Bundesverwaltungsgericht
Urt. v. 03.07.1987, Az.: BVerwG 4 C 12.84
Einwilligungserklärung; Beweiskraft; Wasserrecht; Nießbrauch; Planfeststellungsverfahren
Bibliographie
- Gericht
- BVerwG
- Datum
- 03.07.1987
- Aktenzeichen
- BVerwG 4 C 12.84
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1987, 12355
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Koblenz - 19.07.1982 - AZ: 1 K 274/81
- OVG Rheinland-Pfalz - 28.04.1983 - AZ: 1 A 93/82
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- NJW 1988, 1228 (Volltext mit amtl. LS)
- NVwZ 1988, 535 (amtl. Leitsatz)
- RdL 1897, 304-305
- ZfW 1988, 270-271
Amtlicher Leitsatz
Die notarielle Bestellung eines Nießbrauches vermittelt, solange der Nießbrauch nicht ins Grundbuch eingetragen ist, keine im wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren geschützte Position, tue ggf. mit Rechtsmitteln gegen den Planfeststellungsbeschluß verteidigt werden könnte.
Die Beweisregel des § 314 ZPO erstreckt sich auf die Einwilligungserklärung einer Partei zu einer Klageänderung.
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
ohne mündliche Verhandlung
am 3. Juli 1987
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Schlichter und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Niehues, Dr. Kühling, B. Sommer und Dr. Dr. Berkemann
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revisionen der Kläger gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. April 1983 werden zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Gründe
I.
Die Kläger wenden sich gegen einen Planfeststellungsbeschluß der Bezirksregierung Koblenz vom 14. Oktober 1980, mit dem dem Beigeladenen die Anlage eines ca. 600 qm großen Teiches gestattet wird. Sie befürchten nachteilige Auswirkungen des Vorhabens für ihre auf alten Rechten beruhende Teichanlage, die zu der von ihnen bewohnten Hofstelle Vorwerk gehört. Eigentümerin der Hofstelle ist die Klägerin. Für den Kläger ist ein Nießbrauchsrecht notariell bestellt, aber nicht ins Grundbuch eingetragen worden.
Die Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erklärte der Kläger, der zunächst allein Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den angefochtenen Beschluß erhoben hatte, er ändere seine Klage dahin, daß nunmehr seine Frau an seine Stelle trete. Hilfsweise verfolgte er seine Klage weiter. Die Klägerin beantragte Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Das Berufungsgericht sah ebenso wie das Verwaltungsgericht den Parteiwechsel als unzulässig an. Der Beklagte und der Beigeladene hätten laut Tatbestands des erstinstanzlichen Urteils der Klageänderung widersprochen. Die Klageänderung sei auch nicht sachdienlich, weil die Klägerin die Klagefrist versäumt habe. Die vom Kläger hilfsweise aufrechterhaltene Klage sei unzulässig, weil er nicht geltend gemacht habe, durch den angefochtenen Beschluß in seinen Rechten verletzt zu sein. Er sei weder Eigentümer noch Nießbraucher der Hofstelle. Die bloße schuldrechtliche Bestellung des Nießbrauchs reiche nicht aus, um eine verteidigungsfähige Rechtsstellung zu begründen.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision machen die Kläger geltend, die Vorinstanzen hätten den Parteiwechsel zu Unrecht als unzulässig angesehen. Der Beklagte habe sich ausweislich des Sitzungsprotokolls rügelos auf die Klageänderung eingelassen. Der Kläger sei als Anwartschaftsberechtigter klagebefugt.
II.
Die Revisionen, über die der Senat mit Zustimmung aller Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), bleiben ohne Erfolg. Die Revision der Klägerin scheitert bereits daran, daß die Vorinstanzen den Parteiwechsel mit Recht als unzulässig betrachtet haben. Die Anfechtungsklage des Klägers ist unzulässig, weil er nicht klagebefugt ist. Auch das haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt.
