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Bundesverwaltungsgericht
Urt. v. 23.04.1985, Az.: BVerwG 9 C 7.85

Asylverfahren; Dreimonatsfrist; Verwaltungsgerichtsverfahren; Wiedereinsetzung; Höhere Gewalt; Begriff

Bibliographie

Gericht
BVerwG
Datum
23.04.1985
Aktenzeichen
BVerwG 9 C 7.85
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1985, 12481
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stuttgart - 14.02.1984 - AZ: A 13 K 1750/80
VGH Baden-Württemberg - 27.11.1984 - AZ: A 12 S 196/84

Fundstellen

  • DÖV 1986, 31-32
  • InfAuslR 1985, 278-281
  • NJW 1986, 207-208 (Volltext mit amtl. LS)
  • NVwZ 1986, 134 (amtl. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz

Ist die gesetzliche Fiktion der Verfahrenserledigung nach fruchtlosen Ablauf der Dreimonatsfrist gemäß § 33 AsylVfG eingetreten, kann das Verfahren erfolgreich nicht mehr dadurch betrieben werden, daß der Kläger die innerhalb der Dreimonatsfrist abzugebenden Erklärungen nachschiebt.

Dem Kläger ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn die Einhaltung der Dreimonatsfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgericht
auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 1985
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Korbmacher und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paul, Dr. Säcker, Dr. Kemper und Dr. Bender
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 27. November 1984 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

Gründe

1

I.

Das Verwaltungsgericht hat die auf Anerkennung als Asylberechtigte gerichtete Klage der Kläger abgewiesen. Dagegen haben die Kläger durch ihre Prozeßbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 12. April 1984 Berufung eingelegt mit dem Bemerken, eine Begründung der Berufung werde nachgereicht. Nachdem das Verwaltungsgericht die Berufung am 4. Mai 1984 dem Berufungsgericht vorgelegt hatte, erließ dessen Vorsitzender am gleichen Tage folgende Verfügung:

Sie werden gebeten, die Berufung innerhalb von vier Wochen zu begründen. Nach Eingang der Begründung wird der Berufungsbeklagte um Äußerung ersucht werden.

Sie werden auf § 33 AsylVfG hingewiesen. Das Berufungsverfahren ist erledigt, der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, wenn die Berufungsbegründung nicht spätestens innerhalb von drei Monaten nach Zugang dieser Aufforderung eingeht.

2

Diese Verfügung ist den Prozeßbevollmächtigten der Kläger in vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beglaubigter Abschrift gegen Empfangsbekenntnis am 17. Mai 1984 zugestellt worden. Diese haben sich bis zum 17. August 1984 nicht geäußert. Das Berufungsgericht hat darauf am 21. August 1984 beschlossen, das Berufungsverfahren sei nach § 33 AsylVfG erledigt und der Kläger trage die Kosten des Verfahrens.

3

Daraufhin haben die Prozeßbevollmächtigten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zugleich ihre Berufung begründet; hilfsweise haben sie gegen den Beschluß Beschwerde eingelegt. Zur Begründung haben sie ausgeführt: Die Nichteinreichung der Berufungsbegründung bis zum 17. August 1984 beruhe darauf, daß eine der Sekretärinnen, Frau ... die am Tage des Eingangs der Verfügung vom 4. Mai 1984 allein Dienst in der Kanzlei getan habe, die Eintragung der Frist in das Fristenbuch versäumt habe; die Akte sei vielmehr abgehängt worden. Dieses Verschulden brauchten sich die Prozeßbevollmächtigten nicht zurechnen zu lassen. Ihr Büropersonal sei mit der erforderlichen Sorgfalt ausgewählt und insbesondere in bezug auf Fristen angeleitet und überwacht worden. Letztmals im Frühjahr 1984 sei sicherheitshalber noch einmal auf die Eintragung von allen Fristen bei Posteingang hingewiesen worden, obwohl in den letzten Jahren Fristversäumnisse nicht vorgekommen seien. Das Personal sei angewiesen, alle gesetzlichen Fristen unverzüglich in einen Termin- und Fristenkalender einzutragen, der jeden Tag mehrmals eingesehen werde. Als zusätzliche Sicherheit werde durch Rechtsanwalt ... bei der Aktenbearbeitung zusätzlich verfügt, eine Frist einzutragen. Das sei auch im vorliegenden Fall geschehen. Rechtsanwalt ... habe auf dem gerichtlichen Schreiben vom 4. Mai 1984 verfügt: "Frist: 14.6., letzte Frist: 17.8.84". Hierzu haben die Kläger eidesstattliche Versicherungen von Frau ... sowie Rechtsanwalt ... und die ihnen übersandte Ausfertigung der Verfügung vom 4. Mai 1984 vorgelegt.

