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Bundesverfassungsgericht
Beschl. v. 16.01.2023, Az.: 1 BvR 656/18
Verfassungsbeschwerde gegen die Bestimmung einer Schiedsperson durch die Aufsichtsbehörde im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung
Gericht: BVerfG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 16.01.2023
Referenz: JurionRS 2023, 17782
Aktenzeichen: 1 BvR 656/18
ECLI: ECLI:DE:BVerfG:2023:rk20230116.1bvr065618

Verfahrensgang:

vorgehend:

BSG - 16.01.2018 - AZ: B 3 KR 29/17 B

BVerfG, 16.01.2023 - 1 BvR 656/18

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung die Bestimmung einer Schiedsperson durch die Aufsichtsbehörde nach § 132a Abs. 2 Satz 7 SGB V in der bis zum 28. Dezember 2015 geltenden Fassung.

A.

I.

2

1. Die Beschwerdeführerin betreibt ein Unternehmen, das bundesweit Leistungen der häuslichen Krankenpflege erbringt und auf intensivpflegerische Leistungen spezialisiert ist. Im Dezember 2003 erteilte ihr die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See unter Bezugnahme auf den Rahmenvertrag zwischen der Liga der freien Wohlfahrtspflege in Sachsen und den im Freistaat Sachsen tätigen Krankenkassen vom 1. Februar 2002 die Berechtigung, für Versicherte der Knappschaft häusliche Krankenpflege zu erbringen. In den Anlagen 1 und 2 zum Rahmenvertrag war für die Leistungsgruppe VI (spezielle Krankenbeobachtung) keine Preisvereinbarung enthalten, sondern eine Vergütung nach "Einzelfallentscheidung" vereinbart.

3

Im September 2011 forderte die Beschwerdeführerin die Knappschaft in Bezug auf die Leistungsgruppe VI zu Verhandlungen über die Höhe der Vergütung über den jeweiligen Einzelfall hinaus auf, was die Knappschaft ablehnte. Die Vertragsparteien einigten sich auf eine Schiedsperson, die im April 2012 ihr Mandat aus persönlichen Gründen niederlegte. Im Mai 2012 beantragte die Beschwerdeführerin beim Bundesversicherungsamt (heute Bundesamt für Soziale Sicherung) die Bestimmung einer anderen Schiedsperson.

4

2. Das Bundesversicherungsamt bestimmte mit Bescheid vom 8. Oktober 2012, der gegenüber der Beschwerdeführerin keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, eine neue Schiedsperson. Den Widerspruch, mit dem die Beschwerdeführerin die Neutralität und Geeignetheit der Schiedsperson bezweifelte, wies das Bundesversicherungsamt zurück.

5

Die Klage mit dem Antrag, die Bescheide aufzuheben und das Bundesversicherungsamt zu verpflichten, über den Antrag auf Bestimmung einer anderen geeigneten und unabhängigen Schiedsperson neu zu entscheiden, wies das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 20. Juni 2013 ab. Es seien keine Gründe ersichtlich, die geeignet seien, die Eignung und Unvoreingenommenheit der Schiedsperson in Zweifel zu ziehen. Das Sozialgericht sah auch keinen Anlass, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Vereinbarkeit des § 132a Abs. 2 Sätze 6 und 7 SGB V a.F. mit dem Grundgesetz vorzulegen. Auf die Verfassungsmäßigkeit der Norm komme es für die Entscheidung schon deshalb nicht an, weil die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Gründe für die behauptete Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz die allein streitgegenständliche Auswahl der Schiedsperson nicht berührten.

6

Die Berufung der Beschwerdeführerin wies das Landessozialgericht mit Urteil vom 26. April 2017 zurück. Es seien keine Ermessensfehler bei der Bestimmung der Schiedsperson ersichtlich. Jedenfalls im Widerspruchsbescheid habe das Bundesversicherungsamt seine Erwägungen nachvollziehbar dargestellt. Zweifel an der Neutralität der Schiedsperson bestünden nicht. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG komme nicht in Betracht. Ein etwaiger Eingriff in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG sei durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Zu den Gesetzen, die Inhalt und Schranken des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmten, gehöre auch das vom Gesetzgeber zur Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung installierte Konsensmodell. Mit den Regelungen in § 132a Abs. 2 Sätze 6 und 7 SGB V a.F. seien die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Bestimmtheit sowie das Rechtsstaatsprinzip noch gewahrt, denn die Bestimmung der Schiedsperson sei gerichtlich überprüfbar. Dadurch sei auch das Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG erfüllt.

