Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 28.02.1980, Az.: BVerwG 3 B 1.80
Zulässigkeit einer hilfsweisen Klageänderung; Prozessführungsbefugnis von Vereinigungen von Krankenkassen; Wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (KHG); Festsetzung der Pflegesätze; Prozessführungsbefugnis von Vereinigungen von Sozialleistungsträgern kraft Sachbefugnis und kraft Prozessstandschaft
Bibliographie
- Gericht
- BVerwG
- Datum
- 28.02.1980
- Aktenzeichen
- BVerwG 3 B 1.80
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1980, 15710
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VGH Baden-Württemberg - 30.03.1979 - AZ: X 220/79
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DokBer A 1980, 237
- DÖV 1980, 649-650 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1980, 1911 (Volltext mit amtl. LS)
- VerwRspr 31, 1022 - 1025
- VwRspr 1980, 1022-1025 (Volltext mit amtl. LS)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Werden durch Verwaltungsakt Pflegesätze neu festgesetzt, können nur die Krankenkassen als Sozialleistungsträger durch eine möglicherweise zu hohe Festsetzung der von ihnen zu zahlenden Pflegesätze beschwert sein. Vereinigungen von Krankenhäusern sind dagegen durch die Neufestsetzung der Pflegesätze durch Verwaltungsakt nicht beschwert.
- 2.
Vereinigungen von Krankenhäuser können Rechte der zusammengeschlossenen Sozialleistungsträger im Wege der Prozeßstandschaft nicht im eigenen Namen vor Gericht geltend machen.
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Februar 1980
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dodenhoff,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Schäfer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schmidt
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 30. März 1979 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen den Klägern zur Last.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 89.173 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil erweist sich als unbegründet.
Das angefochtene Urteil kann nicht auf einem von den Klägern geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat entschieden, daß den Klägern hinsichtlich der mit der Klage geltend gemachten materiellen Ansprüche keine Prozeßführungsbefugnis (Klagebefugnis) zusteht. Dabei ist zwischen den beiden Fragen zu unterscheiden, ob den Klägern eine Prozeßführungsbefugnis deshalb zusteht, weil sie durch den angefochtenen Verwaltungsakt in ihren eigenen Rechten verletzt sind (Klagebefugnis kraft Sachbefugnis) oder ob sie möglicherweise befugt sind, die Rechte der von diesem Verwaltungsakt allein beschwerten Krankenkassen im eigenen Namen geltend zu machen (Klagebefugnis in der Form der sogenannten Prozeßstandschaft).
Was zunächst die Prozeßführungsbefugnis kraft Sachbefugnis angeht, so erscheint zweifelhaft, ob mit der Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe die Frage, ob eine solche Sachbefugnis der Kläger besteht, zu Unrecht verneint, ein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dargetan ist. Denn die Frage der Sachbefugnis beurteilt sich nach materiellem Recht (vgl. dazu das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 1979 - BVerwG 3 C 42.78 -). Geht man jedoch davon aus, daß hier die Frage der Prozeßführungsbefugnis im Vordergrund steht und die Frage der Sachbefugnis nur als eine Vortrage anzusehen ist, so wäre die vorgenannte Rüge der Kläger unbegründet. Denn sie können nicht gemäß § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, daß sie durch den angefochtenen Verwaltungsakt in ihren eigenen Rechten verletzt seien. Durch diesen Verwaltungsakt hat der Beklagte die Pflegesätze für die Psychiatrischen Landeskrankenhäuser in Weinsberg und Winnenden neu festgesetzt. Diese Pflegesätze müssen von den in den Vereinigungen (Verbänden) der Kläger zusammengeschlossenen Krankenkassen in ihrer Eigenschaft als Sozialleistungsträger für ihre in die Krankenhäuser aufgenommenen Mitglieder gezahlt werden. Demgemäß sind die Krankenkassen als Sozialleistungsträger durch eine zu hohe Festsetzung der von ihnen zu zahlenden Pflegesätze beschwert. Hinsichtlich der Kläger ist eine solche eigene Beschwer nicht zu erkennen.
Die Kläger haben auch keine Prozeßführungsbefugnis in der Form der Prozeßstandschaft. Sie sind nicht befugt, die Rechte der in ihnen zusammengeschlossenen Sozialleistungsträger im eigenen Namen geltend zu machen. Eine solche Prozeßführungsbefugnis könnte sich nur kraft Gesetzes oder aus einem eigenen rechtsschutzwürdigen Interesse der Kläger an der Geltendmachung der betreffenden Rechte ergeben. Eine Prozeßführungsbefugnis kraft Gesetzes liegt nicht vor. Zum einen kennt das verwaltungsgerichtliche Prozeßrecht keine allgemeine Prozeßführungsbefugnis von Vereinigungen zur Wahrnehmung der Rechte ihrer Mitglieder im eigenen Namen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Dezember 1959 - BVerwG 1 C 76.56 - [MDR 1960, 338]). Zum anderen kann eine spezielle Befugnis nicht daraus hergeleitet werden, daß an dem Verfahren über die Festsetzung der Pflegesätze gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 BPflV neben den Sozialleistungsträgern auch deren Vereinigungen beteiligt sind. Die von der Bundesregierung in § 16 BPflV getroffenen Regelungen beruhen auf der in § 16 KHG enthaltenen Ermächtigung an die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung Vorschriften über die Pflegesätze sowie das Festsetzungsverfahren zu erlassen. Aus der von der Bundesregierung bestimmten Beteiligung der Vereinigungen am Festsetzungsverfahren folgt nicht deren Befugnis, vor den Verwaltungsgerichten die Rechte der in ihnen vereinigten Sozialleistungsträger im eigenen Namen geltend zu machen. Im übrigen schließt auch die Ermächtigung des § 16 KHG nicht die Befugnis ein, Vorschriften über das gerichtliche Verfahren zu erlassen und eine Prozeßführungsbefugnis der Vereinigungen von Sozialleistungsträgern zu begründen.
