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Bundesverwaltungsgericht
Urt. v. 25.06.1969, Az.: BVerwG IV C 14.68

Geltung eines gegenwärtig nicht bebaubaren Grundstücks als erschlossen; Geltung des Außenbereichs als bebaubar im Sinne des Erschließungsrechts

Bibliographie

Gericht
BVerwG
Datum
25.06.1969
Aktenzeichen
BVerwG IV C 14.68
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1969, 14236
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OVG Niedersachsen - 13.12.1967 - AZ: I OVG A 68/67

Fundstellen

  • BVerwGE 32, 226 - 228
  • DVBl 1970, 79 u. 555
  • DVBl 1970, 555 (amtl. Leitsatz mit Anm.)
  • DVBl 1969, 969 (Kurzinformation)
  • DVBl 1970, 79 (Volltext mit amtl. LS)
  • DWW 1970, 93
  • DÖV 1969, 864 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1969, 954 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1969, 1870 (amtl. Leitsatz)
  • VerwRspr 21, 211 - 213
  • VerwRspr. 21, 212
  • ZMR 1969, 371

Amtlicher Leitsatz

Für eine einseitig bebaubare Straße kann auf die Anlieger der bebaubaren Straßenseite grundsätzlich nur die Hälfte des Erschließungsaufwandes umgelegt werden.

