Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Urt. v. 12.12.2023, Az.: X ZR 126/21
Patentfähigkeit und Schutzfähigkeit des Streitpatents "Klammergreifer für ein Gefäß-Transportsystem" als Erfindung
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 12.12.2023
Referenz: JurionRS 2023, 51221
Aktenzeichen: X ZR 126/21
ECLI: ECLI:DE:BGH:2023:121223UXZR126.21.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

BPatG - 19.10.2021 - AZ: 4 Ni 41/19 (EP)

Rechtsgrundlage:

§ 4 PatG

BGH, 12.12.2023 - X ZR 126/21

Redaktioneller Leitsatz:

Das mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilte europäische Patent 2 548 824, welches einen Klammergreifer für ein Gefäß-Transportsystem betrifft, ist nichtig.

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2023 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bacher, die Richter Hoffmann und Dr. Deichfuß, die Richterin Dr. Rombach und den Richter Dr. Crummenerl
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 19. Oktober 2021 abgeändert.

Das europäische Patent 2 548 824 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland auch im Umfang der Patentansprüche 3 und 5 für nichtig erklärt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 548 824 (Streitpatents), welches am 25. Januar 2006 unter Inanspruchnahme einer Priorität einer deutschen Gebrauchsmusteranmeldung vom 23. Februar 2005 angemeldet wurde und einen Klammergreifer für ein Gefäß-Transportsystem betrifft.

2

Patentanspruch 1, auf den zehn weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

Klammergreifer (K1, K2) für ein Gefäß-Transportsystem, insbesondere für ein Flaschen-Transportsystem, mit zwei je einen Greifbereich (9) aufweisenden Greiferarmen (7), die um eine oder um zwei Achsen (5) zwischen einer Greifstellung und einer Freigabestellung durch einen Steuernocken (21) mechanisch gesteuert schwenkbar und in Richtung zur Freigabestellung durch einen Kraftspeicher federnd beaufschlagt sind, dadurch gekennzeichnet, dass der Kraftspeicher mindestens ein Paar einander abstoßender Permanentmagnete (P1, P2) an den Greiferarmen (7) aufweist.

3

Die Klägerin hat das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1, 3, 4 und 5 angegriffen und geltend gemacht, die darin geschützte Erfindung sei nicht so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Zudem gehe der angegriffene Gegenstand über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung verteidigt.

4

Das Patentgericht hat das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 und 4 für nichtig erklärt und die weitergehende Klage abgewiesen.

5

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Klageziel weiterverfolgt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

6

Die zulässige Berufung hat Erfolg und führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents im beantragten Umfang.

7

I. Das Streitpatent betrifft einen Klammergreifer für ein Gefäß-Transportsystem.

8

1. Nach der Beschreibung des Streitpatents müssen Behältertransportsysteme, insbesondere Flaschen-Transportsysteme, hohe Anforderungen hinsichtlich der mikrobiologischen Verhältnisse und der Reinigung erfüllen und über lange Standzeiten und für sehr hohe Arbeitsfrequenzen betriebssicher sein.

9

Körperliche Federn wie Spiralfedern oder Gummifedern oder dergleichen, die in der Nähe des Greifbereiches, d. h. nahe bei den ergriffenen Behältern positioniert würden, seien im Hinblick auf die Mikrobiologie und die Reinigung kritisch, weil sich dort kleine Verschmutzungen leicht absetzten. Sie seien ferner häufig anfällig gegen aggressive Reinigungsmedien, die die Feder-Standzeit verkürzten, und könnten jederzeit mechanisch beschädigt werden oder brechen. Außerdem könnten die Federn beim Arbeiten Abrieb oder Inhaltsstoffe absondern (Abs. 5).

10

Zur Verbesserung sei vorgeschlagen worden, einen Zuhalte-Mechanismus mit einander anziehenden Permanentmagneten vorzusehen. Solche Magnete könnten indes bei Berührung oder extremer Annäherung eine extrem hohe Löse- oder Losbrechkraft erfordern, die zu einer unerwünschten Schnappbewegung des Klammergreifers und zu extrem hohen mechanischen Belastungen führen könne (Abs. 6).

11

2. Dem Streitpatent liegt vor diesem Hintergrund das technische Problem zugrunde, einen funktionssicheren, leicht zu reinigenden und mikrobiologisch vorteilhaften Klammergreifer zur Verfügung zu stellen.