4

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Anhörung der Kläger durch Beschluß vom 27. November 1984 in Anwendung des Art. 2 § 5 EntlG das Berufungsverfahren für erledigt erklärt und zur Begründung ausgeführt: Da die Kläger innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 33 AsylVfG ihre Berufung nicht begründet hätten, obwohl eine diesbezügliche Aufforderung, die keinen Gerichtsbeschluß voraussetze, ergangen sei, sei das Berufungsverfahren erledigt. Wiedereinsetzung könne nicht gewährt werden. Die Vorschrift des § 33 AsylVfG verfolge den Zweck, richterliche Fristen, die nach allgemeinem Verwaltungsprozeßrecht folgenlos versäumt werden könnten, mit der scharfen Sanktion einer Drei-Monats-Ausschlußfrist auszustatten, um vorzubeugen, daß gerichtliche Verfahren nur zum Zwecke der Verlängerung eines sonst nicht zustehenden Aufenthaltsrechts betrieben würden. Weder für richterliche Fristen noch für Ausschlußfristen gelte aber die Vorschrift des § 60 VwGOüber die Wiedereinsetzung bei Fristversäumung, so daß für die von den Klägern begehrte Wiedereinsetzung eine Rechtsgrundlage fehle. Vielmehr gelte: Sei das Verfahren aus Unkenntnis des Gerichts, daß es der Kläger innerhalb der Drei-Monats-Frist betrieben habe, eingestellt worden und lege der Kläger dies dar, so sei es ohne weiteres fortzusetzen. Das gleiche treffe zu, wenn der Kläger dem Gericht innerhalb der Drei-Monats-Frist darlegen könne, daß und warum er das Verfahren aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht betreiben könne. Schließlich bestehe aber auch kein Raum für eine Wiedereinsetzung, wenn der Kläger das Verfahren erst nach Ablauf der Drei-Monats-Frist betreibe, weil er in einem solchen Fall den in § 33 AsylVfG fingierten Wegfall des Rechtsschutzinteresses widerlegen könne und dann das Verfahren ohne weiteres fortzuführen sei, zumal ein Beschluß, der die Rechtsfolgen des § 33 AsylVfG feststelle, nur deklaratorische Bedeutung habe. Freilich sei es mit dem Charakter einer Ausschlußfrist unvereinbar, wenn die Gründe, aus denen ein Kläger am Betreiben des Verfahrens innerhalb der Drei-Monats-Frist gehindert gewesen sei, lediglich an den für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geltenden rechtlichen Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 VwGO gemessen würden. Die Anforderungen seien deshalb schärfer und enger und beschränkten sich wie bei Ausschlußfristen allgemein auf höhere Gewalt, nämlich Naturereignisse und andere unabwendbare Ereignisse, die auch bei größter zu erwartender oder zumutbarer Sorgfalt weder abgewehrt noch in ihren schädlichen Folgen verhindert werden könnten. Diese Voraussetzungen hätten hier nicht vorgelegen, da bei Eingang der Aufforderung die allein anwesend gewesene und allem Anschein nach überlastet gewesene Sekretärin zusätzlich hätte überwacht werden können und müssen.

5

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wiederholen und vertiefen die Kläger ihre Auffassung, daß das Berufungsverfahren nicht nach § 33 AsylVfG erledigt sei, insbesondere deshalb nicht, weil ihnen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte gewährt werden müssen.

6

Die Beklagte hat sich nicht geäußert.

7

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO).