Der vom Kläger erklärte Parteiwechsel ist eine Klageänderung im Sinne von § 91 VwGO (BVerwG, Beschluß vom 23. Juni 1967 - BVerwG 2 B 17.67 - Buchholz 310 § 91 Nr. 4). Die anderen Beteiligten haben der Klageänderung nicht zugestimmt (vgl. § 91 Abs. 1 VwGO). Im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils heißt es dazu, daß der Beklagte und der Beigeladene dem Klägerwechsel widersprochen haben. Nach § 314 ZPO, der gemäß § 173 VwGO entsprechend anzuwenden ist, liefert der Tatbestand des Urteils Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Das gilt auch für die Erklärungen zu einer Klageänderung. Zu Unrecht wenden die Kläger dagegen ein, § 314 ZPO gelte nicht für den Inhalt von Anträgen. Ausgenommen von der Beweisregel des § 314 ZPO ist nur der Inhalt der von den Parteien gestellten Anträge, der gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO im Protokoll festzuhalten ist (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 45. Aufl., § 314 Anm. 1 A). Darum geht es hier aber nicht. Erklärungen nach § 91 Abs. 1 VwGO sind keine Anträge, sondern einfache Verfahrenshandlungen, die der Protokollierungspflicht nach § 160 Abs. 3 ZPO nicht unterliegen.
Der Inhalt des Tatbestandes wird hier nicht durch das Sitzungsprotokoll widerlegt (§ 314 S. 2 ZPO). Es vermerkt im Anschluß an die Erklärungen der Kläger zum Parteiwechsel lediglich: "Der Beklagte und der Beigeladene beantragen insoweit auch, die Klage abzuweisen". Daraus folgt entgegen der Auffassung der Kläger nicht, daß sie sich rügelos auf die geänderte Klage eingelassen hätten. Die Worte "insoweit auch" deuten eher darauf hin, daß die anderen Beteiligten den Kläger nicht als ausgeschieden betrachteten und auf den Antrag der Klägerin nur für den Fall reagieren wollten, daß das Gericht die Klageänderung als sachdienlich ansehen sollte. Jedenfalls läßt sich dem angeführten Satz nicht mit hinreichender Eindeutigkeit ein der klaren Aussage des Urteilstatbestandes widersprechender Inhalt entnehmen. Nur ausdrückliche Feststellungen des Sitzungsprotokolls sind jedoch geeignet, einer widersprechenden Beurkundung des Tatbestandes die Beweiskraft zu nehmen (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 14. Aufl., § 314 Anm. 2). Der nach § 314 S. 2 ZPO allein mögliche Gegenbeweis durch das Sitzungsprotokoll ist daher nicht erbracht.
Der Parteiwechsel war nicht sachdienlich. Er wäre nicht geeignet gewesen, den Streitstoff zwischen den Beteiligten auszuräumen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1980 - BVerwG 4 C 61.77 - Buchholz 406.11 § 35 Nr. 161). Der Klägerin gegenüber war der angefochtene Beschluß zuvor unanfechtbar geworden. Mit der Zustellung an ihren Ehemann im Oktober 1980 hat auch sie von seinem Inhalt Kenntnis erlangt. Das entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung. Gegenteiliges ist hier weder vorgetragen noch ersichtlich. Nach der Rechtsprechung des Senats muß sich ein Nachbar, der sichere Kenntnis von einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, so behandeln lassen, als wäre ihm die Genehmigung amtlich mitgeteilt worden (BVerwG, Beschluß vom 30. Juli 1975 - BVerwG 4 B 102.75 - Buchholz 406.11 § 31 Nr. 13). Dieser Grundsatz ist auch hier anzuwenden. Im Zeitpunkt des vom Kläger erklärten Parteiwechsels - am 28. Juni 1982 - war die Widerspruchsfrist daher für die Klägerin abgelaufen (§ 70 VwGO in Verbindung mit § 58 Abs. 2 VwGO). Eine Sachentscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses hätte sie nicht mehr herbeiführen können. Mit einer nachträglichen Genehmigung der vom Kläger eingelegten Rechtsbehelfe kann sie dieses Ergebnis nicht ausräumen. § 185 BGB ist auf die Einlegung von Rechtsmitteln nicht anwendbar (vgl. z.B. Palandt, BGB, 40. Aufl., § 185 Anm. 1 a m.w.Nachw.).
