Bundesverwaltungsgericht
Urt. v. 19.10.1982, Az.: BVerwG 1 C 114.79
Erkennungsdienst; Kriminalpolizei; Aufbewahrung; Unterlagen; Lichtbilder; Fingerabdrücke
Bibliographie
- Gericht
- BVerwG
- Datum
- 19.10.1982
- Aktenzeichen
- BVerwG 1 C 114.79
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1982, 11844
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hamburg - 28.04.1977 - AZ: IV VG 1470/76
- OVG Hamburg - 12.04.1979 - AZ: - Bf. II 81/77
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- BVerwGE 66, 202 - 206
- DVR 13, 328 - 332
- DokBer A 1983, 119-120
- DÖV 1983, 381-382
- JuS 1983, 723-724
- MDR 1983, 607 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1983, 1338-1339 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Zur Befugnis der Kriminalpolizei, erkennungsdienstliche Unterlagen (Lichtbilder und Fingerabdrücke) aufzubewahren.
Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 1982
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heinrich und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Barbey,
Dr. Dickersbach, Meyer und Dr. Diefenbach
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. April 1979 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen, die die Beklagte am 18. Juli 1975 anläßlich eines gegen den Kläger wegen gemeinsamer gefährlicher Körperverletzung eingeleiteten Ermittlungsverfahrens (84 Js 2711/75) hergestellt hat. Der Kläger wurde in diesem Verfahren beschuldigt, am 17. Juli 1975, gemeinschaftlich handelnd, im Lokal "Sheila" unter Benutzung eines Barhockers einen Lokalgast zusammengeschlagen und getreten zu haben. Die Staatsanwaltschaft konnte nicht abschließend klären, von wem der Streit ausgegangen war. Das Verfahren wurde am 12. August 1975 mangels öffentlichen Interesses eingestellt.
Der erkennungsdienstlichen Behandlung gingen folgende Ermittlungs- und Strafverfahren voraus:
Im Ermittlungsverfahren 143 Js 478/71 wegen Verstoßes gegen das Opiumgesetz wurde dem Kläger vorgeworfen, einem befreundeten Mädchen gegen dessen Willen ein schweres Rauschmittel in das Getränk geschüttet zu haben. Im Ermittlungsverfahren 92 Js 905/72 wegen Diebstahls wurde der Kläger beschuldigt, ein Lokal demoliert und Inventar entwendet zu haben. Im Ermittlungsverfahren 84 Js 2406/72 wegen Sachbeschädigung wurde dem Kläger zur Last gelegt, einen Rechtsanwalt am Telefon bedroht, dessen Büroräume beschmiert und ein Türschloß unbrauchbar gemacht zu haben. Die drei vorgenannten Verfahren wurden mangels Beweises eingestellt.
In einem weiteren Ermittlungsverfahren (52 Js 1880/72) wurde gegen den Kläger wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz ermittelt. Der Kläger hatte mit einer Pistole, für die er keinen Waffenerwerbsschein und keinen Waffenschein besaß, einen Gast eines St. Pauli-Lokals in den Fuß geschossen. Das Verfahren wurde hinsichtlich der gefährlichen Körperverletzung mangels Beweises eingestellt, weil trotz der dem Kläger ungünstigen Zeugenaussagen angesichts des Milieus nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden konnte, daß der Kläger in Notwehr oder Putativnotwehr geschossen habe. Hinsichtlich des Vorwurfs der fahrlässigen Körperverletzung wurde das Verfahren mangels eines Strafantrags und mangels eines besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung eingestellt. Wegen der waffenrechtlichen Vergehen erging ein Strafbefehl über 1.200 DM. Auf den Einspruch des Klägers wurde das Verfahren schließlich gegen Zahlung einer Geldbuße von 1.500 DM eingestellt.