7

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision verwarf das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 16. Januar 2018 als unzulässig, denn die Zulassungsgründe seien nicht formgerecht dargetan.

8

Mit Beschluss vom 15. Februar 2018 verwarf das Bundessozialgericht auch die Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin als unzulässig.

II.

9

Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG beziehungsweise Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

10

Die Bestellung der Schiedsperson durch die Aufsichtsbehörde sei ein Eingriff in ihre Berufsfreiheit. Aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes erforderten die materiellen Auswahlmaßstäbe wie auch das Bestellungsverfahren selbst eine Regelung durch den Gesetzgeber. Die Bestellungsentscheidung sei wesentlich für das Verfahren und die Grundrechte der Beschwerdeführerin, denn es handele sich um eine Zwangsschlichtung, bei der die Schiedsperson den Inhalt des Vertrages einseitig festlege. Zudem unterliege der Schiedsspruch nur einer Billigkeitskontrolle. Darüber hinaus könne nicht sichergestellt werden, dass eine "unabhängige Schiedsperson" bestimmt werde. Die Verfahrensbeteiligten hätten kein Ablehnungsrecht und kein Recht auf Rüge der Befangenheit. Auch zu den Kosten gebe es keine ausreichend bestimmten gesetzlichen Vorgaben; es müsse vorab geklärt werden, nach welchen Maßstäben die Schiedsperson abrechnen werde.

11

Es verletze die Beschwerdeführerin auch in Art. 12 Abs. 1 GG, dass die von der Aufsichtsbehörde bestimmte Schiedsperson keiner staatlichen Aufsicht unterliege. Der in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Vorbehalt des Gesetzes erfordere eine ausreichend bestimmte gesetzliche Regelung für die Staatsaufsicht. Es lägen keine vernünftigen Gründe des Gemeinwohls vor, um die fehlende staatliche Aufsicht zu rechtfertigen.

12

Der Verzicht des Gesetzgebers auf Verfahrensregelungen für die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG beziehungsweise Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Die Schiedsperson sei bei der Gestaltung des Schiedsverfahrens völlig frei. Die Beschränkung der nachfolgenden gerichtlichen Kontrolle auf eklatante Verstöße gegen rechtsstaatliche Grundsätze verkürze den Rechtsschutz des Leistungserbringers.

III.

13

Zur Verfassungsbeschwerde haben das Bundesversicherungsamt, das Bundessozialgericht, der Freistaat Sachsen, der Bevollmächtigte der Bundesregierung für Pflege, der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) und der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. Stellung genommen. Darüber hinaus ist dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung und den Regierungen aller Länder, dem Deutschen Pflegerat e.V., der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V., dem Bundesverband Ambulante Dienste und Stationäre Einrichtungen e.V., dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. sowie der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

B.

14

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zu Entscheidung anzunehmen, da die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a) BVerfGG zu und ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b) BVerfGG), weil die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 [BVerfG 08.02.1994 - 1 BvR 1693/92] <25 f.>). Sie ist unzulässig.

I.

15

Es kann dahinstehen, ob der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde der Grundsatz der Subsidiarität entgegensteht, soweit die Verfassungsbeschwerde rügt, dass Verfahrensregelungen für das Handeln der Schiedsperson und die staatliche Aufsicht über die Schiedsperson fehlen.

16

1. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität müssen Beschwerdeführende das ihnen Mögliche tun, damit eine Grundrechtsverletzung im fachgerichtlichen Instanzenzug unterbleibt oder beseitigt wird und alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 112, 50 [BVerfG 09.11.2004 - 1 BvR 684/98] <60>; 129, 78 <92>; stRspr). Abzustellen ist somit auch im Rahmen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auf die mögliche Rechtsbeeinträchtigung und die zu ihrer Beseitigung gegebenen Rechtsbehelfe der jeweiligen Verfahrensordnungen (vgl. BVerfGE 31, 364 [BVerfG 27.07.1971 - 2 BvR 443/70] <368>; BVerfGE 49, 325 [BVerfG 11.10.1978 - 2 BvR 214/76] <328>). Der Subsidiaritätsgrundsatz soll vor allem sichern, dass durch eine umfassende fachgerichtliche Vorprüfung des Beschwerdevorbringens dem Bundesverfassungsgericht nicht nur ein regelmäßig in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet wird, sondern dass ihm auch die Fallanschauung und Rechtsauffassung der Gerichte, insbesondere auch der obersten Bundesgerichte, vermittelt werden (vgl. BVerfGE 72, 39 <43>; 86, 15 <27>; 140, 229 <233 Rn. 10>).

