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Bundesverfassungsgericht
Beschl. v. 04.09.2023, Az.: 2 BvR 1239/23
Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde gegen die Auslieferung eines aserbaidschanischen Staatsangehörigen nach Aserbaidschan trotz dortiger Verfolgung auf Basis eines Strafbefehls; Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde wegen Nichtwahrung der Subsidiarität
Gericht: BVerfG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 04.09.2023
Referenz: JurionRS 2023, 41538
Aktenzeichen: 2 BvR 1239/23
ECLI: ECLI:DE:BVerfG:2023:rk20230904.2bvr123923

Verfahrensgang:

vorgehend:

OLG Köln - 13.06.2023 - AZ: 3 OAus 31/23

Rechtsgrundlagen:

§ 32 IRG

§ 93 BVerfGG

Fundstelle:

FA 2023, 254-255

BVerfG, 04.09.2023 - 2 BvR 1239/23

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Auslieferung des Beschwerdeführers, eines aserbaidschanischen und russischen Staatsangehörigen, nach Aserbaidschan.

I.

2

1. Das aserbaidschanische Justizministerium ersuchte mit internationaler polizeilicher Ausschreibung vom 6. Februar 2023 um die Auslieferung des Beschwerdeführers nach Aserbaidschan zum Zwecke der Strafverfolgung. Der Ausschreibung lag ein nationaler Haftbefehl des Distriktgerichts in Baku vom 12. Januar 2023 zugrunde, in welchem dem Beschwerdeführer die Begehung einer Betrugsstraftat in Baku im Januar 2018 zur Last gelegt wird. Nach der Festnahme des Beschwerdeführers am 20. März 2023 ersuchten die aserbaidschanischen Behörden mit Schreiben vom 3. April 2023, das sie in der Folge durch die Haftbedingungen betreffende Zusicherungen ergänzten, um die Überstellung des Beschwerdeführers.

3

2. Mit angegriffenem Beschluss vom 13. Juni 2023 erklärte das Oberlandesgericht Köln die Auslieferung des Beschwerdeführers für zulässig. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine Auslieferung die durch § 73 IRG gezogenen Grenzen überschreiten würde, seien nicht ersichtlich. Vor dem Hintergrund der Angaben der aserbaidschanischen Behörden zu den den Beschwerdeführer erwartenden Haftbedingungen könne davon ausgegangen werden, dass diese den in Art. 3 EMRK verankerten menschenrechtlichen Mindestanforderungen genügen würden. Ausführungen zur Frage der politischen Verfolgung des Beschwerdeführers in Aserbaidschan enthält der Beschluss nicht.

4

3. Am 20. Juni 2023 stellte der Beschwerdeführer einen Asylantrag. Zur Begründung machte er geltend, Schutz vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden zu suchen. Infolgedessen wurde er am 12. Juli 2023 gemäß § 25 AsylG angehört. Er führte aus, in der Vergangenheit sowohl in Aserbaidschan als auch in der Ukraine politisch tätig gewesen zu sein. Zuletzt habe er in Odessa (Ukraine) gelebt, wo er im Jahr 2015 den ehemaligen Präsidenten von Georgien, Micheil Saakaschwili, kennengelernt habe. Dessen politische Aktivitäten in der Ukraine habe er unterstützt. Insoweit sei er auch vermittelnd für verschiedene aserbaidschanische Personen tätig gewesen, die Saakaschwili organisatorisch und finanziell hätten unterstützen wollen. Nach der Festnahme von Saakaschwili im Jahr 2018 hätten sich diese Personen - darunter auch ein im Auslieferungsersuchen angeführter Geschädigter - über ihn, den Beschwerdeführer, beschwert, weil sich die Investitionen in die Aktivitäten von Saakaschwili nicht gelohnt hätten. Der im Auslieferungsersuchen angeführte Geschädigte sei ein Verwandter des Ministers für Katastrophenschutz in Aserbaidschan. Dieser habe die Justiz aufgefordert, strafrechtlich gegen ihn vorzugehen, und dafür gesorgt, dass das Gericht seine Auslieferung beantragt habe. Hierfür spreche auch, dass im Anschluss an seinen im Dezember 2021 erfolgten Besuch Saakaschwilis im Gefängnis in Georgien ein Bezirkspolizist seinen Vater in Aserbaidschan aufgesucht und diesem mitgeteilt habe, dass er, der Beschwerdeführer, bei einem wiederholten Besuch von Saakaschwili und einer Rückkehr nach Aserbaidschan festgenommen würde.

