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Bundesverfassungsgericht
Beschl. v. 05.03.2010, Az.: 1 BvR 2349/08
Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung durch eine abstrakte Entscheidung eines Landesverfassungsgerichts über Inhalt und Tragweite einer Landesverfassungsnorm i.R.d. Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde
Gericht: BVerfG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 05.03.2010
Referenz: JurionRS 2010, 12290
Aktenzeichen: 1 BvR 2349/08
ECLI: [keine Angabe]

Rechtsgrundlage:

§ 93a Abs. 2 BVerfGG

Verfahrensgegenstand:

Verfassungsbeschwerde

gegen
das Urteil des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen vom 11. Juni 2008 - P.St. 2133, P.St. 2158 -

BVerfG, 05.03.2010 - 1 BvR 2349/08

Redaktioneller Leitsatz:

Hinsichtlich der bloß abstrakten Entscheidung eines Landesverfassungsgerichts, welcher Inhalt und welche Tragweite einer bestimmten Verfassungsnorm zukommen, kommt ein mit der Verfassungsbeschwerde geltend zu machender Eingriff in Rechtspositionen der Normadressaten zu ihrem Nachteil nicht in Betracht.

In dem Verfahren
...
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts
durch
den Präsidenten Papier und
die Richter Bryde,Schluckebier
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG
in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 5. März 2010
einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der von den Beschwerdeführern als verletzt bezeichneten Grundrechte angezeigt.

2

Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, denn sie ist bereits unzulässig. Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer ist bereits die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung ausgeschlossen.

3

Eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung eines Landesverfassungsgerichts ist grundsätzlich statthaft, da das Landesverfassungsgericht als Teil der öffentlichen Gewalt nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden ist (vgl. BVerfGE 13, 132 [BVerfG 03.10.1961 - 2 BvR 4/60] <140>; 85, 148 <157>; 96, 231 <242>). In dem betont föderativ gestalteten Bundesstaat des Grundgesetzes stehen die Verfassungsbereiche des Bundes und der Länder jedoch grundsätzlich selbständig nebeneinander (vgl. BVerfGE 4, 178 [BVerfG 11.05.1955 - 1 BvO 1/54] <189>). Entsprechendes gilt auch für die Verfassungsgerichtsbarkeit des Bundes und der Länder (vgl. BVerfGE 6, 376 [BVerfG 07.05.1957 - 2 BvR 2/56] <381 f.>; 22, 267 <270>; 41, 88 <118>; 60, 175 <209>). Die Nachprüfung der vom Landesgesetzgeber in eigener Kompetenz erlassenen Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit der Landesverfassung ist daher allein Sache der Landesverfassungsgerichte (vgl. BVerfGE 6, 376 [BVerfG 07.05.1957 - 2 BvR 2/56] <382>; 60, 175 <209>), die nach der Landesverfassung geschaffen und von ihr zur Entscheidung eines Falles zur autoritativen Auslegung der Landesverfassung berufen sind (vgl. BVerfGE 64, 301 [BVerfG 29.06.1983 - 2 BvR 1546/79] <317>). Zur vollumfänglichen Überprüfung dieser Entscheidungen ist das Bundesverfassungsgericht nicht befugt, da es keine zweite Instanz über den Landesverfassungsgerichten ist (vgl. BVerfGE 60, 175 <208 f.>).

4

Soweit die Beschwerdeführer rügen, der Staatsgerichtshof habe bei der Auslegung einer Landesverfassungsnorm die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht hinreichend berücksichtigt, verkennen sie, dass sich die Rechtswirkung des Urteils des Staatsgerichtshofs in der Erklärung der Vereinbarkeit des Hessischen Studienbeitragsgesetzes (HStubeiG) als Art. 1 des Gesetzes zur Einführung von Studienbeiträgen an den Hochschulen des Landes und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 16. Oktober 2006 (GVBl I S. 512) mit der Verfassung des Landes Hessen erschöpft. Die bloß abstrakte Entscheidung des Staatsgerichtshofs, welcher Inhalt und welche Tragweite einer bestimmten Verfassungsnorm zukommen, ist für sich ungeeignet, in Rechtspositionen der Normadressaten zu ihrem Nachteil einzugreifen. Erst in der konkreten Anwendung der Norm kann ein Eingriff liegen, etwa in einem Verwaltungsakt, der dann unmittelbar in die Rechtsposition der Beschwerdeführer eingreifen würde. Durch die Entscheidung des Staatsgerichtshofs als solche wurde deren Rechtsposition jedenfalls nicht verändert (vgl. BVerfGE 30, 112 <123 f.>).

5

Das Urteil des Staatsgerichtshofs nimmt den Beschwerdeführern auch nicht die Möglichkeit, sich gegen einen auf Grundlage des Hessischen Studienbeitragsgesetzes erlassenen Beitragsbescheid zur Wehr zu setzen. Nach Beschreiten des Rechtswegs können sie gegen die Urteile der Fachgerichte Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einlegen.

6

Nicht von vornherein ausgeschlossen wäre allerdings die Prüfung der Frage am Maßstab des Grundgesetzes, ob im Verfahren vor dem Staatsgerichtshof das Recht auf Gehör, das prozessuale Willkürverbot oder die Gesetzlichkeit des Richters beachtet wurden; denn auch im Verfahren vor den Landesverfassungsgerichten gelten die Prozessgrundrechte des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 60, 175 <210 ff.>). Eine Verletzung dieser Grundrechte haben die Beschwerdeführer jedoch nicht geltend gemacht.

7

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

8

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Papier
Bryde
Schluckebier

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