In der Verwaltungssache
hat der IV. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 1969
durch
den Senatspräsidenten Prof. Külz und
die Bundesrichter Clauß, Isendahl, Dr. Weyreuther und Prof. Dr. Sendler
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 13. Dezember 1967 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 700 DM festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen für den Ausbau der Straße K. in O. Sie ist Eigentümerin eines bebauten und gärtnerisch genutzten Grundstückes, das teilweise im Stadtgebiet H. (Wohnhaus), mit zwei Flurstücken jedoch im Gebiet der Beklagten liegt (Gewächshäuser). Grundstück und Straße verbindet ein sechs Meter breiter Privatweg. Das auf der anderen Seite der Straße K. angrenzende Gelände ist zum Landschaftsschutzgebiet erklärt worden und als solches im Flächennutzungsplan eingetragen. In diesem Gelände verlaufen parallel zur Straße in einer Entfernung von 50 bis 100 m Hochspannungsleitungen. Die Beklagte baute die Straße bis zum März 1964 für rund 99.000 DM aus und erhielt hierzu einen Zuschuß von 35.000 DM von Hamburg und einen Zuschuß von 30.000 DM vom Landkreis Stormarn. Mit zwei Bescheiden vom 23. April 1965 erhob sie von der Klägerin Erschließungsbeiträge in Höhe von rund 1.800 DM (Flurstück 158/37) und von rund 1.000 DM (Flurstück 159/37). Diese Bescheide ergingen auf Grund der Beitrags Satzung vom 5. April 1963. Für die Beitragsberechnung wurden zwei Abschnitte zugrunde gelegt, nämlich der nördliche Teil der an einem Wohngebiet entlangführenden Straße bis zur Einmündung des Grenzweges und der nicht zum Anbau bestimmte südliche Teil der Straße bis zu deren Übergang in das Stadtgebiet H.. Den auf den südlichen Abschnitt entfallenden Kostenanteil von rund 26.000 DM deckte die Beklagte in vollem Umfange aus dem H. Zuschuß, dessen verbleibenden Rest sie zusammen mit dem Zuschuß des Landkreises auf die für den Nordabschnitt entstandenen Kosten anrechnete. Den dann noch verbleibenden Rest der Baukosten verteilte sie nach Abzug des Gemeindeanteiles in Höhe von 10 % je zur Hälfte nach Frontlänge und Grundstücksfläche auf die an der einen Seite der Straße angrenzenden Grundstücke. Der Widerspruch der Klägerin hatte teilweise Erfolg. Mit Bescheid vom 27. September 1965 ermäßigte die Beklagte die Beträge auf rund 800 DM und rund 660 DM, wobei sie nach einer Änderung ihrer Ortssatzung als Frontlänge des Grundstückes nur noch die Breite des Privatweges zugrunde legte. Die von der Klägerin hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Schleswig durch Urteil vom 10. Januar 1967 ab. Auf ihre Berufung hin wurden indessen durch Urteil des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein die angeforderten Beträge weiterhin auf rund 430 DM und 350 DM ermäßigt, weil die auf der unbebauten Straßenseite liegenden Grundstücke ebenfalls in die Verteilung des Erschließungsaufwandes hätten einbezogen werden müssen. Zwar regele das Gesetz nicht ausdrücklich, welche Grundstücke im einzelnen durch eine Erschließungsanlage erschlossen würden. Für den Begriff der Erschließung sei nicht jede Art von Nutzung erheblich, die durch das Vorhandensein von Straßen erleichtert werde. Vielmehr ginge es bei einer Erschließung im Sinne des Bundesbaugesetzes immer um eine bauliche Nutzung der erschlossenen Grundstücke. Immerhin bestehe ein Unterschied zwischen der Erschließung des Grundstückes und seiner Baulandeigenschaft. Daraus sei zu folgern, daß zu den erschlossenen Grundstücken, auf die der Erschließungsaufwand zu verteilen sei, auch solche Grundstücke gehörten, die zur Zeit noch nicht bebauungsfähig seien, deren künftige bauliche oder gewerbliche Nutzung jedoch durch die Erschließungsanlage ermöglicht oder erleichtert werde. Dann aber könne bei der Verteilung des Erschließungsaufwandes eine unbebaute Straßenseite nur dann ausscheiden, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eine bauliche oder gewerbliche Nutzung der dort gelegenen Grundstücke nicht in Betracht, komme. Daß im vorliegenden Falle aus tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten keine Hinderungen beständen, von der Straße aus Zugang zu dem unbebauten Gelände zu nehmen, könne zugrunde gelegt werden. Aber auch rechtliche Gründe sprächen nicht gegen eine bauliche oder gewerbliche Nutzung dieses Geländes. Seine Erklärung zum Landschaftsschutzgebiet sei nicht rechtswirksam, weil die hierzu ergangene Landschaftsschutzverordnung lediglich auf eine nicht veröffentlichte Landschaftsschutzkarte verweise. Es handele sich zwar überdies um Außenbereich, jedoch könne auch dort unter bestimmten Voraussetzungen gebaut werden. Dem Flächennutzungsplan komme im vorliegenden Falle keine entscheidende Bedeutung zu, weil die Gemeinde in diesem Plan keine eigenen Planungsziele zum Ausdruck gebracht, vielmehr das Landschaftsschutzgebiet dort nur nach der ergangenen Verordnung eingetragen habe. Selbst wenn aber zur Zeit Hinderungsgründe beständen, in diesem Außenbereich zu bauen, so könne doch künftig eine bauliche oder gewerbliche Nutzung dieser Grundstücke möglich sein. Auch Vorschriften des Bauordnungsrechts stünden einer Bebauung nicht entgegen, da die Grundstückstiefen zwischen Straße und Hochspannungsleitung auch Wohnbauvorhaben ermöglichten. Diese Grundstücke hätten mithin in die Verteilung des Erschließungsaufwandes einbezogen werden müssen, und zwar unbeschadet der Frage, ob sie bereits jetzt beitragspflichtig seien. Im übrigen seien die angefochtenen Bescheide aber nicht zu beanstanden.

2

Mit der zugelassenen Revision wendet die Beklagte ein, im Außenbereich liegende Grundstücke, die im Flächennutzungsplan als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen seien, könnten bei der Verteilung des Erschließungsaufwandes nicht berücksichtigt werden. Erschlossen seien vielmehr nur solche Grundstücke, die nach Herstellung der Erschließungsanlage bebaut werden könnten. Die Grundstücke müßten also durch die Erschließungsanlage baureif geworden sein. Dar aber sei hier gerade nicht der Fall. Hier sei die Straße Kohlbergen nach dem Willen der Gemeinde vielmehr nur an einer Seite zur Bebauung vorgesehen. Für die im Außenbereich liegenden Grundstücke fehle es mithin an einer zum Anbau bestimmten Erschließungsanlage. Auch könne eine Verteilung des Erschließungsaufwandes nach Art und Maß der Nutzung nur durchgeführt werden, wenn Art und Maß der Nutzung schon ungefähr festlägen. Das aber sei hier für die im Außenbereich liegenden Grundstücke nicht der Fall, so daß die Auslegung des Gesetzes durch das Berufungsgericht unhaltbar sei. Das angefochtene Urteil verkenne auch, daß die Landschaftsschutzverordnung als bestehendes Gesetz bis zur Aufhebung durchaus eine Tatbestandswirkung habe, daß der Flächennutzungsplan eine Bebauung ausschließe und daß die Möglichkeiten einer Bebauung im Außenbereich nur theoretischer Natur seien, wie die ständige Rechtsprechung zum Außenbereich bestätige. Hiernach könne die bebauungsfreie Seite der Straße allenfalls mit einem sehr geringen Bruchteil zu den Erschließungsbeiträger herangezogen werden. Ob der Flächennutzungsplan nicht doch eine eigene planerische Gestaltung habe zum Ausdruck bringen wollen, sei nicht genügend ermittelt worden.