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4. Mit der am 30. August 2023 eingegangenen Verfassungsbeschwerde, die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden ist, wendet sich der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer gegen die durch das Oberlandesgericht für zulässig befundene Auslieferung. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes sei das derzeit laufende Asylverfahren abzuwarten. Außerdem bestehe die Gefahr, dass er in Aserbaidschan politisch verfolgt, gefoltert und misshandelt werde. Ferner habe das Oberlandesgericht die Frage der ihm in Aserbaidschan drohenden Haftbedingungen nicht hinreichend aufgeklärt.

II.

6

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe im Sinne des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor, weil die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist.

7

1. Der Beschwerdeführer hat es bereits versäumt, die Wahrung der Verfassungsbeschwerdefrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG darzulegen. Er hat weder zum Zeitpunkt des Zugangs des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 13. Juni 2023, mit dem die Auslieferung für zulässig erklärt wurde, vorgetragen, noch ergibt sich dieser ohne Weiteres aus den vorgelegten Unterlagen. Es ist deshalb nicht möglich, zu prüfen, ob die Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG gewahrt wurde (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 28. Oktober 2019 - 1 BvR 2237/19 -, Rn. 2 m.w.N.).

8

2. Der Beschwerdeführer hat ferner nicht aufgezeigt, dass er den Grundsatz der Subsidiarität gewahrt hat.

9

a) Der aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG abgeleitete Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde fordert, dass ein Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 68, 384 [BVerfG 08.01.1985 - 1 BvR 830/83] <388 f.>; 107, 395 <414>; 112, 50 <60>; stRspr). Deswegen ist dem Subsidiaritätsgrundsatz nicht genügt, wenn im Instanzenzug ein Mangel nicht nachgeprüft werden konnte, weil er nicht oder nicht in ordnungsgemäßer Form gerügt worden war (vgl. BVerfGE 16, 124 [BVerfG 15.05.1963 - 2 BvR 106/63] <127>; 54, 53 <65>; 74, 102 <114>).

10

b) Soweit der Beschwerdeführer mit der Verfassungsbeschwerde eine ihm drohende politische Verfolgung, Folter und Misshandlung rügt, hat er nicht substantiiert dargetan, den Grundsatz der Subsidiarität gewahrt zu haben. Er hat weder aufgezeigt, die Angaben, die er insoweit bei seiner im Rahmen des Asylverfahrens erfolgten Anhörung am 12. Juli 2023 gemacht hat, bereits im fachgerichtlichen Auslieferungsverfahren vor dem Beschluss des Oberlandesgerichts über die Zulässigkeit der Auslieferung vom 13. Juni 2023 vorgebracht zu haben, noch hat er entsprechende fachgerichtliche Schriftsätze vorgelegt. Ferner hat er nicht dargelegt, gegenüber dem Oberlandesgericht nach dem Ergehen der Zulässigkeitsentscheidung auf eine (erneute) Entscheidung nach § 33 IRG hingewirkt und in diesem Rahmen die entsprechenden Tatsachen vorgebracht zu haben, aufgrund derer ihm eine politische Verfolgung drohe.

11

3. Die Begründung der Verfassungsbeschwerde genügt auch im Übrigen nicht den aus § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG folgenden Anforderungen.

12

4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

13

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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