12

3. Zur Lösung schlägt das Streitpatent in den Patentansprüchen 1, 3 und 5 einen Klammergreifer vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

13

a) Patentanspruch 1

  1. 1.1

    Klammergreifer (K1, K2) für ein Gefäß-Transportsystem, insbesondere für ein Flaschen-Transportsystem,

  2. 1.2

    mit zwei Greiferarmen (7), die je einen Greifbereich (9) aufweisen und

    1. 1.2.1

      um eine oder um zwei Achsen (5) zwischen einer Greifstellung und einer Freigabestellung schwenkbar sind,

    2. 1.2.2

      und zwar mechanisch gesteuert durch einen Steuernocken (21), und

    3. 1.2.3

      in Richtung zur Freigabestellung durch einen Kraftspeicher federnd beaufschlagt sind.

  3. 1.3

    Der Kraftspeicher weist mindestens ein Paar einander abstoßender Permanentmagnete (P1, P2) an den Greiferarmen (7) auf.

14

b) Zusätzliches Merkmal nach Patentanspruch 3

  1. 3.1

    Jeder Permanentmagnet (P1, P2) ist in nicht-magnetisches Material, vorzugsweise Edelstahl, eingekapselt.

15

c) Zusätzliche Merkmale nach Patentanspruch 5 (mit Rückbezug auf Anspruch 3)

  1. 5.1

    Jeder Permanentmagnet (P1, P2) ist

    1. 5.1.1

      zylinderförmig und

    2. 5.1.2

      in einem am Greiferarm (7) befestigten Kapselgehäuse (12) geborgen.

16

4. Einige Merkmale bedürfen der näheren Erläuterung.

17

a) Zutreffend und von der Berufung nicht beanstandet hat das Patentgericht angenommen, dass der Greifbereich im Sinne von Merkmal 1.2 derjenige Bereich eines Greiferarms ist, der die Behälter greift (Abs. 5, Abs. 14).

18

b) Aus Merkmal 1.2.3 hat das Patentgericht zutreffend abgeleitet, dass die Federwirkung des Kraftspeichers so ausgerichtet sein muss, dass sie die Greiferarme in die Freigabestellung bewegt, wenn dem nicht der Steuernocken entgegenwirkt.

19

c) Diese Kraft wird gemäß Merkmal 1.3 durch mindestens zwei einander abstoßende Permanentmagnete bewirkt, die an den Greiferarmen angeordnet sind.

20

Der Einsatz solcher Magnete ermöglicht eine Krafteinwirkung ohne körperliche Verbindungselemente, an denen sich Verunreinigungen bilden können oder die durch Reinigungsprozesse in Mitleidenschaft gezogen werden (Abs. 11 Z. 55 ff.).

21

Die Anordnung der Magnete in der Weise, dass sie sich gegenseitig abstoßen, ermöglicht eine Kraftentwicklung ohne spürbaren Losbrechdruck. Die Abstoßkraft nimmt von einem Maximum bei maximaler Annäherung entsprechend der Federcharakteristik ab, wenn sich die Magnete voneinander wegbewegen (Abs. 11 Z. 45-55).

22

d) Zutreffend ist das Patentgericht davon ausgegangen, dass die Magnete auch dann im Sinne von Merkmal 1.3 am Greiferarm angeordnet sind, wenn sie in diesen eingebettet sind, wie dies bei einem der im Streitpatent beschriebenen Ausführungsbeispiele der Fall ist (Abs. 31 Z. 17-21).

23

Die Magnete können auch in Kapselgehäusen geborgen sein, die mit Haltefüßen in den Greiferarmen festgelegt sind (Abs. 18).

24

e) Eine Einkapselung im Sinne von Merkmal 3.1 erfordert, dass der Magnet vollständig in einem nicht magnetischen Material eingeschlossen ist.

25

aa) Dies entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch des Begriffs "eingekapselt" und steht in Einklang mit dem Zweck, der einer Einkapselung nach dem Streitpatent zukommt.

26

Nach der Beschreibung des Streitpatents sollen mit der Einkapselung Absetzräume für Keime und Verunreinigungen und schädliche Einflüsse aggressiver und mit hohem Druck eingesetzter Reinigungsmittel vermieden werden (Abs. 13). Dem entsprechend kann ein Kapselgehäuse aus einem Topf bestehen, dessen offene Seite durch einen Deckel verschlossen ist, der beispielsweise verschweißt ist (Abs. 16).