Nach der erkennungsdienstlichen Behandlung am 18. Juli 1975 kam es zu folgenden Ermittlungsverfahren und Strafverfahren gegen den Kläger:
Im Ermittlungsverfahren 39 Js 270/76 wegen Förderung der Prostitution wurde dem Kläger vorgeworfen, eine Zimmervermietung zur Förderung der Prostitution zu betreiben. Das Verfahren wurde vorläufig eingestellt, da nicht zu ermitteln war, wer der Zuhälter "J." wirklich sei.
Im Ermittlungsverfahren 39 Js 151/75 wegen Freiheitsberaubung und Bedrohung wurde der Kläger beschuldigt, eine Bekannte seiner geschiedenen Frau bedroht und zu einer Autofahrt gezwungen zu haben. Dieses Verfahren wurde mangels Beweises eingestellt.
Im Ermittlungsverfahren 52 Js 419/76 wurde gegen den Kläger wegen Abgabe einer falschen Versicherung an Eides Statt, wegen falscher Verdächtigung und wegen Betruges ermittelt. Hinsichtlich der beiden erstgenannten Vergehen stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozeßordnung ein. Das Verfahren wegen Betrugs wurde nach Anklageerhebung vorläufig eingestellt, weil die zu erwartende Strafe im Hinblick auf die in einem anderen Verfahren (140 Cs 129 Js 62/77) verhängte Geldstrafe nicht ins Gewicht fallen würde.
Im Ermittlungsverfahren 129 Js 62/77 wegen Körperverletzung wurde dem Kläger vorgeworfen, eine Prostituierte aus nichtigem Anlaß und ohne Vorliegen einer Notwehr Situation geschlagen und getreten zu haben, so daß sie ärztlicher Hilfe bedurft habe. Das Amtsgericht Hamburg setzte deswegen durch rechtskräftigen Strafbefehl vom 13. April 1977 (140 Cs 129 Js 62/77) gegen den Kläger eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 40 DM fest.
Zwei weitere Verfahren gegen den Kläger endeten mit der Einstellung des Verfahrens bzw. mit der Freisprechung des Klägers (51 Js 6/79 und 92 Js 394/78).
Am 16. September 1975 bat der Kläger um die Herausgabe bzw. Vernichtung der ihn betreffenden erkennungsdienstlichen Unterlagen, da das Ermittlungsverfahren 84 Js 2711/75 inzwischen eingestellt worden sei. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 21. Oktober 1975 ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies sie unter Bezugnahme auf § 81 b 2. Alternative der Strafprozeßordnung mit im wesentlichen folgender Begründung zurück: Die erkennungsdienstliche Behandlung sei notwendig gewesen, um mögliche künftige Straftaten des Klägers verhindern oder wenigstens mit größerer Aussicht auf Erfolg aufklären zu können. Zur Zeit könne noch nicht davon ausgegangen werden, daß sich der Kläger in Zukunft straffrei führen werde. Obwohl die Staatsanwaltschaft im vorliegenden Fall ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung verneint und das Verfahren eingestellt habe, sei nicht ausgeschlossen, daß der Kläger die ihm zur Last gelegte Tat begangen habe und auch in Zukunft straffällig werde. Außerdem sei er bereits mehrfach, darunter auch einschlägig, kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten. Die weitere Aufbewahrung der gefertigten Unterlagen sei zum Schütze der Allgemeinheit erforderlich. Gerade die Vorlage von Fotos aus neuerer Zeit sei nach kriminalistischer Erfahrung häufig die allein erfolgversprechende Aufklärungsmaßnahme.
Gegen diese Bescheide hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, mit der er die Verurteilung der Beklagten zur Vernichtung der über ihn geführten erkennungsdienstlichen Unterlagen begehrt. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie mit im wesentlichen folgender Begründung abgewiesen:
Die Weigerung der Beklagten, die erkennungsdienstlichen Unterlagen zu vernichten, finde ihre Rechtfertigung in § 81 b 2. Alternative StPO. Diese verfassungsmäßige Vorschrift biete eine gesetzliche Grundlage auch für die Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen und weise die Grenzen dafür auf.