17

2. Hiervon ausgehend spricht einiges dafür, dass die Beschwerdeführerin die Möglichkeit der Beseitigung oder Verhinderung einer Grundrechtsverletzung im Hinblick auf das Tätigwerden der Schiedsperson bislang nicht genutzt hat.

18

a) Gerichtlicher Rechtsschutz im Zusammenhang mit der Schiedspersonenregelung des § 132a Abs. 2 SGB V a.F. wird sowohl hinsichtlich der Bestimmung der Schiedsperson durch die Aufsichtsbehörde als auch hinsichtlich des Schiedsspruchs selbst gewährt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann der Schiedsspruch mit der Ersetzungsklage nach § 132a Abs. 2 Satz 6 SGB V a.F. in Verbindung mit § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V und § 317 Abs. 1, § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB mit dem Ziel angegriffen werden, den Schiedsspruch aufzuheben und den Vertragsinhalt neu festzusetzen (vgl. BSGE 107, 123 [BSG 25.11.2010 - B 3 KR 1/10 R] <133 Rn. 30>). An die Stelle der Ersetzungsklage tritt eine auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs gerichtete Feststellungsklage, wenn das Gericht mangels ausreichendem Sachvortrag der Vertragsparteien nicht in der Sache entscheiden kann (vgl. BSGE 121, 243 [BSG 23.06.2016 - B 3 KR 26/15 R] <249 f. Rn. 25 ff.>).

19

Die Aufhebung des Schiedsspruchs erfolgt nicht erst bei "offenbarer" Unbilligkeit (§ 319 Abs. 1 Satz 2 BGB), sondern bereits bei schlichter Unbilligkeit (vgl. BSGE 107, 123 <133 f. Rn. 33>; 121, 243 <251 Rn. 31>). Die Unbilligkeit des Schiedsspruchs nach § 132a Abs. 2 SGB V a.F. kann auf schwerwiegenden verfahrensrechtlichen Mängeln beruhen, wie Mängeln der Begründung oder einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, aber auch materiell unrichtig sein oder gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen, zum Beispiel durch einseitige Berücksichtigung der Interessen einer Partei oder einer Leistungsbestimmung völlig jenseits der Entwicklung am betreffenden Markt. Die Frage der Billigkeit oder Unbilligkeit eines Schiedsspruchs umfasst also eine Rechtskontrolle und eine Inhaltskontrolle (vgl. BSGE 107, 123 [BSG 25.11.2010 - B 3 KR 1/10 R] <135 Rn. 36>).

20

b) Der im fachgerichtlichen Verfahren allein gegenständliche Bescheid über die Bestimmung der Schiedsperson erschöpft sich in deren Auswahl. Hingegen wird die Tätigkeit der Schiedsperson im Schiedsverfahren, insbesondere die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze, im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle der Unbilligkeit des Schiedsspruchs überprüft. Das von der Beschwerdeführerin gerügte Fehlen von Verfahrensregelungen für das Handeln der Schiedsperson und die fehlende staatliche Aufsicht über die Schiedsperson beziehen sich gerade auf das Zustandekommen des Schiedsspruchs; sie könnten daher ihm Rahmen von dessen fachgerichtlicher Überprüfung geltend gemacht werden.

II.

21

Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob es der Beschwerdeführerin vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde obliegt, den Schiedsspruch abzuwarten und sich gegen diesen im fachgerichtlichen Verfahren zur Wehr zu setzen, um mit ihren Argumenten zunächst vor den Fachgerichten Gehör zu finden. Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unzulässig, weil sie den Begründungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht genügt.

22

1. Eine Verfassungsbeschwerde muss sich mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerfGE 89, 155 <171>; 108, 370 <386 f.>). Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 78, 320 [BVerfG 15.06.1988 - 1 BvR 1301/86] <329>; 99, 84 <87>; 115, 166 <179 f.>). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe aufgezeigt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffene Maßnahme verletzt werden (vgl. BVerfGE 99, 84 [BVerfG 29.09.1998 - 2 BvR 1790/94] <87>; 101, 331 <346>; 102, 147 <164>).