8

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs ist das Berufungsverfahren nicht nach § 33 AsylVfG erledigt. Eine Verfahrenserledigung setzt nach dieser Vorschrift unter anderem voraus, daß zuvor in zulässiger Weise eine Aufforderung des Gerichts zum Betreiben des Verfahrens innerhalb einer Frist von drei Monaten ergangen ist. Daran fehlt es. Zwar kann die Aufforderung zur Einreichung einer Berufungsbegründung vom 4. Mai 1984 in formeller Hinsicht nicht beanstandet werden. Sie brauchte - wie der Senat im Urteil vom heutigen Tage in der Sache BVerwG 9 C 48.84 im einzelnen dargelegt hat - nicht durch Gerichtsbeschluß zu erfolgen und ist weiterhin auch den Prozeßbevollmächtigten der Kläger förmlich zugestellt worden, wie es nach § 56 Abs. 1 VwGO erforderlich ist. Gleichwohl konnte der Lauf der Drei-Monats-Frist nicht beginnen und damit keine Verfahrensbeendigung eintreten, weil die sachlichen Voraussetzungen des § 33 AsylVfG für die Aufforderung zur Einreichung einer Berufungsbegründung nicht vorgelegen haben.

9

§ 33 AsylVfG bindet zwar nach seinem Wortlaut die Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens nicht ausdrücklich an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen. Sie ergeben sich jedoch ohne weiteres aus dem Inhalt der Vorschrift sowie Sinn und Zweck der Aufforderung. § 33 AsylVfG sieht - in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise - eine Verfahrenserledigung kraft Gesetzes wegen unterstellten Wegfalls des Rechtsschutzinteresses vor (vgl. Beschluß vom 23. August 1984 - BVerwG 9 CB 48.84 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 2; Beschluß vom 20. Januar 1984 - BVerwG 9 B 689.81 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 1; BVerfG, Beschluß vom 7. August 1984 - 2 BvR 187/84 - ZfSH/SGB 1984, 561 sowie Beschluß vom 15. August 1984 - 2 BvR 357/84 - DVBl. 1984, 1005). Durch die Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens soll der Kläger darauf hingewiesen werden, daß diese Rechtsfolge auch in seinem Falle droht, und ihm gleichzeitig Gelegenheit gegeben werden, die der gesetzlichen Fiktion einer Verfahrensbeendigung zugrundeliegende Annahme vor ihrem Eintritt zu widerlegen. Das setzt - soll nicht die Aufforderung eines Sinnes entbehren - voraus, daß bei Erlaß der Aufforderung wenigstens Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses bestehen, die einen Eintritt der gesetzlichen Fiktion als möglicherscheinen lassen. Wenn an einem Fortbestand des Rechtsschutzinteresses vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann, verfehlt eine Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens ihren Zweck und vermag die Rechtsfolgen des § 33 AsylVfG nicht herbeizuführen. Für den Erlaß einer Aufforderung im Sinne des § 33 AsylVfG muß somit stets ein bestimmter Anlaß gegeben sein, der geeignet ist, Zweifel in das Bestehen oder Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses zu setzen. Solche Zweifel können sich zum Beispiel daraus ergeben, daß der Kläger die Bundesrepublik Deutschland verlassen hat. Sie können aber auch mittelbar daraus folgen, daß der Kläger den von ihm zu erwartenden prozessualen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt. In diesem Fall dient die Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens zugleich dazu, den Kläger nachdrücklich auf diese Pflichten hinzuweisen.

