstausfallentschädigung gerade nicht unmittelbar gerichtlich zum Erfolg verholfen und damit auf die begehrte Feststellung verzichtet, werden kann. Der Zahlungsanspruch bedarf noch einer Rechtsgrundlage, die in der Gestalt einer die beanspruchte Verdienstausfallentschädigung regelnden Satzungsnorm zuerst einmal geschaffen werden muß. Die Zahlungsklage baut prozessual wie sachlich-rechtlich darauf auf, daß in Erfüllung der festzustellenden Verpflichtung die Entschädigungssatzung zugunsten der Klägerin geändert wird, und vermag daher die begehrte Feststellung nicht zu ersetzen. Gegenüber einer auf Normerlaß gerichteten Leistungsklage tritt die Feststellungsklage gleichfalls nicht zurück. Das Rechtsschutzbegehren der Klägerin kommt wirksam zur Geltung, ohne daß es prozessual in das Gewand einer einklagbaren "Leistung" des Satzunggebers gekleidet wird, überdies entspricht die Form des Feststellungsbegehrens eher dem im Gewaltenteilungsgrundsatz begründeten Gedanken, daß auf die Entscheidungsfreiheit der rechtsetzenden Organe gerichtlich nur in dem für den Rechtsschutz des Bürgers unumgänglichen Umfang einzuwirken ist.

16

b)

Das Grundrecht der Klägerin aus Art. 3 Abs. 1 GG, das Gleichheit vor dem Gesetz verbürgt, gebietet dem Beklagten, seine Entschädigungssatzung so zu gestalten, daß die Klägerin in dem durch Art. 14 a Abs. 2 Nr. 2 LKrO gezogenen rechtlichen Rahmen eine Verdienstausfallentschädigung erhält. Das beruht auf folgenden Erwägungen:

17

Nach Art. 14 a Abs. 2 Nr. 2 LKrO können selbständig Tätige für die ihnen entstehende Zeitversäumnis eine Verdienstausfallentschädigung erhalten (Satz 1); die Entschädigung wird auf der Grundlage eines satzungsmäßig festzulegenden Pauschalsatzes gewährt (Satz 2). Der Verwaltungsgerichtshof folgert hieraus, daß der Anspruch eines zu der Gruppe der selbständig Tätigen zählenden Kreisrats auf Verdienstausfallentschädigung als Rechtsgrundlage einer Satzung bedarf. Da die Satzung des beklagten Landkreises vom 14. Mai 1984 keine entsprechende Regelung enthalte, habe das Leistungsbegehren der - als Inhaberin eines Naturkosmetikgeschäftes - selbständig tätigen Klägerin schon deshalb keinen Erfolg. Daß eine die Klägerin begünstigende Entschädigungsregelung in der Satzung des Beklagten fehlt, steht nach der Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs in Einklang mit Art. 14 Abs. 2 Nr. 2 LKrO: Der klare Wortlaut der Vorschrift stelle es dem Satzunggeber anheim, ob er dem Selbständigen eine Verdienstausfallentschädigung zugestehen wolle oder nicht; Angestellten und Arbeitern sei zwar nach § 14 a Abs. 2 Nr. 1 LKrO der ihnen entstandene nachgewiesene Verdienstausfall obligatorisch zu ersetzen; dieser Unterschied erkläre sich jedoch daraus, daß der Selbständige in der Regel freier als ein Angestellter oder ein Arbeiter in der Verfügung über seine Arbeitszeit sei.

18

Der Verwaltungsgerichtshof kommt hiernach in Anwendung und Auslegung der landesrechtlichen Vorschriften über die Gewährung von Verdienstausfallentschädigung an selbständig tätige Kreisräte zu dem das Revisionsgericht bindenden Ergebnis (§ 137 Abs. 1 VwGO und § 562 ZPO/§ 173 VwGO), daß die in der Entschädigungssatzung getroffene Entscheidung, diesem Personenkreis keine Verdienstausfallentschädigung zukommen zu lassen, in Einklang mit der Gesetzeslage stehe. Die von der Klägerin beanstandete Ungleichbehandlung gegenüber den in den Kreistag gewählten Arbeitern und Angestellten geht aus dieser Sicht auf eine - dem Wortlaut des § 14 a Abs. 2 Nr. 2 LKrO ("Selbständig Tätige können ... erhalten.") zu entnehmende - Ermächtigung der Landkreise zurück, von Verdienstausfallentschädigung für selbständig Beschäftigte abzusehen. Dieses das Berufungsurteil tragende landesrechtliche Verständnis der Entschädigungsregelung für Verdienstausfall erweist sich in seiner Anwendung auf die Klägerin bundesrechtlich als unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund dafür, daß die Klägerin im Gegensatz zu den als Arbeitern und Angestellten beschäftigten Kreisräten keine Verdienstausfallentschädigung erhält, ist nicht zu erkennen. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Landesanwaltschaft rechtfertigt die Zugehörigkeit der Klägerin zur Gruppe der selbständig Tätigen im Sinne der Landkreisordnung eine solche Differenzierung nicht.