27

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus den Ausführungen, wonach die offene Seite des Topfes durch einen Edelstahldeckel verschlossen sein kann (Abs. 27), kein abweichendes Verständnis.

28

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob nach diesen Ausführungen nur die Auswahl von Edelstahl als Material für den Deckel optional ist oder schon das Anbringen eines Deckels. Auch wenn letzteres zu bejahen wäre, ergäbe sich daraus nicht, dass auch eine Ausführung ohne Deckel der Anforderung "eingekapselt" entspricht.

29

Die Beschreibung verwendet den Begriff "einkapseln" nur im Zusammenhang mit der bereits erwähnten Zielsetzung der Vermeidung von Absetzräumen und schädlichen Einflüssen (Abs. 13), nicht aber in Zusammenhang mit den Ausführungsformen, wonach das Kapselgehäuse verschlossen sein kann (Abs. 27).

30

cc) Vor diesem Hintergrund lässt sich auch aus den Merkmalen 5.1.1 und 5.1.2 kein weiteres Verständnis ableiten.

31

Diese Merkmale sehen zur Aufnahme des Magneten zwar weder ein Einkapseln noch einen Deckel vor, sondern lediglich ein Kapselgehäuse. Aus dem Rückbezug auf Anspruch 3 mit Merkmal 3.1 wird aber deutlich, dass es sich dabei um zusätzliche Anforderungen handelt.

32

dd) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist ein separates Kapselgehäuse nur nach Patentanspruch 5 erforderlich, nicht aber nach Anspruch 3.

33

Nach der Beschreibung kann der Magnet direkt in den Greiferarm eingebettet sein, sofern dieser aus nicht magnetischem Material besteht (Abs. 31).

34

In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob der Begriff "einbetten" identisch ist mit "einkapseln", also ebenfalls ein allseitiges Umschließen erfordert. Sollte dies zu verneinen sein, wäre "einbetten" vor dem Hintergrund der bereits erwähnten Ausführungen in der Beschreibung (Abs. 13, 16, 27) als Oberbegriff zu verstehen, der "einkapseln" als spezielle Ausführungsform mit umfasst.

35

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung - soweit im Berufungsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

36

Die Gegenstände der angegriffenen Ansprüche gingen nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten, mit der Offenlegungsschrift (WO 2006/089610 A1, Ni3) übereinstimmenden Unterlagen hinaus. Die in Merkmal 1.2 enthaltene Angabe "je einen Greifbereich (9) aufweisende" sei durch die in Ni3 enthaltenen Ausführungen offenbart, in denen von einem "jeweiligen Greifbereich ... des Greiferarms" die Rede sei. Entgegen der Auffassung der Klägerin stehe Merkmal 1.2.2 nicht in zwingendem Zusammenhang mit der zusätzlichen Anforderung, dass der Steuernocken zwischen den Verlängerungen angeordnet ist. Merkmal 1.3 sei durch die Angabe "an den Greiferarmen (7)" nicht unzulässig erweitert, weil der Fachmann, ein Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit besonderen Kenntnissen und mehrjähriger Berufserfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von Transportsystemen für Behälter, insbesondere Flaschen, dies Ni3 als mögliche Ausgestaltung entnehme. Es fehle auch an einer unzulässigen Verallgemeinerung gegenüber den ursprünglichen Patentansprüchen 4 oder 11. Das in Patentanspruch 5 nicht aufgenommene Merkmal, wonach das Kapselgehäuse mit einem Haltefuß in einer Aufnahme an der Innenseite des Greiferarms sitze, stehe nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den übrigen Merkmalen des ursprünglichen Anspruchs 12.

37

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei durch das deutsche Gebrauchsmuster 299 15 927 (Ni6) in Verbindung mit der japanischen Offenlegungsschrift 2000-255736 (Ni7) nahegelegt. Ni6 betreffe einen gattungsgemäßen Klammergreifer, der sich lediglich durch das Merkmal 1.3 vom Gegenstand des Streitpatents unterscheide. Aufgrund der dem Fachmann geläufigen Verschleißmöglichkeiten bei der in Ni6 gezeigten mechanischen Feder habe Anlass bestanden, diese durch ein verschleißfreies Bauteil zu ersetzen. Hierzu erhalte der Fachmann aus Ni7 die Anregung, einander abstoßende Magnete zu verwenden.