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Im vorliegenden Fall lag - was allein in Betracht zu ziehen ist - ein aus der Verletzung prozessualer Mitwirkungspflichten berechtigender Anlaß zu Zweifeln am Vorhandensein des Rechtsschutzinteresses bei Erlaß der Aufforderung vom 4. Mai 1984 nicht vor. Der Umstand, daß die Kläger, die im erstinstanzlichen Verfahren zu ihrem Klagebegehren schriftsätzliche Ausführungen gemacht hatten, in ihrer Rechtsmittelschrift keine Begründung für ihre Berufung gegeben, sondern diese lediglich in Aussicht gestellt hatten, stellte einen solchen Anlaß nicht dar. Vielmehr hatten sie mit der Einreichung der Berufungsschrift zunächst alles getan, was nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung von ihnen erwartet wurde. Diese sehen eine schriftliche Berufungsbegründung nicht zwingend vor, insbesondere verlangen sie keine Begründung der Berufung bereits in der Berufungsschrift. § 124 Abs. 3 Satz 2 VwGO und § 86 Abs. 4 Satz 1 VwGO stellen nur Ordnungsvorschriften dar. Selbst dort, wo eine Berufungsbegründung vom Gesetz gefordert wird, räumt es dem Berufungsführer die Möglichkeit ein, sein Rechtsmittel in einem besonderen Schriftsatz zu begründen (vgl. § 519 ZPO). Das Asylverfahrensgesetz enthält keine darüber hinausgehenden Mitwirkungspflichten des Klägers. Zwar besteht auch im Verwaltungsgerichtsverfahren aus Gründen einer sachgerechten Entscheidungsvorbereitung ein Interesse daran, daß das Berufungsgericht Klarheit darüber gewinnt, aus welchen Gründen der Berufungsführer das angefochtene Urteil für unzutreffend hält. § 86 Abs. 4 Satz 2 VwGO bestimmt daher, daß der Vorsitzende unter Fristsetzung zur Einreichung vorbereitender Schriftsätze, zu denen auch die Berufungsbegründung gehört, auffordern kann. Erst wenn eine solche - sanktionslose - prozeßleitende Verfügung unbeachtet bleibt, besteht aber Anlaß zu der Annahme, der Kläger werde seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkommen. Im vorliegenden Fall sind die Kläger mit der Verfügung vom 4. Mai 1984 zwar auch gebeten worden, ihre Berufung innerhalb eines Monats zu begründen. Diese Frist wird jedoch von der gesetzlichen Drei-Monats-Frist eingeschlossen, innerhalb derer die Kläger nach der gleichzeitig ergangenen Aufforderung nach § 33 AsylVfG ihre Berufung begründen sollten. Sie ist damit gegenstandslos und vermag nichts daran zu ändern, daß die Aufforderung im Sinne des § 33 AsylVfG zu einem Zeitpunkt ergangen ist, in dem Zweifel an einer Erfüllung prozessualer Mitwirkungspflichten und einem Fortbestand des Rechtsschutzinteresses nicht bestanden.

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Aber auch wenn solche Zweifel unterstellt werden, könnte der angegriffene Beschluß keinen Bestand haben. In diesem Fall wäre eine Verfahrenserledigung nach § 33 AsylVfG zunächst eingetreten, weil die Kläger das Berufungsverfahren innerhalb der am 17. August 1984 endenden Drei-Monats-Frist nicht betrieben haben. Ein Kläger hat das Verfahren im Sinne des § 33 AsylVfG dann "nicht mehr betrieben", wenn er innerhalb der Drei-Monats-Frist nicht substantiiert dargetan hat, daß und warum sein Rechtsschutzbedürfnis trotz des Zweifels an seinem Fortbestehen, aus dem sich der Aufforderungsanlaß ergeben hat, nicht entfallen ist. Das war hier der Fall, weil dieKläger innerhalb der Drei-Monats-Frist geschwiegen haben. Ist die gesetzliche Fiktion der Verfahrensbeendigung jedoch eingetreten, kann das Verfahren in erfolgreicher Weise nicht mehr dadurch betrieben werden, daß der Kläger die Innerhalb der Drei-Monats-Frist abzugebenden Erklärungen nachschiebt, wie das Berufungsgericht in seinem rechtlichen Ausgangspunkt anzunehmen scheint. Vielmehr kann der Weg zu einer Entscheidung über den geltend gemachten Asylanspruch nur dann wieder eröffnet werden, wenn die gesetzliche Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in die Drei-Monats-Frist besteht und deren Voraussetzungen im konkreten Verfahren vorliegen. Beides ist jedoch der Fall, so daß durch Gewährung von Wiedereinsetzung das Verfahren der Kläger in den Stand vor Ablauf der Drei-Monats-Frist hätte zurückversetzt werden müssen mit der Folge, daß die eingetretene Verfahrenserledigung wieder entfallen wäre.

