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Bundesverfassungsgericht
Beschl. v. 05.03.1991, Az.: 1 BvR 440/83

Vollstreckung gegen BRD; Karenzfrist; Vollstreckungsmaßnahmen nach Titelzustellung

Bibliographie

Gericht
BVerfG
Datum
05.03.1991
Aktenzeichen
1 BvR 440/83
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1991, 12253
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BVerfGE 84, 6 - 9
  • NJW 1991, 2758-2759 (Volltext mit red. LS)
  • NVwZ 1991, 1171 (red. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz

Bei einer Vollstreckung gegen die Bundesrepublik Deutschland sind Vollstreckungsmaßnahmen vor Ablauf von sechs Wochen nach Zustellung des vollstreckbaren Titels nicht angezeigt.

Gründe

1

I.

1. Die Beschwerdeführer hatten mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen das Volkszählungsgesetz 1983 Erfolg. Die Bundesrepublik Deutschland wurde verpflichtet, den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen zu erstatten. Mit Beschluß vom 20. Juni 1985 setzte die Rechtspflegerin die den Erinnerungsführem zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 15 516,77 DM nebst vier vom Hundert Zinsen seit dem 20. Februar 1985 fest.

2

2. Die Beschwerdeführer beantragten mit Schreiben vom 19. Juli 1985, die Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß analog § 170 Abs. 1 VwGO zu verfügen und die vorzunehmenden Vollstreckungsmaßnahmen zu bestimmen. Die Antragsgegnerin habe bislang keine Zahlungen geleistet, obwohl der Kostenfestsetzungsbeschluß dem Bundesminister des Innern am 24. Juni 1985 formlos mit der Bitte um Zahlung übermittelt worden sei.

3

Der Erstattungsbetrag wurde am 6. August 1985 einschließlich der bis dahin angefallenen Zinsen bezahlt. Die Beschwerdeführer nahmen daraufhin ihren Antrag zurück und beantragten, die Kosten für die anwaltliche Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung einschließlich eines Verzinsungsanspruchs auf 266,27 DM festzusetzen. Die stillschweigend eingeräumte Zahlungsfrist bis zum 19. Juli 1985 sei großzügig bemessen gewesen. Der Bundesminister des Innern habe weder Hinderungsgründe für die unterbliebene Zahlung mitgeteilt noch um Stundung gebeten.

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3. Die Antragsgegnerin wandte ein, für den Vollstreckungsantrag habe kein Rechtsschutzbedürfnis bestanden. An der Zahlungswilligkeit und -fähigkeit des Bundes hätte nicht ernsthaft gezweifelt werden können.

5

4. Mit Beschluß vom 19. November 1985 wies die Rechtspflegerin diesen Kostenfestsetzungsantrag zurück. Dagegen legten die Beschwerdeführer fristgerecht Erinnerung ein. Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache gemäß § 104 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 21 Abs. 2 RpflG dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

6

II.

Die Erinnerung ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 2 RpflG zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Rechtspflegerin hat den Antrag mit Recht zurückgewiesen.

7

1. Die Beschwerdeführer fordern die Erstattung von Anwaltsgebühren für eine Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung. Rechtsgrundlage dafür ist § 57 Abs. 1 BRAGO (§ 113 Abs. 2 BRAGO). Diese Kosten können im Verfahren nach §§ 103 ff. ZPO durch den Rechtspfleger (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 RpflG) festgesetzt werden (vgl. BGHZ 90, 207 (210) [BGH 23.02.1984 - IX ZR 26/83]).

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2. Die Gebühr kann zwar entstanden sein (a). Sie ist aber nicht erstattungsfähig (b).

9

a) Der Prozeßbevollmächtigte der Beschwerdeführer ist in der Zwangsvollstreckung tätig geworden (§ 57 Abs. 1 BRAGO). Sein Antrag, den Kostenfestsetzungsbeschluß durch eine Verfügung des Bundesverfassungsgerichts vollstrecken zu lassen, war gemäß § 170 VwGO statthaft. Diese Vorschrift war hier analog anzuwenden. Danach bestimmt das Gericht des ersten Rechtszuges die vorzunehmenden Vollstreckungsmaßnahmen und ersucht die zuständige Stelle um deren Vornahme. Die ersuchte Stelle ist verpflichtet, dem Ersuchen nach den für sie geltenden Vollstreckungsvorschriften nachzukommen. Der Vollstreckungschuldner muß von der Vollstreckung benachrichtigt und aufgefordert werden, sie innerhalb einer vom Gericht zu setzenden Frist abzuwenden. Die Frist darf einen Monat nicht übersteigen (vgl. § 170 Abs. 1 und 2 VwGO, § 152 Abs. 1 und 2 FGO). Diese Regelung ist dem verfassungsgerichtlichen Verfahren angemessen, das ebenso wie das verwaltungsgerichtliche von Amts wegen betrieben wird.

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b) Die Gebühr war jedoch nicht erstattungsfähig, weil sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in der Zwangsvollstreckung nicht notwendig war (§ 788 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 91 ZPO). Der Vollstreckungsantrag war verfrüht. Die Bundesregierung hatte noch keine Veranlassung gegeben, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzuleiten. Dem Vollstreckungsschuldner muß Gelegenheit gegeben werden, die Vollstreckung durch freiwillige Leistung abzuwenden. Dazu muß der Gläubiger ihm eine angemessene Frist einräumen. Ihre Länge richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles.

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Bei einer Vollstreckung gegen die Bundesrepublik Deutschland sind Vollstreckungsmaßnahmen vor Ablauf von sechs Wochen nach Zustellung des vollstreckbaren Titels nicht angezeigt. Für streitige Forderungen stehen oft keine Haushaltsmittel zur Verfügung. Außerplanmäßige Mittel bereitzustellen, kann durchaus einige Wochen in Anspruch nehmen. So lag es nach dem Vorbringen der Bundesregierung auch in diesem Fall. Darüber hinaus ist normalen Verzögerungen, wie sie bei der Bearbeitung eines Vorgangs in einer Behörde leicht auftreten können, in angemessenem Umfang Rechnung zu tragen. Eine Bearbeitungsdauer von insgesamt sechs Wochen fällt daher bei Vorgängen wie der Begleichung titulierter Forderungen nicht aus dem Rahmen. So lange kann der Vollstreckungsgläubiger auch warten. Ein Risiko ist damit für ihn nicht verbunden. An der Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Schuldners besteht kein Zweifel. Der Gläubiger kann darauf vertrauen, daß die an Recht und Gesetz gebundenen Träger der öffentlichen Verwaltung seine Forderung geschäftsmäßig bearbeiten und ohne Verzug begleichen werden, zumal der geschuldete Betrag verzinst werden muß. Kann allerdings auch eine Frist von sechs Wochen nicht eingehalten werden, muß der Hoheitsträger den Vollstreckungsschuldner über die Verzögerung unterrichten, wenn er vermeiden will, daß er mit den Kosten von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen belastet wird.

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(gez.) Herzog

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Henschel

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Grimm

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Söllner

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Dieterich

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Kühling

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Seibert