19

Die Möglichkeit, Verdienstausfallentschädigung für die Gruppe der Arbeiter/Angestellten (obligatorisch) anders als für die der Selbständigen (fakultativ) zu regeln, leitet der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf sein Urteil vom 31. Mai 1960 - Nr. 29 IV 59 - (BayVBl. 1960, 287) aus einer Unterscheidung zwischen den beiden Berufsgruppen ab, die in jener Entscheidung wie folgt beschrieben wird: "Wenn nun der Gesetzgeber ... den Verdienstausfall bei Arbeitern und Angestellten anders behandele als bei sonstigen Personen, so lassen sich dafür sehr wohl sachliche Gründe anführen. Vor allem ist es ein sachlicher Grund, daß derjenige, der eine selbständige berufliche Tätigkeit ausübt, weitgehend selbst darüber bestimmt, wann er seinen Beruf ausübt, während der Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellter), in einen auf Arbeitsteilung aufgebauten Betriebsorganismus eingegliedert, mit seiner Arbeitsverrichtung an bestimmte Tage und Tageszeiten gebunden ist; der erstere kann also durch sinnvolle Einteilung seiner beruflichen Tätigkeiten vermeiden, daß die Wahrnehmung des kommunalen Ehrenamtes zu einem Stillstand des Betriebs oder sonst zu einem Verdienstentgang führt, der letztere dagegen nicht." (a.a.O. S. 289).

20

Diese Entscheidung geht von der ohne weiteres einsichtigen Überlegung aus, daß es für die Gewährung von Verdienstausfallentschädigung einen Unterschied macht, ob der Kreisrat selbst oder ein Dritter über die - durch die Teilnahme an Sitzungen, Besprechungen und anderen Veranstaltungen des Kreistags beanspruchte - Arbeitszeit bestimmt: Wer über seine Arbeitszeit selbst verfügen kann, ist regelmäßig auch imstande, etwaige Arbeitszeit- und damit Einkommensverluste auszugleichen, so daß er auf einen Verdienstausgleich nicht in gleicher Weise wie ein Arbeitnehmer angewiesen ist. Für die konkrete Berufstätigkeit der Klägerin als Alleininhaberin eines Ladengeschäfts ohne Angestellte sind indes die Möglichkeiten selbstbestimmter Arbeitszeit und der Vermeidbarkeit eines Verdienstausfalls gerade nicht gleichzusetzen. Die Bindung an Ladenschlußzeiten und der Umstand, daß sitzungsbedingte Abwesenheiten üblicherweise nur durch bezahlte Aushilfen zu überbrücken sind, lassen die sonst bei selbständig Tätigen anzustellende Vermutung, ein Verdienstausfall sei durch veränderte Zeitdispositionen vermeidbar, ersichtlich nicht zu. Was die für die Gewährung von Verdienstausfallentschädigung maßgeblichen Tätigkeitsbedingungen betrifft, so liegen die Verhältnisse der Berufstätigkeit der Klägerin denen der Arbeitnehmer vielmehr deutlich näher als denen der selbständig tätigen Kreisräte, die durch eine Verlagerung ihrer Arbeitszeit Verdienstausfällen entgegenwirken können. Andererseits ergibt sich aus ihnen ein Unterschied zu der letztgenannten Gruppe von solcher Art und solchem Gewicht, daß der Klägerin die begehrte Verdienstausfallentschädigung aus Gründen der Gleichbehandlung mit den Arbeitnehmern nicht unter Berufung auf ihre selbständige Berufsausübung vorenthalten werden darf.