38

Hingegen sei der Gegenstand des Patentanspruchs 3 patentfähig.

39

Aus keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften sei ein Klammergreifer mit dem Merkmal 3.1 bekannt. Daher könne auch von keiner dieser Entgegenhaltungen für sich oder in beliebiger Kombination untereinander eine Anregung zu diesem Merkmal ausgehen.

40

Das allgemeine fachmännische Wissen gebe keine Anregung, jeden Permanentmagneten in nichtmagnetisches Material einzukapseln. Der Stand der Technik, wie ihn die 23 Entgegenhaltungen im erstinstanzlichen Verfahren widerspiegelten, sei vielmehr davon geprägt, Permanentmagnete in Bauteile einzubetten, nicht jedoch zusätzlich in ein nichtmagnetisches Material einzukapseln. Auch Ni7 und die US-amerikanische Patentschrift 5 713 538 (Ni9) beschrieben jeweils eine Einbettung und keine Einkapselung.

41

Ob die US-amerikanische Patentschrift 6 386 609 (Ni22) eingekapselte Magnete offenbare, könne dahingestellt bleiben. Ni22 betreffe keinen Klammergreifer für ein Gefäßtransportsystem, sondern das Greifen von Wafern oder anderen leichtgewichtigen Trägern. Dies sei eine vom Stand der Technik nach Ni6 oder Ni7 entfernt liegende technische Lösung für eine andere Aufgabe, so dass der Fachmann ausgehend von Ni6 und Ni7 die Druckschrift Ni22 nicht berücksichtigen werde. Selbst wenn der Fachmann die Ni22 in Betracht ziehen würde, sei kein Grund ersichtlich, weshalb er die in Figur 2 lediglich schematisch dargestellte Einkapselung der Magnete, für die keine Vorteile erwähnt würden, auch auf Klammergreifer nach Ni6 und Ni7 übertragen sollte.

42

Die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften lägen vom Gegenstand des Patentanspruchs 3 weiter ab. Sie offenbarten nichts, was zusätzlich in Richtung der Erfindung gemäß Patentanspruch 3 weise. Auch die Klägerin mache insoweit nichts geltend.

43

III. Diese Beurteilung hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

44

1. Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand der Patentansprüche 3 und 5 in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart ist.

45

a) Entgegen der Auffassung der Berufung steht die in der Anmeldung (Ni3 S. 6 Abs. 4, S. 7 Abs. 2, S. 12 Abs. 3) ebenso wie im Streitpatent (Abs. 18, 20, 26) beschriebene Ausführung des Kapselgehäuses mit verstellbaren Fußteilen nicht in zwingendem Zusammenhang mit dem Einsatz eines Kapselgehäuses.

46

Den genannten Ausführungen ist zu entnehmen, dass ein solches Fußteil und dessen Verstellbarkeit zusätzliche Vorteile bieten, die verwirklicht werden können, aber nicht zwingend verwirklicht werden müssen.

47

b) Entsprechendes gilt bezüglich der Ausführungen zur Ausgestaltung des Kapselgehäuses mit einem dünnwandigen Boden und einem dickwandigen Deckel.

48

Diese Ausgestaltung des Kapselgehäuses ist in der Anmeldung nur als mögliches Beispiel angeführt (Ni3 S. 10 unten). Daraus ergibt sich, dass auch andere Ausführungsformen eines Kapselgehäuses zur Erfindung gehören sollen.

49

2. Zu Recht und von der Berufung nicht beanstandet hat das Patentgericht entschieden, dass Ni6 den Gegenstand von Patentanspruch 3 nicht vollständig offenbart.

50

a) Ni6 betrifft einen Flaschengreifer, insbesondere für eine Transportvorrichtung (Abs. 1).

51

Nach den Ausführungen der Ni6 arbeitet im Regelfall ein Betätigungsnocken gegen eine Rückstellfederkraft. Beim Verdrehen des Betätigungsnockens liege zwischen diesem und der Anlagefläche ein Punkt- oder Linienkontakt vor, der zu hoher spezifischer Flächenpressung an der Anlagefläche und am Betätigungsnocken führe. Dies führe zu relativ starkem Verschleiß (S. 1 f.).

