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Bundessozialgericht
Beschl. v. 02.05.2025, Az.: B 10 ÜG 3/24 BH

Beanspruchung der Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Dauer des Gerichtsverfahrens; Bewilligung von Prozeskostenhilfe; Verwerfung des Ablehnungsgesuchs

Bibliographie

Gericht
BSG
Datum
02.05.2025
Aktenzeichen
B 10 ÜG 3/24 BH
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2025, 16281
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:BSG:2025:020525BB10UEG324BH0

Verfahrensgang

vorgehend
LSG Berlin-Brandenburg - 29.05.2024 - AZ: L 37 SF 142/23 EK SO WA

Redaktioneller Leitsatz

Als Kosten der Prozessführung im Rahmen der Prozesskostenhilfe sind sämtliche Kosten, die der Kläger ab Wirksamwerden der Prozesskostenhilfe voraussichtlich aufzuwenden hat, unabhängig davon zu berücksichtigen, dass sie gegebenenfalls erst später fällig werden.

Der 10. Senat des Bundessozialgerichts hat am 2. Mai 2025 durch den Richter Othmer als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. Röhl und Dr. Schmidt
beschlossen:

Tenor:

Das Gesuch des Klägers auf Ablehnung des Richters am Bundessozialgericht O wird als offensichtlich unzulässig verworfen.

Dem Kläger wird für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. Mai 2024 grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm wird Rechtsanwalt A beigeordnet.

Der Kläger hat monatliche Raten in Höhe von jeweils XXX Euro beginnend ab dem 1.Juni 2025 zu zahlen.

Gründe

I

1

Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Dauer eines vor dem SG Berlin (S 146 SO 3432/12) und dem LSG Berlin-Brandenburg (L 15 SO 142/22 ZVW) geführten Verfahrens.

2

Nach Abschluss des Ausgangsverfahrens und Wiederaufnahme des Entschädigungsklageverfahrens (nach vorheriger Aussetzung) machte der Kläger Einlagerungskosten für Möbel als Folge einer Zwangsvollstreckung von zuletzt 8044,40 Euro sowie 100 000 Euro "immateriellen Schaden = Schmerzensgeldforderung" und 4800 Euro Entschädigung wegen einer Überlänge des Ausgangsverfahrens von vier Jahren geltend. Diesen Anspruch hat das LSG als Entschädigungsgericht verneint, weil das Ausgangsverfahren bereits keine unangemessene Dauer aufweise, auch wenn es sich ab Klageerhebung am 17.12.2012 bis zur Zustellung des Urteils des LSG im April 2023 über zehn Jahre und etwa vier Monate hingezogen habe. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens sei es in 21 Kalendermonaten zu gerichtlicher Inaktivität gekommen und im Berufungsverfahren lediglich zu zwei Kalendermonaten. Im Rahmen der wertenden Gesamtbetrachtung sei nach der Rechtsprechung des BSG die Vorbereitungs- und Bedenkzeit je Instanz von zwölf Monaten instanzübergreifend in Abzug zu bringen. Die sich danach auf 24 Monate belaufenden Vorbereitungs- und Bedenkzeiten überstiegen die aufgetretenen Phasen gerichtlicher Inaktivität von 23 Kalendermonaten (Urteil vom 29.5.2024). Mit Beschluss vom 19.8.2024 hat das LSG den Streitwert auf 112 844,40 Euro festgesetzt.

3

Nach Zustellung des Urteils am 1.7.2024 hat der Kläger mit einem am 22.7.2024 beim BSG eingegangen Schriftsatz vom 12.7.2024 Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung einer Nichtzulassungsbeschwerde unter Beiordnung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts beantragt. Mit Schreiben des Berichterstatters vom 20.11.2024 wurden vom Kläger noch Belege nachgefordert und ihm mitgeteilt, dass es im Fall der Gewährung von PKH zu einer Ratenzahlungsanordnung kommen könnte. Der daraufhin am 16.12.2024 beim BSG eingegangene Schriftsatz des Klägers vom 10.12.2024 mit der Anlage "Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes" vom 11.12.2024 richtet sich gegen den Richter am BSG O "wegen versuchter Erpressung". Mit am 3.4.2025 eingegangenem Schriftsatz vom 29.3.2025 hat der Kläger weiter mitgeteilt, dass ein Prozessbevollmächtigter vom Gericht "ausgewählt" werden soll.

II

4

1. Der Schriftsatz des Klägers mit "Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes...gegen Herrn O, Richter am Bundessozialgericht" vom 10.12.2024 ist als Gesuch auf Ablehnung des Richters am Bundessozialgericht O auszulegen und offensichtlich unzulässig, weil der Kläger keine substantiierten Tatsachen vorgetragen hat, die die Besorgnis der Befangenheit begründen könnten (vgl BSG Beschluss vom 7.11.2017 - B 10 ÜG 21/17 C - juris RdNr 5; Keller in MeyerLadewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 60 RdNr 10b). Deshalb ist der Senat auch nicht gehindert, über den Antrag des Klägers unter Mitwirkung des abgelehnten Richters zu entscheiden (vgl BSG Beschluss vom 17.3.2021 - B 10 SF 1/21 S - juris RdNr 2 mwN).