Ebenso hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zutreffend entschieden, daß den Klägern auch unter keinem anderen rechtlichen Gesichtspunkt ein rechtsschutzwürdiges Interesse zusteht, die Rechte ihrer Mitglieder im eigenen Namen geltend zu machen. Den eigenen Interessen der Vereinigungen von Sozialleistungsträgern an einer Einflußnahme auf die Festsetzung der Pflegesätze ist durch ihre Beteiligung am Festsetzungsverfahren hinreichend Rechnung getragen. Außerdem können diese Vereinigungen in Fällen, in denen eine von ihnen für unzutreffend gehaltene Festsetzung der Pflegesätze von ihren Mitgliedern vor dem Verwaltungsgericht angefochten wird, diese Mitglieder gemäß § 414 e RVO außergerichtlich beraten und unterstützen. Ein weitergehendes rechtliches Interesse der Vereinigungen von Sozialleistungsträgern, die Rechte ihrer Mitglieder vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit im eigenen Namen geltend zu machen, kann nicht anerkannt werden (vgl. auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. November 1973 - BVerwG 4 C 20.73 - [Buchholz 310 § 67 Nr. 37]).
Was die Frage der von dem Kläger zu 1) vorgenommenen Klageänderung betrifft, so ist § 91 Abs. 1 VwGO nicht verletzt. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, die von dem Kläger zu 1) erklärte Änderung der Klage sei nicht als sachdienlich anzusehen, rechtsfehlerhaft ist. Denn auf einem solchen Verfahrensmangel würde das angefochtene Urteil schon deshalb nicht beruhen, weil diese Klageänderung aus einem anderen Grunde nicht zulässig war. Der Kläger zu 1) hat nämlich die Klageänderung lediglich hilfsweise für den Fall erklärt, daß das Gericht seine Prozeßführungsbefugnis verneinen sollte. Eine derartige bedingte Klageänderung ist unzulässig.
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg war entgegen der Meinung der Kläger auch nicht aufgrund der Vorschrift des § 86 Abs. 3 VwGO genötigt, vor seiner Entscheidung die Kläger auf die Unzulässigkeit der Klageänderung in einer Weise hinzuweisen, die einer vorweggenommenen Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage gleichgekommen wäre. Den Klägern waren die Bedenken, die bei dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg gegen ihre Prozeßführungsbefugnis bestanden, bekannt. Diese Problematik war vom Verwaltungsgerichtshof, wie sich aus dessen auch den Klägern zugegangener Verfügung vom 31. Januar 1979 ergibt, im Verhandlungstermin am 19. Dezember 1978 mit den Beteiligten in einer dem § 86 Abs. 3 VwGO entsprechenden Weise erörtert worden. Damit war der Vorsitzende des Senats den ihm gemäß dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen nachgekommen. Nur hat der Kläger zu 1) daraus möglicherweise nicht die richtigen Folgerungen gezogen. Er hat zwar im Hinblick auf die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofs hilfsweise die Änderung der Klage erklärt. Die Begründung dieser Klageänderung sowie der Umstand, daß der Kläger zu 1) die Klage nur hilfsweise geändert hat, haben jedoch klar erkennen lassen, daß die Kläger in erster Linie eine Entscheidung über ihre eigene Prozeßführungsbefugnis gewünscht haben. Im übrigen kommt dies auch in der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde erneut zum Ausdruck. Auch aus diesem Grunde ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg davon abgesehen hat, den Kläger zu 1) zu einer unbedingten Klageänderung zu veranlassen.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, daß die Rechtssache hinsichtlich der von den Klägern dargelegten Rechtsfrage, ob ihnen eine gesetzliche Prozeßstandschaft zusteht, auch keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Denn diese Rechtsfrage läßt sich, wie vorstehend näher ausgeführt, unmittelbar aus dem Gesetz verneinend beantworten. Sie ist also nicht klärungsbedürftig.
Mithin ergibt sich, daß die Beschwerde der Kläger als unbegründet zurückgewiesen werden muß. Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf § 154 Abs. 2 VwGO sowie hinsichtlich des Streitwertes auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 89.173 DM festgesetzt.
Schäfer
Schmidt