52

Zur Verbesserung schlägt Ni6 einen im Wesentlichen flächig kontaktierenden Gleitklotz vor (S. 3 Abs. 2).

53

Ein Ausführungsbeispiel ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 dargestellt.

string
54

Der Flaschengreifer (F) weist zwei Greifarme (G) auf, die um eine Achse (3) schwenkbar gelagert sind. Eine Federeinrichtung (4) spannt die Greifarme (G) in Öffnungsrichtung aus der in Fig. 1 gezeigten Greifstellung vor (S. 6 Abs. 3).

55

Jeder Greifarm (G) ist am Betätigungsende (2) mit einer Anlagefläche (A) ausgestattet, die zur Zusammenarbeit mit einem Betätigungsnocken (B) dient, um die Greifarme (G) in die gezeigte Greifstellung zu bewegen. Der Betätigungsnocken (B) wird mittels eines Steuernockens (S) um eine Achse (8) verdreht (S. 6 Abs. 10 bis S. 7 Abs. 1). Dank der Federeinrichtung (4) würden die Gleitflächen (C) stets in Anlage an den Anlageflächen (A) gehalten (S. 8 Abs. 1).

56

b) Offenbart sind damit die Merkmale 1.1 bis 1.2.3.

57

c) Nicht offenbart sind die Merkmale 1.3 und 3.1.

58

3. Wie auch die Klägerin nicht mehr in Zweifel zieht, ist der Gegenstand des Patentanspruchs 3 durch Ni7 ebenfalls nicht vorweggenommen.

59

a) Ni7 betrifft eine Behältertransportvorrichtung, insbesondere für Fertigungs- oder Abfüllanlagen (Abs. 1 und 3).

60

Bei dem Transport von hohen Behältern für Getränke oder leichten leeren PET-Behältern mit hoher Geschwindigkeit können diese umkippen (Abs. 4).

61

Um dies zu vermeiden, schlägt Ni7 Greifer vor, die in zu einer Endlosschleife zusammengefügten Kettenelementen integriert oder an diesen befestigt sind, die Behälter greifen und herabhängen lassen können und eine Umschaltung zwischen Halte- und einem Freigabezustand ermöglichen (Abs. 6).

62

aa) Eine Ausführungsform, die in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 7 dargestellt ist, weist ein Vorspannelement auf, das das Hebelelementpaar zur Halteseite vorspannt (Abs. 16).

string
63

Als Vorspannelement dient eine im Mittelbereich der Hebelelemente (E10) angebrachte Spiralfeder (E20). Diese drängt die rechts und links paarweise an den Hebelelementen (E10) angebrachten Klauen (E1a) normalerweise zueinander hin (Abs. 34). Durch Druck auf obere Eckabschnitte (E1b) der Außenseite der Hebelelemente (E10) nach innen drehen sich die Hebelelemente (E10) gegen den Widerstand der Spiralfedern (E20) jeweils um die Stifte (D16) nach außen (Abs. 37). Mittels einer Greif- und Freigabenocke (G1, G2) wird zwischen Halteund Freigabezustand umgeschaltet (Abs. 44).

64

bb) Als alternative Konfiguration wird eine Ausgestaltung vorgeschlagen, bei der das Vorspannelement seine Vorspannkraft durch magnetische Abstoßungs- oder Anziehungskraft erlangt (Abs. 18, Abs. 72, Patentanspruch 7).

65

Ausführungsbeispiele für eine solche Ausgestaltung sind in den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 17 und 18 dargestellt.

string
66

Bei der Ausführungsform nach Figur 17 stößt sich ein Magnetpaar (M10/M20) gegenseitig ab und hält die Hebelelemente (E10) dadurch normalerweise in Schließstellung (Abs. 74).

67

Bei der Ausführungsform nach Figur 18 zieht sich ein Magnetpaar (M30/M40) gegenseitig an und hält die Hebelelemente (E10) dadurch normalerweise in Schließstellung (Abs. 75). Zwei zusätzliche Magnetpaare (M50/M70, M60/M80), die an bestimmten Stellen der Fördereinrichtung angebracht sind, werden als Umschalteinrichtung eingesetzt. Diese Magnetpaare stoßen sich gegenseitig ab und wirken damit der Vorspannkraft entgegen, so dass die Hebelelemente (E10) zur Freigabeseite gedreht werden (Abs. 76).