5

2. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung - wie vorliegend - hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies gilt nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs 1 Satz 2 ZPO auch für Antragsteller, die wie der Kläger, im innereuropäischen Ausland wohnen. Gemäß § 115 Abs 1 und 3 ZPO hat die Partei ihr verfügbares Einkommen und Vermögen einzusetzen.

6

Ausgehend von den vom Kläger gemachten Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen sowie der übersandten Unterlagen hierzu verfügt der Kläger über folgende monatliche Einkünfte seit Januar 2025:

Eine österreichische Rente in Höhe von XXX Euro, die 14 x jährlich gezahlt wird, sodass sich ein monatlicher Durchschnitt von XXX Euro ergibt. Hinzu kommen XXX Euro österreichische Wohnungsbeihilfe, die als Einkommen angerechnet werden können sowie eine deutsche Rente in monatlicher Höhe von XXX Euro. Hiernach ergibt sich ein monatliches Gesamteinkommen in Höhe von XXX Euro netto. Davon sind gemäß § 115 Abs 1 Satz 3 Nr 1 bis 4 ZPO folgende monatliche Belastungen abzuziehen:

Freibetrag Partei619,00 Euro
Miete (inklusiv Nebenkosten)XXX Euro
........................................................................................................
Hausrat-, HaftpflichtversicherungXXX Euro
UnfallversicherungXXX Euro
Einzusetzendes Einkommen:XXX Euro
7

Die Rechtschutzversicherung des Klägers kann nicht berücksichtigt werden, da sie erst nach Beginn des Prozesses abgeschlossen wurde (OLG Bamberg, Beschluss vom 28.3.1990 - 7 WF 63/90 - JurBüro 1990, 1644). Nach § 115 Abs 2 Satz 1 ZPO stellt die monatlich zu leistende Rate die Hälfte des einzusetzenden Einkommens dar, sodass sich vorliegend eine Ratenhöhe von abgerundet xxx Euro ergibt. Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen (§ 115 Abs 4 ZPO). Prozesskosten sind die Anwaltskosten (§ 1 Abs 1 RVG, dazu unter a) sowie die gerichtlichen Gebühren und Auslagen (§ 1 Abs 2 Nr 3 GKG, dazu unter b) des Rechtszugs (§ 119 Abs 1 Satz 1 ZPO). Zu berücksichtigen sind die Kosten, die der Kläger ab Wirksamwerden der PKH voraussichtlich aufzuwenden hat, auch wenn sie erst später fällig werden (OLG Karlsruhe Beschluss vom 14.12.2021 - 10 U 9/21 - MDR 2022, 792 - juris RdNr 7).

8

a) Die voraussichtlichen außergerichtlichen Verfahrenskosten im Beschwerdeverfahren belaufen sich bei einem Streitwert von 112 844,40 Euro auf 1278,54 Euro (§§ 2, 12, 13, 23a, 49 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz <RVG>):

a) 1,6fache Verfahrensgebühr nach Nr 3506 Anl 1 i.V.m. Anl 2 zum RVG1054,40 Euro
b) Auslagenpauschale nach Nr 7002 Anlage 1 zum RVG20,00 Euro
c) Umsatzsteuer nach Nr 7008 Anlage 1 zum RVG204,14 Euro
= 1278,54 Euro.
9

b) Zu berücksichtigen sind ferner die zu erwartenden Gerichtskosten (§ 197a Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGG). Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde entsteht nach Nr 7502 der Anlage 1 Kostenverzeichnis (KV) zum GKG eine 2fache Gebühr (2522,00 Euro), soweit die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird. Bei einer Rücknahme fällt nach Nr 7503 KV zum GKG eine einfache Gebühr (1261,00 Euro) an. Die Gebühr entsteht nicht, soweit die Revision zugelassen wird (Satz 2 in Nr 7503 KV zum GKG). Dass diese Gerichtsgebühren gegenüber dem Kläger bei der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (noch) nicht fällig sind (vgl § 6 Abs 1 GKG), steht dem nicht entgegen (OLG Karlsruhe Beschluss vom 14.12.2021 - 10 U 9/21 - MDR 2022, 792 - juris RdNr 7). Unabhängig von der Frage der Fälligkeit oder Vorschusspflicht sind die voraussichtlichen Gerichtskosten zu berücksichtigen (vgl OLG Karlsruhe aaO). Vorliegend kann die Höhe der zu berücksichtigenden Gebühr jedoch dahingestellt bleiben, da bereits die anwaltlichen Kosten über den vier Monatsraten (= xxx Euro) liegen (§ 115 Abs 4 ZPO), sodass dem Kläger PKH mit monatlichen Raten à xxx Euro zu bewilligen ist.

10

Dem Kläger ist antragsgemäß der nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 Abs 1 ZPO beigeordnete Prozessbevollmächtigte vom Gericht ausgewählt worden (§ 73a Abs 1 Satz 2 SGG).