3

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für richtig, weil auch diejenigen Grundstücke als erschlossen gelten müßten, deren künftige bauliche oder gewerbliche Nutzung durch die Herstellung der Erschließungsanlage ermöglicht oder begünstigt werde. Die fraglichen Grundstücke seien übrigens nach der Verkehrsauffassung Bauland und ständen nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinde zur Bebauung an. Diese Grundstücke seien daher bereits jetzt beitragspflichtig. Das werde nicht dadurch ausgeschlossen, daß sie im Außenbereich lägen, denn die Lage im Außenbereich schließe die Baulandeigenschaft nicht aus. Das Landschaftsschutzverfahren solle übrigens nach einer Auskunft des Landrates wiederholt werden, wobei an der neu gefaßten Landschaftsschutzverordnung das Gelände an der Straße Kohlbergen nicht mehr zum Landschaftsschutzgebiet erklärt werden solle, weil die Hochspannungsleitungen dieses Gebiet nicht mehr als schützenswerte Landschaft erscheinen ließen. Auch der Landschaftsschutz werde mithin künftig einer Bebauung dieses Geländes nicht entgegenstehen.

4

II.

Die Revision kann keinen Erfolg haben, weil der Beklagten höhere Erschließungsbeiträge nicht zustehen, als ihr durch das angefochtene Urteil zuerkannt worden sind.

5

Auch nach der Überzeugung des erkennenden Senates muß sich die Tatsache, daß die Straße nur an einer Seite zum Anbau bestimmt ist, auf die Höhe des Erschließungsbeitrages auswirken. Zwar sind die östlich der Straße gelegenen Grundstücke nicht erschlossen im Sinne von § 131 Abs. 1 des Bundesbaugesetzes (BBauG), so daß sie bei der Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes ausscheiden. Der Begriff der Erschließung im Sinne des Bundesbaugesetzes ist nur unter dem Gesichtspunkt einer baulichen oder gewerblichen Nutzung der anliegenden Grundstücke zu verstehen. Das bedeutet freilich nicht, daß jedes einzelne an einer Erschließungsanlage liegende Grundstück bebaubar oder gewerblich nutzbar sein müsse, um als erschlossen zu gelten. Auch ein Grundstück, das gegenwärtig nicht bebaubar ist, ist vielmehr dann als erschlossen anzusehen, wenn es einer Bebauung jedenfalls nicht schlechthin entzogen ist, von der Erschließungsanlage aus erreicht werden kann, und das Gelände im übrigen bebaubar ist, die erschließende Straße mithin als zum Anbau bestimmt angesehen werden kann. In einem solchen Falle ist unter den angegebenen Voraussetzungen auch das nicht oder noch nicht beitragspflichtige Grundstück als erschlossen anzusehen und nach § 130 Abs. 1 BBauG bei der Verteilung des Erschließungsaufwandes zu berücksichtigen (BVerwG IV C 65.66, Urteil vom 14. Juni 1968 in DVBl. 1968, 808 = DÖV 1968, 883). Das kann jedoch nicht für den vorliegenden Fall gelten, in dem eine Straße nach dem Willen der Gemeinde an einer Seite überhaupt nicht bebaut werden soll. Der Begründung des angefochtenen Urteils kann insoweit nicht zugestimmt werden, als sie eine Bebauung des Geländes östlich der Straße K. bereits jetzt für möglich hält. Die Landschaftsschutzverordnung mag fehlerhaft und daher nichtig sein. Allein die Tatsache jedoch, daß es sich bei dem Gelände nach dem vorliegenden Flächennutzungsplan um von Bebauung freizuhaltenden Außenbereich handelt, steht der Annahme entgegen, es könne sich auch bei diesem Gelände bereits jetzt um bebaubares Gelände handeln. Wohl dürfen nach § 35 BBauG auch im sogenannten Außenbereich unter bestimmten Voraussetzungen Gebäude errichtet werden. Als bebaubar im Sinne des Erschließungsrechtes nach § 133 Abs. 1 Satz 2 BBauG kann der Außenbereich jedoch grundsätzlich nicht angesehen werden. Die Tatsache, daß es sich bei dem Gelände um Außenbereich handelt, steht auch der Folgerung des Berufungsgerichtes entgegen, wonach eine etwaige spätere Bebauung dieses Geländes durch die Erschließungsanlage erleichtert werde, was bereits jetzt die Einbeziehung dieser Grundstücke in das erschlossene Gelände rechtfertige.