21

Der Einwand der Landesanwaltschaft, es seien im Hinblick auf die grundlegend unterschiedliche Stellung von Selbständigen und Nichtselbständigen im Wirtschaftsleben auch dort keine einheitlichen Regelungen zu treffen, wo ihr wirtschaftliches Interesse einmal partiell deckungsgleich sei, trifft nicht den vorliegenden Sachverhalt. Es geht nicht um die vom Gesetzgeber als erstes zu beantwortende, in einem weiten Spielraum normativen Ermessens zu entscheidende Frage, ob und wie unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen der Betroffenen aus Anlaß der Wahrnehmung von Ehrenämtern, hier des Kreisratsamtes, eine Entschädigung geregelt werden soll. Der Gesetzgeber der Landkreisordnung hat sich in dieser Frage - in der maßgeblichen landesrechtlichen Sicht des Verwaltungsgerichtshofs - bereits durch seine - vom Willkürverbot nicht berührte - Überlegung festgelegt, daß Verdienstausfallentschädigung durch den Landkreis obligatorisch nur vorzusehen ist, soweit Kreisräte außerstande sind, über eigene zeitliche Dispositionen einem Verdienstausfall entgegenzuwirken. An diesen von ihm gewählten Ansatz ist der Gesetzgeber der Landkreisordnung gebunden. Diesen Ansatz hat er - darin erst liegt die Verletzung des Gleichheitssatzes - nicht folgerichtig durchgeführt; denn er hat eine - in der Person der Klägerin realisierte - Sachverhaltsgestaltung bei Selbständigen außer acht gelassen, der ein mit der Lage von Arbeitnehmern vergleichbarer Mangel an Möglichkeiten zur eigenen Disposition über die Arbeitszeit innewohnt.

22

Der Gleichheitssatz wäre freilich dann nicht verletzt, wenn der Fall der Klägerin als ein singulärer, aus dem Rahmen fallender Sonderfall zu werten wäre, auf den der Gesetzgeber solange keine Rücksicht zu nehmen braucht, als das für den Betroffenen nicht mit unverhältnismäßigen Härten einhergeht und solche Härten für den Gesetzgeber nur unter Schwierigkeiten vermeidbar sind. Von einer atypischen, wegen der Notwendigkeit pauschalisierender Normierung mehr oder weniger unvermeidlichen Ausnahmesituation kann jedoch im Falle der Klägerin, die als Inhaberin eines Ladengeschäfts ohne Angestellte Naturkosmetik vertreibt, offensichtlich nicht gesprochen werden; alleintätige Ladeninhaber des den Ladenschlußzeiten unterworfenen Einzelhandels sind auch unter den heutigen Marktbedingungen nicht als eine vernachlässigbare Ausnahmeerscheinung anzusehen. Hinzu kommt, daß es den Landkreisen im Rahmen der Ermächtigung der Landkreisordnung obliegt, die Entschädigungsberechtigung Selbständiger abschließend zu bestimmen. Im Landkreis sind die zu regelnden Verhältnisse aber so überschaubar, daß auch Gründe der Praktikabilität nicht dafür anzuführen sind, allein nach den Gruppenmerkmalen Selbständige/Arbeitnehmer zu typisieren. Die von der Landesanwaltschaft betonte Komplexität der Berufsverhältnisse selbständig tätiger Kreisräte hindert den Normgeber ebenfalls nicht daran, bei Regelung der Verdienstausfallentschädigung die von der Klägerin repräsentierte Personengruppe aus der der Selbständigen herauszunehmen.

23

In der Höhe der Entschädigung der Klägerin ist der Normgeber vor dem Gleichheitssatz frei; die Entschädigung für Arbeitnehmer bindet ihn insoweit nicht. So darf bei der Bestimmung des nach § 14 a Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 LKrO festzusetzenden Pauschalsatzes insbesondere der von der Landesanwaltschaft - als Argument gegen ein Recht auf Gleichbehandlung mit Arbeitnehmern - angeführte Gesichtspunkt angemessen berücksichtigt werden, daß die Klägerin versuchen kann, ihrer Kundschaft nahezulegen, den Einkauf zu verschieben, wenn sie das Geschäft wegen der Kreisratsobliegenheiten geschlossen halten muß. Außerdem kann hier die vom Beklagten geltend gemachte ungünstige finanzielle Lage des Landkreises in die Erwägungen einbezogen werden, die bei der Arbeitnehmerentschädigung keine Rolle spielt.