23

2. Daran fehlt es hier. Die Beschwerdeführerin hat eine Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten nicht hinreichend substantiiert dargetan.

24

a) Der Verfassungsbeschwerde lässt sich nicht entnehmen, weshalb die Bestellung einer Schiedsperson die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzen soll.

25

Soweit die Beschwerdeführerin behauptet, dass die Bescheide die Bestellung der Schiedsperson einseitig regelten, die sie nicht frei wählen oder aushandeln könne, übergeht der Vortrag, dass die Vertragsparteien durchaus die Möglichkeit haben, die Schiedsperson im Einvernehmen zu bestimmen. Nur wenn sie sich nicht auf eine Schiedsperson verständigen können, erfolgt eine Bestimmung durch die Aufsichtsbehörde. Diese tritt also an die Stelle der Einigung durch die Vertragsparteien und gibt sie nicht einseitig zu Lasten einer Partei vor. Zudem folgert die Beschwerdeführerin aus der Abweisung ihrer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, dass die Bestimmung der Schiedsperson als verbindlich zu akzeptieren sei. Sie übersieht damit, dass die Fachgerichte ausdrücklich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Auswahl einer geeigneten, insbesondere einer unvoreingenommenen Schiedsperson bejahen.

26

Soweit die Beschwerdeführerin vorträgt, dass die Bestellungsentscheidung für das Verfahren und ihre Grundrechte wesentlich sei und daher einer parlamentsgesetzlichen Regelung der materiellen Auswahlmaßstäbe und des Bestellungsverfahrens erfordere, lässt die Verfassungsbeschwerde eine Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben vermissen. Dass der Gesetzgeber selbst alle wesentlichen Entscheidungen treffen muss, bedeutet nicht, dass sich die erforderlichen Vorgaben ohne weiteres aus dem Wortlaut des Gesetzes ergeben müssten; es genügt, dass sie sich mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Vorgeschichte der Regelung (vgl. BVerfGE 80, 1 <20 f.>; 82, 209 <224 f.>; 145, 20 <91 Rn. 182>; 149, 126 <154 f. Rn. 72 ff.>). Daher hätte sich die Beschwerdeführerin mit der Frage befassen müssen, unter welchen Voraussetzungen eine Norm wegen zu weiter Auslegungsspielräume und trotz bestehender Konkretisierungsmöglichkeiten durch die Rechtsprechung als nicht hinreichend bestimmt anzusehen ist und welche Anforderungen hier aufgrund der Intensität des gerügten Grundrechtseingriffs zu stellen wären (vgl. BVerfGE 98, 218 [BVerfG 14.07.1998 - 1 BvR 1640/97] <251 f.> zur Relation von Eingriffsgewicht und Regelungsintensität).

27

Die Verfassungsbeschwerde setzt sich auch nicht mit den gesetzlichen Vorgaben für die von der Aufsichtsbehörde zu treffende Auswahlentscheidung in § 132a Abs. 2 Satz 6 SGB V a.F. und ihrer Konkretisierung durch die Rechtsprechung auseinander. Die Anforderungen an die Schiedsperson sind in Rechtsprechung und Literatur geklärt. Insofern die Schiedsperson nach § 132a Abs. 2 Satz 6 SGB V a.F. unabhängig sein muss, muss die Interessenneutralität gewährleistet sein und darf sie weder einem der Vertragspartner angehören noch in einem engen Vertrauensverhältnis zu einem Vertragspartner stehen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Januar 2013 - L 1 KR 341/11 -, Rn. 57; Engelmann, in: Schnapp/Düring, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl. 2016, Rn. 242). Die in Betracht kommende Person muss fachlich und persönlich geeignet sein, also mit der Bedeutung, Funktion und Struktur der gesetzlichen Krankenversicherung vertraut und in der Lage sein, das Verfahren neutral und ausgewogen zu führen, um divergierende Interessen auszugleichen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Oktober 2010 - L 11 KA 61/10 B ER -, Rn. 48 zu § 73b Abs. 4a Satz 2 SGB V; Felix, Konfliktlösungsinstrumente bei dreiseitigen Verträgen und Beschlüssen der Selbstverwaltung im System der gesetzlichen Krankenversicherung, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit, 2018, S. 159 f.). Die Verfassungsbeschwerde enthält - anders als der Vortrag in den fachgerichtlichen Verfahren - keinerlei Darlegung, dass die durch die Aufsichtsbehörde ausgewählte Schiedsperson diesen Anforderungen nicht gerecht werde. Es bleibt offen, inwiefern die Aufsichtsbehörde im konkreten Fall ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt haben soll. Der pauschale Vortrag, dass die materiellen Auswahlmaßstäbe und das Bestellungsverfahren einer parlamentsgesetzlichen Regelung bedürften, genügt insofern nicht.