Ob die Aufbewahrung für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig sei, bemesse sich nach einer Prognose auf der Basis des bislang vom Betroffenen gezeigten Verhaltens. Erweise sich bei dieser Prüfung die Aufbewahrung als zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung nicht mehr notwendig, so seien die Unterlagen zu vernichten. Für die weitere Aufbewahrung sei nur Raum, wenn die materiellen Voraussetzungen des § 81 b StPO bereits bei der Aufnahme der erkennungsdienstlichen Unterlagen und seither durchgehend bei deren Aufbewahrung vorgelegen hätten. Im Gegensatz zur Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 11, 181 [BVerwG 25.10.1960 - I C 63/59]; 26, 169) [BVerwG 09.02.1967 - I C 57/66]handele es sich bei einer Klage der vorliegenden Art nicht um eine Verpflichtungs- oder Leistungsklage, sondern um eine Anfechtungsklage, nämlich um die Anfechtung einer andauernden belastenden Maßnahme.
Im Falle des Klägers seien die Aufnahme der erkennungsdienstlichen Unterlagen und ihre Aufbewahrung durchgängig bis zur Berufungsentscheidung notwendig gewesen. Notwendig seien Aufnahme und Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen, wenn der Beschuldigte nach kriminalistischer Erfahrung aufgrund der Art und Schwere der ihm vorgeworfenen Straftaten, nach seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei, Anhaltspunkte für die Annahme liefere, daß er künftig oder auch anderwärts gegenwärtig wegen strafbarer Handlungen gesucht werden könnte. Hinsichtlich des Klägers sei das Verwaltungsgericht zutreffend zu dem Schluß gekommen, daß er künftig in den Verdacht geraten könne, Straftaten begangen zu haben. Der Kläger sei bereits vor Fertigung der erkennungsdienstlichen Unterlagen verschiedentlich in Erscheinung getreten. Damals sei damit zu rechnen gewesen, daß derartige Vorfälle sich wiederholen würden. Der seither verstrichene Zeitraum von weniger als vier Jahren reiche ohnehin kaum aus, um diese Besorgnis auszuräumen. Darüber hinaus sei es seit 1975 zu weiteren Verfahren gegen den Kläger gekommen. Allein schon der gegen den Kläger ergangene rechtskräftige Strafbefehl wegen der Körperverletzung, die er gegen eine Prostituierte begangen habe, lasse die weitere Aufbewahrung der erkennungsdienstlichen Unterlagen als notwendig erscheinen. Die von dem Kläger genommenen Fingerabdrücke und Lichtbilder könnten zur Aufklärung künftiger Straftaten und zur Ermittlung des Täters beitragen. Die dem Kläger damit auferlegte Belastung sei auch nicht unverhältnismäßig.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Zur Begründung trägt er im wesentlichen folgendes vor:
Das Berufungsgericht gehe zwar zutreffend davon aus, daß die weitere Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen nur zulässig sei, wenn die materiellen Voraussetzungen des § 81 b 2. Alternative StPO von Fertigung der Unterlagen ab durchgängig gegeben seien; es habe jedoch den Begriff der Notwendigkeit verkannt.
Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts genüge für die Anfertigung und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen nicht, daß der Betroffene Anhaltspunkte dafür liefere, später wiederum mit einem Ermittlungsverfahren überzogen zu werden. Abgesehen davon, daß ein Ermittlungsverfahren aufgrund böswilliger Anzeigen - letztlich also grundlos - eingeleitet werden könne, reiche die Möglichkeit eines künftigen bloßen Verdachts zur Rechtfertigung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen nicht aus. Die Gegenmeinung verstoße gegen Art. 1 GG. Anlaß zu erkennungsdienstlichen Maßnahmen könne vielmehr nur die Annahme sein, der Betroffene sei nach der Art oder der Ausführung der ihm vorgeworfenen Tat ein gewerbs- oder gewohnheitsmäßiger Täter und werde deshalb auch weiterhin Straftaten begehen.