12

Allerdings kommt eine Anwendung des § 60 Abs. 1 VwGO entgegen der Ansicht der Kläger nicht in Betracht. Eine Wiedereinsetzung nach dieser Vorschrift ist grundsätzlich bei allen gesetzlichen Fristen im Falle ihrer Versäumung rechtlich möglich. Die Drei-Monats-Frist des § 33 AsylVfG gehört zu den gesetzlicher. Fristen. Sie ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine richterliche Frist. Richterliche Fristen, bei deren Versäumung eine Wiedereinsetzung ausscheidet, sind nur solche Fristen, deren Dauer durch den Richter bestimmt wird. Die Frist des § 33 AsylVfG ist jedoch durch eben diese Bestimmung unabänderlich auf drei Monate festgelegt und damit eine gesetzliche Frist. Sie wird durch die richterliche Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens lediglich in Gang gesetzt. Indessen ergibt sich aus dem Zweck des § 33 AsylVfG, daß eine Wiedereinsetzung in die versäumte Drei-Monats-Frist nach Maßgabe des § 60 Abs. 1 VwGO ausgeschlossen ist. § 33 AsylVfG will solche Asyl Streitigkeiten, die wegen entstandener Zweifel an einemFortbestand des Rechtsschutzinteresses fragwürdig geworden sind, in beschleunigender Weise einem endgültigen Abschluß zuführen. Dieser Zweck kann in den beabsichtigten Umfang nur erreicht werden, wenn die einmal eingetretene Fiktion der Verfahrenserledigung grundsätzlich unabänderlich ist und nachträglich nicht mehr mit Erfolg in Frage gestellt werden kann. Dies gebietet es, die Drei-Monats-Frist des § 33 AsylVfG als strenge gesetzliche Frist in dem Sinne aufzufassen, daß nach ihrem Ablauf eine Ausräumung der aufgetretenen Rechtsschutzzweifel ohne die bei Versäumung gesetzlicher Fristen in der Regel gegebene Möglichkeit einer Wiedereinsetzung wegen fehlenden Verschuldens ausgeschlossen sein soll. Der Anspruch des Klägers auf effektiven Rechtsschutz kann demgegenüber keinen Vorrang beanspruchen. Er muß auf die bestehenden Zweifel an einem Fortbestand des Rechtsschutzinteresses, die Voraussetzung für den Erlaß einer Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens sind, förmlich hingewiesen und es muß ihm Gelegenheit gegeben werden, die aufgetretenen Zweifel zu zerstreuen. Hierzu gewährt ihm, das Gesetz eine beträchtliche Frist, die zum Beispiel über die Anfechtungs- und Rechtsmittelfristen der Verwaltungsgerichtsordnung erheblich hinausgeht.

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Damit erweist sich die Drei-Monats-Frist des § 33 AsylVfG als eine Frist, die den sogenannten uneigentlichen gesetzlichen Fristen zuzurechnen ist, also denjenigen Zeitspannen, deren Ende einen äußersten Zeitpunkt festlegt, nach dem auch bei fehlendem Verschulden eine Parteihandlung endgültig nicht mehr oder nur noch unter ganz besonderen Voraussetzungen vorgenommen werden kann (vgl. zu den uneigentlichen Fristen: Rosenberg-Schwab, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 13. Aufl., S. 408; Schönke-Kuchinke, Zivilprozeßrecht, S. 155). Anders als die Zivilprozeßordnung, die eine Wiedereinsetzung in uneigentliche gesetzliche Fristen völligausschließt (vgl. z.B. § 234 Abs. 3 ZPO), läßt die Verwaltungsgerichtsordnung bei Versäumung der von ihr geregelten uneigentlichen Fristen (vgl. §§ 58 Abs. 2, 60 Abs. 3 VwGO; siehe auch den früheren § 76 VwGO) eine Wiedereinsetzung im Falle höherer Gewalt zu. Das muß im Wege der Rechtsanalogie auch für die Drei-Monats-Frist des § 33 AsylVfG gelten. Dieser Vorschrift kann nicht entnommen werden, daß insoweit von den Grundsätzen der Verwaltungsgerichtsordnung abgewichen werden sollte.