28

Soweit die Beschwerdeführerin vorträgt, dass sie kein Ablehnungsrecht und kein Recht auf Rüge der Befangenheit gegenüber der Schiedsperson habe, wird eine mögliche Grundrechtsverletzung ebenfalls nicht substantiiert dargelegt. Sie setzt sich nicht damit auseinander, dass bei Einsetzung der Schiedsperson bekannte Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit - wie auch hier geschehen - im Rahmen der Rechtsbehelfe gegen den Bestimmungsbescheid geltend gemacht werden können. Zudem wird vertreten, dass nach Bestandskraft des Bestimmungsbescheids die Schiedsperson selbst über einen Befangenheitsantrag entscheidet, was angesichts der Möglichkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die sachliche Entscheidung der Schiedsperson auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsschutzgarantie noch hinnehmbar sei (vgl. Engelmann, in: Schnapp/Düring, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl. 2016, Rn. 265; Felix, Konfliktlösungsinstrumente bei dreiseitigen Verträgen und Beschlüssen der Selbstverwaltung im System der gesetzlichen Krankenversicherung, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit, 2018, S. 161 f.). Die Beschwerdeführerin setzt sich damit nicht weiter auseinander.

29

Auch der Vortrag zur Verfassungswidrigkeit des Verzichts auf eine staatliche Aufsicht über die Tätigkeit der Schiedsperson zeigt die Möglichkeit der Verletzung in eigenen Rechten nicht hinreichend substantiiert auf. Zwar wird die Ausgestaltung der Schiedsregelung in der Literatur auch kritisch gesehen (vgl. Felix, Konfliktlösungsinstrumente bei dreiseitigen Verträgen und Beschlüssen der Selbstverwaltung im System der gesetzlichen Krankenversicherung, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit, 2018, S. 167; dazu auch Shirvani, SGb 2011, S. 550 <555>; Zuck, NZS 2014, S. 401 <403 ff.>). Inwieweit im Verzicht auf eine Aufsichtsregelung ein Eingriff in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin liegen soll, ergibt sich aus ihrem Vorbringen jedoch nicht. Die Verfassungsbeschwerde hätte hier nicht nur die verfassungsrechtlichen Maßgaben für eine Pflicht zur Einrichtung einer staatlichen Aufsicht aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip aufzeigen müssen, sondern auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Rechtsnatur und Rechtsmacht der Schiedsperson berücksichtigen müssen (vgl. BSGE 107, 123 [BSG 25.11.2010 - B 3 KR 1/10 R] <126 f. Rn. 13 ff.>; 117, 288 <291 Rn. 16>; 123, 254 <259 Rn. 20>). Das ist nicht der Fall.

30

b) Auch eine Verletzung in ihren Grundrechten aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG beziehungsweise Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG hat die Beschwerdeführerin nicht substantiiert dargetan. Sie befasst sich insbesondere nicht damit, dass bestimmte rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze nach gefestigter Rechtsprechung im Schiedsverfahren unabhängig von einer formalen Verfahrensordnung gelten (vgl. BSGE 107, 123 <135 Rn. 36>; 121, 243 <251 Rn. 31>; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Januar 2015 - L 8 KR 254/13 -, Rn. 28; so auch Engelmann, in: Schnapp/Düring, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl. 2016, Rn. 262) und weist selbst darauf hin, dass Verstöße gegen rechtsstaatliche Grundsätze im Schiedsverfahren der gerichtlichen Billigkeitskontrolle des Schiedsspruchs unterliegen. Dies gilt insbesondere für die von der Beschwerdeführerin gerügten Verfahrensgrundrechte wie das rechtliche Gehör und das faire Verfahren (dazu BSGE 107, 123 [BSG 25.11.2010 - B 3 KR 1/10 R] <136 Rn. 38>; 121, 243 <251 Rn. 31>).

31

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

32

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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