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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 10.01.2024, Az.: XII ZB 572/23
Erteilung der gerichtlichen Einwilligung in die Zwangsbehandlung eines Betroffenen
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 10.01.2024
Referenz: JurionRS 2024, 10310
Aktenzeichen: XII ZB 572/23
ECLI: ECLI:DE:BGH:2024:100124BXIIZB572.23.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Burg - 09.05.2023 - AZ: 63 XVII 155/22

LG Stendal - 22.11.2023 - AZ: 25 T 82/23

Rechtsgrundlagen:

§ 63 StGB

§ 9a Abs. 2 S. 2 MVollzG LSA

BGH, 10.01.2024 - XII ZB 572/23

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2024 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer und Dr. Botur und die Richterinnen Dr. Krüger und Dr. Recknagel
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Betroffenen, im Wege der einstweiligen Anordnung die Vollziehung des Beschlusses der Zivilkammer 5 des Landgerichts Stendal vom 22. November 2023 bis zur Entscheidung über seine Rechtsbeschwerde auszusetzen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der nach § 63 StGB untergebrachte Betroffene wendet sich gegen die gerichtliche Einwilligung in seine Zwangsbehandlung.

2

Der 43-jährige Betroffene leidet seit vielen Jahren unter einer paranoiden Schizophrenie. Nachdem er seinem Vater mit einem Messer in den Rücken gestochen hatte, wurde im Jahr 2008 seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Eine medikamentöse Behandlung lehnte der Betroffene überwiegend ab. Lediglich im Zeitraum vom 12. April 2018 bis zum 15. November 2020 ließ er sich auf eine Behandlung mit Abilify (Wirkstoff Aripiprazol) ein, davon allerdings nur vom 10. Oktober 2019 bis zum 15. November 2020 mit der ärztlich zur Erreichung eines ausreichenden Wirkspiegels empfohlenen Tagesdosis von 20 mg Aripiprazol (oral). Seit diesem Zeitpunkt verweigert der Betroffene wieder jegliche Medikation.

3

Mit Schreiben vom 6. Juli 2021 hat die Leiterin der Einrichtung, in welcher der Betroffene lebt (im Folgenden: Antragstellerin), die Erteilung der gerichtlichen Einwilligung in die Zwangsbehandlung des Betroffenen mit dem Depotpräparat Abilify beantragt. Nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens und persönlicher Anhörung des Betroffenen hat das Amtsgericht die Erteilung der Einwilligung abgelehnt. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das Landgericht nach Einholung eines Ergänzungsgutachtens und erneuter persönlicher Anhörung des Betroffenen die Einwilligung in die zweimalige Verabreichung von Abilify Maintena 400 mg (Wirkstoff Aripiprazol) 28-tägig intramuskulär (Depotspritze) im Zeitraum vom 16. Januar 2024 bis zum 26. Februar 2024 erteilt. Es hat zudem die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung angeordnet.

4

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Er begehrt bei noch laufender (bis zum 29. Februar 2024 verlängerter) Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde die Aufhebung der Anordnung der sofortigen Wirksamkeit des angefochtenen Beschlusses.

II.

5

Der Antrag auf einstweilige Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses ist in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG statthaft (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2018 - XII ZB 411/18 - FamRZ 2019, 115 Rn. 3 mwN) und auch im Übrigen zulässig. Er ist jedoch unbegründet.

6

1. Das Rechtsbeschwerdegericht hat über den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 64 Abs. 3 FamFG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die drohenden Nachteile für den Rechtsbeschwerdeführer gegeneinander abzuwägen. Die Aussetzung der Vollziehung eines Beschlusses über die Erteilung der Einwilligung in eine Zwangsbehandlung des Betroffenen wird danach regelmäßig nur dann in Betracht kommen, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung zumindest überwiegend wahrscheinlich ist, dass die Rechtsbeschwerde des Betroffenen Erfolg haben wird, oder die Rechtslage jedenfalls zweifelhaft erscheint (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2018 - XII ZB 411/18 - FamRZ 2019, 115 Rn. 5 mwN; BGH Beschluss vom 21. Dezember 2017 - V ZB 249/17 - InfAuslR 2018, 99 Rn. 8).

7

2. Daran fehlt es hier.

8

a) Das Beschwerdegericht hat die Einwilligung in die Zwangsbehandlung des Betroffenen gemäß § 9 a Abs. 2 Satz 2 des Maßregelvollzugsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt in der Fassung vom 25. März 2021 (GVBl. LSA S. 120 - MVollzG LSA) unter Berücksichtigung der nach § 329 Abs. 1 Satz 2 FamFG zulässigen Höchstdauer erteilt. Dabei hat es die für eine ärztliche Behandlung gegen den natürlichen Willen des Betroffenen erforderlichen Voraussetzungen nach § 9 a Abs. 1 MVollzG LSA geprüft und bejaht. Ferner hat es nach §§ 69 Abs. 3, 324 Abs. 2 FamFG die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung angeordnet.

9

b) Der Betroffene erstrebt den Erlass der einstweiligen Anordnung während der noch laufenden Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde, ohne jedoch Umstände darzulegen, aus denen sich die Notwendigkeit einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung und für ein sofortiges Einschreiten des Rechtsbeschwerdegerichts ergeben (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Juli 2005 - XII ZB 103/05 - juris Rn. 9; Sternal/Sternal FamFG 21. Aufl. § 64 Rn. 79). Solche Umstände sind auch nicht anderweitig ersichtlich, so dass der Senat weder - nach der gebotenen summarischen Prüfung - eine Erfolgsaussicht der Rechtsbeschwerde noch überwiegende Gründe für die Aussetzung der Vollziehung feststellen kann. Auch erscheint die Rechtslage nicht zweifelhaft.

Guhling

Klinkhammer

Botur

Krüger

Recknagel

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