14

Im vorliegenden Fall waren die Kläger entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts infolge höherer Gewalt nicht nur an der Einreichung der Berufungsschrift, sondern - was hinzukommen muß - auch gehindert, in anderer Weise den Fortbestand ihres Rechtsschutzinteresses innerhalb der Drei-Monats-Frist darzutun. Der in der Verwaltungsgerichtsordnung verwendete Begriff der höheren Gewalt ist zwar enger als der Begriff "ohne Verschulden" in § 60 Abs. 1 VwGO (vgl. Urteil vom 24. Februar 1966 - BVerwG 2 C 45.64 - Buchholz 310 § 76 VwGO Nr. 1). Jedoch setzt er kein von außen kommendes Ereignis voraus (BGHZ 17, 199, 201) [BGH 04.05.1955 - VI ZR 37/54]. Er ist im wesentlichen gleichbedeutend mit den in § 233 ZPO a.F. angeführten "unabwendbaren Zufällen". Unter höherer Gewalt ist demgemäß ein Ereignis zu verstehen, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte, nach den Umständen des konkreten Falls vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe zu erwartenden und zumutbaren Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (vgl. Urteil vom 11. Juni 1969 - BVerwG 6 C 56.65 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 54 sowie RGZ 48, 411; RGZ 96, 322). Ein solches Ereignis hat hier vorgelegen. In der Rechtsprechung zu § 233 ZPO a.F. ist anerkannt, daß eine durch Versehen des Büropersonals eines Rechtsanwalts herbeigeführte Fristversäumung sich als Folge eines unabwendbaren Zufalls darstellen kann (RGZ 96, 322; BGHZ 43, 148 sowie BGH Versicherungsrecht 1966, 185). Sie geht davon aus, daß der Rechtsanwalt zwar Fristsachen mit der größten Peinlichkeit und Genauigkeit zu behandeln hat, daß aber andererseits die Anwälte gezwungen sind, gewisse einfache Verrichtungen, die keine besondere Geistesarbeit oder juristische Schulung verlangen, ihrem Büro zu überlassen, damit sie im Stande sind, ihre eigentlichen Berufspflichten zu erfüllen. Deshalb darf der Prozeßbevollmächtigte die Berechnung der üblichen Fristen seinem gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büropersonal überlassen, wenn die Berechnung der Frist keine rechtlichen Schwierigkeiten nacht. Unter diesen Voraussetzungen ist ein Versehen des Büropersonals ein unabwendbarer Zufall. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine einfache vom Tag der Zustellung der gerichtlichen Aufforderung leicht zu berechnende Frist. Einer der Prozeßbevollmächtigten der Kläger hat zudem noch ein Zusätzliches getan, indem er selbst die Frist berechnet und mit Rotstift auf das Schriftstück gesetzt hat. Er durfte sich darauf verlassen, daß sie unter diesen Umständen in den Fristenkalender eingetragen werde. Es ist auch glaubhaft gemacht, daß ... zuverlässig ist, da seit Jahren in der Kanzlei keine Fristversäumung vorgekommen ist. Die Angestellten sind darüber hinaus noch im Frühjahr 1984 wegen sich häufender Fristen noch einmal eingehend belehrt worden. Der Umstand, daß ... an dem betreffenden Freitag allein Dienst hatte, brauchte den Rechtsanwalt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu einer Nachprüfung zu veranlassen, ob die Frist auch tatsächlich eingetragen worden war. Freitags ist im Büro der Prozeßbevollmächtigten stets nur eine Bürokraft anwesend; gleichwohl sind in den letzten Jahren keine Fristen versäumt worden. Die Prozeßbevollmächtigten durften deshalb davon ausgehen, daß Fristen auch bei dem vom Berufungsgericht vermuteten erhöhten Arbeitsanfall ordnungsgemäß eingetragen werden.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 7.000 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 GKG).

Dr. Korbmacher
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paul ist wegen Urlaubs an der Beifügung seiner Unterschrift verhindert. Dr. Korbmacher
Dr. Säcker
Dr. Kemper
Dr. Bender