68

Diese Ausgestaltung ermögliche eine einfache, preiswerte Konfiguration ohne die Gefahr von Schäden, da sie berührungslos sei, keinen Abrieb erzeuge und zudem Stöße auf die Greifer unterbinde (Abs. 77, 85).

69

cc) Die Konfiguration der einzelnen Bauteile wie Greifer, Greifnocke, Freigabenocke usw. überlässt Ni7 dem Ermessen des Fachmanns. Wenn es um vergleichsweise leichte Behälter gehe, könnten die Bauteile aus ölhaltigem Harz bestehen, bei schweren Behältern aus Stahl oder rostfreiem Stahl (Abs. 63).

70

b) Damit offenbart Ni7 einen Greifer mit den Merkmalen 1.1, 1.2, 1.2.1 und 1.2.2.

71

c) Nicht eindeutig und unmittelbar offenbart ist die Kombination der Merkmale 1.2.3 und 1.3.

72

Sowohl in Figur 7 als auch in den Figuren 17 und 18 ist die Federwirkung so ausgerichtet, dass der Greifer nicht in Richtung zur Freigabestellung vorgespannt wird, sondern in Richtung zur Greifstellung.

73

d) Ebenfalls nicht offenbart ist Merkmal 3.1.

74

Eine Einkapselung von Magneten ist in Ni7 nicht erwähnt.

75

4. Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 ausgehend von Ni6 durch Ni7 nahegelegt war.

76

a) Ausgehend von der Ni6 bestand Anlass, nach Alternativen für die dort als Vorspannelement eingesetzten Federn zu suchen.

77

aa) Nach den Feststellungen des Patentgerichts waren die auch im Streitpatent geschilderten Nachteile von mechanischen Federn im Zusammenhang mit Flaschengreifern im Stand der Technik geläufig.

78

Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit dieser Feststellung begründen, sind weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich.

79

bb) Auf der Suche nach Alternativen bot sich die ergänzende Heranziehung von Ni7 an.

80

Ni7 befasst sich ebenso wie Ni6 mit Flaschengreifern. Die Entgegenhaltung spricht die Nachteile von mechanischen Federn ausdrücklich an und benennt mit magnetisch wirkenden Elementen eine konkrete Alternative.

81

Dies gab Anlass, eine Kombination von Ni6 und Ni7 in Betracht zu ziehen.

82

cc) Ausgehend davon war die Kombination der Merkmale 1.2.3 und 1.3 nahegelegt.

83

Anders als Ni7 offenbart Ni6 einen Greifer, der in Richtung zur Freigabestellung vorgespannt ist. Dies gab Anlass zur Befassung mit der Frage, ob die in Ni7 benannte Alternative auch für diesen Einsatzzweck in Betracht kommt.

84

Hierzu ergab sich aus Ni7, dass die Kraft von einander abstoßenden Magneten auch dazu eingesetzt werden kann, um den Greifer in die Freigabestellung zu bewegen. In dem Ausführungsbeispiel aus Figur 18 von Ni7 wird eine solche Kraft zwar nicht zum Vorspannen eingesetzt, sondern zum Betätigen der Greifer entgegen einer Vorspannkraft. Ein Vergleich der unterschiedlichen Szenarien, in denen Magnetpaare in den Figuren 17 und 18 eingesetzt werden, ließ aber hinreichend deutlich erkennen, dass mit solchen Vorrichtungen grundsätzlich die gleiche Wirkung erzielt werden kann wie mit einer mechanischen Feder. Hieraus ergab sich Anlass, auch die in Ni6 zum Vorspannen in Richtung der Freigabestellung eingesetzte Feder durch einander abstoßende Magnete zu ersetzen.

85

5. Mit Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Auffassung des Patentgerichts, der Gegenstand des Patentanspruchs 3 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.

86

Es bestand Veranlassung, die Kombination aus Ni6 und Ni7 so auszugestalten, dass die als Vorspannmittel nahegelegten Magnete in Greiferarme aus rostfreiem Stahl eingebracht und von diesem vollständig umschlossen und damit im Sinne von Merkmal 3.1 eingekapselt werden.