Außerdem verstoße die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts gegen Art. 3 GG. Die Möglichkeit, daß ein Beschuldigter, dem gegenüber erkennungsdienstliche Maßnahmen vorgenommen würden, später wegen einer strafbaren Handlung gesucht werden könne, sei nicht größer als bei jedem anderen bislang unbescholtenen Bürger, der später eine strafbare Handlung begehen und sich der Strafverfolgung durch Flucht entziehen könne. Auch sei es mit Art. 3 GG nicht zu vereinbaren, einen Betroffenen, der wie der Kläger in einer gefährdenden Umgebung lebe, an denselben Maßstäben zu messen wie andere Betroffene.
Schließlich rechtfertige auch der vom Berufungsgericht festgestellte Sachverhalt die Anfertigung und Aufbewahrung der streitbefangenen Unterlagen nicht. Soweit die gegen den Kläger geführten Verfahren nicht zu seiner Verurteilung geführt hätten, sei die Anfertigung von erkennungsdienstlichen Unterlagen ohnehin ausgeschlossen.
Der gegen den Kläger ergangene Strafbefehl sei nur rechtskräftig geworden, weil der Kläger in Unkenntnis von der Zustellung des Strafbefehls verspätet Einspruch eingelegt habe und dieser verworfen worden sei. Eine solche rein formelle Verurteilung könne der Anfertigung und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen keine Grundlage bieten, weil nach Lage der Akten ernsthafte Zweifel an der Schuld des Klägers bestanden hätten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Berufungsurteils die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 28. April 1977 zurückzuweisen.
Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
II.
Die Revision hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil verletzt nicht Bundesrecht.
Nach § 81 b 2. Alternative StPO können Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit dies für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Diese Vorschrift regelt nicht nur die Voraussetzungen für die Anfertigung erkennungsdienstlicher Unterlagen; aus ihr ergeben sich gleichzeitig auch die Grenzen für die Berechtigung der Behörde, einmal aufgenommene Unterlagen aufzubewahren (BVerwGE 26, 169 [BVerwG 09.02.1967 - I C 57/66] [170]).
Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß die weitere Aufbewahrung der streitbefangenen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Klägers für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Entgegen der Meinung der Revision hat das Berufungsgericht den Begriff der Notwendigkeit im Sinne von § 81 b 2. Alternative StPO nicht verkannt.
Erkennungsdienstliche Unterlagen nach § 81 b 2. Alternative StPO werden nicht für die Zwecke eines gegen den Betroffenen gerichteten oder irgendeines anderen konkreten Strafverfahrens erhoben. Ihre Anfertigung, Aufbewahrung und systematische Zusammenstellung in kriminalpolizeilichen Sammlungen dient nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung vielmehr - ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren - der vorsorgenden Bereitstellung von sächlichen Hilfsmitteln für die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben, die der Kriminalpolizei hinsichtlich der Erforschung und Aufklärung von Straftaten durch § 163 StPO zugewiesen sind (vgl. BVerwGE 26, 169 [BVerwG 09.02.1967 - I C 57/66] [170]). Insbesondere besteht kein unmittelbarer Zweckzusammenhang zwischen der Beschuldigteneigenschaft des Betroffenen in dem konkreten Strafverfahren, das Anlaß zu einer erkenhungsdienstlichen Behandlung gibt, und den gesetzlichen Zielen der Aufnahme und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen nach § 81 b 2. Alternative StPO. Daß eine erkennungsdienstliche Behandlung nach dieser Vorschrift nur gegen einen Beschuldigten angeordnet werden darf, besagt insofern lediglich, daß die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht an beliebige Tatsachen anknüpfen und zu einem beliebigen Zeitpunkt ergehen kann, sondern daß sie aus einem konkret gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Strafverfahren hervorgehen und jedenfalls auch aus den Ergebnissen dieses Verfahrens die gesetzlich geforderte Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung herleiten muß. Dies ändert jedoch nichts daran, daß die gesetzlichen Zwecke dieser Anordnung und der durch sie vorgeschriebenen erkennungsdienstlichen Behandlung außerhalb des Strafverfahrens liegen, das Anlaß zur Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung des Beschuldigten gibt.