Die Klagebefugnis des Klägers scheitert daran, daß er kein nach außen hin erkennbares Nutzungsrecht an der Hofstelle und der dazugehörigen Teichanlage geltend machen kann (§ 42 Abs. 2 VwGO). Eine wasserrechtliche Planfeststellung nach § 31 WHG, um die es hier geht, dient dazu, das Vorhaben auf seine Rechtmäßigkeit unter allen öffentlich-rechtlichen Aspekten zu prüfen und außerdem alle von ihm betroffenen öffentlichen und privaten Belange zu einem gerechten Ausgleich zu bringen. Es liegt auf der Hand, daß ein solches Entscheidungsprogramm zugleich auch dem Schutz der privaten Betroffenen dient. Nach feststehender Rechtsprechung des Senats kann daher grundsätzlich jeder, dessen Belange bei der Entscheidung zu berücksichtigen sind, den Planfeststellungsbeschluß mit der Behauptung anfechten, daß diese Belange nicht oder nicht in gehöriger Weise berücksichtigt worden sind (grundlegend BVerwGE 48, 56 <66>[BVerwG 14.02.1975 - IV C 21/74]; s. auch BVerwG, Urteil vom 11. November 1983 - BVerwG 4 C 82.80 - Buchholz 407.4 § 17 Nr. 55). Wie weit der Kreis der so geschützten Personen im einzelnen reicht, braucht aus Anlaß des vorliegenden Falles nicht entschieden zu werden (vgl. dazu das Urteil des Senats vom 15. Juli 1987 - BVerwG 4 C 56.83 -); denn daß der Inhaber eines Quellrechts dazu gehört, der eine Minderung dieses Rechts und Nachteile für die darauf beruhende Teichanlage, geltend macht, steht außer Frage.
Belange oder Interessen des Klägers brauchte der Regierungspräsident bei seiner Entscheidung jedoch nicht zu berücksichtigen. Im Planfeststellungsverfahren hat der Kläger nur Belange seiner Ehefrau geltend gemacht, die Alleineigentümerin an der Hofstelle und den dazugehörigen Fischteichen und damit auch alleinige Inhaberin der Quellrechte war. Maßgeblich für die Zuordnung einzelner Belange zu ihrem jeweiligen Träger ist die objektive Rechtslage, so wie sie nach außen hin erkennbar in Erscheinung tritt. Berücksichtigungsfähige Belange, die über die Eigentümerinteressen seiner Ehefrau hinausgehend als Interessen des Klägers zu betrachten wären, sind weder im Planfeststellungsverfahren vorgetragen worden, noch mußten sie sich der Planfeststellungsbehörde aufdrängen.
Daß Belange des Klägers nicht erkennbar waren und deswegen nicht berücksichtigt werden mußten, ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Ein Nießbrauch entsteht gemäß § 873 BGB erst mit der Eintragung ins Grundbuch. Die erkennbar nur vorsorgliche notarielle Nießbrauchsbestellung zugunsten des Klägers vermittelt für sich genommen weder Nutzungsrechte noch berücksichtigungsfähige Belange. Die faktische Mitbenutzung der zum Hof Vorwerk gehörenden Liegenschaften einschließlich der Teichanlage durch den Kläger hat vielmehr ihre Grundlage in der ehelichen Gemeinschaft der Kläger. Was insoweit an Belangen und Interessen bei der Planfeststellung zu berücksichtigen ist, wird in diesem Fall allein von der Eigentümerin des Hofes repräsentiert.
Zu Unrecht beruft sich der Kläger insoweit auf das Urteil des Senats vom 29. Oktober 1982 - BVerwG 4 C 51.79 - (BRS 39 Nr. 176). In dieser Entscheidung ist der Käufer eines Grundstücks, auf den der Besitz sowie die Nutzungen und Lasten übergegangen waren und zu dessen Gunsten eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen war, dem Eigentümer im Hinblick auf eine einem Nachbarn erteilte Baugenehmigung gleichgeachtet worden. Ein Abwehrrecht des Nachbarn hat der Senat in dieser Entscheidung jedoch gerade im Hinblick darauf bejaht, daß die Auflassungsvormerkung aus dem Grundbuch ersichtlich war.
Dieser Gedanke kann auf den Nachbarschutz gegenüber einer Planfeststellung übertragen werden (vgl. hierzu auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. März 1983 - BVerwG 4 C 74.80 - Buchholz 406.19 Nr. 53 zur Anfechtungsbefugnis eines Jagdpächters). Gerade die sich aus dem Grundbuch ergebende Erkennbarkeit der Interessenlage desjenigen, dessen Belange abwägend zu berücksichtigen sind, ist von besonderer Bedeutung. Fehlt es an einer nach außen gerichteten Erkennbarkeit der Belange desjenigen, der seine Stellung nur aus der Eigentümerposition eines Dritten ableiten kann, so gehen diese Belange in denen des Eigentümers auf.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 S. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 8.000 DM festgesetzt (4.000 DM je Kläger/in).
Dr. Niehues
Dr. Kühling
Sommer
Dr. Dr. Berkemann