87

a) Weder der schematischen Darstellung in den Figuren 17 und 18 noch dem sonstigen Inhalt von Ni7 lassen sich ausdrückliche Hinweise darauf entnehmen, wie die Permanentmagnete an der Greifeinrichtung befestigt werden sollen.

88

b) Bei dieser Ausgangslage bestand Anlass, sich näher mit der Befestigung der Permanentmagnete zu befassen und hierbei nach Möglichkeiten zu suchen, um der in Ni6 formulierten Zielsetzung eines Flaschengreifers mit langer Standzeit und hoher Betriebssicherheit (Ni6 S. 1 bis S. 2 Abs. 2) möglichst nahe zu kommen.

89

c) Ausgehend davon bot sich die europäische Patentanmeldung 1 375 395 (Ni10) als zusätzliche Erkenntnisquelle an.

90

aa) Ni10 führt aus, die Verwendung von Magneten vermeide das bei Federn auftretende Problem der Materialermüdung (Abs. 6). Bei Anwendungen in der Lebensmittelindustrie, etwa bei einem Karussell zum Spülen von Flaschen oder ähnlichen Behältern, wiesen die Federn und deren Befestigungsmittel an den Schwenkarmen zudem Stellen auf, an denen sich Bakterien ansammeln. Dies erfordere eine sorgfältige Reinigung, wodurch Wartungsarbeiten verlängert und erschwert würden (Abs. 7).

91

Zur Vermeidung dieser Nachteile schlägt Ni10 eine Greifeinrichtung vor, die zum Halten der Schwenkarme in der Schließstellung ein Paar von Elementen umfasst, von denen zumindest eines ein Permanentmagnet ist und das andere zumindest auf eine magnetische Anziehung reagiert. Ferner sind Mittel zur kinematischen Verbindung jedes dieser Elemente mit einem dritten Bereich eines jeweiligen Schwenkarms vorgesehen, so dass die genannten Elemente in der Schließstellung einander gegenüberlägen und sich gegenseitig anzögen und die genannte Beziehung in der Öffnungsstellung unterbrochen bzw. unwirksam wird (Abs. 8).

92

Die kinematische Verbindung zwischen jedem Schwenkarm und dem entsprechenden Element könne durch verschiedene Mittel gewährleistet werden. Besonders einfach und zuverlässig sei der Einsatz eines Schwenkhebels, der einerseits am dritten Bereich des jeweiligen Schwenkarms und anderseits am anderen Schwenkhebel um Achsen angelenkt sei, die zueinander und zu den Anlenkachsen der Schwenkarme am Träger parallel verliefen. Dabei würden die genannten Elemente fest von Bereichen der Schwenkhebel getragen, die in der Schließstellung annähernd aneinandergrenzten und in der Öffnungsstellung im Wesentlichen voneinander getrennt seien (Abs. 11 Z. 21-33).

93

Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 2 und 3 zeigen eine Ausführungsform in Schließstellung bzw. Öffnungsstellung.

string
94

Um dazu beizutragen, dass die Greifeinrichtung in ihrer Schließstellung oder in einer Position nahe dieser Stellung gehalten wird, sind nach den Ausführungen in Ni10 zwei Elemente (55, 56), von denen eines ein Permanentmagnet sei und das andere aus ferromagnetischem Material bestehe oder vorzugsweise ebenfalls ein Permanentmagnet sei, innerhalb von Bereichen (47, 48) der Schwenkhebel (43, 44) in unmittelbarer Nähe der jeweiligen Kantenfläche (62, 63) aufgenommen, so dass sie sich in der Schließstellung gegenseitig anziehen, in der Öffnungsstellung aber keine merkliche gegenseitige Anziehung ausüben (Abs. 48).

95

Zu diesem Zweck könnten die Elemente direkt bündig mit einer Kantenfläche des jeweils entsprechenden Schwenkhebels angeordnet sein. Wenn jedoch, wie es insbesondere aus hygienischen Gründen häufig der Fall sei, die Schwenkhebel - wie die Gesamtheit der Komponenten der Greifeinrichtung (1) - aus einem nichtmagnetischen Material wie rostfreiem Stahl hergestellt seien, könnten die Elemente auch leicht zurückgesetzt angeordnet sein, wie es in dem gezeigten Beispiel der Fall sei (Abs. 49).