24

c)

Die weitere Rüge der Klägerin, sie werde in ihrem durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich geschützten passiven Wahlrecht verletzt, ist unbegründet. Im Schutzbereich des Grundsatzes allgemeiner Wahlen sind keine Rechte der Klägerin berührt. Die Klägerin wird durch den Mangel einer Verdienstausfallentschädigung nicht ernstlich vor die Wahl zwischen Beruf und Mandat gestellt (vgl. BVerfGE 48, 64 [BVerfG 04.04.1978 - 2 BvR 1108/77] <90 f.>[BVerfG 04.04.1978 - 2 BvR 1108/77]).

25

d)

Einer Vorlage der Sache gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG i.V.m. § 80 Abs. 1 BVerfGG, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des § 14 a Abs. 2 Nr. 2 LKrO einzuholen, bedarf es nicht. Die gesetzliche Regelung läßt eine Auslegung zu, die den dargelegten Anforderungen des Gleichheitssatzes entspricht. Weder der Wortlaut noch ein erkennbar entgegengesetzter Wille des Gesetzgebers der Landkreisordnung verbieten es dem Beklagten, die Vorschrift als Ermächtigung zum Erlaß einer die Klägerin begünstigenden Bestimmung zur Gewährung von Verdienstausfallentschädigung zu verstehen. Die Vorschrift engt den Satzunggeber in der Entscheidung über die Gewährung der Entschädigung und in der Auswahl der Entschädigungsberechtigten nicht ein, läßt also Raum, eine gleichheitsgemäße Regelung zu treffen.

26

2.

Der Antrag der Klägerin, den Beklagten zur Zahlung einer Verdienstausfallentschädigung zu verurteilen, scheitert nicht daran, daß er (noch) unbeziffert ist. Rechtsordnung und Rechtsprechung lassen Ausnahmen von dem Grundsatz der Bestimmtheit prozessualer Anträge in den Fällen zu, in denen die Unmöglichkeit, den Klageantrag hinreichend genau zu bestimmen, durch außerhalb der Klägersphäre liegende Umstände verursacht wird. Das gilt insbesondere für Fälle der Stufenklage nach § 254 ZPO und für Sachen, in denen der Umfang der Leistung im richterlichen Ermessen steht oder in denen der Umfang der geschuldeten Leistung erst noch durch Beweisaufnahme geklärt werden muß. Dieser Grundsatz gilt auch hier: Es fällt in den Verantwortungsbereich des Beklagten, eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage zu normieren, die den Umfang des geltend gemachten Zahlungsanspruchs bestimmt.

27

Da sieh die Modalitäten des Zahlungsanspruchs nach Maßgabe der vom Beklagten geschuldeten Satzungsergänzung richten, führt der Zahlungsantrag zur Anwendung uno Auslegung von irrevisiblem Recht. Der erkennende Senat macht deshalb insoweit von der in § 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO gegebenen Möglichkeit Gebrauch, die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Der Verwaltungsgerichtshof wird das Verfahren entsprechend § 94 VwGO bis zum Erlaß der die Klägerin betreffenden Regelung auszusetzen und sodann - falls sich der Rechtsstreit hierdurch nicht erledigen sollte - über den Zahlungsantrag und über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren unter Aufhebung der entgegenstehenden Beschlüsse von Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof auf 1.800 DM festgesetzt.

Der Beklagte hat im Berufungsverfahren unter Zugrundelegung eines von der Klägerin vorgeschlagenen Stundensatzes von 20 DM für die laufende Wahlperiode einen Gesamtbetrag von 1.800 DM errechnet (Bl. 16 der Akten). In der vorinstanzlichen Streitwertbegründung ist nicht substantiiert dargelegt, weshalb nicht von diesem Betrag ausgegangen, sondern die Streitwertfestsetzung der ersten Instanz zugrunde gelegt wird, die ebenfalls einen Stundensatz von 20 DM angenommen hat, ohne sich jedoch zum Umfang der Zeitversäumnis zu äußern.

Prof. Dr. Sendler
Kreiling
Dr. Gaentzsch
Dr. Paetow
Dr. Bardenhewer