Entsprechend dieser gesetzlichen Zweckbestimmung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen nach § 81 b 2. Alternative StPO bemißt sich die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen danach, ob der anläßlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalles - insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlaßverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, währenddessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist - Anhaltspunkte für die Annahme bietet, daß der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und daß die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten (BVerwGE 11, 181 [BVerwG 25.10.1960 - I C 63/59] [183]; 26, 169 [171 f.]). Liegen dahin gehende Anhaltspunkte nicht (mehr) vor, so ist die Anfertigung erkennungsdienstlicher Unterlagen oder die Aufbewahrung bereits erhobener Unterlagen nicht (mehr) zulässig (BVerwGE 26, 169 [BVerwG 09.02.1967 - I C 57/66] [171]).
Nach diesen verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Maßstäben bemißt sich auch, welches Gewicht der Einstellung von Strafverfahren, die gegen den Betroffenen gerichtet waren, bei der Entscheidung darüber zukommt, ob die Anfertigung oder die weitere Aufbewahrung von Unterlagen für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Entgegen der Auffassung der Revision läßt die Einstellung von Strafverfahren diese Notwendigkeit nicht ohne weiteres entfallen; vielmehr hängt es von einer Würdigung der gesamten Umstände des einzelnen Falles ab, ob wegen der Einstellung von Strafverfahren, die gegen den Betroffenen gerichtet waren, die Anfertigung oder Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen nach den dargelegten Maßstäben nicht mehr notwendig ist.
Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsverstoß angenommen, daß die weitere Aufbewahrung der von dem Kläger genommenen Unterlagen für die Zwecke des Erkennungsdienstes weiterhin notwendig ist. Hierbei kann offenbleiben, ob es für die Beantwortung dieser Frage nur auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz ankommt oder ob - im Hinblick darauf, daß der Kläger schon vor Unanfechtbarkeit der ihn betreffenden Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung um die Herausgabe bzw. Vernichtung der gefertigten Unterlagen gebeten hatte - auch auf den Zeitpunkt dieser Anordnung oder der Aufnahme der Unterlagen abzustellen ist. Die Notwendigkeit, die streitbefangenen Unterlagen für Zwecke des Erkennungsdienstes anzufertigen und aufzubewahren, war nämlich vom Zeitpunkt der Anordnung bzw. Fertigung der Unterlagen bis zum Abschluß des Berufungsverfahrens unverändert gegeben.
Gegen den Kläger sind seit dem Jahre 1971 Ermittlungsverfahren wegen verschiedener Straftaten geführt worden. Insbesondere ist gegen ihn mehrfach wegen Körperverletzungs- und Gewaltdelikten ermittelt worden. Die Beklagte hat die streitbefangenen erkennungsdienstlichen Unterlagen nicht schon im Rahmen des ersten einschlägigen Verfahrens, sondern erst anläßlich eines späteren Ermittlungsverfahrens aufgenommen. Auch danach sind mehrere einschlägige Ermittlungsverfahren gegen den Kläger geführt worden. Insgesamt rechtfertigen schon die gegen den Kläger wegen des Verdachts von Körperverletzungen und Gewaltdelikten geführten Ermittlungsverfahren (52 Js 1880/72; 84 Js 2711/75; 39 Js 151/75 und 129 Js 62/77) - die übrigen Ermittlungsverfahren können hier außer Betracht bleiben - die Annahme, daß der Kläger bei künftigen noch aufzuklärenden einschlägigen Straftaten mit guten Gründen in den Kreis möglicher Tatverdächtiger einbezogen wird und daß die streitbefangenen erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Kläger schließlich überführend oder entlastend - fördern können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 4.000 DM festgesetzt.
Prof. Dr. Barbey
Dr. Dickersbach
Meyer
Dr. Diefenbach