96

In diesem Beispiel sei jeder Schwenkhebel (43, 44) in einem Bereich (47, 48) von seiner der Ebene (3) gegenüberliegenden Seite aus von einem Sackloch (64, 65) durchbohrt, wobei in der Nähe der Kantenfläche (62, 63) ein Ansatz (66, 67) zurückbleibe. Beispielsweise würden die beiden Sacklöcher (64, 65) von einer inneren Umfangsfläche (68, 69) begrenzt, die um eine zur Achse (3) senkrecht verlaufende Achse rotationszylindrisch mit identischem Durchmesser ausgebildet sei. Eine weitere Begrenzung bilde ein ebener Boden (70, 71), der senkrecht zu dieser Achse angeordnet sei, um den oben genannten Ansatz (66, 67) zu definieren (Abs. 50).

97

In jedem der so gestalteten Sacklöcher (64, 65) sei jeweils eines der Elemente (55, 56) angeordnet. Diese könnten die Form eines Stababschnitts mit kreisförmigem Querschnitt aufweisen. Der Durchmesser sei im Wesentlichen mit dem der Umfangsflächen (68, 69) identisch. Die Elemente seien rechtwinklig abgeschnitten, um ebene Stirnflächen zu definieren. Je eine davon liege flach am Boden (70, 71) des entsprechenden Sacklochs (62, 63) an (Abs. 51).

98

Zur Befestigung der Elemente (55, 56) im Inneren des jeweiligen Sacklochs (64, 65) kämen verschiedene Mittel in Betracht, etwa ein Einpressen, ein Verkleben oder eine lösbare Halterung durch einen geschlitzten Ring, wobei diese Beispiele nicht einschränkend seien (Abs. 52).

99

bb) Daraus ergibt sich, dass die Permanentmagnete auch in der Richtung zum anderen Magneten hin durch nichtmagnetisches Material abgeschirmt sein können.

100

Angesichts des auch in Ni10 zum Ausdruck gebrachten Bestrebens, Stellen, an denen sich Bakterien ansammeln können, unter den für die Verarbeitung von Lebensmitteln geltenden Hygieneanforderungen möglichst zu vermeiden, ergab sich daraus die Anregung, auch an anderen Stellen eine Abschirmung vorzusehen, wenn sich dies unter hygienischen Aspekten als wünschenswert erweist. Angesichts des in Ni10 offenbarten Hinweises, dass die Magnete grundsätzlich auf jede beliebige Weise im Sackloch befestigt werden können, ergab sich vor diesem Hintergrund die Anregung, das Sackloch bei Bedarf vollständig zu verschließen, also die Magnete in Edelstahl einzukapseln.

101

6. Der Gegenstand von Patentanspruch 5 beruht ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

102

a) Mangels konkreter Vorgaben in Ni7 zur Form des Magneten gehörte eine Zylinderform zu den insoweit in Betracht kommenden Möglichkeiten. Eine solche ist zudem durch Ni10 offenbart, jedenfalls aber nahegelegt.

103

b) Aus der oben aufgezeigten Anregung, die Magnete bei Bedarf einzukapseln, ergab sich zugleich die Anregung, hierfür bei Bedarf ein separates Kapselgehäuse vorzusehen und dieses am Greiferarm zu befestigen.

104

Wie bereits im Zusammenhang mit Patentanspruch 3 dargelegt wurde, bestand Anlass, die Magnete in Edelstahl einzukapseln, wenn dies aus Gründen der Hygiene oder zum Schutz vor schädlichen Einwirkungen wünschenswert erscheint. Ein vergleichbares Bedürfnis besteht auch dann, wenn nur die Magnete eines solchen Schutzes bedürfen, nicht aber die übrigen Bestandteile des Greifarms.

105

Dies gab Veranlassung, je nach Ausgestaltung eine Einkapselung nur für die Magnete in Betracht zu ziehen. Hierzu bot sich ein separates, am Greiferarm befestigtes Kapselgehäuse an.

106

IV. Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 119 Abs. 5 Satz 2 PatG).

107

Das Streitpatent erweist sich aus den oben aufgezeigten Gründen im gesamten angegriffenen Umfang als nicht rechtsbeständig.

108

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG sowie § 91 Abs. 1 ZPO.

Bacher

Hoffmann

Deichfuß

Rombach

Crummenerl

Von Rechts wegen

Verkündet am: 12. Dezember 2023

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.