6

Indessen ist die Straße K. nach Ansicht des erkennenden Senates lediglich hinsichtlich des westlich angrenzenden Wohngeländes eine Erschließungsanlage, nicht jedoch hinsichtlich des östlichen, nach dem oben Gesagten für eine Bebauung nicht nutzbaren Geländes. Die Straße ist in ihrem östlichen Teil keine zum Anbau bestimmte Straße im Sinne von § 127 Abs. 2 Nr. 1 BBauG und kann insoweit mithin nicht als Erschließungsanlage einer Beitragserhebung zugrunde gelegt werden. Das ist, wie hinzugefügt werden mag, nicht die Konsequenz einer - sicherlich nicht zulässigen - realen (Längs-)Spaltung der Straße, sondern nichts anderes als ein Rechnungsfaktor, der zum Ausdruck bringt, daß die beitragspflichtigen Anlieger nicht mit den gesamten Kosten einer Anlage belastet werden dürfen, die klar gegeneinander abgegrenzt nur zur Hälfte zum Anbau bestimmt ist. Unter den hier gegebenen Umständen führt diese Erkenntnis zu dem gleichen Ergebnis, das für das ehemalige preußische Rechtsgebiet galt. Dort konnten die Anlieger nach § 15 Abs. 1 Satz 2 des preußischen Fluchtliniengesetzes nur für die Hälfte der Straßenbreite beitragspflichtig werden. Das gilt in Fällen der hier vorliegenden Art als Grundsatz auch für die gegenwärtige Rechtslage. Ausnahmen mögen allerdings dort zu machen sein, wo die Straße nur in einem Umfange ausgebaut worden ist, der allein für die hinreichende Erschließung der einen Straßenseite schlechthin unentbehrlich ist. Das braucht jedoch hier nicht weiter vertieft zu werden.

7

Für die Berechnung des Beitrages der Klägerin ist mithin von der Hälfte der entstandenen Ausbaukosten auszugehen, die nach Abzug der Zuschüsse und des 10 %igen Eigenanteiles der beklagten Gemeinde 15.313,28 DM beträgt. Dabei ist die Berechnung der Beklagten zu billigen, wonach von den Gesamtbaukosten zunächst die Zuschüsse in Abzug gebracht werden und erst von dem verbleibenden Rest der Eigenanteil der Gemeinde errechnet wird. Je 7.656,64 DM sind nach Anliegerlänge und Grundstücksfläche zu verteilen. Daraus ergeben sich bei einer gesamten Anliegerlänge von 389,30 m und einer Gesamtfläche von 32.112 qm die Multiplikatoren von 19,67 für einen Frontmeter und von 0,23844 für einen qm. Für die Flurstücke der Klägerin ergibt sich danach einmal bei einer Frontlänge von 3 m und einer Fläche von 1.426 qm ein Beitrag von 399,03 DM, zum anderen bei einer Frontlänge von 3 m und einer Fläche von 1.127 qm ein Beitrag von 327,73 DM.

8

Da diese Beitragssätze noch unter den vom Berufungsgericht ermittelten Beträgen liegen, war die Revision der Beklagten mit der sich hieraus für sie ergebenden Kostenpflicht zurückzuweisen.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 700 DM festgesetzt.

Prof. Külz
Clauß
Isendahl
Dr. Weyreuther
Prof. Dr. Sendler